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Startups & Economy

Bitte einsteigen: Ein Besuch bei den Gründern von myTaxi

Schnell ein Taxi zu bekommen, ist nicht immer einfach – eine Erfahrung, die das Leben der beiden Hamburger Niclaus Mewes und Sven Külper entscheidend beeinflusst hat. Aus einer durchtanzten Disko-Nacht in München, die mit Taxifrust endete, ist eine App entstanden, die aktuell den Taximarkt revolutioniert. Wir haben die myTaxi-Gründer besucht und gefragt, wie sie zum Schrecken der Taxizentralen geworden sind.

8 Min.
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Foto: Andreas Borowski

Foto: Andreas Borowski

Platzmangel am Fischmarkt

Wem schlecht wird von Fischgeruch, sollte das Büro von myTaxi besser nicht besuchen. Die Große Elbstraße führt direkt am alten Hamburger Fischmarkt vorbei und je nachdem, wie der Wind steht, hat auch die myTaxi-Belegschaft etwas davon. Aber als Fisch-Hasser hat man in Hamburg eh nichts verloren. Zweimal laufe ich am richtigen Eingang vorbei: An dem langen Glas- und Stahlkomplex mit den Hausnummern 145a bis 145f sind kaum auffällige Werbe- oder Namensschilder angebracht. Wie es der Zufall will, halten zwei Taxis vor dem riesigen Gebäude – ganz sicherlich wurden sie mit der myTaxi-App gerufen. Ob in Hamburg überhaupt noch jemand auf traditionelle Weise Taxis bestellt? Mit meinem Nokia-Handy bin ich leider außen vor.

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Der Empfang ist ein fröhliches Wiedersehen: Vor einem knappen Jahr habe ich schon einmal vorbei geschaut. Die Büroräume sind dieselben geblieben und doch ist alles anders – gestopfter. Aus den 30 Mitarbeitern sind 55 geworden und der Empfangsbereich mit Couchecke und Segelschiff hat sich in eine weitere Büroecke verwandelt. Aber alle Umräumaktionen helfen nichts: Das Team muss sich nach neuen Räumlichkeiten umsehen. Das wäre dann bereits der zweite Umzug, gestartet wurde myTaxi zu dritt in einem Mini-Büro. Zum Glück ist der Konferenzraum gerade frei.

App mit Pacman-Feeling

Die fröhlichen Menschentrauben in den aneinandergereihten Glasbüros – man kann vom ersten Büro bis ins letzte schauen – kümmern sich unter anderem um das Akquirieren von Taxifahrern. Diese sind in gewisser Weise das Herzstück von myTaxi. Denn schließlich geht es bei der App darum, in Sekundenschnelle ein Taxi zu bestellen. Smartphone-Besitzer mit der myTaxi-Anwendung sehen auf einer Karte, wo sich in ihrer Nähe das nächste verfügbare Taxi befindet. Einfach anklicken, Bestätigung des Fahrers abwarten und die Minuten zählen, bis „Dieter“ oder „Ahmed“ vorfahren. Virtuell lässt sich sogar verfolgen, wie das Gefährt anrollt – das Tool erinnert etwas an Pacman und verkürzt die Wartezeit zusätzlich. Ansonsten ist das Interface schlank und übersichtlich gehalten. Das Schöne für die Taxifahrer ist: Sie benötigen an Hardware ebenfalls nur ein Smartphone und die entsprechende Fahrer-App.

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Die mytaxi-App: übersichtlich und mit Spaß-Faktor.

Die mytaxi-App: übersichtlich und mit Spaß-Faktor.

