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Absurde Argumente für Überwachung – und was Ihr darauf antworten solltet [Kolumne]

Nach wie vor scheiden sich die Geister: Ist Überwachung nun gut oder schlecht für unsere Gesellschaft? „Ja“ sagen die einen, „Nein“ sagen die anderen. Dritte behaupten: „Dagegen kann man eh nichts machen“. In diesem Teil der Aufgeweckt-Kolumne befasse ich mich mit einigen schlechten Argumenten, die die Internetüberwachung verharmlosen.

4 Min. Lesezeit
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Merkel spioniert auch gerne. (Foto: Flickr-PM Cheung / CC BY 2.0)

Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts befürchten

Die „Wer-nichts-zu-verbergen-hat“-Phrase ist ein weit verbreitetes Totschlagargument – und trifft bei vielen Menschen auch zu. Sie haben in der Regel nichts zu verbergen, gehen brav ihrer Arbeit nach und sitzen abends harmlos vor dem Fernseher oder treffen sich im Sportverein. Doch hier wird oft ein entscheidender Punkt übersehen: Nur weil man selbst keine intimen oder sensiblen Daten hinterlässt, heißt das nicht, dass es anderen genauso geht. Journalisten, Wissenschaftler, Ärzte, Anwälte, Unternehmer, Oppositionelle, Aktivisten – sie alle kommunizieren im Netz, speichern Informationen und sind darauf angewiesen, dass die Daten vor Blicken Dritter geschützt bleiben.

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Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Kritische Journalisten müssen beispielsweise ihre Informanten schützen und Anwälte, die normale Bürger gegen den Staat verteidigen, dürfen keine Nachteile im Prozess erfahren, weil der Staatsanwalt schon im Vorfeld bestens über die Verteidigungsstrategie des Gegenübers Bescheid weiß. In den USA ist vor kurzem eine Frau an der Einreise gehindert worden, weil sie unter Depressionen leidet und für den Heimatschutz anscheinend nicht kalkulierbar war. Wenn selbst Krankheiten dafür sorgen, dass man Repressalien zu befürchten hat, dann sollte sich tatsächlich jeder fragen: „Habe ich wirklich nichts zu verbergen – beziehungsweise zu befürchten?“

Die Überwachung verhindert Terroranschläge und Verbrechen

Auch dieser Satz gilt als Totschlagargument: Fast jeder will, dass Terrorismus und Verbrechen verhindert werden. Allerdings schulden die Überwacher der Öffentlichkeit nach wie vor die Beweise, dass beispielsweise Terroranschläge mit den abgefangenen Daten verhindert worden sind. Transparenz schafft Vertrauen – solange keine Transparenz gegeben ist, sollten Bürger schlichtweg hinterfragen, warum die Erfolge nicht kommuniziert werden. Ein möglicher Grund: Es gibt sie gar nicht.

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Flächendeckende und anlasslose Überwachung ist nicht in Ordnung. (Foto: Flickr-PM Cheung / CC BY 2.0)

Flächendeckende und anlasslose Überwachung ist nicht in Ordnung. (Foto: Flickr-PM Cheung / CC BY 2.0)

Und auch in Sachen Verbrechensbekämpfung erzielt beispielsweise die Vorratsdatenspeicherung häufig nicht das Ergebnis, das sich Befürworter wünschen. Dass digitale Überwachung beispielsweise präventiv gegen Computerbetrug oder Kinderpornografie wirkt, ist bislang nicht belegt. Zwar lassen sich bestimmte Verbrechen, die im Netz begannen worden sind, nachträglich leichter aufklären, allerdings genügt hier in der Regel eine gezielte Ermittlung. Eine konkrete Anfrage bei einem Internetprovider – aufgrund eines richterlichen Beschlusses – reicht völlig aus, um einen Verdächtigen dingfest zu machen. Eine anlasslose und flächendeckende Überwachung aller Bürger durch den Staat ist ganz einfach unverhältnismäßig.

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Die Überwachung dient ausschließlich der Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung

Wenn dem wirklich so wäre, warum werden dann alle möglichen Daten im Netz erfasst und gespeichert? Nehmen wir erneut das oben genannte Beispiel der depressiven Frau, die an der Einreise gehindert wurde: Wie sollen Informationen aus einer Krankenakte Terrorismus oder Verbrechen verhindern? Menschen, denen eine schwere psychische Krankheit attestiert wurde und die zudem als Gefahr für die Allgemeinheit gelten, laufen in der Regel nicht frei umher, sondern stehen mindestens unter ärztlicher Beobachtung – der Präventiv-Filter ist insofern doch schon längst angesetzt. Solche Handlungen führen nur dazu, dass die Verantwortlichen sich unglaubwürdig machen und geben genug Raum zu der Annahme, dass die Daten auch noch anderweitig genutzt werden – mindestens zur Profilbildung.

