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Digitale Gesellschaft
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Media Future: Das Netz der Selbermacher

Die Entscheidung, was eine Nachricht wert ist, liegt heute in der Hand der Nutzer. Viele Verlage und Journalisten müssen ihre Rolle in dieser veränderten Medienwelt erst noch finden. Dabei bietet die Vernetzung mit den Usern viele spannende Möglichkeiten. Vor allem für Self-Publisher wird das Internet so zur Veröffentlichungs-, Marketing- und Finanzierungsplattform zugleich.

12 Min. Lesezeit
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Die digitale Medienrevolution

„Wenn die Nachricht wichtig ist, dann wird sie mich finden.“ So zitierte 2008 die „New York Times“ einen amerikanischen Studenten, der von einer Medienforscherin zu seinem Mediennutzungsverhalten im Alltag befragt wurde. Der Student gibt auf lakonische Weise zu verstehen, dass er weder Zeitung liest, noch Radio hört, noch Fernsehen schaut. Er surft auch nur selten zu den Nachrichtenportalen im Internet. Stattdessen liest er lieber die Statusmeldungen seiner Freunde bei Facebook. Dort ist alles verlinkt, was er seiner Meinung nach wissen sollte. Ob Weltpolitik oder Partyverabredung – die Nachrichten finden ihn. Schon zwei Jahre zuvor, 2006, schuf der New Yorker Medienkritiker Jay Rosen die legendäre Phrase von den „Leuten, die wir früher als Publikum kannten“ („the people formerly known as the audience“). Rosen verbindet die Brechtsche Radiotheorie (Empfänger sollen zu Sendern werden) mit Andy Warhols 15 Minuten Ruhm für jeden.

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Die Sentenzen des namenlosen Studenten und des namhaften Medienexperten sind zu Metaphern für die digitale Medienrevolution geworden. Früher entschieden die Medien, was eine Nachricht ist (bis heute druckt die „New York Times“ auf jede Titelseite ihr Motto: „All the News That’s Fit to Print“). Doch tatsächlich entscheiden heute zunehmend die Nutzer per Link, Retweet, „Gefällt mir-“ oder „+1“-Klick, was für sie relevant ist. Und mehr noch: Sie wollen im sozialen Netz Informationen und Unterhaltung nicht bloß konsumieren und weiterleiten, sondern auch produzieren. Wer der Welt etwas zu sagen hat, der bloggt, twittert, facebookt und googleplust, lädt Videos bei YouTube hoch und benotet die Pizza Salami beim neuen Italiener.

Medien sind keine Gatekeeper mehr

Wer talentierter ist, mehr weiß und mehr Mühe investiert, schreibt einen Wikipedia-Eintrag, führt ein Blog oder bringt ein Musikalbum oder ein Buch heraus. Für all das brauchen sogenannte Self-Publisher heutzutage weder eine Sendelizenz noch eine Druckmaschine. Was im Netz veröffentlicht, beachtet und weiterverbreitet wird, bestimmen traditionelle Medien nur noch zum Teil.

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Staatlich gelenkte Medien konnten in Tunesien, Ägypten und Syrien nicht verhindern, dass die Revolutionäre Nachrichten zur Lage über Facebook und Twitter austauschten und dass diese um die Welt gingen. Das fast völlige Versagen der Stuttgarter Medien, das Bahnprojekt S21 unabhängig und kritisch publizistisch zu begleiten, führte nicht dauerhaft zu einer reinen Gefälligkeitsberichterstattung, sondern zur Gründung von unabhängigen Nachrichten-, Kommunikations- und auch Propagandaplattformen als Rückgrat der Protestbewegung gegen S21.

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Auch die Enttarnung von Guttenbergs Doktorarbeit war keine Leistung investigativ arbeitender Journalisten, sondern von tausenden namenlosen Fleißarbeitern, die als Kollektiv mit ihrer Arbeit in einem Wiki innerhalb von zwei Wochen bewiesen, was eine große Redaktion vielleicht ein halbes Jahr später hätte belegen können: Die Dissertation war ein Plagiat. Hier war die gleiche Schwarmintelligenz am Werk, die seit zehn Jahren die Wikipedia füttert und gedeihen lässt.

