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Analyse

Amazon kauft Whole Foods: Die Geschichte hinter dem Deal und die Zukunft der Supermarkt-Kette

Wie es dazu kam, dass Amazon Whole Foods kauft und was Amazons Jeff Bezos jetzt mit der Bio-Supermarkt-Kette vor hat.

Von Jochen G. Fuchs
6 Min.
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Alle Hintergründe zum Amazon-Whole-Foods-Deal. (Foto: Whole Foods Market)

John Mackey, der gegen Gier wetternde Hippie (New York Times), der sein Gehalt und seine Stock-Options aufgegeben hat und Jeff Bezos, der milliardenschwere CEO eines schnellwachsenden Technologie- und Handelskonzerns, der Idealist und der Kapitalist – ein ungleiches Paar. Und doch hat der Whole-Foods-CEO mit Amazon vermutlich einen Wunschkandidaten für den Verkauf bekommen, denn die wesentlich schlimmere Alternative, Wall-Street-Spekulanten, standen bereits vor der Tür. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Übernahme und ein Ausblick auf ein Whole Foods unter der Ägide von Amazon.

Wie es zur Whole-Foods-Übernahme kam

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2013 war die Welt für die Premium-Bio-Kette Whole Foods scheinbar noch in Ordnung. Innerhalb von gut zwei Jahrzehnten wuchs die ursprünglich zehn Filialen starke Aktiengesellschaft, die aus einem einzelnen Supermarkt aus den achtziger Jahren in Austin, Texas stammte, auf mehr als 400 Filialen an – und wollte auf über 1.200 Filialen expandieren.

Der erste Whole-Foods-Market aus den 80ern. (Foto: Whole Foods Market)

Zuerst Expansion, dann Stagnation

In Wirklichkeit sah es hinter den Kulissen aber längst nicht mehr so gut aus, wie im vorangegangenen Jahrzehnt. In den 90ern startete Walmart den Verkauf von Lebensmitteln, was eine Schockwelle in die Industrie aussandte, die dazu führte, das alle wie Walmart sein wollten: Wenig Arbeitskräfte, billige, schmucklose Einrichtung und günstige Preise für billige Lebensmittel wurden im Laufe der Jahre auf einmal State-of-the-Art.

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„Whole Foods ruhte sich auf seinen Lorbeeren aus.“

Whole-Foods-Gründer Mackey schaffte es in den Folgejahren mit seinem teilweise auf biologische und teilweise auf Gourmet-Lebensmittel ausgerichteten Konzept langsam aber sicher ein Klientel zu erobern, dass er selbst nie gedacht hätte zu erreichen: die amerikanische Mittelklasse. Die mittlerweile mehr Wert auf ausgewogene Ernährung legte, als ein Walmart sie liefern konnte – und sich in den hässlichen Einkaufsbaracken der schmucklosen Discount-Ära nicht mehr wohlfühlte. Die teureren Preise in der Whole-Foods-Kette schreckten diese Kunden nicht ab.

Doch Whole Foods ruhte sich in den Jahren, die auf Walmarts Markteintritt folgten, langsam aber sicher auf seinen Lorbeeren aus. Mackey schien zu denken, der Konkurrenz weit voraus zu sein, wie er dem Magazin Texas Monthly gegenüber zugibt.

Whole-Foods-CEO John Mackey. (Foto: Whole Foods Market)

Die Konsequenz: Die Pläne mussten Anfang 2017 endgültig fallen gelassen werden, die Anzahl der Filialen ist mit 464 nicht wesentlich angestiegen und das Unternehmen ist mit rund drei Milliarden Schulden hoch verschuldet. Wer heute in einen Walmart oder Kroger, einer der anderen führenden Lebensmittel-Ketten läuft, sieht wieso: Die selben hochwertigen Lebensmittel, wenn auch nicht in der gleichen üppigen und exklusiven Auswahl, sind auch dort zu finden. Die Billigheimer haben Premium gelernt, und verkaufen zu deutlich günstigeren Preisen als Whole Foods. Das kostet Kunden aus dem Mittelstand. Kroger hat Whole Foods im Bio-Segment 2016 im Umsatz überrundet.

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Spekulanten treiben Whole Foods in die Enge

Es kam, wie es kommen musste, nach vorangegangenen Scharmützeln mit bereits vorhandenen Wall-Street-Investoren, geriet Whole Foods im April 2017 ins Zielvisier von Spekulanten. Während Whole-Foods-CEO Mackey am 10. April zur Tour mit seinem neuen, veganen Whole-Foods-Kochbuch startete, begann eine Investment-Firma namens Jana Partners heimlich eine Attacke und übernahm neun Prozent der Aktien. Mackey schwor öffentlich, dass die Spekulanten, die seiner Meinung nach nur auf schnelles Geld aus waren, Whole Foods nicht bekommen sollten. Noch im selben Monat schloss Mackeys Team vertrauliche Vereinbarungen mit Amazon zu dem möglichen Verkauf an Amazon ab, wie die New York Times berichtet. Die komplette Whole-Foods-Story gibt’s bei Texas Monthly.

Mackey hat, wenn der Deal abgeschlossen ist, sein Ziel erreicht und die Spekulanten ferngehalten – auch wenn diese nach dem Verkauf ihrer neunprozentigen Anteile deutlich mehr Rendite gemacht haben dürften als Mackey. Der verdient laut der New York Times nur acht Millionen US-Dollar an dem Verkauf, die Spekulanten einen dreistelligen Millionen-Betrag.

Den eigenwilligen und idealistischen Mackey dürfte das zwar ärgern, aber nicht stören. Spannender für Mackey dürfte die Zukunft sein, die vor Whole Foods unter dem neuen Eigner Amazon liegt. Denn dort bieten sich völlig neue Möglichkeiten, einige davon betrachten wir im Folgenden.

