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Eine moderne Softwaretelefonanlage: Asterisk

Über 100 Jahre lang tat das analoge Telefon solide seinen Dienst, bis es Anfang der 90er durch ISDN abgelöst wurde. Doch selbst ISDN scheint mittlerweile veraltet, vergleicht man es mit den heutigen Technologien des Telefonierens über Computernetzwerke auf der Grundlage von Voice-over-IP (VoIP).

7 Min. Lesezeit
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Ist VoIP die Lösung für uns alle? Nein, denn bei dem zurzeit weltweit anhaltenden Umstiegsboom auf VoIP muss beachtet werden, dass Deutschland in puncto ISDN international eine Ausnahmestellung einnimmt. Wir haben mehr ISDN-Anschlüsse als die USA und Japan zusammen. In den USA wird oft von analog auf VoIP, bei uns meist von ISDN auf VoIP umgestellt. Da die Sprachqualität im amerikanischen Telefonnetz traditionell nicht die beste ist, führt der Umstieg (analog auf VoIP) in der Regel zu einer Qualitätsverbesserung. Wir hingegen telefonieren mit ISDN seit rund zehn Jahren auf dem subjektiven Qualitätsniveau einer Musik-CD und möchten nicht ohne Not auf bandbreitensparende Codecs, wie dem vom Handy bekannte GSM-Codec heruntergestuft werden. Deshalb hat sich diese an sich nicht gerade neue Technologie die ganzen Jahre in Deutschland nicht richtig durchsetzen können. Da wir aber heute im Zeitalter der privaten 6 MBit DSL-Anschlüsse mit Flatrate leben, kann man problemlos die „Bandbreitenfresser“ unter den Sound-Codecs, wie etwa den auch vom ISDN bekannten G.711 benutzen, um eine sehr gute Sprachqualität zu garantieren. Trotzdem sollte man sich der Tatsache bewusst sein, das VoIP-Telefonie über das Internet zurzeit nicht die gleiche gefühlte Qualität wie eine klassische Telefonverbindung hat. Das liegt hauptsächlich an den Latenzzeiten. Das menschliche Ohr ist bezüglich dieser kleinen Verzögerungen sehr empfindlich. Im Intranet hat man dieses Problem meistens nicht. Um es aber Vorweg zu nehmen: Asterisk bietet Ihnen die Möglichkeit beide Technologien parallel einzusetzen. So können Sie jetzt eine ISDN-basierte Asterisk-Telefonanlage aufbauen und diese Schritt für Schritt auf VoIP umstellen.

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Anhaltende Neuerungen der letzten Jahre betrafen jedoch nicht nur das Telefonnetz der Telekomunikationsanbieter sondern auch die Telefonanlagen der Kunden. Während noch vor wenigen Jahren Funktionen wie Konferenzschaltungen und ACDs (Automatic Call Distribution) nur bei großen Telefonanlagen für mehrere 10.000 Euro möglich waren, kann man heute eine beliebig komplexe Telefonanlage auf einem Linux-PC mit Software realisieren. Asterisk – ursprünglich vom Amerikaner Mark Spencer entwickelt – ist eine solche Software [1]. Die GPL-Software verbindet die grundverschiedenen Welten der Analog-, ISDN- und VoIP-Telefonie nahtlos miteinander und gibt dem Administrator darüber hinaus volle Kontrolle über die Funktionen.

Eine normale Mittelstand-Asterisk-Telefonanlage besteht aus einem Standard-PC mit einer oder mehreren ISDN-Karten. Auf dem PC wird erst ein aktuelles Linux-System und dann eine aktuelle Asterisk-Version (zum Redaktionsschluss 1.2.1) installiert. Asterisk ist es dabei gleich, ob ein Telefonat über eine analoge, eine ISDN- oder eine VoIP-Verbindung ein- oder herausgeht. Für jeden Verbindungstypen gibt es ein Modul, welches sich um den Incoming- und Outgoing-Traffic kümmert. Im Asterisk-Kern sind alle Sprachverbindungen gleich und können beliebig mit einander verknüpft werden.

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Ein Vorteil gegenüber herkömmlichen Telefonanlagen liegt vor allem im Verzicht auf spezielle, meist teure Systemtelefone für die internen Teilnehmer. Somit muss in Zukunft niemand um seine einmal getätigte Investition fürchten. Man kauft einfach Standard-VoIP-Telefone und kann diese nach Belieben austauschen. Wer will, der kann auch bereits gekaufte ISDN- oder Analog- Telefone über spezielle Analog/VoIP-Wandler verwenden. Selbst die Verkabelung ist einfacher, da man hier auf bereits existierende CAT5 Ethernet-Verkabelung für PCs zurückgreifen kann. Und es besteht die Möglichkeit Außendienstmitarbeiter im Homeoffice an die Telefonanlage anzubinden, als ob sie in der Zentrale sitzen würden. Und dies dank moderner VPN Technologie absolut abhörsicher.

