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Interview
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Die Zukunft des Content-Marketings: „Das geht schon Richtung Mogelpackung“ [#rpTEN]

Sogenannte „Pseudo-Journalisten“ gefährden mit undurchsichtigem Content-Marketing zunehmend die öffentliche Meinungsbildung, warnt Medienkritiker und Publizist Prof. Dr. Lutz Frühbrodt auf der re:publica. Im Gespräch mit t3n erklärt er die Tücken des Content-Marketings und wie Konzerne versuchen, ihre Kunden auch politisch zu manipulieren.

Von Daniel Hüfner
5 Min. Lesezeit
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(Foto: © Johannes Untch)

re:publica-Speaker Lutz Frühbrodt im Interview

Prof. Dr. Lutz Frühbrodt ist Medienkritiker und Publizist. Er warnt vor dem Hintergrund von Content-Marketing vor dem „Vormarsch der Pseudo-Journalisten“. (Foto: © Johannes Untch)

Prof. Dr. Lutz Frühbrodt ist Medienkritiker und Publizist. Er warnt vor dem Hintergrund von Content-Marketing vor dem „Vormarsch der Pseudo-Journalisten“. (Foto: © Johannes Untch)

t3n.de: Lutz, in deinem Vortrag sprichst du vor dem Hintergrund des Content-Marketings vom „Vormarsch der Pseudo-Journalisten“. Warum eine so provokante Aussage?

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Lutz Frühbrodt: Der Begriff „Pseudo-Journalist“ mag eine dramaturgische Zuspitzung sein, die ich aber ganz bewusst gewählt habe: Denn Content-Marketer bezeichnen sich selbst gerne als „Unternehmensjournalisten“. Damit wollen sie das Berufsbild des Journalisten, ja, mithin sogar das etablierte Verständnis von Journalismus umdeuten.

t3n.de: Inwiefern umdeuten?

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Frühbrodt: Naja, was ist denn das wichtigste Alleinstellungsmerkmal des Journalismus?

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t3n.de: Die Unabhängigkeit von kommerziellen und politischen Interessen Dritter?

Frühbrodt: Richtig. Also praktisch die Glaubwürdigkeit. Und führende Content-Marketer wollen allein die äußere Hülle zum Definitionskriterium machen, um ihre Tätigkeit zu legitimieren oder gar aufzuwerten. Eine Reportage oder ein Leitartikel sind aber für sich genommen noch kein Journalismus. Entscheidend ist neben der Unabhängigkeit die Funktion: Kritik und Kontrolle.

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t3n.de: Du behauptest, dass vor allem Konzerne versuchen, sich mit Content-Marketing-Angeboten zunehmend auch politisch zu positionieren und sprichst hier von „schwerwiegenden Folgen“ für die Öffentlichkeit. Welche Gefahren gehen von Content-Marketing konkret aus?

Frühbrodt: Bisher haben Unternehmen und Verbände ihre Positionen in Pressemitteilungen und über soziale Medien verbreitet. Öffentliche Debatten sind über die klassischen Medien ausgetragen worden. Content-Marketing bedeutet jedoch, dass sich Unternehmen ihre eigenen Medien und damit zusätzliche Verbreitungskanäle schaffen, über die sie größeren und direkten Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen können.

t3n.de: Ist das denn per se etwas Schlimmes?

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Frühbrodt: Zwar wollen Unternehmen mit Content-Marketing in erster Linie potenzielle Kunden an ihre Marken und Produkte heranführen. Doch mit ihren Themenseiten, Blogs und Videos transportieren sie sehr häufig zugleich auch ganz bestimmte Gesellschaftswerte wie Wettbewerbsdenken, Technikgläubigkeit oder „Konsum über alles!“. Einige Unternehmen mischen sich aber auch schon direkter in politische Debatten ein.

t3n.de: Zum Beispiel?

Frühbrodt: Schau dir doch einfach mal das Magazin „Enkelfähig“ an, herausgegeben vom Beteiligungskonzern Haniel, dem unter anderem mehrheitlich Saturn und die Media Märkte gehören. Der Chemieriese Evonik hat außerdem eine ganze Ausgabe seines Magazins dem Thema „Flüchtlingspolitik“ gewidmet. Die Webseiten einiger Unternehmensberatungen kommen wie Magazine für Wirtschafts- und Technologiepolitik daher. Und in Schweden hat eine Großbank einen eigenen Fernsehkanal für Wirtschafts- und Finanzpolitik eingerichtet. Es dürfte nicht sehr lange dauern, bis so etwas auch in Deutschland Schule macht.

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Auf der re:publica trifft sich die Netzgemeinde zum Austausch. (Foto: © re:publica/Jan Zappner CC BY 2.0)

Auf der re:publica trifft sich die Netzgemeinde zum Austausch. (Foto: © re:publica/Jan Zappner, Lizenz: CC BY 2.0)

t3n.de: Was können sowohl Medien und Journalisten als auch Leser gegen diese Form der gesteuerten Meinungsbildung tun?

