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E-Commerce

Das neue Widerrufsrecht

Shopbetreiber mussten durch die Reform des Widerrufsrechts von 2010 bereits einige rechtliche Veränderungen beachten. Jetzt kommt es erneut zu umfassenden Änderungen, die auch Auswirkungen auf die Widerrufsbelehrung eines jeden Shopbetreibers haben. Wir stellen die zahlreichen Neuerungen vor.

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Das „Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge“ wurde am 26. Mai 2011 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Nachdem der Bundesrat am 17. Juni entschied, keinen Einspruch gegen das Gesetz einzulegen, konnte es am 4. August 2011 in Kraft treten.

Neue Belehrung über den Fristbeginn

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Mit dem Gesetz werden die Vorschriften zum Wertersatz vollständig neu strukturiert. Ein neuer Paragraph 312e BGB regelt den Wertersatz für die Nutzung einer Sache, den der Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechts zu leisten hat. Der Anspruch auf Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware bleibt zwar in Paragraph 357 Absatz 3 BGB geregelt, wird aber ebenfalls umformuliert.

Durch diese Änderungen an den Wertersatzvorschriften müssen auch die Widerrufs- und die Rückgabebelehrungen umformuliert werden. Durch den neuen Paragraph 312e und einen neuen Paragraph 312f verschieben sich die für den Fristbeginn wesentlichen Normen nach hinten. Dadurch ändert sich die Belehrung über die Voraussetzungen zum Beginn der Widerrufsfrist.

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Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen wurden die Belehrungen angepasst. Durch Umsetzung der Gestaltungshinweise in den Musterbelehrungen kann der Händler diese für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen in seinem Onlineshop verwenden, um den Verbraucher korrekt zu belehren.

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Wertersatz für die Nutzung der Ware

Wertersatz für die Nutzung der Sache muss der Verbraucher nur noch leisten, wenn er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Diese Voraussetzung wird in der Musterbelehrung näher erläutert. Demnach schuldet der Verbraucher keinen Wertersatz für die Nutzung der Ware, wenn er diese lediglich so getestet oder ausprobiert hat, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist.

Das bedeutet beispielsweise, dass der Verbraucher mit einer Digitalkamera ein paar wenige Bilder zum Testen machen kann, ohne hierfür Wertersatz zu leisten. Nimmt er die Kamera jedoch mit in den Urlaub, stellt dies eine Nutzung dar, die über das Prüfen hinausgeht und zum Wertersatz verpflichtet. Ein anderes Beispiel: Hat der Verbraucher einen Fernseher gekauft, darf er durchaus probieren, ob die Qualität des Bildes in Ordnung ist. Er darf das Gerät auch wenige Stunden in Betrieb nehmen, um festzustellen, ob die Qualität gleichbleibend ist. Hat der Kunde aber die komplette Frauenfußball-WM mit dem Gerät geschaut, geht dies über das Prüfen der Eigenschaften und Funktionsfähigkeit hinaus und wäre daher wertersatzpflichtig. Die meisten technischen Geräte haben übrigens Laufzeitzähler im Inneren, sodass der Händler die Dauer der Inbetriebnahme genau feststellen kann.

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Keinen Wertersatz muss der Verbraucher dafür leisten, dass er die Ware die komplette Widerrufsfrist über bei sich behält, die Sache aber gar nicht nutzt. Ein Wertersatz für eine solche Gebrauchsüberlassung oder Nutzungsmöglichkeit existiert nicht und wäre auch mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Weitere Voraussetzungen für das Bestehen des Nutzungswertersatzes sind, dass der Verbraucher auf diese Rechtsfolge der Ausübung des Widerrufsrechts hingewiesen wurde und dass er korrekt belehrt wurde. Das bedeutet also: Verwendet der Händler noch die „alte“ Widerrufsbelehrung, informiert er den Verbraucher über diese Rechtsfolge nicht und hat somit auch keinen Anspruch auf Nutzungswertersatz. Daran ändert auch die Übergangsvorschrift nichts.

Wertersatz für die Verschlechterung der Sache

Neben dem Wertersatz für die Nutzung einer Sache gibt es aber noch einen zweiten Anspruch des Händlers: den Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache. Dieser ist in einem neuen Paragraph 357 Absatz 3 BGB geregelt, der vom Wortlaut her sehr ähnlich gefasst ist wie die Vorschrift zum Nutzungswertersatz.

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Demnach muss der Verbraucher für die Verschlechterung der Sache dann Wertersatz leisten, wenn diese Verschlechterung durch einen Umgang mit der Ware eingetreten ist, welcher über das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Über diese Rechtsfolge muss der Verbraucher außerdem spätestens unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform belehrt sowie vorab im Onlineshop unterrichtet werden. Dies kann man am besten dadurch erreichen, dass man sowohl im Shop als auch in der Bestellbestätigungs-E-Mail die neue Musterbelehrung verwendet.

