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Arbeitgeber bewerten: Was darf ich auf Bewertungsportalen schreiben – und was nicht

Das Grundgesetz schützt Arbeitnehmer auch dann, wenn sie den Arbeitgeber negativ bewerten. Wer seinen Vorgesetzten jedoch als „Arsch“ bezeichnet, hat die Grenze zulässiger Kritik überschritten.

4 Min. Lesezeit
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Und dann geht es plötzlich ganz schnell: Chef und Mitarbeiter haben sich verkracht, die Enttäuschung sitzt tief und es kommt zur Kündigung. Nicht selten wird dann auch nachgetreten. Vor allem Kritiken auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen sind beliebt. Die Anwältin für Arbeitsrecht der internationalen Anwaltskanzlei Bird & Bird, Kathrin Kruse, erklärt uns im Interview, was auf Bewertungsportalen geschrieben werden darf und was nicht. Und welche Möglichkeiten Arbeitgeber haben, auf diskreditierende Inhalte zu reagieren.

Bewertungsportale: Den Arbeitgeber zu bewerten, ist durch das Grundgesetz geschützt

Arbeitgeber bewerten: Kathrin Kruse, Anwältin für Arbeitsrecht, stellt klar, dass Arbeitnehmer nicht gegen die Verschwiegenheitsverpflichtungen verstoßen dürfen. (Foto: Bird & Bird)

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Bewertungsplattformen sind ein gern genutztes Tool, um den Arbeitgeber zu loben, aber auch, um dem Chef mal richtig eins auszuwischen. Wo liegt da die Grenze?

Die Grenze ist immer dort zu ziehen, wo die Äußerung der eigenen Meinung schutzwürdige Interessen anderer in unzulässiger Weise verletzt. Das Recht, auf Bewertungsplattformen Kritik zu üben – sei es in positiver oder negativer Hinsicht – ist verfassungsrechtlich als Ausdruck der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG geschützt. Das findet seine Grenzen jedoch vor allem, wenn sie unwahr sind oder einen beleidigenden Inhalt und damit strafrechtlich relevanten Charakter haben. Klar ist auch, dass Arbeitnehmer durch ihre Angaben nicht ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzten dürfen, also beispielsweise nicht gegen bestehende Verschwiegenheitsverpflichtungen verstoßen, indem sie vertrauliche Informationen preisgeben.

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Das heißt also, Beleidigungen wie „Arsch“ oder „Idiot“ sollte man sich sparen?

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Ja, wer seinen aktuellen aber auch den ehemaligen Vorgesetzten als „Arsch“ oder „Idioten“ bezeichnet, hat nicht nur eindeutig die Grenze zulässiger Kritik überschritten, sondern sogar eine Aussage rechtswidrigen Inhalts getätigt, die den Anbieter des Bewertungsportals zum Handeln zwingt. Beispielsweise durch die Löschung des Eintrags oder der Sperrung des Zugangs. Gleiches gilt übrigens auch, wenn ein Arbeitnehmer zum Beispiel bewusst wahrheitswidrig behauptet, dass der Geschäftsführer Herr Schneider ein Betrüger sei und seine Spielsucht aus Unternehmensgeldern finanziere. Sowas läuft übrigens auch unter Verleumdung und kann strafrechtlich relevant werden.

Welche Konsequenzen drohen, wenn ein Arbeitnehmer seinen aktuellen Arbeitgeber diffamiert?

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Je nach Art der Äußerungen und der Schwere des Verstoßes gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten, der damit einher geht, reichen die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers von einer Abmahnung bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die bei einem besonders schwerwiegenden Fehlverhalten auch fristlos erfolgen kann.

Aber kann der Arbeitgeber anonymisierte Namen überhaupt herausfinden?

Sagen wir es so: Arbeitnehmer kleinerer Unternehmen laufen zumindest Gefahr, dass der Arbeitgeber aus der Bewertung an sich bereits Rückschlüsse auf den Aussteller ziehen kann: Man stelle sich einen Arbeitgeber vor, der fünf Arbeitnehmer beschäftigt, von denen er einen entlässt. Tauchen kurz nach der Entlassung negative Bewertungen auf Plattformen auf, wird jedenfalls der Schluss nahe liegen, dass es sich hierbei um den gekündigten Arbeitnehmer handelt.

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Gibt es ein Gesetz, das eine Bewertungsplattform dazu zwingt, die Identität beispielsweise durch die E-Mail-Adresse offenzulegen?

