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Jimdo-Gründer Springub im Portrait: „Arbeit muss Spass machen“

Seit Kurzem ist Christian Springub aus den USA zurück. Ein Jahr lang baute er in San Francisco das Zweigbüro für den Website-Baukastendienst Jimdo mit auf, nun genießt er wieder die „norddeutsche Raubeinigkeit“. Auch die Investorensuche im Silicon Valley verlief erfolgreich – bis die Jimdo-Gründer selbst einen Rückzieher machten. Aus dieser Zeit hat Springub eine Menge gelernt.

8 Min. Lesezeit
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Christian Springub (Jimdo)

Während sich Springub um den Aufbau des USA-Geschäfts kümmerte, hat sich auch im deutschen Hauptquartier viel getan: 110 Leute arbeiten mittlerweile im Hamburger Jimdo-Büro, das langsam aus allen Nähten platzt und deshalb schon um eine komplette Büroetage erweitert wurde. Trotzdem ist es für Springub gar nicht so einfach, den passenden Ort für ein Interview zu finden: Überall wuseln Mitarbeiter umher. Zum Glück ist im „Aquarium“ noch Platz, ein kleiner Raum, der kuschelig eingerichtet und nur über das Aquarium-Fenster mit der quirligen Bürowelt verbunden ist. Der Rückzugsraum ist eine Maßnahme von Magdalena Bethge, die bei Jimdo als „Feel-Good-Managerin“ angestellt ist. Der zweite Luxus, den sich das Hamburger Startup gönnt, ist ein eigener Koch: Schon vor Jahren haben die Gründer Amaradjan ‚Sam‘ Samake versprochen, ihn eines Tages als Koch anzustellen, seit Ende letzten Jahres ist es nun soweit.

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Mit dem Aufbau des USA-Büros hat sich Springub nicht nur einer beruflichen Herausforderung gestellt, sondern sich auch einen persönlichen Traum erfüllt: Ein Jahr lang im Ausland leben, in eine andere Kultur eintauchen, weg vom Gewohnten. Was andere nach der Schule machen oder während des Studiums, hat er jetzt nachgeholt. Ziemlich verständlich bei so einem geradlinigen Lebenslauf: Erstes kleines Business schon während der Schulzeit, Zivildienst, danach die Gründung von Jimdo. Von Austoben keine Spur – das fanden auch seine Eltern. „Sie konnten nicht verstehen, dass ich nicht studieren will“, lacht Springub. „Sie hatten keine Angst um meinen beruflichen Werdegang, sondern davor, dass ich meine Jugend nicht genug genieße.“

Gründen oder Studieren?

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Christian Springub liebt das Essen von Sam - alle anderen auch.


Diese Sorge ist für Springub unbegründet. Jimdo sei genau das, was er machen wolle, und zwar heute noch genauso wie 2004. Schon als Schüler entdeckt der Norddeutsche den Unternehmensgeist in sich und verkauft jeden Sonntag auf dem Flohmarkt Krempel, den er auf den Dachböden sämtlicher Bekannter zusammensammelt. „Dabei ging es mir nie um Geld, es hat mir einfach Spaß gemacht“, erinnert er sich. Mit 16 beginnt Springub, zusammen mit seinem Schulfreund und heutigen Mitgründer Fridtjof Detzner Websites zu bauen. „Nach der Schule habe ich mir die Frage, ob ich lieber gründen oder studieren will, eigentlich nur proforma gestellt“, gibt er zu. Als es mit Jimdo losgehen soll, holen sich die beiden noch Matthias Henze ins Boot, der zu der Zeit BWL studiert. Während sich Henze mit Finanzen und dem Businessplan herumschlägt, schrauben Springub und Detzner am Produkt. Der erste Firmenstandort ist auf dem Hof von Detzners Eltern; da die restlichen Söhne schon ausgezogen sind, bekommt jeder sein eigenes Zimmer. Während der Woche entwickeln die drei Jimdo, am Wochenende macht jeder, was er will. Work-Life-Balance sei ihnen von Anfang an wichtig gewesen. Für Springub selbst bedeutet dies vor allem Freunde treffen. „Ich habe überhaupt keine wirklichen Hobbies, sondern bin einfach gerne mit Menschen zusammen und mache mit, was sie machen – egal ob Skifahren oder Wandern.“

Firmenphilosophie: Kommunikation auf Augenhöhe

Als junge, unerfahrene Gründer ein Startup hochzuziehen, das von drei auf über hundert Mitarbeiter anwächst und Zweigfilialen in Japan, China und den USA betreibt, ist ohne Frage eine große Herausforderung. Aus dem Mund von Springub klingt es hingegen reichlich unkompliziert. „Wir haben einfach immer danach geschaut, dass wir selbst Spaß bei unserer Arbeit haben und das auf unsere Mitarbeiterführung übertragen.“ Wie man den Umbruch von einem winzigen Team zu einem mittelgroßen Unternehmen gut hingekommt, erklärt dies allerdings nicht. Springub scheint es sich selbst nicht ganz erklären zu können – ein Management-Seminar oder ähnliches hätten sie jedenfalls nie besucht. Kommunikation auf Augenhöhe sei ihnen immer wichtig gewesen.

