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App.net-Gründer Dalton Caldwell im Interview: David gegen Goliath im Social Web

Dalton Caldwell ist Gründer von App.net, einer Social-Media-Plattform, die sich als Gegenentwurf zu den großen Playern wie Facebook und Twitter positioniert. Hier zahlen Nutzer für ihre Mitgliedschaft Geld, Werbung gibt es keine. Wir sprachen mit Caldwell über den Dienst und die zukünftige Strategie, den NSA-Datenskandal und darüber, wie er sich die Personal Cloud der Zukunft vorstellt.

7 Min. Lesezeit
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t3n Magazin: App.net wurde anfangs von Ihnen und auch von den Medien als Alternative zu Twitter und Facebook positioniert. Wie würden Sie App.net beschreiben?

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Dalton Caldwell: App.net sehe ich als Äquivalent zu dem, was Facebook Connect ist: ein plattformübergreifendes Social Login – mit dem großen Unterschied, dass Nutzer ihre Inhalte selbst besitzen. Wir sind nicht werbefinanziert, wir benutzen die Daten nicht, um gezielte Werbung anzuzeigen. Aus Nutzersicht sind Services wie Facebook Connect sehr praktisch, weil sie sich damit auch bei anderen Diensten einloggen können. Pinterest etwa wäre nicht so groß geworden, wenn die Anmeldung über Facebook nicht möglich wäre. Was die Entwickler angeht: Viele von ihnen stoßen bei Facebook und Twitter an ihre Grenzen. Twitter zum Beispiel limitiert die Nutzerzahl für Apps von Drittanbietern auf 100.000. Wer seinen Usern eine einfache Login-Option bieten will, bei der kein eigenes Profil erforderlich ist, für den ist App.net eine Alternative.

t3n Magazin: App.net ist also eher eine Infrastruktur als ein klassischer Social-Media-Service wie Twitter oder Facebook?

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Dalton Caldwell: Genau, wir sehen uns als Plattform. Der Anreiz, den wir für die Endnutzer haben, ist nicht App.net selbst, sondern sind die Apps, die wir in dem App.net-Ökosystem anbieten. Wir haben heute hunderte Anwendungen für Photosharing, Microblogging und Messaging. Je mehr wir haben, desto attraktiver werden wir für den Massenmarkt.

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t3n Magazin: Derzeit sieht App.net jedoch noch sehr technisch aus. Wer ist denn die anvisierte Zielgruppe – Entwickler oder der Consumer-Markt?

Dalton Caldwell: Beide. Wir arbeiten eng mit Entwicklern zusammen, die Apps für App.net schreiben, und erklären, wie sie die API richtig einsetzen. Natürlich richten wir uns mit unserem Angebot auch an Endkunden, die diese Apps nutzen sollen.

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t3n Magazin: Sie haben auch eine mobile App entwickelt mit dem Namen „Passport“. Wie ist diese Applikation in das App.net-System integriert?

Dalton Caldwell: Mit Passport möchten wir es dem User erleichtern, neue Apps in unserem Ökosystem zu entdecken. In Passport können alle Anwendungen abgelegt werden. Zudem werden neu gelaunchte Apps vorgestellt. Der Nutzer braucht sich auch nicht für jede App einzeln anmelden, sondern muss sich nur bei Passport mit dem App.net-Login anmelden. Deshalb ist hier die Hürde, Neues auszuprobieren, sehr gering.

t3n Magazin: Wie viele registrierte User haben Sie derzeit?

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Dalton Caldwell: Derzeit haben wir 160.000 User-Accounts. Im März waren wir noch bei rund 30.000 Anmeldungen, wir sind in den vergangenen Monaten also stark gewachsen. Etwa 30 Prozent der Nutzerschaft loggt sich zumindest einmal im Monat ein.

Dalton Caldwell ist davon überzeugt, dass die Personal Cloud der Zukunft darin besteht, dass die Nutzer plattformübergreifend Zugriff und Kontrolle über ihre Daten haben.
Dalton Caldwell ist davon überzeugt, dass die Personal Cloud der Zukunft darin besteht, dass die Nutzer plattformübergreifend Zugriff und Kontrolle über ihre Daten haben.

t3n Magazin: Deutschland ist ein wichtiger Markt für Sie. Wie viele deutsche Nutzer hat App.net?