Verlage, Sender und die dort arbeitenden Journalisten stellt dieser profunde Wandel der Rolle von Medien und ihrer Nutzung vor echte Herausforderungen. Dass sie im Internet Flagge zeigen müssen, wenn vor allem junge Menschen immer weniger Zeitung, Radio und Fernsehen nutzen [1], ist mittlerweile selbstverständlich. Und dass zu einer Internetpräsenz nicht nur ein eigenes Webportal, sondern auch Auftritte bei Twitter, Facebook, YouTube und Co. gehören, spricht sich in der Branche allmählich ebenfalls herum.

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Doch mit dem Verlust der Gatekeeper-Rolle und ihrer neuen Position mittendrin unter wachsenden Heerscharen von Amateuren und semi-professionellen Publizisten können sich Journalisten offenbar nur schwer anfreunden. Dass es Menschen gibt, die nicht für Geld, sondern für fünf Minuten Aufmerksamkeit, für ihre Überzeugung oder im Dienst des Gemeinwohls Zeit, Geld und Wissen in die Produktion eigener Internet-Inhalte stecken, ist für viele Profis mit Presseausweis schwer zu begreifen.

Der „Laie“ als Feindbild

Dieses Foto eines notwassernden Flugzeugs ging per Twitter um die Welt. Der Amateurfotograf bot es weder einer Zeitung noch einem TV-Sender an.

Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online, fordert, dass Journalisten die „Kränkung“ ihres Berufstandes durch das Eindringen der Laien in ihr angestammtes Metier rasch überwinden sollten. „Während wir selten einen Profimusiker dabei ertappen werden, dass er die Mehrheit der Laienmusiker öffentlich verunglimpft und ihre Verdienste für die Musik abstreitet, begehen verunsicherte Journalisten und Medienmanager alter Schule diesen Fehler heute regelmäßig“, so Blau in einem Essay für die „Süddeutsche Zeitung“ [2].

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Inhalte-Produzenten, die ohne journalistische Ausbildung und unbeabsichtigt elementare Aufgaben von Journalisten übernehmen. Man muss das gar nicht „Bürgerjournalismus“ nennen (ein missverständlicher Begriff, der impliziert, dass jeder, der etwas veröffentlicht, das auch in journalistischer Absicht tut), viel treffender ist eigentlich der Ausdruck „random acts of journalism“ („ungeplante journalistische Handlungen“).

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Der amerikanische Webunternehmer Janis Krums, der im Januar 2009 zufällig von einer Fähre aus ein notwasserndes Flugzeug auf dem Hudson River beobachtete, war erst einmal nur ein Augenzeuge. Auch dass er mit seinem iPhone das legendäre Bild von den Menschen auf den Tragflächen schoss, macht ihn noch nicht zu einem Pressefotografen. Aber er verbreitete das Bild per Twitter, schuf also Öffentlichkeit – ein journalistischer Akt des Publizierens. Und zwar ohne Einschaltung eines TV-Senders oder einer Zeitung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in den Tagen danach natürlich die Massenmedien für eine weltweite Verbreitung des Fotos sorgten.

Der Pakistani Sohaib Athar twitterte eine Nacht lang seine Beobachtungen in Abbottabad. Er ist kein Journalist, aber er handelte wie einer, indem er Nachrichten veröffentlichte, einordnete und bewertete.

Der Pakistani Sohaib Athar twitterte eine Nacht lang seine Beobachtungen in Abbottabad. Er ist kein Journalist, aber er handelte wie einer, indem er Nachrichten veröffentlichte, einordnete und bewertete.

