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Holger Schmidt: Eine Karriere im Medienwandel

Als bloggender „Netzökonom“ ist Holger Schmidt vielen ein Begriff, die sich für Themen wie E-Commerce, Social Media, App-Ökonomie und andere Internet-Trends begeistern. Anfang des Jahres ist der Web-Experte nach 15 Jahren bei der FAZ zum Focus gewechselt – und freut sich auf Trends wie SmartTV und das mobile Web.

6 Min. Lesezeit
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Foto: Matthias Dörzbacher

Es ist nicht ganz einfach, Holger Schmidt Anfang Januar für ein Interview zu bekommen. Es sind seine ersten Tage beim neuen Arbeitgeber Focus und ihm scheint nicht langweilig zu sein. Aber als Journalist kennt er die Nöte von Redakteuren mit Abgabeterminen: Ein abendliches Telefonat, während er in München auf seinem Hotelzimmer sitzt, lässt sich einschieben.

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Was im einzelnen die Gründe für den Wechsel von der FAZ zum Focus waren, darüber schweigt Schmidt. Eine Mischung aus Medienprofi und Gentleman ist in seiner Haltung erkennbar. Jedenfalls sei es nicht so gewesen, dass es ihm bei der FAZ nicht mehr gefallen habe, beteuert er. Während Schmidt bei der FAZ als Internet-Koordinator angestellt war, fungiert er beim Focus nun als Chefkorrespondent. In dieser Funktion darf er vor allem eines: Schreiben. Sowohl im Printmagazin, hier vor allem auf den Seiten „Web-Wirtschaft“, als auch in seinem Blog auf Focus Online. Seine neuen Themen sind die alten: die digitale Wirtschaft, Social Media, das mobile Internet. „Daneben freue ich mich auf viele neue, spannende Kontakte und Veranstaltungen wie die internationale Digitalkonferenz DLD“, gibt Schmidt Einblick.

Als „Netzökonom“ hat es der 45-Jährige zu einer beachtlichen Bekanntheit gebracht. Zuletzt lasen durchschnittlich rund 15.000 Nutzer seine Beiträge, in denen er Themen der Internet-Wirtschaft analysierte. Und so wurden seine ersten Wochen beim Focus von der Frage begleitet, wie es nach dem Wechsel eigentlich mit dem Netzökonom weitergeht. Gehört die Netz-Figur der FAZ? Oder ist die Identität mit der Person Holger Schmidt verbunden?

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Schmidt gehört zu den Journalisten, deren Lebensweg nicht schon seit frühester Kindheit absehbar war. In der Schule interessierte ihn vor allem Sport; weil Sport nicht möglich war, wählte er als Leistungsfächer Deutsch und Mathe. Eine Kombination, die auf wirklich gar nichts hindeutet. Mit Anfang 20 findet Schmidt dann die Wirtschaft einigermaßen spannend, „allerdings weniger die Betriebswirtschaftslehre, die war mir zu klein. Ich wollte mehr die großen Zusammenhänge verstehen.“ Sein Weg führt ihn zum Volkswirtschaftsstudium an die Universität Gießen. Anders als so mancher Zeitgenosse, der sich über die Kopflastigkeit und fehlende Praxis des VWL-Studiums beklagt, sagt er: „Mir hat das Studium Spaß gemacht, vom ersten bis zum letzten Tag.“

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Während des gesamten Studiums begeisterte Schmidt dabei vor allem ein Thema: der Klimawandel. „Als ich dann 1992 mein Studium abschloss, fand in Rio gerade ein großer Klimagipfel statt. Die Staatspräsidenten beratschlagten sich, wie man die Erde retten wolle“, erinnert er sich. In seiner Dissertation habe er herausfinden wollen, warum sich die Staaten einfach nicht auf einen gemeinsamen Klimaschutz einigen können und warum das Kyoto-Protokoll so schwer zu realisieren sei. Die nüchterne Erkenntnis: „Weil immer einer gewinnt und einer verliert. Damals wollten die Amerikaner nicht, jetzt sind es die Chinesen. Das klingt einfach, ist aber sehr komplex.“ Als Schmidt zur FAZ geht, schreibt er anfangs auch dort noch ein bisschen über den Klimaschutz. Schnell wird es ihm dabei aber zu politisch, zu emotional. Irgendwie liegen ihm Internetthemen doch besser, findet der Journalist, der vor allem auf neutrale Berichterstattung mit wenig eigener Meinung steht.

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Während Schmidt an seiner Dissertation bastelt, fällt der Startschuss für seine Internet-Leidenschaft. Sein Schlüsselerlebnis versprüht die Nostalgie, die heutige „Digital Natives“ nur noch vom Hörensagen kennen: 1994 wird er von einer Kollegin an der Uni verschwörerisch ins Rechenzentrum gerufen – er habe eine E-Mail erhalten. Schmidt ruft die Nachricht ab, die ihm sein Kollege aus wenigen Metern Entfernung geschickt hat. „Mir wurde klar, dass ich diese Nachricht auch von den Bahamas aus hätte abrufen können. Das fand ich extrem spannend und begriff, dass dies die Kommunikation nachhaltig verändern würde.“ An der Universität hat er dann die ersten Websites für seinen Lehrstuhl gebaut.

