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Beispiel Automobilbranche: Authentisches Marketing bringt Erfolg

Die Automobilbranche ist mittlerweile im eigenen Umbruch angekommen. War vor einem Jahr noch die Rede von langfristigen Veränderungen und eigener Kompetenz, sieht das heute ein wenig anders aus. Unsere Themenwoche Automotive-IT.

Von Alain Veuve
6 Min. Lesezeit
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Foto: Shutterstock / welcomia

Die Rede ist von Batteriefabriken und neuen Mobilitätskonzepten. Denn ganz offensichtlich, wenn auch nicht öffentlich kommuniziert, sucht man seinen Platz in einer Zukunft, die ungewisser denn je ist. Damit das nicht auffällt, besetzt man Marketing- und PR-technisch diese neuen Zukunftsthemen, ohne zu merken, dass man dadurch nur noch mehr verliert.

Drei-Dimensionale Herausforderungen

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Die Automobilbranche hat es ganz schön erwischt. Zum einen ist da die Diskussion um neue Antriebstechnologien bei der es so aussieht, als würde der Verbrenner in Zukunft massiv verlieren. Zum anderen ist da die Digitalisierung des Autos, die es ermöglicht, die Kosten massiv zu senken und gleichzeitig die Customer Experience zu erhöhen. Und drittens führt die Entwicklung des autonom fahrenden Autos zu einer fundamentalen Veränderung der individuellen Mobilität.

Während die ersten beiden Punkte bei Tesla bereits Realität sind, dämmert wohl so manchem Vorstand der traditionellen Konzerne, dass das autonom fahrende Auto wohl das Ende der Automobilindustrie – wie wir sie bisher kennen – bedeutet. Denn fahren die Fahrzeuge autonom, benötigen wir fundamental weniger Fahrzeuge. Und durch die technische Vereinfachung der Fahrzeuge mittels Elektroantrieb ergibt sich zudem eine viel höhere Laufleistung, was die benötigte Menge an Fahrzeugen ebenfalls weiter reduziert.

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Ich möchte wahrlich nicht in den Schuhen der Vorstände von BMW, Mercedes und Co. stecken. Hier die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist eine Herkulesaufgabe.

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Brand-Street-Credibility

Eines der größten Assets der traditionellen deutschen Hersteller, ist ihre Brand. Zu Gunsten des Absatzvolumens wurden die jeweiligen Kernwerte mittlerweile oft verwässert. So hat man sich zum Beispiel bei BMW von den grundsätzlichen Produktprinzipien (Hinterradantrieb, Mittelklasse aufwärts, starke und laufruhige Motoren) verabschiedet. Der Plan geht jetzt betriebswirtschaftlich erst mal gut auf, weil sich so viele Leute einen neuen BMW leisten können, die zwar das alte Markenbild im Kopf haben, aber deren Geldbörse bislang nicht genug hergab. Genau diese Leute können sich jetzt einen lang gehegten Wunsch erfüllen.

Vordergründig ist das eine smarte Strategie. Enorme Wachstums- und Ertragszahlen haben das scheinbar bestätigt. Was die Manager aber offensichtlich vergessen haben, ist, dass da eine neue Generation von Menschen heranwächst, die BMW als ziemliches Mittelmaß wahrnehmen und nicht mehr diese Premium-Brand-Aura verinnerlichen. Für diese neue Generation ist BMW „me-too“. Verstärkt wird dieser Effekt zudem noch dadurch, dass das Auto bei den jungen Konsumenten generell einen geringeren Stellenwert hat.

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Dass sich das Blatt wendet, zeigen mir auch individuelle Erlebnisse. So habe ich schon ein paar gebrauchte BMW verkauft. Jedes Mal ging das sehr einfach und schnell. Käufer waren ausnahmslos Männer mittleren Alters aus dem Balkan. Deren Faszination für BMW war immer ungebrochen. Als ich meinen letzten BMW verkaufte, wollten die meisten Probefahrer vor allem den Tesla sehen und spaßeshalber Probe fahren. Tenor: „Hätte ich das Geld dazu, würde ich mir auch so ein Auto kaufen.“ Ich konnte es nicht lassen und hab ihnen vom Model 3 erzählt.

Wie stark ein Brand-Image von den Produkten abhängt, sieht man auch an den Kindern. Ich habe noch kein Kind angetroffen, das meinen Tesla nicht sofort gut fand. Auch jene, die keine Ahnung von Tesla haben. Nach der ersten Fahrt sind sie assimiliert.

Wenn ich mich zurückerinnere, ging es mir damals mit BMW nicht anders. Nachdem ich als Junge einmal in einem mitgefahren bin, wusste ich instinktiv für was BMW steht. Das war ein Gefühl, das prägte, und Jahre später meine Kaufentscheidungen positiv beeinflusste.