Wo beginnt Journalismus? Die Grenze ist fließend

Der Pakistani Sohaib Athar, der in Abbottabad unter seinem Twitternamen @ReallyVirtual – ohne es zu wissen – den Angriff der US-Marines auf Osama Bin Ladens geheime Festung live twitterte, ist auch kein Journalist, sondern Programmierer. Er tat aber das, was jeder gute Reporter tut: Er erkannte, dass ein ungewöhnliches Ereignis passierte (fremde Hubschrauber über der Stadt) und teilte seine Beobachtungen der Öffentlichkeit mit. Im Laufe der Nacht verfolgte er außerdem, was andere Twitterer vor Ort mitteilten, übersetzte ihre Tweets ins Englische und kommentierte, ob er die jeweiligen Nachrichten für glaubwürdig hielt. Er übernahm somit als Amateur noch weitere journalistische Aufgaben: Nachrichten einordnen, filtern und bewerten – was inzwischen auch „kuratieren“ genannt wird. Athars Handlungen unterschieden sich – zumindest in jener Nacht – nicht wesentlich von denen professioneller Journalisten. Mit einem Unterschied: Alles begann bereits Stunden bevor klassische Medien über die Ereignisse der Nacht erstmals berichteten [3].

Natürlich gibt es eine riesige Grauzone zwischen den „random acts of journalism“ von Bürgern und dem professionellen Medienbetrieb. Auch Menschen ohne journalistische Ausbildung können anstreben, mit ihren veröffentlichten Inhalten „groß rauszukommen“, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten oder auch nur neben ihrem eigentlichen Beruf ein wenig nebenher zu verdienen. Der Unterschied zu noch vor 10 oder 15 Jahren: Das Netz bietet erstmals jedem Self-Publishing-Aspiranten die Chance, seine Träume oder Pläne zu verwirklichen, denn die Werkzeuge (Handy, Webcam, Digicam, Notebook) sind in den vergangenen Jahren immer erschwinglicher geworden. Und die Plattformen (Open-Source-CMS und -Blogsoftware, Twitter, Facebook, YouTube, E-Publishing-Plattformen) stehen ohnehin größtenteils gratis zur Verfügung. Der Journalist und Blogger Richard Gutjahr erklärte im vergangenen Frühjahr auf seinem Blog, wie man für weniger als 100 Euro ein iPhone 4 in eine komplette HD-taugliche Multimediaausrüstung für das Netz verwandeln kann [4].

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Marketer werden auf erfolgreiche YouTuber aufmerksam

Manche Amateure besitzen nicht einmal das. Ihre Videos entstehen vor der eingebauten Kamera ihres PCs in der Studentenbude oder im Kinderzimmer ihres Elternhauses (siehe Artikel ab Seite 43). Der 21jährige Sami Slimani aus Stuttgart, im Netz besser bekannt als „Herr Tutorial“, testet vor der Kamera Kosmetik, wobei die Produkte mittlerweile von Firmen gesponsert werden, oder er gibt Jugendlichen Ratschläge zum Flirten. Sein Kanal bei YouTube hat über 260.000 Abonnenten – unterstützt von einem Twitter-Profil mit mehr als 45.000 Followern und einer Facebook-Seite mit mehr als 82.000 Fans. Manche Folgen seiner rund 15minütigen Videos kommen auf sechs- oder siebenstellige Aufrufe. Das sind Dimensionen, bei denen auch Marketer hellhörig werden (siehe Artikel „Influencer Economy“ in t3n 24). Zumal solche, die Produkte und Dienstleistungen für junge Leute bewerben wollen, die über klassische Werbekanäle wie Fernsehen oder Zeitschriften kaum noch erreicht werden können.

Schon bei weitaus geringeren Abrufzahlen können Webfilmer ihren Kanal für eine Werbepartnerschaft bei YouTube registrieren lassen. Sie verdienen dann an vorgeschalteten Videospots sowie eingeblendeter Textwerbung – eine Option, die auch der deutsche Netbooknews.com-Blogger Sascha Pallenberg in Taiwan und Richard Gutjahr (siehe Artikel auf Seite 40) mit ihren Videos wahrnehmen. Beide erreichen durchschnittlich vierstellige Abrufzahlen pro Video [5].