Auch beim Verschlechterungswertersatz bedeutet das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsfähigkeit, dass der Verbraucher die Ware so testen darf, wie es in einem Ladengeschäft möglich und üblich ist. Diese Erklärung stammt aus der neuen Musterbelehrung. Sie lässt jedoch völlig offen, was genau damit gemeint ist. Außerdem hat der BGH in seinem so genannten Wasserbett-Urteil entschieden, dass der Vergleich mit dem Ladengeschäft zwar ein guter Anhaltspunkt ist, aber nicht der einzige. Auch nach der Gesetzesänderung darf der Verbraucher beispielsweise ein Wasserbett noch mit Wasser füllen und anschließend wertersatzfrei zurückschicken. Der Wertersatz wegen Verschlechterung wird also keineswegs eingeschränkt, sondern vielmehr wird lediglich die Formulierung des Gesetzes den Vorgaben des EuGH angepasst. In der täglichen Praxis bleibt für den Händler aber alles beim Alten.

Kein pauschaler Abzug vom Kaufpreis

Eine Möglichkeit, pauschal etwa 20 Prozent des Kaufpreises einzubehalten, da die Ware nicht mehr neu ist, besteht nicht. Ein solches Vorgehen ist weder nach altem, noch nach neuem Recht zulässig. Einen Wertersatz für Nutzungen oder für die Verschlechterung der Ware nach Rücksendung kann der Händler nur dann einbehalten, wenn ihm ein solcher Anspruch auch zusteht. Also nur dann, wenn der Verbraucher die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über das Prüfen der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Wer pauschal Wertersatz einbehält, obwohl ihm dieser gar nicht zusteht, begeht darüber hinaus eine unlautere geschäftliche Handlung und kann dafür abgemahnt werden.

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Durch die Gesetzesänderung wurde auch klargestellt, wer die Beweislast für das Bestehen dieser Wertersatzansprüche trägt: Der Unternehmer. Praktisch war das zwar schon immer so, aber das Gesetz war in diesem Punkt etwas unklar formuliert. Das bedeutet also, der Händler muss nachweisen, dass die Verschlechterung der Ware durch eine Handlung entstand, die eben über dieses Prüfen oder Ausprobieren hinausging. Wenn man das Wasserbett-Urteil noch einmal betrachtet: Dort entstand die Verschlechterung des Bettes durch das Befüllen mit Wasser. Nur durch das Befüllen war es aber dem Verbraucher überhaupt möglich, die Eigenschaften des Bettes zu testen. Dem Händler würde also auch nach neuem Recht der Nachweis nicht gelingen, dass die Verschlechterung durch eine Handlung entstand, die über das Prüfen hinausging.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Bei der Reform 2010 kam oft die Frage auf, weshalb die Ausnahmen vom Widerrufsrecht nicht mehr in der Musterbelehrung enthalten sind. Die Antwort ist relativ leicht: Das waren sie noch nie. Insofern fand keine Änderung statt. Auch jetzt werden die Ausnahmen nicht Bestandteil der Musterbelehrungen. Diese sind vielmehr abschließend in Paragraph 312d Absatz 4 BGB geregelt. Hier muss der Unternehmer genau prüfen (lassen), ob und welche seiner angebotenen Produkte vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind. Die Ausnahmen sind von der jetzigen Reform des Widerrufsrechts also nicht betroffen.

Übergangsvorschrift

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes dürfen die seit 11.06.2010 geltenden Muster noch weitere 3 Monate verwendet werden. Das bedeutet, wer dieses „alte“ Muster in der Übergangszeit noch nutzt, kann hierfür nicht abgemahnt werden. Da der Verbraucher allerdings über den (neuen) Nutzungswertersatz informiert werden muss, damit der Händler diesen geltend machen kann, muss er sofort die neue Belehrung nutzen. Sonst besteht der Anspruch nicht, da mit der alten Belehrung nicht über diese Rechtsfolge informiert wird. Macht der Händler dennoch diesen Anspruch geltend, ist dies wettbewerbswidrig und kann abgemahnt werden.

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Fazit

Aufgrund der massiven Abmahngefahr muss man als Online-Händler seine Texte immer an die aktuelle Rechtslage anpassen. Dies mag zwar lästig erscheinen, lässt sich aber nicht vermeiden. Ein Whitepaper mit aktuellen, für Online-Shops angepassten Mustern kann kostenlos unter [1] als PDF heruntergeladen werden.

Die aktuelle Neufassung wird nicht die letzte Änderung der Widerrufsbelehrung sein. Am 23. Juni 2011 wurde im Europaparlament die Verbraucherrechterichtlinie verabschiedet, die bis Mitte 2013 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Spätestens dann wird es eine weitere große Reform des Widerrufsrechts, inklusive der Belehrung, geben.

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