Die Entwicklung der Kommunikation hat es ihm bis heute angetan. „Das Social Web ist ohne Zweifel die spannendste Entwicklung der vergangenen zehn Jahre im Internet“, urteilt er. Was Facebook und Twitter ausgelöst hätten, sei enorm. Und auch wie die Sozialen Medien die Arbeit des Journalisten verändert haben. Schmidts eigener Tag beginnt mit Twitter. Auf den täglichen Nachrichtenticker zu verzichten, ist für ihn undenkbar. Twitter und Co. hätten seinen Beruf nicht unbedingt erleichtert, man müsse viel stärker filtern und mehr verarbeiten – „kuratieren, wie man heute sagt“ –, aber er fühle sich besser informiert als je zuvor.

Mittendrin im Medienwandel

Während die klassische Komponente des Journalismus geblieben sei, nämlich Kontakte knüpfen, gute Geschichten finden und Interviews führen, habe sich die Art und Weise der Informationsverbreitung komplett gewandelt. Die in den letzten Jahren oft gehörte Einschätzung, dass der Beruf des Journalisten durch das Social Web aussterbe, hat er aber nie geteilt. „Natürlich treten im Social Web neue Akteuere auf den Plan, oft als Multiplikatoren und Kuratoren. Aber meist verweisen sie dann doch auf die Produkte klassischer Journalisten.“ Allerdings: In einzelnen Bereichen gebe es für seine Berufsgruppe bereits ernsthafte Konkurrenz. Vor allem in den Gebieten Technik und Mode existierten zunehmend gute Blogs von Nicht-Journalisten. Egal in welchem Bereich: Journalisten müssten dort sein, wo ihre Leser sind. Und das ist heute das Soziale Netz.

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Die Herausforderung für heutige Journalisten sieht Schmidt darin, eine gespaltene Leserschaft zu begeistern: Print-Leser und Online-Leser. Zwei Gruppen, die sich nicht sonderlich überschneiden, findet er. Als Journalist, aber auch als gesamtes Medienhaus, müsse man in beiden Märkten aktiv sein, beide Gruppen ansprechen. Diesen Sprung hätten viele Medienhäuser nicht rechtzeitig und konsequent genug gemacht. „Viele Medien unterschätzen, dass ihre Marke die Strahlkraft aus der Offline-Welt nicht unbedingt auch in der Online-Welt hat, vor allem bei den jüngeren Lesern“, so Schmidt. Reputation müsse man sich manchmal neu erarbeiten. Und dazu gehöre der Mut und die Kraft zum Experimentieren. „Wir stecken noch mittendrin in der Experimentierphase, der Medienwandel ist noch nicht sonderlich weit gediehen“, schätzt der Journalist die aktuelle Situation ein. „Die ersten zehn Jahre Medienwandel sind vorbei, die spannenden 20 Jahre kommen jetzt.“

Trends: Smart-TV und mobiles Web

Staunen kann Schmidt noch immer darüber, wie rasend schnell die Entwicklungen voran gehen. Viele hätten geglaubt, mit Apps für Apple habe man bereits das Ei des Kolumbus gefunden. Dann sei das Bewusstsein gewachsen, dass die Zukunft nicht darin liege, nur auf einer einzigen Plattform präsent zu sein und sich von einem Unternehmen abhängig zu machen – wo sich doch gerade alles auf die Trends Smart-TV und mobiles Web zubewege.

Das Thema „Bezahlinhalte“ sieht Schmidt noch in der Experimentierphase. Die Medien hätten es in Deutschland schwer, zumindest in Bezug auf klassische Nachrichten, weil es genügend kostenfreie Angebote gebe. „Mit Spiegel und Bild gibt es zwei dominante Player, die keine Notwendigkeit für ein Bezahlmodell haben“, erklärt Schmidt. „Daneben gibt es die gebührenfinanzierten Sender ARD und ZDF.“ Vielversprechender seien Modelle, bei denen Nutzer für Hintergründe, Analysen oder Vielfachnutzung bezahlen. „Auch da muss man ausprobieren. Im Netz und der App-Economy geht es immer mehr in Richtung einer Mischfinanzierung aus Bezahlinhalten und Werbung.“

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Während Holger Schmidt beruflich ständig in den Sozialen Medien unterwegs ist, wird man ihn privat eher selten dort finden. Warum er dieses Doppelleben führt, ist für den Internet-Analysten leicht zu erklären: „Ich bin wohl schon zu alt! Einige meiner echten Freunde sind auf Facebook, die meisten aber nicht.“

Einige Wochen nach dem Interview hat Holger Schmidt seinen ersten Monat bei Focus hinter sich gebracht. Er ist nach wie vor hoch motiviert und noch ein bisschen aufgeputscht von der DLD. „Das sind immer die intensivsten drei Tage im Jahr“, freut er sich. Unzählige Gespräche habe er geführt und sei abends „platt und durchgedreht“ ins Bett gefallen. Aber glücklich – weil er tun kann, „was der Traum eines jeden Journalisten ist: Schreiben.“ Als „Netzökonom“ wird er in Zukunft übrigens nicht mehr unterwegs sein. Ein Wiedererkennungseffekt zu seiner bisherigen Online-Identität ist trotzdem da: Sein neuer Blog bei Focus.de heißt „Netzökonomie-Blog“.

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