„Kenan gehört zu den ersten Taxifahrern, die wir aquiriert haben“, erinnert sich Külper lächelnd, als ich ihn zu den Anfängen und ersten Kontakten befrage. Kenan ist einer von unzähligen Hamburger Taxifahrern, den die Gründer der myTaxi-App persönlich kennen. Wenn Sven Külper selbst ein Taxi benötigt und an Kenan gerät, darf er nichts bezahlen. Aus Dankbarkeit für die neuen Möglichkeiten fährt der 29-Jährige die myTaxi-Erfinder grundsätzlich kostenlos durch die Welt. Weil er jetzt nicht mehr auf den Anruf seiner Taxizentrale warten muss, sondern direkt gebucht werden kann, wie auf einem Marktplatz. Außerdem hat er nun die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten: Wer gut, nett und ehrlich ist, wird von den Kunden gut bewertet und kann sogar als favorisierter Fahrer festgelegt werden. „Damit etablieren wir eine neue Form der Qualität im Taximarkt“, sagt Mewes. Bisher habe es für Taxifahrer wenig Anreiz gegeben, guten Service abzuliefern.

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„Die Zentralen nutzen ihre Stellung aus“

Aber wie und wo hat nun eigentlich alles angefangen? Die zweite Frage ist schnell erklärt: am anderen Ende von Deutschland. Im beschaulichen München tanzen sich drei Jahre zuvor die beiden myTaxi-Gründer, die gleichzeitig Cousins sind, in einer Disko die Seele aus dem Leib. Aus dem Gedanken, einfach schnell ein Taxi zu rufen und ins Bett zu fallen, wird nichts: Sie haben nicht die richtige Rufnummer parat, in der Disko ist es viel zu laut und voll, um Hilfe zu finden. In einer anderen Bar bestellen sie schließlich ein Taxi, müssen aber ziemlich lange warten und „dann stimmte noch nicht einmal der Service“. Diese unschöne Situation wird zum Startschuss für eine Smartphone-Anwendung, mit der es dieses Erlebnis sicherlich nicht gegeben hätte.

Der Konferenzraum: Zum Glück ist noch Platz für den Kicker.

Der Konferenzraum: Zum Glück ist noch Platz für den Kicker.

„Bei unseren Marktrecherchen haben wir dann gemerkt, dass die Taxibestellung nicht nur für Endkunden problematisch ist, sondern auch die Taxifahrer Schwierigkeiten haben“, erklären die beiden. Vor allem die Abhängigkeit von den Vermittlungszentralen sei ein großes Problem. Diese verlangen pro Monat eine feste Vermittlungspauschale – unabhängig davon, wie viele Fahrten tatsächlich geleistet wurden. Unabhängig von Krankheit, Urlaub, fehlenden Aufträgen. Wer bei Zentrale A gelistet ist, sollte besser nicht auch für Zentrale B arbeiten, erklärt Mewes. Ansonsten gebe es eben keine Aufträge mehr.

„Die Strukturen im Taxigeschäft sind regional und veraltet, die Taxi-Zentralen als Vermittler nutzen ihre Stellung oft aus“, wissen Mewes und Külper von den Hamburger Taxifahrern. Bei myTaxi ist das Preismodell anders: Es gibt für die Fahrer keine monatlichen Gebühren. Statt dessen zieht das Startup für jeden vermittelten Auftrag 79 Cent innerhalb von Deutschland und 99 Cent innerhalb von Österreich ein. Wer nur wenig gefahren ist, muss auch wenig bezahlen.

Am Anfang, so die beiden Gründer, hätten sie noch geglaubt, die Taxizentralen in ihr Vorhaben mit einzubeziehen und für die Idee zu gewinnen. Aber bei ihren Anfragen seien sie auf taube Ohren gestoßen: „Sowohl von den Zentralen als auch vom deutschen Taxiverband haben wir nur Absagen bekommen. Keiner konnte sich das vorstellen.“ Also haben sie ihr Ding alleine durchgezogen und Taxifahrer auf der Straße angequatscht. Die Rückmeldung sei vor allem bei den jüngeren Fahrern, die mit Smartphones vertraut sind, erstaunlich positiv gewesen. Um zu zeigen, wie einfach die Handhabung ist, wurde jeder interessierte Taxifahrer zwei Wochen lang mit einem iPhone plus App ausgestattet – zum Testen. So entstand im ständigen Austausch mit den Taxifahrern ein erster Prototyp, der im April 2010 gelauncht wurde.