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Amazons Pläne für Whole Foods

John Mackey, der Whole-Foods-CEO mit der Hippie-Attitüde, ist der Schlüssel zum Verständnis beim Amazon-Whole-Foods-Deal. Silicon-Valley-Startups sind oft voller euphorischer „Botschaften“, wenn es um den Sinn des Unternehmens geht, meist wird nichts weniger versucht als „die Welt zu verändern“. Dementsprechend skeptisch wird der durchschnittliche Leser Mackeys „Botschaft“ aufnehmen.

Whole Foods wirbt mit natürlichem und biologischem Essen. (Foto: Whole Foods Market)

John Mackeys Mission: Ein gesundes Amerika

Nur dass der CEO, der auf Gehalt und Aktienoptionen verzichtet hat, Bücher über gesunder Ernährung und über ein Konzept für nachhaltiges und achtsames Unternehmertum namens „Conscious Business“ meint, was er sagt: „Wir haben eine Mission“. Welche Mission das ist, wird in einen Artikel von Texas Monthly klar. Mackey spricht über sein Buch „Die Whole Foods Diät”, das was er sagt, klingt wie ein Manifest für Whole Foods: „Stell dir für einen Moment vor, du wüsstest die Lösung für die Krise im Gesundheitssektor in den USA, das du wüsstest, dass wir 80 Prozent der Gesundheitsausgaben unseres Landes buchstäblich für ernährungsbezogene- und Zivilisationskrankheiten ausgeben, und du kennst die Lösung für unsere Gesundheitsprobleme.“ Mackey kämpft für ein gesundes Amerika. Mackey geht soweit, dass er seine Mitarbeiter auf unternehmenseigene Gesundheitsfarmen schickt. Texas Monthly betont, dass es bezeichnend sei, das jeder Mitarbeiter von Whole Foods, aktuell oder ehemals, über die Versessenheit  des Unternehmens auf diese Mission spricht.

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„Whole Foods muss sich weiter entwicklen, oder es wird aussterben.“ (John Mackey)

Mackey musste während der gesamten Entwicklungsgeschichte von Whole Foods Kompromisse machen, um Erfolg zu haben. Der erste Lebensmittelmarkt in den 80ern verkaufte nur vegane Lebensmittel, keinen Alkohol und Zucker. Heute gibt es zwar eine Liste mit rund 120 verbotenen Substanzen, die in Lebensmitteln bei Whole Foods auf keinen Fall enthalten sein dürfen – aber es gibt Zucker und Alkohol. Als Mackey klar wurde, dass sein Supermarkt nicht überleben würde, ließ er Alkohol und Zucker zu. Ein solcher Moment tat sich im April 2017 wieder für Mackey auf: Noch kurz vor der feindlichen Attacke durch den Spekulanten Jana Partners sagte Mackey noch zu einem Journalisten von Texas Monthly, dass Whole Foods sich jetzt weiterentwickeln müssen, sonst würde es aussterben.

Amazon wird Whole Foods expandieren

365, die neue, günstige Whole-Foods-Kette. (Foto: Whole Foods Market)

Whole Foods nächster Evolutionssprung ist also Amazon. Vermutlich wird eine der ersten Maßnahmen sein, das Bezos versucht die Aktien vom Markt zu nehmen, was Mackey sehr gelegen kommen würde, der die Börse hasst. Und Bezos Drang nach Verschwiegenheit ebenfalls, die Auskunftspflichten von Whole Foods würden entfallen.

Solange Kunden stationär kaufen wollen, wird Amazon das auch bieten wollen.

Danach werden wir erleben, wie Whole Foods expandiert, auf Effizienz getrimmt wird und weitere Filialen eröffnet. Sowohl für die Premium-Märkte von Whole Foods als auch für die noch relativ neue, preisgünstigere Whole-Foods-Marke 365. Whole Foods wird keine Amazon-Fresh-Supermarktkette, sondern wird die ursprünglichen Expansionspläne wieder aufgreifen, um Marktanteile auszubauen. Das ist der einzige Weg, den Mackey akzeptieren würde. Und das bringt Bezos um einige Schritte voran, der im stationären Handel keine aussterbende Spezies sieht, sondern eine neue Industrie, die durch Neuerfindung Potential für das nächste, große und schnelle Wachstums bietet. Amazon ist völlig undogmatisch was Kanäle angeht, wie beispielsweise Amazon-Manager Patrick Gauthier (VP Amazon Pay) t3n-Redakteur Jochen G. Fuchs bei einem Gespräch in der Unternehmenszentrale in Seattle im Oktober 2016 deutlich zu verstehen gibt. Solange Kunden stationär kaufen wollen, wird Amazon das auch bieten wollen.

Bezos wird Whole-Foods-Know-how für Amazon Fresh nutzen und umgekehrt ausgereifte Technologien und Konzepte in die Supermarkt-Kette mit einbringen. Technologien wie Amazon Go oder Konzepte wie die Pickup-Stores. Als reine Hubs für Amazons Fresh-Lieferdienste sind die Märkte hingegen nicht geeignet. Sie werden sicher in irgendeiner Form in das Fresh-Konzept integriert – aber keine Infrastruktur bilden. Whole Foods ist nicht in der Lage Amazons-Fresh-Sortiment abzubilden oder dessen Auslieferung zu erfüllen, bestenfalls könnten Intra-Logistik-Aufgaben für Amazon Fresh übernommen werden. Ware für das dann separate Fresh-Konzept heranschaffen und verteilen, aber nicht an den Endkunden liefern.

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Whole Foods wird seine Identität behalten, aber mit vielen Amazon-Touchpoints für Kunden aufwarten, um Synergieeffekte für die Mutter zu bieten.

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