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Interview
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Interview zum deutschen iPad-Konkurrenten WeTab: „Auf Dauer verlieren geschlossene Systeme“

Helmut Hoffer von Ankershoffen ist Mitgeschäftsführer des Berliner Unternehmens Neofonie sowie der WeTab GmbH und spätestens seit der ersten Vorstellung des geplanten Tablets ein in der Tech-Szene bekanntes Gesicht. Wir haben ihn dazu befragt, wie es zur Tablet-Idee kam, was er vom iPad hält, wie schwer der Kampf um Glaubwürdigkeit ist und warum „offen“ aus seiner Sicht immer gegen „geschlossen“ gewinnt.

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: „Kauf Dir kein Netbook mehr, kauf Dir dieses Gerät.“

Helmut Hoffer von Ankershoffen: „Kauf Dir kein Netbook mehr, kauf Dir dieses Gerät.“

t3n Magazin: Wie kommt man darauf, in den Tablet-Markt einzusteigen, der gerade von einem Branchenriesen wie Apple durcheinandergewirbelt wird?

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: An dem Tablet wird schon gut drei Jahre gearbeitet und nicht erst seit Jahresbeginn, als Apple sein iPad vorgestellt hat. Manche Bestandteile des Projekts reichen sogar noch länger zurück. Uns ging es dabei zunächst um die Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage, die unsere besten Kunden sind. Seit vielen Jahren suchen die nach Möglichkeiten, im Netz Geld zu verdienen. Aber es gibt kein gutes Payment-System, reine PDF-Versionen ihrer Produkte haben keinen Vorteil gegenüber den Print-Versionen und am PC fehlt generell das haptische Erlebnis. Mit einem Tablet wird das digitale Magazin haptisch. Und unser System „WeMagazine“ nimmt sich zudem das Print-Layout und überträgt es vollautomatisch in ein vorher vereinbartes, digitales Layout. Dabei passt sich dieses Layout unterschiedlichen Bildschirmgrößen und Seitenverhältnissen an. Damit produzieren Sie Ihr digitales Magazin fürs WeTab, für andere Tablets und können auch eine iPad-App erstellen.

t3n Magazin: Woher nimmt Ihr Unternehmen Neofonie das Know-how für ein solches Projekt?

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: Wir machen das ja nicht allein, sondern gemeinsam mit der 4tiitoo aus München. Die Neofonie ist 1998 als Ausgründung der TU Berlin entstanden. Wir haben damals beispielsweise die größte deutschsprachige Suchmaschine Fireball gemacht und die erste Nachrichtensuche Paperball. Wir sind dabei schon immer sehr forschungslastig gewesen. Suchmaschinentechnologie und Textverstehen sind heute wichtige Punkte. Weitere Säulen sind Social Media, E-Publishing und Mobile. Hier bieten wir fertige Branchenlösungen für Verlage und Internetunternehmen an. Das WeTab ist dabei für uns nicht nur ein Gerät, sondern eine Plattform, auf der nach und nach unsere Produkte laufen werden.

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t3n Magazin: Was waren die größten Schwierigkeiten auf dem Weg von der Idee zum fertigen Produkt?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Man könnte meinen, dass das technische Probleme wären, aber die sind gar nicht so zentral. Die Münchner Firma 4tiitoo entwickelt das Betriebssystem und hatte vor drei Jahren schon die ersten Hardware-Prototypen, die natürlich noch viel größer und schwerer als heute waren. In mehreren Stufen hat sich das Gerät weiterentwickelt. Mit dem jetzigen Gehäuse sind wir dann im April dieses Jahres an die Öffentlichkeit gegangen. Ab September 2010 ist das WeTab dann in großen Stückzahlen verfügbar. Das Schwierigste war, Vertrauen aufzubauen, auch bei den Lieferanten. Als wir das erste Mal bei dem Hersteller waren, kannte der uns natürlich nicht. Wir sind schließlich nicht Sony oder Dell. Das ganze Netzwerk aufzubauen vom Auftragsfertiger über den Logistiker bis hin zu den Distributoren war ein weiterer Punkt. Es war eben so: Da kommen eine Software-Firma aus Berlin und eine Münchner Firma mit einem Betriebssystem und wollen ein Tablet auf den Markt bringen. Da sagt erst einmal jeder: Ihr habt doch einen an der Klatsche, ihr seid doch wahnsinnig.