Gegen staatliche Überwachung können wir nichts machen

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Dieses Zitat stammt von Bertolt Brecht und sollte jedem Politikverdrossenen entgegengebracht werden, der meint, sein persönliches Handeln ziehe keine Folgen nach sich. Anders als in Russland, China oder Saudi-Arabien haben wir in Deutschland etliche verfassungsmäßig garantierte und schwer auszusetzende Rechte, die es uns ermöglichen, als Volk in das politische Geschehen einzugreifen. Das wohl mächtigste und zudem bequemste Werkzeug ist die Wahl!

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Wer sich auch in Zukunft seiner Bürgerrechte gewiss sein will, hat die Möglichkeit, einer bürgerrechtsnahen Partei seine Stimme zu geben. Auch wenn diese Partei nicht gleich regiert, kann sie durch die abgegebene Stimme Teil einer handlungsstarken Opposition werden – die wiederum an Stellen Einfluss ausüben kann, bei denen der Bürger ausgeschlossen bleibt. Zwar ist die Regierung für die kommenden vier Jahre gewählt (… beim nächsten Mal wird dann hoffentlich alles besser!), allerdings können Bürger auch den amtierenden Regierungspolitikern die Suppe gründlich versalzen: Proteste und Demonstrationen haben schon so manche kleine und große Revolution losgetreten und nicht zuletzt einflussreiche Medien auf Missstände hingewiesen.

In diesem Sinne: Großer öffentlicher Druck kann dazu führen, dass Politiker ihren Platz räumen. Andere Politiker, die ihre Macht gefährdet sehen, könnten zudem einen Richtungswechsel einleiten, um nicht auch ihr Amt zu verlieren. Es gibt viele Initiativen und Vereine, die Protestaktionen organisieren: Ihr müsst eigentlich nur daran teilnehmen!

Das haben wir doch alles gewusst

Wirklich? Hat jeder von dem Ausmaß der Überwachungsmethoden des NSA, GCHG und BND gewusst? Wenn das alles so offensichtlich war, warum werden dann Medien wie der Guardian, Journalisten wie Glenn Greenwald und Whistleblower wie Edward Snowden von den verantwortlichen Regierungen aufgrund ihrer Veröffentlichungen bedroht und gejagt?

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Edward Snowden hat die kritikwürdigen Methoden der Überwachung durch NSA, GCHQ und BND veröffentlicht. (Foto: Flickr-PM Cheung / CC BY 2.0)

Edward Snowden hat die kritikwürdigen Methoden der Überwachung durch NSA, GCHQ und BND veröffentlicht. (Foto: Flickr-PM Cheung / CC BY 2.0)

Der Umfang der Internetüberwachung war so nicht bekannt und die Verantwortlichen jagen die oben genannten Protagonisten nicht nur, weil sie durch die Veröffentlichungen gefährlichen Terroristen geheimes Wissen zuspielen – als ob Terrorgruppen nicht längst um die Methoden wüssten und sich andere Kommunikationswege gesucht haben. Vielmehr gehen sie gegen diese Aufklärer vor, weil sie die Macht besitzen, das eigene Volk gegen die jeweiligen Regierungen aufzubringen. Der Guardian, Greenwald und Snowden sind Lichtblicke und Verteidiger der Demokratie – und somit der Verhältnisse, die den Menschen in der westlichen Welt überhaupt erst die Möglichkeit geben frei zu leben. Wer sich in einigen Jahren nicht in einem System wie dem Russlands wiederfinden will, sollte seine Kaltschnäuzigkeit überdenken und sich nochmals Punkt 4 durchlesen.

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9 Kommentare
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Michael Schwarz

Sorry, aber es fängt falsch an. Auf „Ist Überwachung nun gut oder schlecht für unsere Gesellschaft?“ kann man, unabhängig von der Meinung, weder mit einem Ja noch mit einem Nein antworten, weil die Frage eben keine Ja-Nein-Frage ist.