Dalton Caldwell: Deutschland ist nach den USA unser zweitwichtigster Markt, danach kommt Großbritannien. Rund 20 Prozent unserer Nutzer kommen aus Deutschland. Die Marktdurchdringung ist in Deutschland sogar höher als in den USA. Wieso das so ist, kann ich gar nicht genau erklären. Ich habe schon mehrere Apps entwickelt, dabei habe ich eines gelernt: Du weißt nie genau, warum du in gewissen Regionen populär wirst. Vieles davon ist purer Zufall. Wir hatten einige deutsche Early Adopters und Personen mit entsprechender Reichweite wie Tim Pritlove, die bereits in der Frühphase viel über App.net berichteten.

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t3n Magazin: Lassen Sie uns über’s Geld sprechen. Zum Launch von App.net haben Sie gesagt, dass der Dienst nie werbefinanziert sein wird. Sehen Sie das noch immer so?

Dalton Caldwell: Ja, wir bleiben weiterhin werbefrei, das ist unser Grundsatz. Viele meinen, man könnte ohne Werbevermarktung kein erfolgreiches Unternehmen führen. Ich widerspreche dem. Dropbox zum Beispiel ist nicht werbegestützt, und es wäre auch eigenartig, dort Werbung zu sehen. Bei App.net gibt es ein Freemium-Modell – wer mehr Nutzungsmöglichkeiten und Datenspeicher will, der kann für 36 Dollar pro Jahr einen Premium-Account beziehen. Die Developer-Mitgliedschaft kostet 100 Dollar jährlich. Die Nutzer zahlen also direkt für unseren Dienst.

t3n Magazin: Versuchen Sie aktiv, registrierte User zu zahlenden Kunden zu konvertieren?

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Dalton Caldwell: Derzeit bin ich mehr damit beschäftigt, einen tollen Dienst zu bauen. Wir wollen unsere User nicht ständig dazu drängen, ein Upgrade zu kaufen. Das würde mich als Nutzer auch stören. Mir ist in erster Linie wichtig, dass Entwickler sinnvolle Apps anbieten, die gut ankommen. Das Angebot hat sich in den vergangenen Monaten sehr verbessert und ist attraktiver für den User geworden.

t3n Magazin: Was würden Sie als Alleinstellungsmerkmal von App.net bezeichnen – warum sollte jemand für Ihre Plattform entwickeln?

Dalton Caldwell: Wer bei der Entwicklung seiner Dienste nicht von Facebook oder Twitter abhängig sein will, muss eine Plattform komplett neu aufbauen. Das bedeutet jedoch, dass es zu Beginn absolut keine Nutzerschaft gibt. App.net ist eine alternative Plattform, bei der neben der Login-Funktion und dem App Store bereits eine Nutzerbasis vorhanden ist. Auch wenn sie klein ist, ist sie größer als Null. Entwickler können bei uns auch Geld verdienen, indem sie ihre Apps kostenpflichtig anbieten. Die Erlöse gehen zu 100 Prozent an die Entwickler.

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t3n Magazin: Vor Kurzem haben sie ein Investment in Höhe von 2,5 Millionen Dollar von Andreessen Horowitz erhalten. Angesichts dessen sitzen Sie mit Ihrem Team in einem bescheidenen Büro mit überschaubarer Belegschaft. Welche Pläne haben sie mit der Finanzierung?

Dalton Caldwell: Ein Risiko unseres Geschäfts ist, dass die Nutzer sich irgendwann nicht mehr für unseren Dienst und den Nutzen, den wir im Vergleich zu den großen Social-Media-Diensten haben, interessieren könnten. Mit dem Investment stellen wir sicher, dass wir präsent bleiben und unsere Relevanz weiter steigern. Es gibt uns die Ressourcen, unser Angebot zu optimieren und weiterzuentwickeln. Unser Team wollen wir möglichst schlank halten – obwohl wir bereits Erlöse machen. Warum sollten wir auch mehr Leute einstellen, als wir brauchen? Wir haben nicht vor, drastisch zu wachsen. Unser Plan ist es, weiterhin das zu tun, was wir am besten können: App.net stetig verbessern. Wir haben keine quantifizierbaren Ziele. Wir brauchen einen hervorragenden Dienst und wir müssen relevant bleiben. Diese Ziele sind komplett anders, als uns nach irgendwelchen Nutzerzahlen zu richten.

