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UX & Design
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Predictive Web: Orakeln im Information Overload

„Das könnte Sie auch interessieren“ und „Inspiriert von Ihren Stöbertrends“ sind Aussagen, die heute ebenso zum Weballtag gehören wie Suchmaschinen, die schon während des Tippens eines Begriffs vorschlagen, wonach der Nutzer sucht. Auch Musikempfehlungen bei Online-Diensten wie Last.fm basierend auf den Vorlieben des Anwenders gehören zum guten Ton. Das Web weiß, was der einzelne Nutzer will – doch das ist nur der Anfang.

7 Min. Lesezeit
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Vorhersagen im Web kommen mittlerweile in unterschiedlichsten Gewändern daher. Einige Systeme zielen beispielsweise darauf ab, Nutzern entsprechend ihren Interessen, Präferenzen und ihres jeweiligen Nutzungskontextes einfacheren beziehungsweise schnelleren Zugriff auf für sie relevante Informationen zu gewähren. Derartige Systeme versuchen also vorherzusagen, was genau ein Nutzer in einer konkreten Situation brauchen könnte.

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Um dieses Ziel zu erreichen, sprechen diese Systeme in den meisten Fällen Empfehlungen zu Inhalten aus oder sie adaptieren sich selbst – beispielsweise in Form einer Restrukturierung der Navigation. Diese Empfehlungen oder Adaptationen können unter anderem den Zugriff auf häufig vom Benutzer angefragte Inhalte beschleunigen oder den Anwender auf relevante Inhalte hinweisen, die er bislang nicht kannte oder nicht zur Kenntniss genommen hat.

Andere Systeme beschäftigen sich wiederum mehr mit der eigentlichen Thematik der Vorhersage. So kann man zum Beispiel Vorhersagen mit Hilfe von Suchanfragen an Suchmaschinen treffen – so zum Beispiel beim Eurovision Songcontest 2010 geschehen, als Google basierend auf Suchanfragen „orakelte“, dass Lena gewinnen würde. Andere Beispiele prognostizieren den Erfolg von Kinofilmen anhand von Diskussionen in Tweets.

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Informationsfülle im Web 2.0

Vieles hat sich beim Übergang vom Web 1.0 zum Web 2.0 geändert: Waren die Rollen früher zwischen Informationsanbieter und -konsumenten streng getrennt, können heute auch Menschen mit relativ wenig EDV-Kenntnissen einfach eigene Texte, Fotos oder Filme ins Internet stellen. Durch solche vom Benutzer generierte Inhalte nimmt die Informationsdichte noch schneller zu. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Sachebene (Antworten auf Fragen wie: Wie entferne ich diesen Bug aus dem Programm? Wie sieht die Ferienanlage von hinten aus? Wem hilft dieses Buch wirklich?), sondern auch die persönliche Ebene. Der Nutzer hinterlässt durch seine vermehrte Webnutzung immer mehr Daten zu seinen Vorlieben, Interessen und Beziehungen.

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Vorschläge beim Eintippen von Suchbegriffen sind nur eine Spielart von Vorhersagen im Web.

Vorschläge beim Eintippen von Suchbegriffen sind nur eine Spielart von Vorhersagen im Web.

Eine Folge dieser Informationsfülle ist die erschwerte Orientierung. Das Zuviel an Informationen geht auf Kosten des produktiven Umgangs mit ihnen. Aber nicht nur die schiere Menge erschwert die Nutzung, auch deren Struktur ist problematisch. Jeder Nutzer, der Content generiert, tut dies in seinem persönlichen Stil. Riesige Mengen an unterschiedlich strukturierten Inhalten entstehen dabei. Auf der Suche nach einer bestimmten Information fällt es daher immer schwerer, relevante, korrekte und aktuelle Inhalte zu finden bzeziehungsweise diese schnell genug zur Hand zu haben.

Intelligente Informationsreduktion

Es braucht Mittel und Wege, die dem Nutzer helfen, die Fülle an Informationen auf ein konsumierbares Maß zu reduzieren. Intelligente Technologien analysieren das Nutzerverhalten und „lernen“ selbständig, dem Einzelnen sukzessive genau das im Web anzubieten, was er erwartungsgemäß in seiner aktuellen Rolle und seinem augenblicklichen Kontext tatsächlich benötigt.

