In den letzten Jahren ist ein Trend weg von reinen Entwicklern oder Beratern und hin zu Agenturen zu beobachten. Diese bieten dem Kunden Kompaktlösungen und decken verschiedene Themenbereiche gleichermaßen ab: angefangen bei beratenden Tätigkeiten und Projektplanung/-management über kreative Leistungen wie Design oder Entwicklung bis hin zu Schulung und Support. Der Fokus der Agenturen ist sehr unterschiedlich und je nach Kunden- oder Branchenausrichtung ein stark spezialisierter oder aber sehr breit angelegter.

Die Größe einer Agentur ist dabei meist nicht der entscheidende Faktor. Denn am Markt existieren sowohl Agenturen mit einem oder wenigen Mitarbeitern, die aber einen sehr breiten Fokus haben, als auch große Dienstleister mit dutzenden Mitarbeitern, aber starker Spezialisierung, etwa im Kreativbereich oder bei der Implementierung von Shoplösungen. All diese Agenturarten und -größen haben nichtsdestotrotz dasselbe Problem: Hosting-Leistungen und Serverwartung passen weniger gut zu projektbasierten Leistungen. Oft fehlt die Administrationskompetenz, Themen wie Domainregistrierung und Webspace-Verwaltung kann ein Generalist kaum idealtypisch bedienen. Auch sind die Investitions- und Fixkosten für den Rechenzentrumsbetrieb nicht zu unterschätzen. Sie sind lediglich mit den Agenturkunden kaum zu tragen, separat angebotenes Hosting aber verlangt zusätzliche Ressourcen.

Die Stärken von Agenturen liegen oft in der Art und Qualität ihrer Kundenkontakte. In manchen Fällen besteht hier auch eine enge Bindung an eine branchenspezifische Zielgruppe oder allgemein der Kontakt zu einer bestimmten Branche. Auch ist das Fachwissen von Agenturen in bestimmten Bereichen, beispielsweise Logistik, Mode oder Biolandwirtschaft, häufig ein entscheidender Faktor für die Nähe und langfristige Bindung zu Kunden.

Der zweite Faktor sind die individuellen Stärken der Agenturen in bestimmten Bereichen wie Konzeption, Grafik, Entwicklung oder Marketing. Und genau an diesem Punkt kommen die zusätzlichen Möglichkeiten ins Spiel, welche Agenturen durch ein Auftreten als Reseller nutzen können. Im Gegensatz zum reinen Aussprechen von „Empfehlungen“ einzelner Hosting-Partner bleibt die Agentur als Reseller weiterhin der zentrale Ansprechpartner für den Kunden. Zudem hat die Agentur so jederzeit Einblick in alle Bereiche und somit direkte Steuermöglichkeiten.

Durch ein Auftreten als Reseller vergrößert sich gegenüber dem Kunden das Portfolio der Agentur. Das einheitliche Auftreten eines Partners, sowohl für die Umsetzung als auch für die Wartung, ermöglicht außerdem flexible Paketangebote, etwa eine Kombination aus technischem Betrieb durch einen Partner und eigenem Support- und Update-Service. Die Kundenbindung und ein einheitliches Auftreten gegenüber diesem sind hierbei die entscheidenden Faktoren.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Der Kunde, eine kleine Einzelhandelskette aus dem Modebereich, braucht eine Webseite lediglich, um den Kunden über Öffnungszeiten und Anfahrtspläne zu informieren. Die Umsetzung in der Agentur liegt im Marketing, die IT-Abteilung ist meist nur peripher beteiligt. Dementsprechend unwichtig ist der Server: Hauptsache, die Seite ist erreichbar. Doch als die neue Kampagne lanciert wird, zwingt der explosionsartig gestiegene Zulauf den Webserver in die Knie. Ein von der Agentur strikt getrennter Hoster ist in dieser Situation das Schlimmste, was dem Kunden passieren kann. Ist die Agentur dagegen Reseller und hat eine enge Anbindung an den Hoster, so findet sich wesentlich schneller und – aus Kundensicht – einfacher eine Lösung. Insbesondere langfristige und enge Zusammenarbeit zwischen Agentur und Hoster wirken sich für den Kunden in dieser Situation positiv aus. Zudem ist die enge Partnerschaft möglicherweise als Entwicklungsressource bei komplizierten Spezialfällen oder besonders guter Auftragslage denkbar.

Eine zusätzliche Rolle für eine Reseller-Tätigkeit spielen die Kostenvorteile. Reseller-Pakete sind oft günstiger als vergleichbare Einzelaccounts und lassen sich durch flexible Nutzungsmöglichkeiten oder Preisstaffeln gewinnbringend nutzen.

Doch das Auftreten als Reseller ist auch mit Verpflichtungen und Verantwortung gegenüber den Kunden verbunden. Schließlich ist die Agentur in solchen Fällen der (erste) Ansprechpartner für Fragen, Wünsche und Probleme. Im Gegensatz zur Empfehlung von Hosting-Partnern, die es bei Nachfragen erlaubt, getrost auf den Hoster zu verweisen, ist die Agentur als Reseller und Vertragspartner zumindest juristisch verpflichtet, angemessen zu reagieren. Die Tätigkeit als Reseller sollte sich insofern auch finanziell für die Agentur lohnen. Mit der Wahl eines passenden Partners sind die kaufmännischen, juristischen und moralischen Verpflichtungen allerdings überschaubar.