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„Brand-Debt“

Was sich da so aufbaut, ist etwas, dass ich analog zu Technical Debt, „Brand-Debt“ nenne. Das perfide daran ist, dass man es über lange Zeit gar nicht merkt. Diese Brand-Debt kann eigentlich nur mit einem guten Produkt kompensiert werden. Je größer die Brand-Debt, desto größer ist der Bedarf an einem herausragenden Produkt. Habt ihr also Brand-Debt aufgeladen und keine herausragenden Produkte, wird es ziemlich schwierig.

Öl ins Feuer

In dieser Situation schütten die deutschen Automobilhersteller gerade ganz ordentlich Öl ins Feuer, in dem sie mit unglaubwürdigem und/oder abgehobenem Marketing von sich reden machen.

Nachdem sie anfangs den Verbrenner noch als Antrieb der Wahl positionierten, überhäufen sie die Konsumenten nun mit vollmundigen Ankündigungen:

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BMW Vision Next 100

Anderes Konzept als bei i3 und i8: Neuer Elektro-BMW soll Tesla abhängen

Ich könnte locker eine Liste mit 200 Einträgen zusammenstellen. Das erspare ich euch aber jetzt an dieser Stelle. Die Aussage ist immer dieselbe: Seht her, was wir alles Cooles planen und liefern werden. Schon 2018 wird es soweit sein – oder 2020 – oder 2025. Und immer wird als neu und revolutionär angepriesen, was bei Tesla bereits lieferbar ist. Das wissen mittlerweile weit mehr Leute als den deutschen Automobilherstellern offenbar bewusst ist. Entsprechend groß ist meist auch das Gelächter in den sozialen Medien.

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Ihr könnt euch auch gerne mal die Kommentare zu den Artikeln durchlesen. Nachdem mir jahrelang immer wieder Studie um Studie präsentiert wurde, ohne dass dann echte Produkte folgten, will ich das ganze Gefasel nicht mehr hören. Ich will endlich ein Produkt. Und in der Tesla Community schwankt die Stimmung zwischen „Popcorn“ und leicht angenervt. Chris Thoman bringt es auf den Punkt:

Der Screenshot im Kommentar zeigt eine Ansicht aus der Tesla App, mit der man den Wagen kontrollieren kann.

Damit bin ich nicht alleine. Ich höre das von so vielen Leuten, auch von solchen, die erstmal überhaupt nichts mit Elektromobiltät am Hut haben. Man glaubt den deutschen Herstellern schlicht nicht mehr.

Wie aus einer alten Welt

Die Zeit dieser Art von Hochglanz- und Versprechensmarketings ist in meinen Augen schlicht und einfach vorbei. BMW und Co. geben nach wie vor Unsummen aus, um den ganzen Kram raus zu pushen. Gipfel der Lächerlichkeit, bei allem Respekt, sind die i8-Aussteller von BMW in den größeren Airports in Deutschland. Da wird dieses Auto, das ja durchaus eine gewisse Attraktivität hat, mit dem Claim „Erster einer neuen Zeit“ beworben.

BMW i8 Shot

Da gehört schon einiges an Chuzpe dazu, das so zu spielen, denn das Auto ist ein normaler Plug-In-Hybrid, der gerade mal rund 40 Kilometer rein elektrisch fahren kann. Solche Modelle gibt es zu Hauf.

Als ich vor ein paar Wochen den Auspuff des Models am Flughafen München fotografierte, gesellte sich ein älterer Herr dazu und meinte bayrisch-trocken: „Naja, die versuchen’s zumindest“.

Realsatire: BMWs Elektroauto, der erste einer neuen Zeit hat, hat einen Auspuff.

Er erzählte mir, dass er 20 Jahre lang bei BMW war, und dass das damals das Beste war, was man bekommen konnte. „Heute können‘s auch einen Skoda kaufen.“ (Was auch erheblich an Skoda liegt.)

Defizite kommunizieren und aktiv daran arbeiten

Das Darstellen der heilen Welt hat in Marketing und PR heute nichts mehr verloren. Die Gesellschaft ist offener geworden und es kommt heute gut an, hinzugehen und Defizite einzugestehen.

Das würde den Herstellern, allen voran VW und BMW sehr gut stehen. Denn indem sie sich in immer neuen Ankündigungen verrennen, verspielen sie immer mehr Kredit, den sie bei den Konsumenten ganz ohne Zweifel in hohem Maße haben.

Es wundert mich daher immer wieder, warum bei BMW und Co. nicht jemand einfach mal „Stopp“ ruft und den ganzen Wahnsinn beendet. Und das Geld und die Energie direkt in ein Produkt lenkt. Zum Beispiel in einen 5er, der (dann halt vorübergehend) mit der frei verfügbaren Tesla-Technologie auf 400km Reichweite kommt. Und am Tesla Supercharger Netzwerk aufladbar wäre (was nur eine vertragliche Sache ist). Aber anscheinend riskiert man lieber den Weg der Eigenentwicklung bei gleichzeitigem potentiellen Niedergang, als dass man Kooperationen eingehen würde. „NIH-Syndrom“ nennen wir das in der Softwareentwicklung.