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Dem Konsumenten sind diese Techniken in Ansätzen häufig bereits aus Shopping-Portalen bekannt. Die Website „merkt“ sich den Nutzer, vergleicht seinen Warenkorb oder seine Kaufhistorie mit der anderer Kunden und platziert daraufhin spezielle Angebote an prominenter Stelle. Paradebeispiel ist hier sicherlich Amazon. Die Einkaufsplattform bombardiert den Kunden förmlich mit zugeschnittenen Vorschlägen. Innovative Ansätze vertiefen diese Funktionen jedoch beträchtlich.

Lernen am Modell

Intelligente Portaltechnologien, wie sie im IBM-Projekt „Minerva“ [1] untersucht werden, analysieren das Verhalten eines Nutzers und erstellen daraus detaillierte Nutzermodelle. Sie merken sich nicht nur, was der Nutzer in seiner Rolle macht – also welche Informationsquellen er bevorzugt oder welche Anwendungen er benutzt –, sie analysieren auch, auf welche Weise er damit arbeitet – also, welche Texte er genauer studiert und welche er nur kurz anklickt, welche Inhalte oder Kontakte er bevorzugt.

Das Lernen und die Anpassung geschehen dabei um einiges effizienter und dynamischer als in herkömmlichen Rollenmodellen. Dort stellt in der Regel ein Administrator die entsprechenden Parameter ein. Dies geschieht beispielsweise nach dem Muster von einfachen „Wenn, dann“-Regeleinstellungen („Wenn Montag, dann Anzeige des Wochenplans“). Die neuen Technologien schließen derartige Beziehungen aus der Interaktion des Nutzers und passen sich automatisch an.

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Lernen im Kontext

Neben Rolle und Verhalten des Nutzers ist auch der Kontext wichtig, in dem er das Web oder Portal nutzt. Das System weiß zu unterscheiden, ob sich der Mensch an seinem Schreibtisch im Büro, unterwegs mit seinem PDA oder zuhause vor seinem Heimrechner befindet. Moderne Technologien gehen jedoch weit darüber hinaus ändern nicht nur die Bildschirmanzeige, wenn der Anwender mobil auf Inhalte zugreift. Mittels „gelernter“ Kontextmodelle weiß das System auch, welche Inhalte der Anwender im jeweiligen Kontext bevorzugt: im Büro mögen das Anwendungen und Informationen bezogen auf geschäftliche Themen sein; unterwegs lokale Informationen oder Location-based Services; zuhause dagegen eher Unterhaltungsmedien.

Wichtig dabei ist, dass die Technologien so trennscharf arbeiten, dass sie die unterschiedlichen Kontext-Partitionen nicht vermischen:. Was das System über den Nutzer während dessen mobilen Online-Sessions lernt, darf es nicht zwangsläufig für die anderen Nutzerkontexte verwenden. Wenn der Nutzer wieder im Büro ist, benötigt er vermutlich keine Informationen wie Restauranttipps in örtlicher Nähe oder Hinweise auf die Filmhighlights zur Stunde – diese würden ihn unter Umständen sogar von der Arbeit abhalten. Die kommenden Systeme werden so intelligent sein, hier zu unterscheiden und sich gegebenenfalls auch explizit durch den Nutzer korrigieren zu lassen.

Die intelligente Menge empfiehlt

Die bequeme, nutzerorientierte Anordnung der Informationen und Anwendungen für den Menschen sind aber nur eine erste Stufe der intelligenten Navigation durch die Informationskomplexität jetziger und kommender Zeiten. Die Systeme generieren aus immer feineren Nutzer- und Kontext-Modellen sehr präzise Empfehlungen. Diese beziehen sich dabei nicht nur auf Inhalte, die der Nutzer wahrscheinlich immer wieder nutzen wird („Favoured Content“), sondern auch auf nützliche Inhalte, auf deren Spur er bislang noch gar nicht gestoßen ist.