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t3n Magazin: Reagieren die Konsumenten nicht erst einmal ähnlich?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Die Konsumenten hat das Thema Tablets im Prinzip zum ersten Mal im April mit dem iPad erreicht. Unsere größte Hürde ist momentan tatsächlich, Vertrauen aufzubauen, dass ein ordentliches Gerät beim WeTab herauskommt. Davor war die Hürde, Aufmerksamkeit zu generieren. Wie sorgt man dafür, dass man in Deutschland dieses Vorhaben kennt? Wir haben schließlich kein Multi-Millionen-Werbebudget. Also haben wir uns gedacht: Wir nutzen eine Phase, in der das Thema gerade gehypt wird. Und das war im Vorfeld der Ankündigung des iPad-Deutschlandstarts im April.

t3n Magazin: Jetzt warten natürlich alle auf das fertige Gerät. Wie gehen Sie damit um?

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: Die Zeit von Mitte April bis Mitte September zu überbrücken, ist wirklich eine Aufgabe. Die Presse und die Verbraucher sagen: Wann kommt’s denn endlich? Zudem haben wir kürzlich den Start um drei Wochen verschieben müssen. Eigentlich ist das bei Projekten dieser Art nicht der Rede wert, aber das wird einem natürlich übel genommen. Bei manchen heißt es da schnell: Ist doch alles Fake, die haben sich das nur ausgedacht. Deshalb haben wir Leute eingeladen und ihnen die Geräte gezeigt, auch wenn die noch lange nicht fertig waren. Das ist eine andere Schwierigkeit: Der normale Konsument kennt diese Vorstufen nicht, die eine Hardware durchläuft. Die Geräte, die im September ausgeliefert werden, sind jetzt natürlich noch nicht da – ansonsten würden wir sie ja jetzt ausliefern. Aber am Ende wird der Konsument entscheiden. Dann ist es egal, ob bei Facebook steht, dass wir Spinner seien.

t3n Magazin: Und Sie sind sich sicher, dass das alles wie geplant klappt?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Wir haben rund 150 Software-Projekte durchgeführt in den letzten 13 Jahren. Da wissen wir schon, wie das geht. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir den Launch im September gut hinbekommen.

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t3n Magazin: Aber kann denn ein Produkt wie das WeTab überhaupt gegen einen Giganten wie Apple mit seinem viel gelobten iPad bestehen?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Das iPad bedient eine kauflustige, lifestyle-orientierte Klientel. Es legt maximalen Wert auf Design, was großartig ist. Das iPhone war das erste schöne Telefon, das ich kenne. Von der Aufmachung her ist das WeTab das Arbeitstier für die Masse. Wenn ich mit meinem Latte Macchiato in Berlin-Mitte sitze, dann saß ich da früher mit der FAZ, heute nehme ich ein iPad in die Hand. Diese Kundschaft hat Apple und kann auch niemand Apple abnehmen in den nächsten Jahren. Unser Design ist auch schön, aber nicht so edel. Dafür setzen wir auf den Massenmarkt.

t3n Magazin: Und was soll die Massen vom WeTab überzeugen?

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: Das iPad ist ein reines Zweit- oder Drittgerät. Sie können es ohne Computer nicht aktivieren und sie brauchen iTunes. Das WeTab kann over the air aktiviert werden. Es synchronisiert sich nicht über einen Computer, sondern kann dazu bei Bedarf die Cloud benutzen. Man erreicht damit ganz andere Zielgruppen. Das WeTab kann mein Einstiegs-Rechner sein. Denken Sie an Jugendliche oder auch an die ältere Generation. Über die USB-Schnittstellen kann man Standard-Zubehör anschließen und das WeTab ist genauso leistungsfähig wie ein Netbook. Wir sagen: Kauf Dir kein Netbook mehr, kauf Dir dieses Gerät. Davon abgesehen ist es in vergleichbarer Konfiguration auch noch deutlich preisgünstiger als das iPad. Die Marktchance fürs WeTab und vergleichbare Tablets ist deutlich größer als das Marktpotenzial des iPads.

t3n Magazin: Über welche weiteren Punkte wollen Sie sich von Apple abgrenzen?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Man kann sagen: Wir haben viele Barrieren und Einschränkungen aufgehoben. Warum hat das iPad keine Webcam? Damit sich das iPad 2 nächstes Jahr besser verkauft. Beim iPad geht außerdem alles über iTunes, auch das ist eine künstliche Barriere. Oder nehmen Sie das Thema Programmiersprachen: Auf dem iPad muss man in Objective-C entwickeln. Für andere Geräte muss ich meine Applikationen vollkommen neu schreiben. Fürs WeTab kann ich in Adobe Air entwickeln. Das läuft genauso auf dem Notebook, auf den kommenden Android-Tablets und anderswo. Ich kann auf dem WeTab Android-Apps laufen lassen, ich kann Java-Applikationen laufen lassen, ich kann OpenOffice.org so, wie es unter Linux mitgeliefert wird, laufen lassen. Jeder Entwickler kann mit der Programmiersprache entwickeln, die ihm gefällt, mit der er sich wohl fühlt.

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t3n Magazin: Aber wird das nicht dafür sorgen, dass die Programme sehr uneinheitlich sind?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Ja, zugegeben. Beim iPad gibt es sehr strikte Human Interface Guidelines und eine Qualitätsprüfung von Apple. Bei uns kommen die Applikationen aus unterschiedlichen Quellen. Es gibt einen zentralen Store, der sich aus sekundären Stores bedient. Eine Android-App sieht zwangsläufig anders aus als eine Air-Applikation. Das ist ein trade-off zwischen „Ich möchte alle Applikationstypen unterstützen“ und „Es soll alles einheitlich wie aus einem Guss aussehen“. Wir haben uns an der Stelle für das offene Prinzip entschieden.

t3n Magazin: Und der Entwickler muss nichts anpassen?

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Helmut Hoffer von Ankershoffen: Er kann es anpassen, aber er muss es nicht. Die Community könnte natürlich beispielsweise OpenOffice.org hernehmen und für Tablets optimieren. Die einzige Ausnahme sind beim WeTab die Widgets auf dem Homescreen, die sofort Inhalte anzeigen. Um die zu erstellen, programmiert man sie mit unserem Widget-SDK. Diese Widgets starten dann zum Beispiel den Browser oder können eine App in Air, Android usw. öffnen lassen. Das ist die einzige SDK, die von uns kommt. Technisch gesehen setzen wir auf einen Linux-Kern. Darüber befinden sich Laufzeit-Umgebungen für Air, Android, Java usw. Linux-Applikationen laufen direkt auf dem Kern.

t3n Magazin: Meinen Sie denn, dass sich der offene Ansatz auf Dauer durchsetzt?

Helmut Hoffer von Ankershoffen: Ich glaube: Geschlossen bedeutet immer Fixierung auf eine Zielgruppe. Offen bedeutet immer Masse. Denken Sie an Android gegen Apples iOS: Die Zahl der Android-Handys übersteigt sehr bald die Zahl der iPhones. Geschlossene Plattformen bedienen immer eine spitze Klientel und haben für eine bestimmte Zeit einen Vorteil. Geschlossene Plattformen sind meist auch schneller in der Ausbreitung, gerade wenn es um eine neue Geräte-Kategorie geht. Bei der offenen Plattform gibt es viele Player, die sich erst einmal abstimmen und koordinieren müssen. Aber jede Form von geschlossenem System hat bisher auf Dauer, wenn man es über einen längeren Zeitraum betrachtet, verloren.

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