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Kolumne

Klartext-Kolumne: Facebook & Co. – schon morgen von gestern?

Die großen Social Networks haben ein Problem: Das User-Wachstum ist bald gesättigt, der Anteil inaktiver User steigt und auch Werbeeinnahmen entwickeln sich zäh. Die Einnahmen aus dem Datenhandel lassen sich ebenfalls nicht unbegrenzt steigern. User-Fees sind problematisch und gleichzeitig wachsen die Ansprüche von Community-Betreibern, die noch sehr viel mehr wollen. Das ist auch möglich, nur eben anders und besser – in Zukunft und heute schon.

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Die Börse und die Beteiligungsgesellschaften waren einst ganz besoffen von den als schillernd beschriebenen Perspektiven der Internetunternehmen, die auf das inzwischen hinlänglich bekannte „small-world phenomenon“ und dessen angeblich grenzenlose „viral power“ setzten. Neuerdings aber ist man ernüchtert. Zu Recht, wie es scheint: Böse Zungen behaupten bereits, das Erfolgreichste an Xing sei der Börsengang gewesen. Die Zahlen nämlich sprechen eine sehr eindeutige Sprache [1].

Das Problem mit großen Social Networks ist, dass sie keinen Platz für die Nische bieten. Community-Manager können eine Homogenisierung der Nutzer verhindern, indem sie ihre Plattform selbst hosten.

Das Problem mit großen Social Networks ist, dass sie keinen Platz für die Nische bieten. Community-Manager können eine Homogenisierung der Nutzer verhindern, indem sie ihre Plattform selbst hosten.

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Die Userzahlen wachsen weiterhin – korrekt. Doch niemand sagt, wieviele Karteileichen sich inzwischen angesammelt haben bei Facebook, LinkedIn, Xing, MySpace und Twitter. Der Tag hat auch für Facebook-Nutzer nur 24 Stunden und selbst wenn sich die Zeitbudgets von den alten Medien zu den neuen Medien verschoben haben, werden Facebook-User im Jahr 2020 nicht 25 Stunden täglich auf Facebook verbringen. Die Marktpenetration ist in den westlichen Ländern bereits recht hoch und kann schon aus diesem Grund nicht mehr signifikant wachsen. Zunehmender Wettbewerb erschwert die Lage zusätzlich.

Sheryl Sandberg, COO bei Facebook, will sich vor allem um die Monetarisierung der Plattform via Werbeeinnahmen kümmern [2]. Ihre Positionierung als Nummer 2 spricht dabei eine klare Sprache: Dieser Weg der Kapitalisierung ist nämlich die letzte Hoffnung der Networks auf ein wirklich nachhaltig funktionierendes Geschäftsmodell mit attraktiven Pfründen.

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Trotzdem sind auch hier die Erfolgsaussichten dürftig. Im Gegensatz zu den alten Medien gibt es nämlich bis heute (und vermutlich auch weiterhin) keine hinreichend akzeptierten Standard-Parameter für die Erfolgsmessung und Vergleichbarkeit von Werbemaßnahmen. Aus diesem Grund sind die Werbekunden von Social Networks wohl dauerhaft zu Risiko und Unsicherheit verurteilt, was die Mehrheit davon abhalten wird, die weltweiten Werbe-Milliarden bei Facebook & Co. abzuliefern. Kaum ein Werbemanager wird seinen eigenen Kopf für eine floppende Kampagne riskieren wollen. Good luck, Sheryl, Dein Job wird schwierig.

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Sorgenkind Monetarisierung

Datenhandel ist bei den meisten Social Networks die bislang dominante Einnahmequelle. Und auch hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Schließlich sind erstens nur User mit Kaufkraft interessant, die sich aber zum Bedauern der Betreiber nicht wie gewünscht vermehren. Problematisch aus Sicht der Datenhändler ist außerdem, dass nach der weltweiten Antiterror-Welle nun offenbar eine breite Datenschutzwelle anrollt, die naturgemäß das Geschäft mit dem Datenhandel behindert.

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Mancher Facebook-Evangelist mag auf die großen asiatischen Märkte verweisen, wo tatsächlich für weltweit agierende Unternehmen noch hohes Wachstumspotenzial besteht. Aber auch dort ist das nur richtig, wenn man in Userzahlen statt in Gewinn rechnet. In China und Indien gelten schließlich auch keine anderen Regeln als im Westen, zumal dort die Kaufkraft im Vergleich zu westlichen Ländern nur einen Bruchteil ausmacht. Aber selbst wenn man pure Userzahlen noch als Erfolg ansieht – ist das wirklich interessant für die Mehrzahl derjenigen, die als Initiatoren und Betreiber von Communitys die eigentlichen Erfolgstreiber und Assets von Social Networks sind?

Für mindestens 95 Prozent der Communitys ist schon die Sprachbarriere faktisch unüberwindbar. Auch gibt es oft genug nur unzureichende Gemeinsamkeiten zwischen Chinesen, Amerikanern und Europäern. Die Masse der Communitys ist und bleibt geografisch definiert.

Mut zur Nische

Für den regionalen oder nationalen Fußballfanclub oder Fitness-Verband zählen ohnehin ganz andere Faktoren als eine via „Public Social Network“ verfügbare weltweite Präsenz. Deren Community-Manager werden von den großen Networks an der kurzen Leine gehalten. Die Interessen beider Seiten klaffen immer weiter auseinander, weil die Ansprüche von Betreibern wie von Usern steigen, während die Networks qua eigener Genetik diese Ansprüche nicht befriedigen können. Die Analyse von Diffusionsprozessen zeigt eindeutig, dass aus diesem Grund die Märkte fragmentieren und Einheitsmärkte (hier: Einheitsplattformen) zugunsten von Nischen zerfallen.

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Das Heil der Social-Network-Zukunft könnte also in der Spezialisierung liegen. Nicht mehr große, allumfassende Einheitsplattformen, sondern eben kleine, wendige Special-Interest-Networks könnten das Rennen machen. Ob es um den finanziellen Erfolg derartiger Plattformen besser bestellt wäre, bleibt offen. In jedem Fall würden die User selbst sowie die Community-Manager von der zurückgewonnenen Freiheit profitieren.

Volle Kontrolle durch Eigenhosting

Noch vor kurzem war es auch für mittelgroße Communitys nicht finanzierbar, eine selbst gehostete Social-Network-Präsenz aufzubauen. Eigenkontrollierte Social-Web-Präsenzen kann man mittlerweile aber dank verbesserter Software am Fließband (und zu drastisch reduzierten Preisen) erstellen. Erste Agenturen haben diesen Bereich bereits im Fokus. Diese Präsenzen werden zwar noch mit Facebook, Twitter & Co. verlinkt, aber sie sind klar darauf ausgerichtet, selbst die volle Kontrolle über Funktionen und User zu erhalten.

Ein Fehler wäre es aber, bei selbst gehosteten Social Networks ausschließlich auf das Web zu setzen. Das Web hat zwar den Vorteil, dass sich im Unterschied zu anderen Protokollen auf einfache Weise Werbung platzieren lässt. Doch was ist mit den Community-Managern, deren vorrangiges Ziel gar nicht der Verkauf von Werbung ist? Sie verfolgen andere Ziele, die durch eigene Online-Networks besser unterstützt werden können. So schwer diese Einsicht für manchen Facebook-Fan sein mag: Vieles spricht dafür, dass Social Networks im Regelfall nur ohne selbst generierte Einnahmen funktionieren.

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Die alternative Sichtweise von Plattformbetreibern ist, dass auf einfache Art bereitgestellte Internetfunktionen als kostenfreie Dienste für anderweitig entstandene On- und Offline-Communitys dienen. Abertausende existierender Communitys werden bislang nur kärglich mit inadäquaten Kommunikationsmitteln versorgt. Einen eigenen Mail-, Jabber- oder Usenet-Server aufzusetzen, ist dagegen kein Hexenwerk.

Im Ergebnis entstünde eine besonders starke Bindung der Community-Mitglieder, sowohl untereinander als auch mit der Plattform. Die bislang von den großen Networks via IM-, E-Mail-, Blog-, Feed- und Webprofil-Adressen genossene „Lock-In-Situation“ käme dann den Community-Betreibern zugute. Hinzu kommt noch der quasi eingebaute virale Effekt aus den Domainanteilen von Jabber-IDs beziehungsweise E-Mail-Adressen.

Unter dem Strich ist eine selbst gehostete Community-Plattform funktionsstark und aus User-Sicht wohltuend werbefrei. Community-Betreiber sind wieder Herr im eigenen Haus und können daher quantitativ wie auch qualitativ unbehindert wachsen. Die Zukunft wird zeigen, dass dieser Ansatz ein weites Betätigungsfeld für smarte Internetdienstleister eröffnet, die über den Facebook- und Web-Tellerrand hinausschauen.

Thomas Schlichtherles Klartext-Kolumne im t3n Magazin befasst sich mit
Strategie- und Businessthemen aus dem Themenkomplex Internet,
Telekommunikation und Medien. Weitere Kolumnenbeiträge sind in der t3n-Onlineausgabe unter
http://t3n.yeebase.com/?s=schlichtherle zu finden. Weitere Artikel sind zudem im Blog des Autors unter http://time-warp.tssf.biz verfügbar.
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