Auf „Ist Überwachung nun gut für unsere Gesellschaft?“ könnte man mit Ja oder Nein antworten.
Auf „Ist Überwachung nun schlecht für unsere Gesellschaft?“ könnte man auch mit Ja oder Nein antworten.

Auf die Kombination beider Fragen in einer, kann man aber nicht nur Ja oder Nein antworten.

Antworten
Lukio

Was ihr noch erwähnen solltet – das ist mein Hauptargument bei solche Diskussionen – die derzeitige Massenüberwachung von Bürgern ist anti-demokratisch, denn die Redefreiheit und Achtung der Privatsphäre, beides wichtige Rechte einer gesunden Demokratie werden hierbei unterdrückt.

Bei der Redefreiheit spricht man von einem sog. „Chilling-Effekt“ Journalisten, Personen der Öffentlichkeit und auch normale Bürger neigen immer mehr zur Selbst-zensur. Kritische Gedanken werden nicht mehr geäussert. Wer sich zB. nicht traut in der Öffentlichkeit zu sagen, dass die paranoide Überwachung der USA faschistoide Züge angenommen hat, ist der beste Beweis dafür.

Antworten
a

Ein sehr guter Artikel, den ich sehr dankbar durchgelesen habe. Wir dürfen niemals verlernen, das Unrecht zu bekämpfen. Gerechtigkeit ist eines der schönsten Dinge, die in dieser Welt passieren kann. Nur so wurden Napoleons und vorallem Hitlers Weltdiktatur verhindert. Nur so wurden Unrechtsformen, wie Absolutismus und Aristokratie durch die Demokratie abgelöst.

Antworten
Graf Vitty

Welcher bürgerrechtsnahen Partei sollte ich wohl meine Stimme zu geben? Ich kenne keine solche bürgerrechtsnahe Partei …

Antworten
Tassja

Sehr guter Artikel!

Antworten
Andreas Weck

@Graf Vitty… hier könntest du fündig werden: „Übersicht deutscher Sicherheits- und Überwachungsgesetze, ihres kritischen Inhalts und des Stimmverhaltens der Fraktionen im Deutschen Bundestag“

http://www.daten-speicherung.de/index.php/ueberwachungsgesetze/

Antworten
xusdom

Hallo Andreas Weck,
kommen Sie uns mal über den großen Teich. Wir freuen uns. Und bringen Sie auch Ihre Frau (nicht die, die andere…) mit

MfG, ihre NSA

:-)

Antworten
Juri Sinitson

Hallo Andreas,

danke für das Artikel.

Ich wollte noch meinen Senf zu „Wer nichts zu verbergen hat, muss nichts befürchten“ geben. Ich finde, das kann überhaupt kein Totschlagargument sein. Wem und was ich in der Email schreibe und am Telefon sage, geht ja keinen an (leider noch nicht per Gesetz), da ist auch eine Menge der Privatsphäre drin.

Um das zu verdeutlichen ein übertriebenes Beispiel: Toilette. Die meisten haben da nichts zu verbergen, echt nichts! Es ist trotzdem der Grundrecht, die Toilette unbeobachtet zu besuchen. Das gleiche gilt für die Mails und Telefonate. Klar gibt es immer Leute, die da was illegales treiben, aber es ist kein Grund, alle Toiletten per Video zu überwachen und/oder die Kameras in allen Wohnungen zu installieren. Diesen Traum mute ich schon manchen Politikern zu.

Nordkorea mit der deutschen Kaufkraft und dem Konsumumfang. Ist nicht der Traum der Leute, die jetzt eh schon große Macht haben, der zumindest theoretisch durch die Überwachung in etwa 20 Jahren verwirklichen lässt, wenn Bürger keinen Widerstand leisten?

Ich denke viele jetzt regierende Politiker haben schon verdient, in der Toilette gefilmt zu werden. Am besten, dass man auch das Video in Youtube stellt :-). Man hat ja nichts zu verbergen, deshalb muss man ja nichts befürchten :-).

Antworten
Juri Sinitson

Hallo zusammen,

zu „Gegen staatliche Überwachung können wir nichts machen“ würde ich gerne noch was dazugeben:

In USA gibt es die Organisationen FFTF (http://www.fightforthefuture.org/) und Rootstrikers (http://www.rootstrikers.org/). Ich finde durch diese Organisationen kann man den Überwachungswahn an den Wurzeln bekämpfen, indem man an sie spendet und/oder die Petitionen mitunterzeichnet.

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