Konzentriertes Arbeiten inmitten des Gewusels.

Konzentriertes Arbeiten inmitten des Gewusels.

Das „Henne-Ei-Problem“

Einer der ersten, die das Produkt ausprobieren und begeistert sind, ist ein Manager von T-Venture; später wird das Venture-Capital-Unternehmen der Deutschen Telekom zu einem der myTaxi-Investoren. Unter den Taxifahrern selbst, die bis heute beständig Rückmeldung zum Optimierungsbedarf geben, verbreitet sich die Neuheit vor allem über Mund-zu-Mund-Propaganda. Damit nicht nur Taxifahrer die App nutzen, sondern auch der Endkundenstamm wächst – das „Henne-Ei-Problem“ – versorgt myTaxi mittlerweile Hotels mit iPads, die dann samt App auf der Theke stehen. „Wir sind ja ein Marktplatz, es muss also zu gleichen Teilen Fahrer geben und solche, die Taxis bestellen. Hotels sind eine wichtige Gruppe für uns, sie generieren bis zu 30 Taxianrufe am Tag.“ Rund 50 Hamburger Hotels und Hotelketten bieten ihren Gästen schon den myTaxi-Orderservice an.

Das Taxi-Geld taucht bei mytaxi immer wieder auf.

Das Taxi-Geld taucht bei mytaxi immer wieder auf.

Für den rasanten Aufstieg, den myTaxi hingelegt hat, war natürlich auch Geld vonnöten: In mehreren Finanzierungsrunden haben schon verschiedene Investoren Geld zur Verfügung gestellt. Der größte Coup ist den beiden Gründern Ende Januar gelungen, als eine illustre Runde aus Car2Go, Xing-Gründer Lars Hinrichs sowie T-Venture und KfW zehn Millionen Euro in das Startup pumpte. Während manche Gründer stolz auf ihre Bootstrapping-Karriere verweisen und darauf, dass sie es alleine geschafft haben, spricht Mewes von der Wichtigkeit, sich so früh wie möglich Kapitalgeber ins Boot zu holen. „Ich habe doch lieber ein paar Prozent an einem Unternehmen, das X-Millionen wert ist, als 100 Prozent an einem Unternehmen, das einen Euro wert ist“, erklärt er seine Sicht der Dinge. Wobei er auch zugibt, dass sie mit ihren Investoren Glück hatten: Diese hätten nie versucht, ihnen hinein zu reden, auch wenn zum Teil heftig diskutiert wurde. Umgekehrt habe myTaxi extrem von den Synergien seiner Investoren profitiert, vor allem am Anfang, als sich der strategisch sinnvolle Geldgeber T-Ventures Firmenanteile schnappte.

Dieses Jonglieren, wann der richtige Zeitpunkt für eine neue Finanzierungsrunde ist, sei nicht immer einfach gewesen. Im Endeffekt hat es aber immer gut gepasst. Eigentlich gibt es nur eine Sache, die Mewes im Rückblick anders machen würde: „Wir hätten unsere Alphaversion intern entwickeln sollen.“ Die Bindung der Entwickler zum Produkt sei einfach wichtig, ansonsten bleibe es nur eine Auftragsarbeit und die Abarbeitung des Pflichtenhefts. Das Geld, das man hier versuche, einzusparen, komme später doch wieder hinzu, so Mewes.

Der nächste Schritt: Europa!

Macht die myTaxi-App eigentlich alle glücklich? Nein, sicherlich nicht. Am Anfang noch still belächelt, werde das Startup von den Taxizentralen heute als echte Bedrohung wahrgenommen, berichten die Cousins.