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Vieles von dem, wie es aktuell bei Jimdo läuft, ist Erfahrungssache. Das wirkt manchmal modern, manchmal auch überraschend altmodisch. Wer bei Jimdo arbeiten will, muss auf jeden Fall nach Hamburg ziehen und sich auf eine Festanstellung einlassen. Freelancer, die ab und zu hereinschauen und ansonsten ihre Projekte vom Home Office oder Coworking Space aus betreiben, sucht man bei Jimdo vergeblich. Damit sind die Hamburger nicht unbedingt ein Paradebeispiel für „digital work“ im Sinne von flexiblem, zeit- und ortsunabhängigem Arbeiten, auf das sich immer mehr junge Unternehmen einlassen. Dahinter steckt die Überzeugung, dass zu viele Ressourcen verloren gehen, wenn Mitarbeiter nicht vor Ort sind und nicht ganz für das Unternehmen arbeiten.

Auf der anderen Seite: Wo es um das Wohl der Mitarbeiter und um gute Arbeitsatmosphäre geht, werden die Jimdo-Jungs regelmäßig kreativ und sind immer auf der Suche nach interessanten Konzepten. Von Toyota haben sie zum Beispiel das Magnetwand-System „Kanban“ übernommen und nutzen es bereits seit zwei Jahren. Und so findet man bei Jimdo zahlreiche Magnetwände, an die mit klassischen Kärtchen gepostet wird, wer gerade woran arbeitet. Auf den Magnetstickern sind Fotos von den Mitarbeiterköpfen. Wer ein Thema übernimmt, pinnt einfach seinen Kopf darauf und sortiert es in eine von vier Kategorien ein, die anzeigen, wie weit es mit dem Projekt vorangegangen ist. Der Nutzen des Systems sei vielfältig, erklärt Springub. „Zum einen dient es der Transparenz: In einem größeren Unternehmen hat man einfach keinen Überblick mehr, wer gerade woran arbeitet.“ Außerdem diene es der Kommunikation, jeden Tag stelle sich jedes Team vor die entsprechende Wand und spreche darüber, wer womit beschäftigt ist und ob irgendwelche Rückmeldungen benötigt werden. „Das System soll die Leute aber auch davor schützen, zuviel gleichzeitig zu übernehmen und ständig zusätzliche Projekte aufgedrückt zu bekommen.“

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Momentan ist ein Teil des Teams damit beschäftigt, Toyotas „KanBan“-Modell auf Open-Source-Basis weiterzuentwickeln [1]. Auf alle Kärtchen sollen zukünftig QR-Codes kommen. Eine Kamera wird die Magnetwände dann regelmäßig abfotografieren, sodass sich Mitarbeiter, die längere Zeit weg waren, die Entwicklungen auf der visualisierten Wand anschauen können. Auch die Mitarbeiter in den USA könnten so gut verfolgen, was im deutschen Zentralbüro geschehe und ob ihre eingebrachten Tickets bearbeitet werden. Damit wird das bisherige Offline-Kartensystem auch digital nutzbar. Auf einer KanBan-Konferenz hat Jimdo die Weiterentwicklung bereits vorgestellt [2].

Das KanBan-Prinzip in der Praxis: Magnetwände mit Pins von den Mitarbeiterköpfen.
Das KanBan-Prinzip in der Praxis: Magnetwände mit Pins von den Mitarbeiterköpfen.

„Unser USA-Büro soll unabhängig agieren“

Auch der interne Chat-Client ist für das Jimdo-Team unverzichtbar und ein Ticketsystem hilft den Mitarbeitern dabei, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben und über Fehler im Entwicklungsbereich informiert zu werden. Im Vergleich zu anderen Startups sind dies sicherlich wenige Tools, die genutzt werden – letztendlich ist es eine Frage des Fokus. Und der liegt bei Jimdo klar auf der Kommunikation. „Digitale Kommunikation funktioniert immer schlechter als persönliche Kommunikation und kann sie höchstens ergänzen“, ist Springub überzeugt.

Es nervt ihn, wenn er externe Dienstleistungen einkauft und immer nur mit E-Mail-Ketten abgespeist wird, statt persönlichen Kontakt aufzunehmen. Sich digital auf dem neuesten Stand zu halten funktioniere nur, wenn man sich persönlich kenne, ansonsten gebe es Missverständnisse. Deshalb schickt er regelmäßig deutsche Jimdo-Mitarbeiter nach Asien oder in die USA zu den Zweigstellen, um dort einige Wochen lang mitzuleben und lädt die ausländischen Angestellten nach Deutschland ein. Dies bedeute aber nicht, dass man die Leute in Asien oder den USA kontrolliere, die Selbstverantwortung der Lokal-Teams ist Springub sehr wichtig. „Unser USA-Büro soll weitestgehend unabhängig agieren, wir wollen hier nicht alles absegnen. Die Entscheidungsverfügung muss bei den Leuten vor Ort liegen.“

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Spaß an der Arbeit statt Unternehmensverkauf

Ob in den USA oder Deutschland, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter ist dem Jimdo-Gründer sehr wichtig. „Leute, die von früheren Anstellungen her klare Ansagen gewohnt sind und immer Angst haben, etwas falsch zu machen, fühlen sich meist nicht wohl bei uns“, erklärt Springub. In den USA war er überrascht davon, wie stark die amerikanischen Bewerber auf klare Ansagen und Anweisungen aus waren. Überhaupt gehörte das Einstellungsverfahren für Springub zu den größten Herausforderungen im vergangenen Jahr. „Die Anschreiben selbst sind sehr professionell und viel selbstbewusster formuliert als in Deutschland, aber es dauert, bis man die Menschen aufgrund der kulturellen Unterschiede gut einschätzen kann“, erinnert er sich schmunzelnd.

In San Francisco dürften die Hamburger mittlerweile als die „verrückten Deutschen“ gelten. Ende 2011 entschloss sich Jimdo, im technikgetriebenen Silicon Valley nach einem Investor zu suchen, um verstärkt ins Marketing zu investieren und so weltweit an die Spitze der Website-Baukastendienste zu gelangen. Sie wurden fündig, ein Investor zeigte sich bereit, eine achtstellige Summe in das Unternehmen zu investieren – damit hätte sich einiges anfangen lassen. Im Laufe des Prozesses entschieden sich die Gründer jedoch dagegen, einen Großinvestor mit ins Boot zu holen und machten die Entscheidung über ihren Blog „3 Founders“ [3] öffentlich. „Das Ziel von Investoren ist immer der Exit. Unser eigenes Ziel ist aber nicht, das große Geld zu scheffeln, sondern ein Unternehmen aufzubauen und selbst Spaß an der Arbeit zu haben“, erklärt Springub den ungewöhnlichen Schritt. „Hier im Valley denken viele: ‚Wenn du verkaufst, hast du es geschafft‘. Aber eigentlich ist es anders herum: Wenn du verkaufst, hast du es nicht geschafft, dein Unternehmen alleine groß zu bekommen.“

„Schmerzfrei in puncto Fehler“

„Spaß“: Dieses Wort fällt immer wieder, wenn Springub über Jimdo und die Gründe für bestimmte Entscheidungen spricht. Freude am eigenen Tun ist bei dem Gründer oberste Maxime. Und der Wunsch, auch als Unternehmer „echt“ bleiben zu können, sich nicht verbiegen zu müssen – eine Sache, die er anderen Gründern ebenfalls ans Herz legt. Viele Menschen, die nach einer Festanstellung gründen, hätten so ein bestimmtes Bild von Chefsein im Kopf und denken, sie müssten plötzlich ein anderer Mensch sein, ist seine Erfahrung. Er hält das für falsch, auch wenn er mit seiner eigenen Methode „Lernen durch Erfahrung“ oft „auf die Fresse gefallen“ sei. „Aber so habe ich bestimmte Überzeugungen mehr verinnerlicht, als wenn ich nur darüber gelesen hätte. Wir haben immer über direktes Feed-back gelernt und keine Methodiken angewandt, wie man das Beste aus seinen Mitarbeitern herauskitzelt. Ich bin mittlerweile schmerzfrei in puncto Fehler machen.“

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Bei Jimdo wird im Großraumbüro gearbeitet.

„Schmerzfrei“ ist der Ex-Cuxhavener übrigens noch in einem anderen Punkt geworden: Nach dem USA-Aufenthalt hat er, wie er es von dort gewohnt war, auch in Deutschland ständig Leute auf der Straße und in Kneipen angesprochen. Und dabei gemerkt, dass die Norddeutschen gar nicht so verschlossen sind, wenn man den ersten Schritt auf sie zu macht, sondern überrascht und freudig reagieren. Die interkulturelle Weiterentwicklung hat also bestens geklappt.

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Dein t3n-Team

Patzi

Mit dem Produkt hab ich so meine Probleme (ich finde Homepagebaukästen schrecklich!) aber Respekt vor der Leistung und dem, was Springub & Partner geschaffen haben.

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