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Prinzipiell unterscheidet man zwei Arten von VoIP-Telefonen: Hardware- und Software-VoIP-Telefone. Die Hardware-VoIP-Varianten gleichen einem normalen Telefon und lassen sich auch so bedienen. Meist besitzen sie einen Ethernet-Eingang sowie einen Ausgang, was einen zusätzlichen Anschluss zum Netzwerk erspart (der Netzwerkanschluss zum PC wird durchgeschleusst). Diese „richtigen“ Telefone werden entweder manuell oder zentral über eine Kombination aus DHCP- und Asterisk-Server konfiguriert. Mit dieser Variante lassen sich zentral Hunderte von Telefonen einfach und schnell umkonfigurieren. Komfortfunktionen, wie ein zentrales Telefonbuch oder eine LDAP-Anbindung, lassen sich ebenfalls abbilden. Sogar die Tastenbelegung lässt sich zentral steuern. Hardware-Telefone gibt es bereits ab 50 Euro, doch die Qualitätsunterschiede sind sehr groß. Wer eine große Installation plant, sollte sich verschiedene Modelle anschauen und die Qualität prüfen. Auf jeden Fall sollte man darauf achten, dass die Software in den Telefonen auch in Zukunft einfach (z. B. über das Internet) aktualisiert werden kann, da die Weiterentwicklung und Verwendung besserer Codecs und Protokolle in der Zukunft zu erwarten ist.

Die zweite Art der VoIP-Telefone wird mit reiner Software abgebildet – Ihr PC wird zum Telefon. Sie müssen lediglich die Software installieren und ein Headset in den entsprechenden Anschluss Ihrer Soundkarte stecken. Doch auch hier gilt: Die Qualität der Headsets ist sehr unterschiedlich aber für das gute Telefonieren essentiell! Wunder sollte man gerade von einem billigen zehn Euro-Headset nicht erwarten, da meistens die Mikrofone von minderer Qualität sind. Vorteil der Software-Telefone ist, dass man sehr leicht Anwendungen, wie zum Beispiel eine Kundendatenbank, mit den Telefonen verbinden kann. Am einfachsten lässt sich dies mit Cut-and-Paste, im besten Fall mit einer Softwareschnittstelle, die bei vielen Applikationen bereits mitgeliefert wird, realisieren. Ein weiterer Vorteil liegt in der Mobilität. Man kann ausgerüstet mit einem Laptop und einem Headset überall genauso telefonieren, als wenn man im Büro sitzen würde.

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Wer möchte, der kann aber auch ein Hardware-Telefon vom PC aus fernsteuern. Dies geht entweder über eine spezielle Schnittstelle oder über einfache URL-Requestes auf dem Asterisk-Server. So kann man selbst von einer Webanwendung aus ein Telefonat initieren. So lassen sich übrigens auch Rückrufbuttons für Kunden auf Webseiten realisieren.

VoIP-Cient-Software gibt es von verschiedenen Anbietern und in allen Preislagen. Empfehlenswert ist das kostenlose SJPhone von SJ Labs [2]. Es funktioniert auf allen gängigen Betriebssystemen und kann sogar auf Pocket- PCs und PDAs installiert werden. Lediglich die Oberfläche ist etwas gewöhnungsbedürftig.

Um eine Idee über die Möglichkeiten von Asterisk zu geben, hier eine unvollständige Liste:
ACD (Automatic Call Distribution)
Ein Anruf wird an mehrere Teilnehmer weitergeleitet. Es klingeln mehrere Telefone.
Queues
Mehrere Anrufer können in so genannte Queues – Sammelwarteschleifen – gepackt und Stück für Stück von einem Team von Agents abgearbeitet
werden. Eine klassische Callcenterfunktionalität.
Voicemail
Beliebig viele Voicemailboxen für einzelne Teilnehmer oder Gruppen.
IVR (Interactive Voice Response)
Automatische Sprachmenüs sind leicht zu programmieren.
Text2Speech
Webseiten oder sonstige Informationen werden automatisch „vorgelesen“.
Hierzu muss nur eine Text2Speech Engine, wie das freie Programm „Festival“,
installiert werden.
Least-Cost-Routing
Wer über das normale Telefonnetz heraustelefoniert, der hat die Option,
mit dieser Funktion enorme Einsparungen zu erzielen. Bei
http://www.telefon-sparbuch.de erhält man fertige Skripte für Asterisk.
Zeitschaltungen
Beliebig komplexe Zeitschaltungen sind per Skript programmierbar. So
bekommen zum Beispiel Anrufer an Feiertagen eine andere Ansage als
nachts oder tagsüber.
Fernsteuern
Die Steuerung der Anlage von beliebigen Programmiersprachen ist möglich.
Mehrsprachigkeit
Die Sprachprompts (z. B. für die Voicemailbox) können in mehreren Sprachen abgelegt werden.
Abrechnungssystem
Jedes Telefonat wird auf Wunsch protokolliert und ermöglicht eine manuelle oder automatische Analyse mit Abrechnungssystemen.
Calling-Card-Funktion
Falls nicht jeder Mitarbeiter beliebig raus telefonieren darf, kann man Calling-Cards mit Guthaben anbieten.
Konferenzschaltung
Telefonkonferenzen mit beliebig vielen Teilnehmern sind kein Problem.
Aufzeichnen
Gespräche, auch Konferenzen, lassen sich auf Wunsch aufnehmen, zum
Beispiel als MP3 speichern und erleichtern so das Protokollieren.
Fax
Mit einer kleinen Erweiterung ist eine Asterisk-Anlage auch als Fax (incoming and outgoing) verwendbar.