„Wer seinen Vorgesetzten als ‚Arsch‘ bezeichnet, hat die Grenze zulässiger Kritik überschritten.“

Der Bundesgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall, in dem es um die Bewertung von Ärzten auf einem Bewertungsportal ging, entschieden, dass der Betreiber der Plattform aus datenschutzrechtlichen Gründen auch im Falle persönlichkeitsrechtsverletzender Äußerungen nicht befugt ist, die persönlichen Daten des Nutzers preiszugeben. Nur in  Ausnahmefällen ist eine Offenlegung der persönlichen Daten nach dem Telemediengesetz zulässig, wenn dies durch die zuständige Stelle, also beispielsweise die Polizei oder Staatsanwaltschaft, zum Zwecke der Strafverfolgung angeordnet wurde. Das heißt also, wenn sich beispielsweise der Vorgesetzte dazu entschließt, gegen die beleidigenden Bewertungen einen Strafantrag zu stellen.

Wie verhält sich das bei zivilrechtlichen Ansprüchen? 

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Seit Oktober 2017 dürfen die persönlichen Daten auch dann offengelegt werden, wenn sich der von der Bewertung nachteilig Betroffene entschließt, aufgrund des rechtswidrigen – also beispielsweise beleidigenden oder verleumderischen – Inhaltes zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bewertenden geltend zu machen. Hier stellt der Gesetzgeber aber eine zusätzliche Hürde auf: Die Auskunft über Daten des Bewertenden kann nur dann erfolgen, wenn der von der Bewertung Betroffene im Vorfeld eine gerichtliche Anordnung hierzu einholt.

Oft lässt sich vermuten, dass einige Eintragungen nicht echt sind – dass zu sehr gelobt oder zu hart kritisiert wurde. Wie häufig kommt es Ihrer Erkenntnis nach vor, dass Eintragungen gefälscht sind?

Dies kommt entscheidend auf die Bewertungsplattformen und die Zugangsvoraussetzungen an: Je geringer die Registrierungsanforderungen sind, desto größer ist die Gefahr des Missbrauchs von Bewertungsplattformen.

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Worauf sollten Jobsuchende bei derartigen Bewertungen besonders achten?

Jeder Jobsuchende sollte den Wahrheitsgehalt einer Bewertung kritisch hinterfragen. Beschreibt beispielsweise ein Arbeitnehmer, der seit mehreren Jahren für einen Arbeitgeber tätig ist, unzumutbare Arbeitsbedingungen, so drängt sich hier doch die Frage auf, warum sich dieser Arbeitnehmer freiwillig über einen so langen Zeitraum derartigen Arbeitsbedingungen aussetzt. Ich jedenfalls hätte erhebliche Bedenken, was den Wahrheitsgehalt solcher Bewertungen betrifft.

Kann ein Arbeitgeber eigentlich auch diskreditierende Eintragungen auf sozialen Netzwerken löschen lassen?

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Das kommt darauf an, ob der Kommentar rechtswidrig ist. Erfolgt die Bewertung in einem sozialen Netzwerk, wie beispielsweise auf Facebook, sieht das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz nunmehr vor, dass bei Beschwerden über etwaige Inhalte eine Pflicht des Anbieters besteht, unverzüglich zu prüfen, ob der in der Beschwerde gemeldete Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist. Bei einem rechtswidrigen Inhalt ist der Eintrag innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde zu entfernen oder der Zugang zu diesem zu sperren. Bei einem sogenannten „offensichtlich rechtswidrigen Eintrag“ sieht der Gesetzgeber sogar eine entsprechende Reaktion des Anbieters innerhalb von 24 Stunden als geboten an.

Danke für das Gespräch!

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Dein t3n-Team

Steve Schutzbier

Spannender Artikel mit zahlreichen Fakten – allerdings bezweifle ich bzw. möchte ich ganz offensiv der Aussage „Beschreibt beispielsweise ein Arbeitnehmer, der seit mehreren Jahren für einen Arbeitgeber tätig ist, unzumutbare Arbeitsbedingungen, so drängt sich hier doch die Frage auf, warum sich dieser Arbeitnehmer freiwillig über einen so langen Zeitraum derartigen Arbeitsbedingungen aussetzt. Ich jedenfalls hätte erhebliche Bedenken, was den Wahrheitsgehalt solcher Bewertungen betrifft.“ widersprechen.

ich befürchte, es ist – aus diversen Gründen wie Angst vor Arbeitslosigkeit oder fehlenden Alternativen im persönlichen Wirkungskreis um Familie und/oder Hausbau – vielen in der Form gar nicht möglich, jedes Unternehmen zu verlassen, in dem man unzufrieden ist.

Ich für meinen Teil würde Aussagen dieser Art erst anzweifeln, wenn sie in ähnlicher Art und einer gewissen Häufig bei einer Firma auftauchen… aber nicht pauschal, weil ein Mitarbeiter, warum auch immer, die Zähne zusammen beißt und immer noch bei „diesem Laden“ ist.

(Des Weiteren gibt es genug Bücher, die einem Arbeitnehmer einen Wechsel ausreden, da die gleichen Probleme auch in neuen Unternehmen lauern – und sich somit nur zeitlich verschieben…)

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