Anzeige
Anzeige
Kolumne
Artikel merken

Warum das Beratungsgeschäft schwierig wird: Die Ära der neuen Macher [Kolumne]

Das Beratungsgeschäft ändert sich immer weiter. Unser Autor Alain Veuve beschreibt in seiner Transformiert-Kolumne, warum das viele Unternehmen betrifft. 

Von Alain Veuve
6 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige

(Foto: a href="http://www.shutterstock.com/g/Rawpixel.com">Shutterstock)

Als ich vor vier Jahren meine Firma für Consulting in Fragen der digitalen Transformation gegründet habe, war die Welt relativ einfach: Es gab Firmen, die Kunden strategisch und konzeptionell beraten haben, es gab Firmen, die Konzepte umgesetzt haben und es gab Firmen, die die Lösungen betrieben haben. Projekte wurden oft nach dem Wasserfall-Prinzip und in klaren Abschnitten durchgeführt. Businessmodelle standen selten zur Disposition. Das alles hat sich in den letzten Jahren gewaltig geändert und neue Vorgehensweisen sind dabei, sich so richtig durchzusetzen. Das ist gut so – für fast alle in diesem Spiel.

Teuer und langsam

Anzeige
Anzeige

Zwar war und ist die Abfolge Strategie -> Konzeption -> Umsetzung -> Betrieb für jedermann einleuchtend und althergebracht. Sie hat aber zwei fundamentale Nachteile: Erstens ist sie für den Kunden extrem teuer und zweitens dauert es enorm lange, bis etwas konkretes das Licht der Welt erblickt. Nicht selten habe ich erlebt, dass man – auch durch firmenpolitisches Geplänkel – locker mal sechs Monate dafür aufwenden musste, bis zumindest strategisch alle Schäfchen im Trockenen waren. Wenn dann ein Konzept fertig war (und drei Leitz-Ordner füllte) waren die Annahmen, auf denen die Strategie fußte, teilweise schon überholt.

Natürlich hatte dann niemand den Mut, das Ganze noch einmal neu zu überdenken. Also begann die Umsetzung – wohlwissend, dass das strategische Fundament bereits stark bröckelte.

Anzeige
Anzeige
(Foto: Shutterstock)

Ein Konzept muss nicht immer dicke Ordner füllen. (Foto: Shutterstock)

Die Folge: extreme Kosten. Je grösser die Beratungsgesellschaften, desto höher die Tagessätze und desto jünger die Berater. Was für die Beratungsunternehmen natürlich wie eine Art Zauberformel war und bis heute ist, deprimierte viele Kunden.

Anzeige
Anzeige

Ich habe es oft erlebt, dass ich bei dem ersten Gespräch nach einer Konzeptphase gefragt wurde, was man denn nun mit dem 400-seitigen Konzept anstellen solle. Das Konzept war teuer, doch niemand verstand es oder wollte sich damit ernsthaft auseinandersetzen. Meine Standard-Antwort damals: „Aus dem Weg räumen.“

Nicht nur Bestehendes digitalisieren, sondern Neues erschaffen.

Anzeige
Anzeige

„Man weiß bei neuen Geschäftsmodellen nie, ob sie funktionieren – oder eben nicht.“

Die Zeiten haben sich geändert. So manch ein grösseres Unternehmen hat erkannt, dass es eben nicht reicht, einfach das bestehende Angebot zu digitalisieren, mal eben einen E-Commerce-Store zu lancieren und eine Social-Media-Abteilung zu haben. Viele haben erkannt, dass sie die neue Technologie dazu einsetzen müssen, um neue Angebote und Produkte zu erschaffen – und damit auch neue Geschäftsmodelle.

Eine Eigenheit dieser neuen Geschäftsmodelle ist, dass man eben nicht mit Sicherheit weiß, ob sie funktionieren oder nicht. Spätestens mit dieser Erkenntnis ist der Wasserfallartige Digitalisierungs-Approach nicht mehr vereinbar.

Vor vier Jahren hatte ich zum ersten Mal mit einem Kunden zu tun, der nicht nach Konzept und Beratung, sondern nach Coaching und Prototyping gefragt hat. Das hatte für mich eine ganz andere Qualität: Wir konnten wirklich etwas machen, nicht nur Workshops und Schreibarbeit. Es hieß aber auch, dass das kein normaler, sicherer Auftrag war. Im Gegenteil: Es war klar, dass das Projekt schlagartig fertig werden würde, wenn wir die ursprüngliche Idee und das Geschäftsmodell mit unserem „Challenging“ „killen“ (ich weiß schon, schrecklich diese Anglizismen) würden, auch schlagartig das „Projekt“ fertig war.