Dalton Caldwell will sein Team schlank halten – trotz Millioneninvestition sollen nicht unnötig neue Leute eingestellt werden. In diese Philosophie passt auch das aktuelle, sehr schlichte Büro des Startups.
Dalton Caldwell will sein Team schlank halten – trotz Millioneninvestition sollen nicht unnötig neue Leute eingestellt werden. In diese Philosophie passt auch das aktuelle, sehr schlichte Büro des Startups.

t3n Magazin: Und Ihre Investoren sind mit dieser lockeren Ansicht zufrieden?

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Dalton Caldwell: Investoren wollen Unternehmen, die langfristig Bedeutung und Einfluss haben – wie Twitter oder Dropbox zum Beispiel. App.net hat das Potenzial, von Millionen Menschen verwendet zu werden. Deshalb ist es okay, Geduld zu haben und Zeit zu investieren.

t3n Magazin: Angenommen, Sie bleiben relevant, wo steht App.net in fünf Jahren?

Dalton Caldwell: Bedarf für Angebote wie unseres ist auf jeden Fall da. In Zukunft wird jeder User seine Personal Cloud haben, in der er die Kontrolle über seine Daten hat – Bilder, Videos, Textdokumente aus den unterschiedlichsten Applikationen. Die Daten werden zentral und nicht mehr in den einzelnen Ökosystemen und Apps gespeichert. Mit App.net ließe sich ein solcher Service bereits heute bauen – technisch wäre es möglich, wenn auch mit viel Aufwand. Unser Job bei App.net ist es, den Grundstein für diese Entwicklung zu legen.

t3n Magazin: Das Thema Privatsphäre und Kontrolle über die eigenen Daten beschäftigt seit dem NSA-Skandal die ganze Welt. Was ist Ihre Einstellung dazu?

Dalton Caldwell: Ich habe über PRISM und Co. bisher nicht viel öffentlich gesagt, weil es dazu kaum mehr etwas zu sagen gibt, aber da Sie fragen: Ich bin persönlich angewidert, es ist ganz klar eine Missachtung des Gerichtssystems. Wir sind ein amerikanisches Unternehmen, bisher haben wir noch keine Anfragen der NSA bekommen. Aber es hat natürlich unserer Glaubwürdigkeit geschadet.

Dalton Caldwell will auch in Zukunft keine Werbung auf App.net zulassen.
Dalton Caldwell will auch in Zukunft keine Werbung auf App.net zulassen.

t3n Magazin: Wie wird sich der NSA-Skandal auf die Social-Media-Industrie auswirken? Die vergangenen Jahre im Social Web waren doch sehr geprägt von Offenheit, Transparenz und Sharing. Sind die Nutzer nun vorsichtiger?

Dalton Caldwell: Das wird sich zeigen. Die heutige Jugend wird einen großen Einfluss darauf haben, wie sich Social Media weiterentwickelt. Die junge Generation ist immer jene, die bestimmt, wie Dienste genutzt werden. Unsere Generation hat zum Beispiel maßgeblichen Einfluss auf den enormen Bedeutungszuwachs von Facebook gehabt. Was PRISM und Co. angeht, entbehrt der Skandal nicht einer gewissen Ironie: NSA-ähnliche Dinge passieren bei Ad-Targeting täglich – und niemand weiß davon oder interessiert sich dafür. Für mich ist schwer zu verstehen, warum das, was die NSA macht, so viel schlimmer ist, als das, was die Werbeindustrie macht.

t3n Magazin: Die Werbebranche entgegnet auf solche Vorwürfe mit dem Argument: „Wenn ein Produkt kostenlos ist, ist der Nutzer mit seinen Daten das eigentliche Produkt.“ Welche Rolle spielt der Nutzer bei App.net?

Dalton Caldwell: Der Nutzer ist der Kunde. Das ist unsere Definition. Wenn der Nutzer der Kunde ist, bauen wir andere Services, als wenn wir nur Ad-Impressions verkaufen wollen würden. Bei App.net arbeiten deshalb auch keine Sales-Leute, wir brauchen sie nicht.

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