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Association-Präsident Olivier Dobberkau im Interview: Die Zukunft von TYPO3

Vor acht Jahren begann das TYPO3-Projekt, sein Content-Management-System von Grund auf neu zu entwickeln. Heute existiert zwar mit Neos ein runderneuertes System, das allerdings in der Praxis bisher kaum zum Einsatz kommt. Auch der Umstand, dass es heute zwei TYPO3-Systeme gibt, wirft Fragen auf. Wir sprachen mit Olivier Dobberkau – Präsident der TYPO3 Association – über aktuelle Herausforderungen und die Zukunft des Open-Source-Projekts.

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t3n Magazin: Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die TYPO3 Association mit dem Ziel gegründet, die langfristige und nachhaltige Weiterentwicklung von TYPO3 sicherzustellen. Wurde das Ziel erreicht?

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Olivier Dobberkau: Mit dem Blick in die Vergangenheit gesprochen: Ja, denn sonst gäbe es uns ja heute nicht mehr. Die Gründer der TYPO3 Association haben damals die richtige Vision für die TYPO3-Community auf den Weg gebracht: Zum Teilen anregen (Inspire to Share) ist ein großartiger Auftrag, der die Community grundlegend geprägt hat. In den letzten zehn Jahren haben sich viele Menschen an der Weiterentwicklung von TYPO3 beteiligt, die für einen steten Fortschritt gesorgt haben. Deren Aktivität, die in unzählige Releases und Contributions gemündet haben, sind für mich Erfolgsindikatoren für das oben angesprochene Ziel.

t3n Magazin: Die TYPO3 Association verwaltet heute ein jährliches Budget von rund einer halben Millionen Euro. Müsste ein Verein dieser Größenordnung nicht einen in Vollzeit beschäftigen Geschäftsführer und weitere Angestellte haben, die sich um die Geschäfte des Vereins kümmern?

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Olivier Dobberkau: Ich denke diese Frage hat sich jeder gestellt, der in der TYPO3 Association Verantwortung übernommen hat. Der finanzielle Rahmen, über den wir heute verfügen, war ja nicht immer so gegeben. Galt es am Anfang Dinge anzustoßen, so wird mittlerweile erwartet, dass die TYPO3 Association mehr Meinungsführung übernimmt. Im vergangenen Jahr haben wir den Dialog mit unseren Mitgliedern gesucht und haben mit mehr als 200 in der TYPO3-Welt tätigen Menschen gesprochen. Aus diesem Dialog wurden drei mögliche Szenarien für die Zukunft der TYPO3 Association entwickelt, die wir vor einigen Wochen den Mitgliedern und der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Der Verein ist aktuell in einer guten Verfassung, schöpft aber sein eigentliches Potenzial nicht voll aus. So gab es während unserer Aktivitäten Phasen, in denen wir uns unserer Rolle nicht immer klar waren. Wir haben im Vorstand der Association daher im vergangenen Jahr den Entschluss gefasst, uns von einer Mitarbeiterin in Vollzeit dabei helfen zu lassen, Maßnahmen umzusetzen. Dennoch sind ein Geschäftsführer und ein paar bezahlte Mitarbeiter keine Garantie für Erfolg. Es kommt auf die Angebote an, die wir unserer Community machen und welche Chancen wir schaffen. Auch finde ich es eindimensional zu glauben, dass nur Geld Dinge ermöglicht. Es hilft sicherlich, um manche Dinge schneller zu realisieren. Für mich kommt es aber darauf an, dass das Geld dort eingesetzt wird, wo es von uns erwartet wird. Im Detail sind das für mich die Bereiche Forschung, Qualifikation, Marketing und Kommunikation. Unsere Mitglieder haben uns auf der diesjährigen Jahresversammlung eindeutig einen Auftrag gegeben: Ein Konzept für die Umgestaltung der Organisation entwickeln, das den geänderten Erfordernissen des Marktes und der Teilnehmer gerecht wird und dazu beiträgt, den Erfolg von TYPO3 zu sichern und auszubauen. Wir stehen dabei vor der Herausforderung, mehr ökonomische Prozesse in das TYPO3-Projekt einfließen zu lassen und dabei trotzdem unsere Werte zu erhalten.