Die wahren Gewinner sind die stillen Schaffer

Die wahren Gewinner dieser Entwicklung heißen Nissan und Renault. Beide haben ganz leise und ohne batmobilartige Studien solide Elektrofahrzeuge auf den Markt gebracht, die man heute kaufen und nutzen kann. Dass dieses Konzept der Vermarktung aufgeht, sieht man an den Zahlen. Der Nissan Leaf ist mit Abstand das meistverkaufte Elektroauto weltweit. Der Renault Zoe führt in Deutschland.

Die Lehre daraus

Die Lehre daraus ist denkbar banal: Kommuniziert und vermarktet eure Firma und eure Produkte möglichst authentisch. Auch wenn die Dinge grad nicht so cool sind. Dazu gehört, die Probleme beim Namen zu nennen und aufzuzeigen, wie ihr gedenkt, es in Zukunft besser zu machen. Wo eure Stärken und die Stärken der Produkte liegen. Es gibt nicht viel besseres als eine offene und ehrliche Entschuldigung.

Dann wird man euch in Ruhe lassen und ihr habt Zeit und Raum an den Produkten zu arbeiten. Mit wirklich guten Produkten ist es denkbar einfach, gutes Marketing zu machen. Alles andere ist im Moment nur „Harakiri-Marketing“.

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4 Kommentare
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Dein t3n-Team

Sonnenstrom

Ein herrausragender Artikel, welcher die aktuelle Situtation in der BRD erstmals aufzeigt.
Wäre schön wenn die Standard-Medien im germanischen Deutschland auch etwas ausgewogener berichten könnten (Werbegelder kommen halt derzeit von MB, BMW, VW und nicht von Tesla)
Der E-mobilität zusammen mit autonomen Fahren gehört die nahe Zukunft, wäre schade wenn die deutschen Autobauer nicht dabei wären.
Derzeit aber leider, wie im Artikel schön dargestellt, nur Ankündigungen.

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Nobbe

Ich finde es schon anmassend, die Firma Tesla mit den „Großen“ der Automobilbranche zu vergleichen.
Tesla hat von 2010 bis 2015 etwa 50.000 Fahrzeuge verkauft, BMW hat im April 2016 alleine ca. 150.000 Fahrzeuge verkauft.

Ich will jetzt weder den Tesla Model S kleinreden, noch die Leistungen der Fa. Tesla an sich. Aber mir geht es wirklich sehr auf den Zeiger, ständig den Untergang des Abendlandes herbei zu reden, nur weil die Branche in D derzeit noch keine Konkurenzmodelle zum Tesla im Portfolio haben. Bis Tesla diese Größenordungen per Monat stemmen können…fehlerfrei und Kostendeckend…sind die etablierten Marken auch soweit.
Klar, die, die noch warten und zuviel Zeit verlieren, werden womöglich vom Markt verschwinden.

Im Kern und Branchenübgreifend gebe ich dem Autor aber Recht, manches Marketing ist zu sehr vom kurzfristigen Denken und dem BWL Handbuch geprägt. Viele Firmen sollten sich an ihre Wurzeln UND ihren damaligen Stärken erinnern, anstatt den gegelten, abgehobenen Marketingstrategen zu glauben ;-)

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Mill

Und dann macht Euch mal kurz den Spaß und konfiguriert mit einem iPad auf der BMW Website einen 7er. Macht es mal. Da habt ihr dann so richtig Future in your Palm.

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Markus

Der Artikel ist gut, auch wenn mich die Loberei von Tesla langsam nervt und ich mag sehr, was Elon Musk hier schafft.

Was mich dabei nur wundert ist, dass man einen Konkurrenten wie Tesla braucht, um festzustellen, wie bescheiden „unsere“ Autos abschneiden. Die Autos sind übrigens nicht zufällig so geworden, sondern weil sich die Wirtschaft anhand von Umgebungsvariablen so entwickelt. ABER nachdem ich jahrelang japanische Autos gefahren habe und in dieser Dekade nur einen einzigen ungeplanten Werkstattaufenthalt hatte, frage ich mich schon, wo die Nachfrage nach deutschen Autos herkommt. Ich bin regelmäßig enttäuscht und fahre meinen VW Bus nur, weil ich in dem Segment keinen brauchbareren gefunden habe.

Die Benutzerreise macht bei deutschen Herstellern KEINEN Spaß. Das fängt beim Bestellprozess an, wo man das Gefühl vermittelt bekommt, dass selbst der Sicherheitsgurt Aufpreis kostet und endet dann in einem Service, wo man sich gern entschuldigen würde, dass man das nicht selbst macht. Und in meinem Fall kann ich gar nichts sagen, denn ich habe im Verkauf jemanden getroffen, der hier so richtig positiv aus der Masse heraussticht, aber der Kauf ist halt nur ein ganz kleiner Aspekt beim Auto. Im Bezug auf Marketing und authentisch .. je höher die Versprechen vor dem Kauf, desto höher die Erwartungen und so tiefer der Fall in der Enttäuschung. Letztere bleibt wie ein Denkmal im Kopf stehen (das gilt übrigens auch für Tesla!).

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