Seitdem nehme ich im Markt wahr, dass viele Kunden einen solchen Approach zumindest im Kopf haben. Zwar werden in der überwiegenden Mehrheit noch immer viele Ausschreibungen und Konzepte erstellt. Ich glaube dennoch zu erkennen, dass wir uns als Branche gerade in großer Geschwindigkeit auf einen Lean Prototype / Design-Thinking-Approach als Standardmethode der Wahl zubewegen.

Anzeige
Anzeige

Und ich glaube, dass das dringend notwendig ist.

Makro-Vorbilder und Beispiele

„Einfach mal machen.“

Es entspricht dem Zeitgeist, einfach mal zu machen. Je mehr Wissen wir schnell verfügbar haben, desto weniger wichtig wird ein theoretischer Approach an die Umsetzung. Besonders krass zeigen sich die Kulturunterschiede in der Autobranche, wo die deutschen Automobilhersteller als Vertreter eines konservativen Approachs mit langwierigen Konzepten und Strategiefindungsprozessen versuchen, die Zukunft anzupacken und ihren Weg zu finden.

Demgegenüber stehen neue Player (allen voran, aber nicht ausschließlich Tesla), die wohl auch eine Strategie haben, aber viel schneller ins Doing kommen und versuchen, möglichst schnell „Minimal Viable“ Products zu liefern. Das ist gerade bei Tesla ganz schön gut aufgegangen. Jetzt muss man das Ganze noch auf eine relevante Größe skalieren und so profane Dinge wie das Geldverbrennen stoppen. Gerade aber in Bezug auf Wertvernichtung kann zumindest VW im Moment „durch eigenen Antrieb“ gerade ganz gut mithalten. Ich weiß schon, dass das böse ist. Aber man muss es auch mal so sehen.

Anzeige
Anzeige

Die neuen Macher

Ich wurde zeitlebens als Macher bezeichnet und ich fand das nie so richtig toll. Ich kenne zu viele „Macher“, die zwar viel machen, aber dabei nicht so wahnsinnig viel darüber nachdenken, ob sie auch das richtige tun. Getreu dem Motto: „Als wir das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten wir die Anstrengungen“.

Dem gegenüber steht ein neuer Typus „Macher“. Er hat die Strategiedenke sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen, verliert sich aber nicht in endlosen Formulierungen.

Ein altgedienter Executive einer größeren Firma hat mir das kürzlich so erklärt:

Anzeige
Anzeige

„Lass dich bloß nicht von den Strategie-Heinis einlullen. Was nicht auf eine halbe Seite A4 passt, ist keine gute Strategie. Alles was du darüber hinaus noch dazu aufschreiben kannst, wird sich in der Umsetzung sowieso als Unsinn, Wunschdenken oder Glückstreffer hinausstellen. Also lass es sein.“

Sicher zu radikal und populistisch. Aber der neue Typus Macher will schon so schnell wie möglich erste Resultate produzieren, diese testen und, wenn erfolgreich, weiterentwickeln. Oft sind diese Lean-Startup-Diskussionen bei potenziellen Kunden erfreulicherweise bereits weit gediehen. Um genau das zu lernen, fahren auch so viele Manager seit drei Jahren ins Silicon Valley – gecodet wird dort ja nicht.

Strategie ist viel wichtiger geworden

Shutterstock)

Paradoxerweise erhöht ein solches Vorgehen aber den Druck auf die Strategie: Ist sie schlecht, kommt das viel schneller zum Vorschein. Dadurch können Fehlinvestitionen verhindert oder zumindest vermindert werden. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Umstand positiv auf die Strategieentwicklung auswirkt.

Das Beratungsgeschäft unter Druck

Das Beratungsgeschäft gerät dadurch unter Druck. Ich denke, dass sich langfristig die bestehenden, klassischen Beratungsmodelle nicht mehr an den Kunden bringen lassen werden. Und das ist gut so, denn ihre Zeit ist abgelaufen.