Für den Videoexperten Markus Hündgen alias „Videopunk“ gibt es beim Webfilm keine Erfolgsformel: „Das Wichtigste ist: sei authentisch.“ Schon vor fast vier Jahren schrieb Hündgen in seinem „Videopunk-Manifest“: „Wir kennen die Fernseh-Regeln. Wir brechen sie, wo immer es geht. Wir experimentieren.“ [6]. Hündgen, der zwei Jahre lang für das Online-Portal „Der Westen“ Videos produzierte und verantwortete, Videokurse leitet und im Februar 2011 in Essen mit dem Deutschen Webvideopreis der Szene wichtige Impulse gab, liefert mittlerweile mit Unternehmer-Journalist Mario Sixtus und Ex-„Handelsblatt“-Redakteur Julius Endert in einer zum Coworking-Space umgebauten Düsseldorfer Garage „feinsten Bewegtbildjournalismus“ [7].

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Der 21jährige Sami Slimani alias „Herr Tutorial“ nennt sich selbst „ein einfacher Junge“. Wie man bei YouTube Erfolg hat, weiß er aber ganz genau.

Der 21jährige Sami Slimani alias „Herr Tutorial“ nennt sich selbst „ein einfacher Junge“. Wie man bei YouTube Erfolg hat, weiß er aber ganz genau.

Prozessjournalismus nutzt systematisch das Feedback der User

Für das ZDF produziert das „Blinkenlichten“-Trio den „Elektrischen Reporter“. Das hybride Web- und TV-Format beweist sowohl mit seiner formal ungewöhnlichen und stilbildenden Retro-Ästhetik als auch mit seinem transparenten Ringen um Relevanz, dass Webvideos nicht mit Allerwelts-Wackelfilmchen gleichzusetzen sind. Ein halbes Jahr lang testete Blinkenlichten verschiedene neue Formate als öffentliche Dummys und ließ das Feedback der Nutzer in die Entwicklung einfließen. Aus der Debatte mit den Nutzern sind unter anderem „Übermorgen TV“, „Hyperland“ und ein gleichnamiges ZDF-Blog hervorgegangen.

Drei freie Journalisten haben sich als Webvideo-Produzenten zusammengeschlossen. Ihr bekanntestes Produkt ist das ZDF-Format „Elektrischer Reporter“.

Drei freie Journalisten haben sich als Webvideo-Produzenten zusammengeschlossen. Ihr bekanntestes Produkt ist das ZDF-Format „Elektrischer Reporter“.

Einige dem sozialen Netz zugewandte Medien und Journalisten beginnen die Auseinandersetzung mit den Ideen und kritischen Einwänden noch früher im journalistischen Produktionszyklus. Dieser so genannte „Prozessjournalismus“ versteht Journalismus nicht als eine Abfolge abgeschlossener Produkte, über welche die Nutzer immer nur im Nachhinein urteilen können (so heißt es zum Beispiel bei Spiegel Online stets: „Diskutieren Sie über diesen Artikel“), sondern als fortlaufenden Prozess. User-Feedback wird schon während der Recherche ausgewertet oder führt überhaupt erst dazu, dass Journalisten beginnen zu recherchieren.

Zeit Online beschäftigt eine eigene Community-Redaktion damit, das fortlaufende Feedback von Nutzern zu lesen, zu beantworten und gegebenenfalls in neue Beiträge einfließen zu lassen. Das sind laut Wolfgang Blau immerhin 17.000 Kommentare pro Woche auf der Webseite plus Status-Updates von 70.000 Fans bei Facebook und an @zeitonline gerichtete Tweets von 90.000 Followern bei Twitter. Zusätzlich beobachtet die Redaktion per Social Media Monitoring, welche interessanten Trends und Diskussionen sich im sozialen Netz entwickeln.