Gute Laune beim Interview: Sven Külper und Niclaus Mewes.

Gute Laune beim Interview: Sven Külper und Niclaus Mewes.

Regelmäßig flattern Klagedrohungen ins Haus, auch Verleumdungen seien ein gängiges Mittel. „Immer wieder wird das Gerücht in die Welt gesetzt, dass wir hier jeden nehmen und keinen Wert auf die Personalien legen. Aber das ist Blödsinn“, so die Gründer. Im Gegenteil: Alle Taxifahrer, die mitmachen wollen, schauen persönlich vorbei und zeigen sowohl Lizenz als auch ihren Taxischein vor. Es werden die Personalien aufgenommen und eine kleine Schulung durchgeführt. Manche Zentralen gehen auch den anderen Weg und versuchen nun ihrerseits, innovative Anwendungen auf den Markt zu bringen.

Längst wird die App schon deutschlandweit und in Österreich genutzt, auch eine englisch- und französischsprachige Version gibt es. In Österreich haben die Hamburger derzeit Schwierigkeiten: Viele Zentralen drohen ihren Fahrern mit Rausschmiss, wenn sie mit myTaxi kooperieren. Dies sei zwar ganz klar verboten, kümmere viele Zentralen aber nicht weiter. Vor einiger Zeit haben Mewes und Külper Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde eingereicht; der Fall wurde nun ans Kartellamt weitergeleitet. Aber auch in Deutschland drohen manche Zentralen ihren Fahrern.

Ohne Taxi geht bei mytaxi selbst auf dem Schreibtisch nix.

Ohne Taxi geht bei mytaxi selbst auf dem Schreibtisch nix.

Bisher lässt sich das junge Team aber nicht aufhalten und erobert seit Februar nun auch die Schweiz und Spanien. Für Mewes ist myTaxi bereits die zweite Firma, sein erstes Unternehmen gründete er noch während der Schulzeit: eine Softwareentwicklung für Schiffahrts- und Logistikunternehmen.

Jetzt wickelt sein Team noch die Bestandskunden ab, dann wird das Projekt auslaufen. Mytaxi nimmt ihn jetzt voll und ganz in Anspruch. Külper, wie sein Cousin Anfang 30, studierte an der Hamburg School of Business Administration und arbeitete bis zu jener verhängnisvollen Diskonacht als Berater für Marketing- und Vertriebsstrategien. Aktuell macht er bei myTaxi, was er gelernt hat und was ihm liegt: Marketing und Vertrieb.

Dass myTaxi deutschlandweit so schnell Begeisterung ausgelöst hat und bekannt wurde – „Es gibt in Deutschland wohl kaum einen Taxifahrer mehr, der noch nichts von uns gehört hat“ – ist schon ein bemerkenswerter und einzigartiger Werdegang. Vermutlich werden sich in Zukunft noch weitere Investoren die Finger nach dem taxigelben Startup lecken, das nicht weniger will, als Europa erobern.

Als es ans Fotoschießen geht, kommt ein Taxifahrer herein, den die beiden Gründer ebenfalls persönlich kennen. Er freut sich über den Anlass und stellt sein Auto gerne zur Verfügung. „Es ist wirklich schön, die Fahrer persönlich zu treffen, die Taxi-Branche ist extrem emotional“, lacht Külper. Beim Rausgehen frage ich mich, ob die myTaxi-App nicht Grund genug ist, mir doch mal ein iPhone zuzulegen. Mal sehen.

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3 Kommentare
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Dein t3n-Team

anonym

Warum ein I-Phone dafür zulegen? Die App gibts doch auch für Android :-)

Antworten
myTaxi

Der Artikel wurde bereits im t3n Magazin Nr. 27 veröffentlicht. myTaxi ist mittlerweile gewachsen, erneut umgezogen und hat neue Features integriert. Alle aktuellen Infos und wo das Hamburger Startup aktuell steht, findet Ihr hier:

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