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Neues Major Feature von Neos 1.2 ist unter anderem das Konzept der Content Dimensions: Es ermöglicht Website-Betreiber, je nach Plattform (etwa Desktop oder Mobile) jeweils unterschiedliche Inhalte auszuspielen.
Neues Major Feature von Neos 1.2 ist unter anderem das Konzept der Content Dimensions: Es ermöglicht Website-Betreiber, je nach Plattform (etwa Desktop oder Mobile) jeweils unterschiedliche Inhalte auszuspielen.

t3n Magazin: Im Jahr 2007 hat das Projekt begonnen, das TYPO3 CMS, losgelöst vom damaligen Code, von Grund auf neu zu entwickeln. Heute, rund acht Jahre später, gibt es zwar das neue CMS „TYPO3 Neos“ in Version 1.2, aber kaum jemand setzt es ein und die Einstiegshürde für neue Nutzer ist hoch. Woran liegt das, schließlich sind acht Jahre eine lange Zeit?

Olivier Dobberkau: Ich denke, wir müssen das differenzierter betrachten: Für mich steht fest, dass ein großer Teil der Zeit bei der Entwicklung von Neos in Grundlagenforschung gegangen ist. Diese Forschung kann, muss aber keine Ergebnisse im Sinne von kommerzieller Verwertung haben. Hier sollten wir alle die Größe haben, das Aufrechnen von Zeit und Erwartungen zu beenden. Uns ist das Problem der Einstiegshürden bekannt und wir wissen, dass das Team um Neos hart daran arbeitet, Anwendern einen leichteren Einstieg zu ermöglichen. Was wir aber auch sehen ist, dass die Konzepte in Neos sehr zukunftsweisend sind. Zudem ist ja auch das bestehende TYPO3 CMS eine mächtige Lösung, die als Messlatte gilt.

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t3n Magazin: War es rückblickend betrachtet ein Fehler, TYPO3 von Grund auf neu zu entwickeln und dabei mit TYPO3 Flow sogar ein eigenes PHP-Framework zu erfinden, statt auf Basis bestehender Lösungen TYPO3 zu modernisieren?

Olivier Dobberkau: Mir steht es nicht zu, ein solches Urteil zu fällen und es ist immer einfach, Entscheidungen von anderen zu kritisieren. Was ich gelernt habe, ist dass Dinge sich ändern und es auf die Kommunikation ankommt, um alle Beteiligten abzuholen. Jeder wird mir zustimmen, dass es auch wichtig ist, selbst Erfahrungen zu machen. Der Wunsch etwas selbst zu gestalten und zu verstehen ist ein starkes Motiv. Diesen Drang unterstelle ich jedem guten Entwickler. Die für mich interessantere Frage ist: Was lernen wir daraus für die Zukunft unserer Produkte? Was können wir beim nächsten Mal verbessern, wie können wir dieses Wissen an andere weitergeben? Was den damaligen Modernisierungswunsch von TYPO3 CMS angeht, bin ich ein wenig skeptisch. Alles unterliegt dem Zeitverlauf und Moden gibt es auch in unseren Tätigkeitsfeldern. Sind wir immer in der Lage diese zu erkennen und die richtige Entscheidung zu treffen? Wahrscheinlich würden wir diese Entscheidung heute anders treffen, aber will man jetzt diejenigen, die damals entschieden haben, verdammen? Damit würden wir uns auf Dauer jede Freiheit nehmen. Positiv finde ich, dass aus dieser grundlegenden Neuentwicklung vieles in das bestehende TYPO3 CMS zurückgeflossen ist und es dadurch verbessert hat.

t3n Magazin: Die meisten Agenturen mit denen wir sprechen, setzen für komplexere Projekte auf das etablierte PHP-Framework Symfony, statt auf TYPO3 Flow. Woran liegt das? Am Produkt, am fehlenden Marketing oder an etwas ganz anderem?

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Olivier Dobberkau: Den direkten Vergleich zu Symfony kann ich technisch nicht beurteilen. Ich denke, dass hier die Rahmenbedingungen für Symfony andere waren und dass diese zum Erfolg beigetragen haben. Dazu kommt, dass in den vergangenen Jahren in der PHP-Welt ja auch viel passiert ist: Entwickler legen inzwischen großen Wert auf moderne Konzepte, die durch Frameworks ermöglicht werden. PHP als reine Skriptsprache spielt heute eine eher untergeordnete Rolle. Idealerweise führt die allgemeine Entwicklung in der PHP-Welt zu einer Annäherung und Interoperabiltät der diversen Frameworks. In Zukunft wird es hier viel Bewegung geben. Im PHP-Library-Bereich hat sich etwa mit composer vieles getan. Auch die Tatsache, dass Drupal 8 zum Teil auf Symfony setzt, bestätigt diese technologische Entwicklung: mehr Variationsformen in der Nutzung der Frameworks, mehr Annäherung. Aber zurück zu Flow: Wenn ich kritisch auf das PHP-Framework schaue, dann spielt sicherlich die fehlende Dokumentation für Einsteiger eine Rolle.

t3n Magazin: Derzeit gibt es mit TYPO3 CMS und TYPO3 Neos zwei völlig unterschiedliche Content-Management-Systeme, die parallel entwickelt werden. Wird sich das in Zukunft ändern?