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Unabhängige Self-Publisher profitieren von Vernetzung

Die regionale „Rhein-Zeitung“ (RZ) aus Koblenz ist als Pionierin unter den Regionalzeitungen schon mehr als zwei Jahre auf sozialen Plattformen wie Twitter, Facebook und Wer-kennt-wen aktiv und hat die Beobachtung und Nutzung von Social Media in den Rang eines Ressorts mit zwei Redakteuren erhoben. Die Redaktion profitiert zunehmend davon, dass die Nutzer über diese Plattformen Ideen unter anderem für exklusive regionale Berichte liefern. Von der geplanten Schließung des Oberlandesgerichts Koblenz erfuhr die Zeitung im Frühjahr 2011 beispielsweise zuerst über eine Facebook-Gruppe. RZ-Digitalchef Marcus Schwarze fasste Mitte Oktober den Austausch der RZ mit den Nutzern zu diversen Themen vom Twitter-Schlagwort #0zapftis (Staatstrojaner aus Bayern) über die fortlaufende Geschichte eines juristisch bedrohten Fanforums zum Nürburgring bis zur Suche nach einer verschwundenen Frau per Facebook in einem Blogbeitrag für die RZ unter der Überschrift zusammen: „Der zündende Link ist ein stetiger Funke.“ [8] Will sagen: Der Austausch mit der Zielgruppe über Social-Media-Plattfomen trägt Früchte.

Mindestens ebenso wie Redaktionen können unabhängige und spezialisierte Self-Publisher von der Vernetzung profitieren. Und das gilt nicht nur für Journalisten, sondern auch für PR-Profis, Webdesigner, Programmierer oder Experten, die an der Schnittstelle zwischen Code und Journalismus arbeiten: Datenjournalisten. Wer gute Referenzen in Eigeninitiative ins Netz stellt, sorgt dafür, dass der eigene Name potenziellen Kunden (zum Beispiel Verlagen oder B2B-Kunden) immer wieder auffällt.

Social Media- und PR-Berater wie Klaus Eck, Mirko Lange, Annette Schwindt, Tapio Liller und Marie-Christine Schindler nutzen ihre eigenen Blogs, Twitter und Facebook, um ihre Fähigkeiten im Netz unter Beweis zu stellen. Der Frankfurter Verlagsberater Leander Wattig nutzt sein Blog und Facebook und diverse Aktionen, wie die von ihm gestartete Branchen-Plattform „Ich mach was mit Büchern“ und den „Virenschleuderpreis“, um die Vernetzung innovativer und innovationsinteressierter Köpfe in der Buchbranche voranzutreiben. Journalist Richard Gutjahr hat ein halbes Dutzend TV- und Webexperten um sich versammelt, um mit ihnen gemeinsam das „Rundshow“-Konzept eines modernen und transparenten TV-Senders zu entwickeln. Sämtliche Mitstreiter (Journalisten, Designer, Webeuntenehmer) nutzen ihre vielfältigen Social-Media-Aktivitäten, um das Projekt bekannt zu machen.

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Auf der Pattform Spot.Us können Nutzer Recherchen mit ihren Spenden finanzieren. So können journalistische Projekte auch ohne klassische Medien verwirklicht werden.

Auf der Pattform Spot.Us können Nutzer Recherchen mit ihren Spenden finanzieren. So können journalistische Projekte auch ohne klassische Medien verwirklicht werden.

Crowdfunding als Alternative zur Werbefinanzierung

Das frisch erschienene Buch „Universalcode“ über den digitalen Journalismus, an dem die Autorin dieses Beitrags mitgewirkt hat, wäre ohne den ständigen Austausch mit der Zielgruppe wahrscheinlich sogar nie erschienen. In über 50 Updates auf seinem Blog hielt Initiator und Co-Herausgeber Christian Jakubetz die Nutzergemeinde über den Entstehungsprozess auf dem Laufenden, viele Anregungen von Nutzern sind in das Buch eingeflossen. Die meisten Autoren, allesamt Spezialisten auf ihren jeweiligen Gebieten, wurden über Social Media auf das Projekt aufmerksam und boten von sich aus an, daran (vorerst ohne Honorar) mitzuwirken. Der öffentliche Diskurs über das Buch ist zudem untrennbar mit seiner Finanzierung verbunden. Über die Publishing-Plattform Euryclia trugen rund 1.000 verbindliche Vorbesteller dazu bei, dem selbstpublizierten Buch eine finanzielle Basis zu verschaffen und so sein Erscheinen zu sichern.