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Das erreichen die neuen Analyse-Technologien durch den Vergleich der unterschiedlichen Nutzer- und Kontextmodelle. Dabei gehen sie weit über das Schema à la „Leser, die dieses Buch gekauft haben, haben auch dieses gekauft“ hinaus. Die neuen Analytik-Technologien erfassen potenziell viel mehr im Web verfügbare Inhalte und Inhaltsformen. Liest ein Wissensarbeiter beispielsweise sehr intensiv Artikel, Tweets oder Blog-Beiträge, die bestimmte Tags aufweisen oder in denen bestimmte Begriffe gehäuft vorkommen, fließen diese Informationen in das Nutzermodell ein. Der Nutzer erhält daraufhin relevante Beiträge aus dem Web, von deren Vorhandensein er nichts ahnte („Related Content“).

Schnelle und tiefe Vorhersagen

Im Umgang mit den riesigen Datenmengen sind zwei Dimensionen wichtig. Einerseits sind kurzfristige, schnelle Antworten, wie im Börsengeschäft, wichtig, andererseits liefern tiefergehende Analysen zum Beispiel aus Data-Warehouse-Daten neue Aufschlüsse über Kundenverhalten oder Markttrends. Lag bisher der Schwerpunkt auf der Analyse technischer Daten, beispielsweise Kursverläufen, können nun auch soziale Informationen mit in die Analyse einfließen. So können Stimmungen über Firmen oder Produkte aus Foren, Blogs oder Tweets wichtige Trendhinweise geben. Gleichzeitig werden sehr differnzierte, personalisierte und kontextbezogene Beratungsempfehlungen oder Angebote möglich.

Noch mehr lernen am mobilen Nutzer

Das Potenzial derartiger Predictive-Systeme wächst zudem mit der immer engeren digitalen Vernetzung der Welt durch Sensoren. An jeder Schnittstelle zwischen Außenwelt und dem Netz fallen Informationen zu Gebrauch, Verhalten und Nutzung an, aus denen sich weitere Schlüsse ziehen lassen. Denkbar ist hier etwa neben unzähligen Industrieanwendungen auch eine intelligente Unterstützung bei der medizinischen Versorgung. In der Altenbetreuung oder auch bei der Versorgung von chronisch Kranken können diese Technologien die Lebensqualität unter Beibehaltung der Unabhängigkeit und Mobilität erhalten oder steigern.

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Der starke Trend zu mobilen Systemen mit permanenter Onlinefähigkeit erweitert die den Nutzern zur Verfügung gestellten Möglichkeiten und liefert gleichzeitig noch mehr Kontextinformationen. Das beschränkt sich nicht nur auf Ortsinformationen, sondern umfasst auch Einkaufsverhalten oder Freizeitgewohnheiten. Analysiert man auch diese, ergeben sich wiederum neue Möglichkeiten, nicht nur aus dem Bereich der Location-Based Services. So kann beispielsweise die Nähe des Fußballstadions zusammen mit dem Wissen über die situationspezifischen Nutzerinteressen (Existenz beziehungsweise Nichtexistenz eines Kalendereintrags: „Fußballspiel anschauen“) zu völlig unterschiedlichen Handlungsempfehlungen führen.

Datenschutz – wissen, was man weiß

Bei all diesen neuen Entwicklungen gilt es jedoch, immer auch das Recht des Nutzers an seinen eigenen Daten und deren Schutz im Hinterkopf zu behalten. Die gerade verstärkt beginnende Diskussion und Sensibilität für Fragen der Privatsphäre ist notwendig und gut. Für die technischen Systeme bedeutet das, dass sie Möglichkeiten bieten müssen, dem Nutzer auch zeigen zu können, was sie „gelernt“ haben beziehungsweise welche Daten das System zu ihm gesammelt und analysiert hat. Dabei soll der Anwender selbst entscheiden können, welche Daten die Systeme nutzen dürfen und welche sie wieder vergessen sollen. Teilweise sind die entsprechenden Technologien schon vorhanden, vieles befindet sich in der Entwicklung und die Nachfrage wird über die Geschwindigkeit der Realisierung entscheiden.

Nur so kann man letztendlich gewährleisten, dass die neuen Möglichkeiten sinnvoll genutzt werden können: den Nutzer bei der Navigation durch den Datenkosmos des Webs zu unterstützen und seine persönlichen Interessen zu wahren.

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Bildnachweis für die Newsübersicht: Foto: Islandguy, flickr.com – Lizenz: CC BY 2.0

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