Olivier Dobberkau: Idealerweise bewegen sich beide Projekte aufeinander zu. Das Content-Repository in Neos ist ein sehr starkes Konzept. Hier könnte ein mögliches Konvergenz-Szenario passieren. Beide Produkte könnten diese Basis nutzen. TYPO3 CMS könnte ferner vom Inline-Editing von Neos profitieren.

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t3n Magazin: Für Außenstehende ist es aber verwirrend, dass es derzeit zwei „TYPO3s“ gibt. Wie erklärst du das jemandem, der sich für TYPO3 interessiert?

Olivier Dobberkau: Ich würde erklären, dass es zwei Geschwister mit verschiedenen Begabungen sind: TYPO3 CMS mit einer großen Funktionsvielfalt, Long-Term-Support und Stärken bei Sprach- und Domainvielfalt. Und Neos für Kunden, die großen Wert auf leichte Editierbarkeit von Inhalten legen und sich für spannende Konzepte wie Content-Dimensionen interessieren. Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme, die in den kommenden Jahren anders aussehen kann.

t3n Magazin: Was sind die größten Herausforderungen, vor denen das TYPO3-Projekt in den nächsten Jahren stehen wird?

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Olivier Dobberkau: Jedes Projekt steht vor der Frage, wie es relevant bleiben kann. Bei allem Erfolg für ein Produkt: Zeit zum Ausruhen gibt es keine. Wichtig ist es, den Nutzer des Produkts und seine Probleme als Maßstab für weitere Entwicklungen zu sehen. Löse ich keine Probleme mehr oder habe ich keine Antworten parat, dann habe ich auch keine Zukunft mehr.

t3n Magazin: Der Content-Management-Markt hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht nur gravierend gewandelt, auch die Konkurrenz ist heute schlicht riesig. Wo verortet die Association TYPO3 und wer sind die größten Konkurrenten?

Olivier Dobberkau: Wenn ich so mir anschaue, wer alles noch keine CMS einsetzt, dann sage ich, dass die größte Konkurrenz von den Texteditoren und FTP- Programmen ausgeht. Das ist natürlich sehr plakativ. Tatsächlich werden derzeit nur 40 Prozent der Websites mit Content-Management-Systemen erzeugt. Hier ist WordPress der Platzhirsch.

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t3n Magazin: Was sind aus deiner Sicht derzeit die wichtigsten Trends im Bereich Content-Management?

Olivier Dobberkau: Im Enterprise-Bereich, also in dem Segment, in dem TYPO3 CMS seine Stärken ausspielt, geht der Trend klar zu Systemen, mit denen man mobile Inhalte bequem erstellen kann. Die Personalisierung von Inhalten wird zudem künftig eine größere Rolle spielen und die Zusammenarbeit mit anderen Systemen mittels standardisierten Schnittstellen wird an Bedeutung gewinnen. Was merkwürdigerweise nicht so richtig zündet, ist die semantische Annotation von Content. Hier mangelt es wohl an der Killer-Applikation, die den Anwendern vor Augen führt, welche großen verborgenen Schätze im Content schlummern. Ein erklärtes Ziel der TYPO3 Association ist es, in diesem Bereich stärker für Wissen und somit für technologische Führung zu sorgen.

t3n Magazin: Reden wir über neue Märkte: In den USA ist TYPO3 trotz einiger Bemühungen immer noch sehr unbekannt. Plant die TYPO3 Association, das zu ändern?

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Olivier Dobberkau: Die Märkte sind einfach sehr unterschiedlich: Gilt es in Europa zum Beispiel, Investments in Technologie nachhaltig zu machen, so liegt das Augenmerk in den USA eher auf einer schnellen Lösung aktueller Probleme. Auch spielt wohl die Skepsis gegenüber Open-Source-Software, die nicht von einem Hersteller kommt, eine große Rolle. Und das in dem Land, in dem die Idee des freien Codes entstanden ist! Vielleicht findet sich ja der eine oder andere strategische Investor, der mal ein paar Millionen für uns übrig hat und uns auf diese Weise einen Markteintritt ermöglicht.

t3n Magazin: Wenn du abschließend einen Wunsch für das TYPO3-Projekt frei hättest, der in Erfüllung geht: Welcher wäre das?

Olivier Dobberkau: Ich wünsche mir und damit unserer Community, dass wir bei allen Herausforderungen unsere gemeinsamen Werte und die Freundschaft nicht vergessen. Denn diese sind die Basis für Innovation und Vertrauen in unsere Produkte.

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