Anzeige
Anzeige

Es war teilweise ja auch zu einfach: Beratungsgesellschaft XY hat die besten Uniabgänger aufgegriffen, sie zwei Jahre als Junior mitlaufen lassen um sie dann später voll durch zu verrechnen. Was diese Leute meist taten, war reichlich theoretisch und intern politisch.

Ich habe öfter erlebt, dass man Projekte auch in eine Richtung gelenkt hat, in der sich das Mandat als besonders lukrativ ausgestaltet hat. Das ist in etwa so verwerflich wie ein Anwalt, der für seinen Mandanten zwar einen Prozess gewinnen könnte, aber im Schlussplädoyer bewusst schwach argumentiert, da er weiß, dass der Kunde sowieso appellieren wird und er als Anwalt dadurch mehr Entgelte abrechnen kann.

Natürlich ist das nicht unisono gängige Praxis, aber es kommt öfter vor, als uns lieb ist. Meist ist das bei kleineren Beratern nicht so ausgeprägt, darum habe ich auch eine gewisse Vorliebe für kleinere Boutique-Beratereien. Ich denke, dass fast jeder Kunde bei einer solchen Firma besser aufgehoben ist.

Anzeige
Anzeige

Dass es ins Doing geht, haben viele Beratungsgesellschaften erkannt. Nicht umsonst werden im Moment viele Software-Dienstleister und Webagenturen von großen Beratungsgesellschaften zusammengekauft.

Das Ende des klassischen Beratungsgeschäfts: Coaching

„Das klassische Beratungsgeschäft wird es bald nicht mehr geben.“

Diese Entwicklungen betrachtend, gehe ich davon aus, dass sich das klassische Beratungsgeschäft, so wie wir es in den letzten 50 Jahren kannten, zugunsten eines Coaching- und Umsetzungsmodells auflösen wird. Das hat für den Kunden enorme Vorteile: Er kommt schneller und mit weniger „Noise“ rund ums „Signal“ zum Ziel. Das heißt: bei kleineren Kosten in kürzerer Zeit. Ja, darum geht es schlussendlich – ganz einfach, weil es heute viel zu teuer ist, neue digitale Produkte zu launchen und zu testen.

Software-Dienstleister aufgepasst

Wer jetzt als Software-Dienstleister das Gefühl hat, das betreffe ihn nicht, der irrt. Die selben Verschiebungen gibt es, einfach im umgekehrten Sinne, auch für reine Umsetzungs-Dienstleister. Auch sie müssen sich daran gewöhnen, kleinere Schritte mit kleineren Budgetszu machen und Lösungen zu entwickeln, die betriebswirtschaftlich funktionieren.

„Wer das Gefühl hat, das betreffe ihn nicht, irrt.“

Das ist kein leichtes Unterfangen und bedeutet, dass Software-Dienstleister noch mehr Business-Analysten und Coaches als bisher beschäftigen müssen. Das ist nicht mit einem klassischen Full-Service Konzept zu verwechseln. Vielmehr geht es darum, als Unternehmen glaubwürdig mitdiskutieren zu können – und zwar auf dem gesamten Weg von der Strategie zum ersten testbaren Produkt.

Bislang hörte ich von technischen Dienstleistern oft Sätze wie: „Das ist ja Konzept und Strategie, das geht uns nichts an“. Die Berater entgegneten im Chor: „Das muss die Technik dann für sich lösen“.

Dienstleistungsunternehmen der Zukunft haben Positionen auf beiden Seiten dieses Tisches – ganz gleich, ob sie nun eher technologieorientierte oder beratungsorientierte Dienstleister sind. In Zukunft werden die Grenzen wohl fließend sein.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
2 Kommentare
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Johannes

Ich bin kein militanter Deutschverfechter, aber ersetze doch bitte „Approach“ durch „Ansatz“, das verändert nicht den Sinn, aber erhöht die Verständlichkeit ungemein.
Ansonsten stimme ich dir im Wesentlichen zu, allerdings hast du den klassichen, langsamen Ansatz Strategie bis Roll-out klar beschrieben, könntest du das für den neuen Ansatz noch einmal darstellen?
Strategie > Grundkonzept > Umsetzung > Evaluation > Erweiterung Konzept > Umsetzung >…?
Ist nur immer schwierig für alte Unternehmen mit festen Strukturen, diese abzulegen…

Antworten
LordRonny

Interessanter Artikel! Danke dafür.

Antworten

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige