Weniger ist mehr: Wie man die E-Mail-Flut in den Griff kriegt
Vor dem Zeitalter des Internets und der elektronischen Post beschränkte sich die Kommunikation in der Geschäftswelt im Wesentlichen auf Post, Fax und Telefon. Lässt man das Fax als Dokumentenaustauschmaschine einmal außer Acht, griff man in der Regel zum Hörer, wenn man mal schnell etwas fragen oder abklären wollte. Die Hürde, jemanden anzurufen, ist allerdings ungleich höher, als eine E-Mail zu schreiben. Eine E-Mail wandert erstmal ins Postfach und wartet passiv darauf, bearbeitet zu werden. Bei einem Telefonanruf greift man dagegen aktiv in den Ablauf des Gegenübers ein und verlangt – wenn auch vielleicht nur kurz – die volle Aufmerksamkeit der entsprechenden Person. Der eher unpersönliche und asynchrone Charakter der E-Mail sowie ihre sekundenschnelle Übermittlung sind deshalb die wichtigsten Faktoren für den weltweiten Siegeszug der E-Mail.
Aber wie schaffen wir es, möglichst effektiv mit der Last des übervollen Posteingangs fertig zu werden? Welche Strategien helfen dabei, den ein- und ausgehenden E-Mail-Verkehr auf das Wesentliche zu minimieren? Hier ein paar Tipps, die nicht alle aus dem Lehrbuch stammen, aber vielleicht gerade deshalb besonders effizient sind.
Mailverkehr minimieren
Es ist zu empfehlen, jeglichen automatisierten E-Mail-Verkehr so weit wie möglich zu minimieren, wenn möglich, sogar komplett abzuschalten. Nichts ist schlimmer, als mit unzähligen E-Mail-Newslettern bombardiert zu werden. Nur weil man vor drei Jahren eine Fotobearbeitungssoftware für zehn Euro gekauft und bei der Eingabe der Lizenznummer vergessen hat, das Kreuz bei „Informieren Sie mich bitte über neue Produkte der Firma XYZ” zu entfernen, möchte man nicht auch noch Jahre später Newsletter dieses Unternehmens erhalten. Es ist ratsam, sich die Zeit zu nehmen, jeden Newsletter abzubestellen. Bald schon entwickelt der Posteingang eine angenehme Stille. Ein weiterer Tipp in diesem Zusammenhang: Tools wie Notification Control [1] ermöglichen die Verwaltung sämtlicher Benachrichtigungseinstellungen von genutzten Web-Diensten wie Facebook, Twitter oder LinkedIn.
Oft ist die E-Mail auch einfach das falsche Kommunikationsmittel. Manchmal ist der Griff zum Telefon, der Einsatz von Social-Media-Tools für Unternehmen, das Senden eines Faxes oder die Nutzung anderer Kommunikationsmittel sinnvoller. Auf die Spitze treibt es in dieser Hinsicht übrigens der IBM-Manager Luis Suarez [2], der seit mehr als vier Jahren in einem Selbstexperiment fast ohne E-Mails arbeitet. Er benutzt E-Mails nur noch für Kalendereinträge und rein private, sehr vertrauliche Kommunikation mit einer anderen Person. Für alle anderen – vor allem für geschäftliche Konversationen – setzt Suarez auf Tools wie Chats, Wikis und Twitter. Und er telefoniert wieder deutlich mehr als früher. Auf dieser Weise hat er die Zahl der eingehenden E-Mails um 95 Prozent reduzieren können. Bei seinem letzten Statusreport, den er Anfang des Jahres veröffentlicht hat, gibt er an, im Schnitt nur noch 16 E-Mails zu erhalten – pro Woche.
Bei der Minimierung des ausgehenden E-Mail-Verkehrs ließe sich auch etwas nachhelfen. Der Blogger Seth Godin [3] beispielsweise bringt einen interessanten Aspekt in diesen Kontext, den sich jeder Verfasser einer E-Mail vor Augen führen sollte, bevor er seine E-Mail absendet: „Wenn ich 42 Cent für das Versenden dieser E-Mail bezahlen müsste, würde ich sie dann auch wirklich abschicken?”. Das heißt: Ist der Versand dieser E-Mail wirklich so wichtig, dass das Bezahlen eines kleinen Geldbetrags lohnenswert wäre? Lohnt sich eine E-Mail, nur um einen bereits gesetzten Termin nochmals zu bestätigen – nur um 100 Prozent sicher zu sein?
Zwei eher ungewöhnliche Tipps hat Sascha Lobo in seinem Konzept des hermetischen Schreibens [4] zusammengefasst. Tipp 1: E-Mails zwischen 23 und 0 Uhr absenden. Schickt man seine E-Mails zu später Stunde ab, sind sie beim Empfänger in der Regel morgens im Posteingang – gemeinsam mit hundert anderen E-Mails. Die Wahrscheinlichkeit einer direkten Antwort ist entsprechend minimal. Diese Methode lässt sich vor allem mit E-Mails probieren, die nicht zwingend einer Antwort bedürfen. Wer übrigens nicht bis Mitternacht warten will, kann die E-Mails auch per Zeitprogammierung durch die Leitung schicken.
Auch Lobos zweiter Tipp, die sogenannte Unterwegstaktik, soll helfen, weniger E-Mail zu bekommen: Wann immer es möglich ist, sollte man so tun, als ob man eine E-Mail von unterwegs aus schreiben würde. Beispielsweise kann der Verfasser in die Signatur „Von meinem iPhone gesendet” einfügen. Auch übertrieben viele Rechtschreibfehler oder eine simple Grußformel wie „Grüße von unterwegs” deuten darauf hin, dass der Verfasser unterwegs ist und keine Zeit für E-Mail-Verkehr hat. Gerade bei kürzeren Bestätigungsmails oder Terminabsprachen könnte diese ungewöhnliche Taktik durchaus ein probates Mittel sein, um den E-Mail-Verkehr zu minimieren.
E-Mails effektiver bearbeiten
Auf die Frage, ob Empfänger ihre E-Mails kurz nach Erhalt oder nur zu festen Zeiten bearbeiten sollten, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Einige Experten raten dazu, E-Mails nur innerhalb vorgegebener Zeiten zu bearbeiten, um zu vermeiden, ständig von eintreffenden E-Mails im Workflow gestört zu werden. Andere sagen: Wer wichtige E-Mails nicht zeitnah bearbeitet, der könnte wichtige Aufgaben oder Termine verpassen. In manchen Fällen wäre das fatal.
Wer sich schnell ablenken lässt, der sollte vielleicht sogar den Einsatz eines Tools testen, das die zeitweise Abschottung von der Online-Welt gewährleistet. Wenn jemand ohnehin der Ticker-Typ ist und jede Minute sämtliche Kommunikationskanäle gleich zweimal checkt, dann sollte man ihm das auch nicht verbieten. Womöglich kommen solche Menschen ohne immerwährende Online-Anbindung sogar eher aus ihrem Workflow und brauchen die manchmal nervöse Spannung.
Generell gilt: E-Mails sollten kurz sein. Anhänger von „five.sentence.us” schreiben in ihre Signatur den Verweis auf eine Website [5], die die Grundregel des Gedankens kurz beschreibt. Keine E-Mail, egal wer der Empfänger auch sein mag, ist länger als fünf Sätze. Der Verweis in der Signatur bringt zum Ausdruck, dass die knappe Form der Beantwortung keineswegs unfreundlich zu verstehen sei, sondern dem Grundprinzip der „Five Sentences” folgt. Dieser Zwang des Kurzfassens spart auf der einen Seite Zeit beim Verfasser, der weniger schreiben muss, und ebenso Zeit beim Empfänger, der weniger lesen muss.
Wer bei der Bearbeitung von E-Mails einen besonderen Anreiz braucht, der kann zudem das „Email Game” [6] ausprobieren, das mit Google Mail und Google Apps funktioniert. Der Dienst verspricht über Gamification-Ansätze einen Anreiz für die besonders effiziente Bearbeitung von E-Mails. Auf Basis eines Punktesystems vergibt der Service in Abhängigkeit von abgeschlossenen Aufgaben entsprechende Scores.
Eine Zeituhr spielt dabei eine wesentliche Rolle. Beispielsweise wird für die Beantwortung jeder E-Mail ein Zeitfenster von drei Minuten eingeräumt. Unterschreitet der Nutzer diesen zeitlichen Rahmen, erhält er Punkte. Braucht er länger, droht Punktabzug. Aber Achtung: Der Service verlangt Zugriff auf das E-Mail-Postfach des Nutzers, also auch auf private Daten. Wer damit keine Probleme hat, der sollte diesen erfrischenden Ansatz mal testen.
Weitere Tipps
Die Betreffzeile einer E-Mail funktioniert ein wenig wie die Überschrift eines Artikels: Sie soll Aufmerksamkeit erzeugen und den Leser interessieren. Eine gut formulierte Überschrift soll unter anderem die Relevanz für den Leser verdeutlichen. Genauso verhält es sich auch mit der Betreff-Zeile einer E-Mail. Diese sollte kurz und knapp formuliert sein und klarstellen, worum es geht. Details lassen sich dann in der E-Mail klären.
Viele E-Mail-Ratgeber raten zur Einrichtung von Ordnern im E-Mail-Programm. Ziel soll es sein, Ordnung zu schaffen. Zur Archivierung von E-Mails, die man vielleicht noch braucht, mag das stimmen, aber wer bearbeitet E-Mails, die bereits in Ordner geschoben wurden?
Wirklich zeitkritische, relevante E-Mails sollten im Posteingang bleiben, alles andere entweder in Ordner verschieben oder gleich löschen. Ohnehin ist die Suchfunktion aktueller E-Mail-Software so gut geworden, dass Nutzer wichtige E-Mails innerhalb von Sekunden finden können – auch wenn sie im Posteingang lagern.
Fazit
Patentrezepte für die Bearbeitung von E-Mails und den Versuch, E-Mail-Verkehr zu minimieren, gibt es nicht; schließlich hat jeder seinen ganz eigenen Workflow. Dennoch lässt sich grob zusammenfassen: Weniger ist mehr. Kurz fassen, einfache Sätze formulieren und auch mal zum Telefon greifen sind die Devise. Und wenn einem mal alles zu viel wird, einfach mal den Mut haben, das LAN-Kabel auszustöpseln oder das WLAN abzuschalten.
Ich sehe das wie Seth Godin (42 Cent E-Mail). Jedoch würde ich das vorallem auf Nachrichtendienste wie WhatsApp und auch die Facebook Message erweitern.
Durch diese kostenlose Kommunikation, wird leider machmal bei seinem Gegenüber das Gehirn abgeschaltet.
Anstatt selber ein Problem zu einer Lösung zu finden und nachzudenken, wird oft „schnell“ eine WhatsApp Nachricht verschickt. Das bedeutet wieder Aufwand für den Empfänger und ist finde ich sogar noch „aktiver in den Tagesablauf eingegriffen“ als eine E-Mail, da man die Nachricht sofort erhält und dementsprechend eine kleine erwartunghaltung auf eine schnelle Antwort beim Sender entsteht. Das waren jetzt sogar nur five.sentenc.es ;)
Ich persönlich kann dieses E-Mail Problem kaum nachvollziehen. Ich habe insgesamt drei Mail Postfächer. Eines für rein geschäftliche Kommunikation, eines für Privates und eines für Newsletter oder Benachrichtigungen die mich interessieren.
Die Push Funktion ist nur auf der geschäftlichen Leitung eingeschaltet. Alle anderen Personen wissen, wenn es was gibt das man schnell mit mir besprechen möchte, dann über Whatsapp oder Telefon.
Ich brauche nie mit einer großen Anzahl von Mail zu kämpfen. Alle Personen mit denen ich kommuniziere wissen, dass dringende Dinge nie per E-Mail besprochen werden können. Lediglich ein Rückrufwunsch oder eine Terminanfrage wird per E-Mail erbeten.
Sehr guter Artikel, die Ansätze von Herrn Lobo finde ich brillant. Auf solche offensichtlichen Lösungen bin ich bisher nicht selbst gekommen, man will ja keinen Kunden verärgern.
Wenn eine E-Mail Geld kosten würde, gäbe es warscheinlich kaum Spam und die Sender würde eher überlegen beispielsweise eine Mail mit dem Inhalt o.k. zu senden. Twitter ist da eine effektive Lösung, sich kurz zu halten. Nur wie bringt man das „den Leuten“ bei, gerade jetzt am Jahresanfang sich nicht in epischen Glückwunschanschreiben in Mails zu artikulieren.