Startnext ist die bekannteste deutsche Crowdfunding-Plattform. Für die Spendenbereitschaft der Deuschen gibt es ein originelles Wort: Krautfunding.

Startnext ist die bekannteste deutsche Crowdfunding-Plattform. Für die Spendenbereitschaft der Deutschen gibt es ein originelles Wort: Krautfunding.

Dieses so genannte Crowdfunding (siehe Artikel ab Sete 50) ist eine wichtige Stütze des Self-Publishing – engagierte Nutzer tragen mit freiwilligen Spenden oder mit finanziellen Vorleistungen dazu bei, dass Projekte verwirklicht oder weitergeführt werden können. Der Podcaster Tim Pritlove, zentrales Mitglied im Chaos Computer Club, erhält von seinen Fans monatlich um die 2.000 Euro Spenden, die er zum Beispiel in eine bessere Ausrüstung investiert. Allerdings: Je deutlicher ein Projekt Werbeeinnahmen erzielt oder mit klassischen Verkaufsmechanismen kommerziell erfolgreich ist, desto geringer die Erfolgschancen beim Crowdfunding. In freiwilligen Spenden für Spiegel Online sähe wohl kaum jemand eine Notwendigkeit. Umgekehrt gilt: Je größer der gesellschaftliche Nutzen, je darbender das Medium, je fester die Fanbindung, je origineller das Projekt, desto größer die Spendenbereitschaft. Sie steigt in der Regel weiter an, wenn Webpublizisten ihre Werke unter einer Creative Commons (CC) Lizenz der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Im Journalismus ist Spot.Us die populärste Plattform, auf der Journalisten gesellschaftlich relevante Themenideen vorschlagen und für deren Umsetzung Nutzer spenden können. Das bekannteste dort umgesetzte Projekt ist ein Beitrag von Lindsay Lohan über den pazifischen Müllteppich, der einen Pulitzerpreis errang. Die „New York Times“ finanzierte das aufwändige Projekt zur Hälfte und sicherte sich damit das Recht zum Erstabdruck, anschließend erschien die Story unter einer CC-Lizenz bei Spot.Us.

Während von Spot.Us bisher nur amerikanische Journalisten profitieren können, gibt es eine ganze Reihe weiterer Plattformen, die auch deutschen Self-Publishern offenstehen. Darunter die deutschen Plattformen Startnext und Inkubato, vor allem für Kulturprojekte. Oder Sellaband, eine Plattform, bei der Musiker ohne Plattenverlag ihre Finanziers finden und ihnen abgestufte exkusive Angebote machen können [9]. Weitere Plattformen zum Crowdfunding und Krautfunding (originelle Eindeutschung) stellt Ansgar Warner, Herausgeber des Online-Magazins E-Book-News, in seinem neuen Buch vor. Es ist nicht sein erstes, aber das erste, bei dem das Thema und die gewählte Art der Veröffentlichung exakt übereinstimmen. „Krautfunding“ ist im Sommer 2011 als krautgefundetes E-Book im Eigenverlag erschienen [10].

Fazit

Heute entscheiden Nutzer, was eine Nachricht ist und was nicht. Verlage, Sender und Journalisten müssen ihre neue Rolle in der veränderten Medienwelt, in der jeder Laie ein Publizist sein kann, oft erst noch finden. Dabei bietet die Vernetzung ungeahnte Möglichkeiten, an Informationen zu kommen und Inhalte zu verbreiten.

Jeder, ob großes Medienunternehmen oder kleiner Self-Publisher, kann von der neuen Vernetzung profitieren. Für letztere ist vor allem die Spezializierung auf ein Themengebiet oder ein besonderes Talent und zudem die enge Verbindung zur Webszene oder der Fanbasis wichtig. Das bedeutet, Beiträge im Netz nicht nur „abzuwerfen“, sondern sich intensiv um den Austausch mit der Zielgruppe zu bemühen. Wenn dies gelingt, besteht die Chance, eigene Projekte mit Hilfe von Crowdfunding zu finanzieren.

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