Bevor man allerdings mit den Vorzügen der VoIP-Telefonie Bekanntschaft machen kann, muss man den Asterisk erst einmal konfigurieren. Die Komplexität und Unübersichtlichkeit der Konfiguration ist sicherlich der größte Nachteil der Software. Der Anfänger muss dabei eine extrem hohe Hürde bis zum ersten Erfolg nehmen. Linux-Veteranen fühlen sich dabei schnell an die ersten Gehversuche mit sendmail erinnert. Es gibt zwar Software-Lösungen, die mit einfachen Eingabemasken – meist auf einer Web-GUIs – dieses Manko beseitigen wollen, in der Praxis kommt man aber um ein manuelles Eingreifen selten herum, wenn man sich nicht nur mit den „08/15-Features“ begnügen will. Wer unabhängig davon einen schnellen Einstieg sucht, dürfte mit Komplettlösungen wie Asterisk@Home [3] gut bedient sein. Dabei wird ein Linux mit der fertigen Asterisk-Installation auf einem PC installiert. In dieser Installation enhalten ist außerdem ein Webserver mit einer Applikation zur Konfiguration des Systems. Man muss also nur noch die IP-Adresse dieses Rechners im Browserfenster seines Lieblingsbrowsers eingeben und kann direkt anfangen.

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Für die erste Installation empfehle ich ein einfaches Setup aus zwei VoIP-SIP-Telefonen, die intern an Asterisk angeschlossen werden. Können diese beiden Anschlüsse miteinander telefonieren, kann man Schritt für Schritt weitere Telefone oder externe Anschlüsse hinzufügen. Wer direkt mit 100 Telefonen und fünf ISDN-Karten startet, der findet sich schnell in einem Konfigurations-Chaos wieder.

Doch wer ist nun mit einer normalen Telefonanlage und wer mit einer Asterisk-Installation besser bedient? Die gewöhnliche Telefonanlage aus dem Media-Markt um die Ecke hat einen wesentlichen Vorzug: Man steckt sie ein und kann im Idealfall nach 15 Minuten Konfiguration telefonieren. Außerdem hat sie meistens weniger bewegliche Teile wie Lüfter oder Festplatten und ist deshalb nicht so anfällig für Hardwareprobleme. Ein erheblicher Nachteil liegt dagegen in der schlechten Ausbaubarkeit und den wenigen Features, die solche Anlagen im günstigen Preis-Segment bieten.

Der besondere Reiz bei einer komplexen Asterisk-Installation liegt in der Kombination mit einem sehr starken Betriebssystem: Wer Linux mag, der wird Asterisk lieben!

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Für wenn lohnt sich also Asterisk? Wer bereits eine Telefonanlage besitzt und mit dieser Zufrieden ist, dem sei die alte IT Regel „Never change a running system!“ ans Herz gelegt. Für alle anderen stellt Asterisk die zurzeit beste Möglichkeit zum Aufbau einer modernen Telefonanlage dar. Dabei müssen grosse Anlagen natürlich mit einer anderen PC-Hardware bestückt werden als kleine Anlagen für den Hausgebrauch. Ausfallsicherheit hat bei einer Installation die höchste Priorität. Ein Telefonat kann im Gegensatz zu einer E-Mail nicht fünf Minuten auf einem Server liegen bleiben.

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Adrian

habe mir selber grad eine Virtuelle Telefonanlage installieren lassen.Bin sehr zufrieden ist absolut ausfallsicher, billiger und schneller als die alte und wir konnten sie genau nach unseren Wünschen anpassen.

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