Vor der Entscheidung für oder gegen ein Auftreten als Reseller hilft es, sich die Möglichkeiten, Grenzen und Synergien anzuschauen, die sich daraus ergeben (können):

• An erster Stelle steht das Erkennen der eigenen Stärken. Welches sind die entscheidenden Faktoren für das Auftreten als Agentur und die Kundenbindung? In welchen Kernbereichen ist die eigene Agentur der ideale Partner für Interessenten?
• Welche Verbesserung und/oder Erweiterung der Möglichkeiten und Leistungen für den Kunden erhofft man sich durch die Reseller-Tätigkeit? Welche Aspekte können/sollen hierbei durch den Partner abgedeckt werden?
• Wie sieht die Schnittstelle zwischen diesen Bereichen aus? Welche gemeinsamen Bereiche sind erkennbar und welche Synergien können genutzt werden? Kann der Partner etwa das eigene Engagement im Bereich High Performance oder Content Management durch bestimmte Schwerpunkte ergänzen?

Hat man sich erst einmal für die Reseller-Tätigkeit entschieden, empfiehlt es sich, dem Kunden gegenüber mit offenen Karten zu spielen und die Kooperation mit einem Hosting-Partner offenzulegen. Für die Leistungen, die der Kunde bezieht, macht dies keinen Unterschied, aber es erhöht die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zwischen Agentur und Kunden. Insbesondere kleinere Kunden fühlen sich bei ehrlichen Netzwerken besser aufgehoben, als erst im Ernstfall erfahren zu müssen, der Server stünde in irgendeinem Rechenzentrum ohne direkten Zugriff darauf.

Für die Wahl des Hosting-Partners ist es entscheidend, die eigenen Stärken um die Leistungen des Partners optimal zu ergänzen. Interessante Aspekte sind etwa die Größe des Hosting-Partners, die Flexibilität der angebotenen Leistungen sowie das technische Know-how. Sind geringere Kundenanforderungen die Regel, kann ein sehr großer Hosting-Partner in Betracht gezogen werden. Der bietet günstige Preise, kann aber mitunter nicht flexibel auf die Anforderungen reagieren. Die Agentur ist hier im Zweifel nur ein „kleines Licht“ innerhalb der verwalteten Präsenzen. Bei höheren Anforderungen bietet sich ein Hosting-Partner an, mit dem man sehr eng zusammenarbeitet und der aufgrund seiner Größe und Kompetenz imstande ist, entsprechende Projekte zu stemmen.

Es ist zudem empfehlenswert, sich auf eine überschaubare Anzahl von Kernpartnerschaften zu konzentrieren. Dazu ist es sinnvoll, mehrere Stärken eines Partners gleichzeitig und ganzheitlich zu nutzen. So kann etwa die Mischung aus Domains und Webhosting zusammen mit Entwicklungswissen nützlich sein, um auch in kniffeligen Fragen kompetente Unterstützung zu erhalten. Außerdem vermeidet man durch die Reduktion der Partnerschaften Reibungsverluste und verringert zugleich den Aufwand zur Kommunikation mit und zwischen den Partnern.

Zu guter Letzt gilt es, mit dem potentiellen Partner neben der menschlichen und technischen auch eine kaufmännische Basis für die Partnerschaft zu finden. Hier erweist es sich häufig als Vorteil, keine Partnerschaften mit „Dumping-Anbietern“ einzugehen, denn das sorgt für entsprechende Außenwirkung im Hinblick auf Qualität und führt möglicherweise zu einem Konkurrenzkampf mit dem eigenen Partner. Klare Absprachen bezüglich der Zuständigkeiten und dem Kundenschutz erleichtern hier die Zusammenarbeit und insbesondere den Start in eine neue Partnerschaft.

Eine effiziente Zusammenarbeit in einer Reseller-Partnerschaft ergibt sich insbesondere durch kurze Wege, schnelle Reaktionen und flexible Lösungen. Hierbei ist es oft hilfreich, „Standardprodukte“, etwa die Verwaltung von Domains und Webspace für Kunden, selbstständig im Griff zu haben. Idealerweise in Form von resellerfähigen Lösungen, die ein geeignetes Webinterface für die Agentur bieten oder es der Agentur gegebenenfalls sogar ermöglichen, selbst „Unterpakete“ zu verwalten.

Auch Personalisierungsmöglichkeiten der Kundenoberfläche für die Agentur sind hilfreich. Bei einer umfangreicheren Resellertätigkeit stellt es für Agenturen oft eine wesentliche Arbeitserleichterung dar, entsprechende Automations- und Integrationsmöglichkeiten zu nutzen. Das klassische Beispiel hierfür ist der Export von Rechnungsposten mit Kundenzuordnungen, insbesondere bei monatlich wiederkehrenden oder sogar wechselnden Posten.

Die Möglichkeiten, die eigene Agenturtätigkeit durch eine Resellerpartnerschaft zu ergänzen, sind vielfältig. Es ist in jedem Fall sinnvoll, mögliche Zusammenarbeiten im eigenen Umfeld zu prüfen. Die Wahl von passenden Partnern ist nicht leicht, eine gegenseitige Ergänzung der Kompetenzen lohnt sich aber in jedem Fall. Zudem sollte das Angebot des Hosters zur Nachfrage der eigenen Kunden passen. Und wer den richtigen Partner findet, wird im Optimalfall durch langjährige und intensive Zusammenarbeit mit Fokus auf die Zufriedenheit der eigenen Kunden belohnt.