Frühbrodt: Die klassischen Medienhäuser sollten sich darauf besinnen, dass ihr Alleinstellungsmerkmal hochwertiger Journalismus ist. Also die saubere und tiefe Recherche, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, Einordnung und Bewertung von Ereignissen und Entwicklungen. Und: Relevanz vor Sensation. Aber das findet in vielen Medien nicht mehr statt.

t3n.de: Warum nicht?

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Frühbrodt: Weil sie sich auf fragwürdige Werbemethoden einlassen und damit selbst noch den Journalismus verwässern. Und sie versuchen obendrein, selbst vom Content-Marketing zu profitieren, indem sie eigene Dienstleister dafür gründen oder aufkaufen wie Burda das beispielsweise mit der Content-Marketing-Agentur KircherBurkhardt getan hat. Man muss also sagen: Die klassischen Medien sägen an dem dünnen Ast, auf dem sie eh schon sitzen.

t3n.de: Und die Leser?

Frühbrodt: Den Mediennutzern bleibt nichts anderes übrig, als genauer hinzuschauen, wo sie sich im Internet gerade befinden. Heißt konkret: Zunächst einen Blick ins Impressum werfen wird zwingend, um zu schauen, wer dahinter steht und welche Interessen er hat. Denn „Journalismus“ ist eben nicht immer unabhängiger Journalismus, auch wenn er sich als solcher verkleidet. Die meisten Mediennutzer haben sich gegenüber der Werbung ein sogenanntes Persuasionswissen angeeignet.

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t3n.de: Persuasionswissen?

Frühbrodt: Ja. Leser wissen also, wann und mit welchen Methoden sie Werbespots und -banner zum Kauf überreden wollen. Und sie haben sich dagegen weitgehend immunisiert. Warum sollten sich die Mediennutzer ein solches Persuasionswissen nicht auch gegenüber Content-Marketing aneignen?

t3n.de: Aber bei aller Kritik an den Interessen der Content-Marketer: Gibt es nicht auch jede Menge gute Beispiele?

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Frühbrodt: Ich würde mich ungern zum Testimonial bestimmter Marken machen und will hier deshalb keine konkreten Namen nennen. Ethisch sauberes Marketing macht sich für mich in erster Linie an dem Kriterium Transparenz fest, egal ob nur Produkte beworben werden sollen oder ob auch politisch Stellung bezogen wird.

t3n.de: Wie sollte denn Transparenz idealerweise aussehen?

Das heißt, dass sich der Absender am besten schon in der URL klar zu erkennen gibt, auf der Homepage dann aber auch mit Namen und Markenlogo. Zum Beispiel im Stil von „Ein Blog der XYZ-Unternehmensgruppe“. Das ist übrigens beileibe keine Selbstverständlichkeit. Gerade in der Unterhaltungselektronik und in der Pharmabranche wird beim Content-Marketing nicht immer mit offenen Karten gespielt.

t3n.de: Trotzdem dürfte für viele Lesern ja in erster Linie der Inhalt zählen. Hast du einen Tipp, wie nutzwertiges und sicher auch unterhaltende Content-Marketing aussehen sollte?

Frühbrodt: Um das an dieser Stelle noch einmal ganz klar zu machen: Mir geht es nicht darum, ob Unternehmen Content-Marketing betreiben, sondern darum, wie sie das machen sollten. Und mit dem „Wie“ meine ich in erster Linie ethische Grundregeln. Dazu gehört neben der Transparenz noch eine zweite Regel: Nämlich die Inhalte für sich alleine stehen zu lassen, denn das ist ja die ursprüngliche Philosophie des Content-Marketing, und zum Beispiel die Themenseite nicht auch noch mit Eigenanzeigen oder Links zum angeflanschten E-Shop zu garnieren. So etwas geht dann schon in Richtung Mogelpackung. Alles andere fällt aus meiner Sicht unter die künstlerische Freiheit.

t3n.de: Nicht verleugnen lässt sich ja auch, dass der Bereich „Corporate Publishing“ künftig einen wichtigen Arbeitsmarkt mit guten Verdienstaussichten für Journalisten darstellt. Wie schätzt du diese Entwicklung ein?

Frühbrodt: Corporate Publishing mit seinen Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften, seinen Geschäftsberichten und Unternehmenschroniken ist ja mittlerweile eher zu einem Teilbereich des in erster Linie digitalen Content-Marketing geworden. Hier entsteht ohne Zweifel ein großer Markt, der vor allem für Personen interessant ist, die einfach gerne texten oder Videos produzieren. Wer dagegen Journalismus „im Blut“ hat, also aufklären und aktiv seine eigene Meinung in die öffentliche Debatte einbringen will, arbeitet nicht des Geldes wegen in der Kommunikationsbranche. Als Content-Marketer würde dieser Typus sicher nicht glücklich werden.

Über den Interviewpartner

Prof. Dr. Lutz Frühbrodt ist Publizist und Medienforscher. Als Experte kommentiert er neue Sendeformate genauso wie neue Geschäftsmodelle oder Firmenübernahmen in der Medienszene. In den nächsten Wochen erscheint eine Studie von Lutz Frühbrodt über das Ausmaß des Content-Marketing in Deutschland und seine Auswirkungen auf die öffentliche Meinungsbildung. Die Untersuchung wird frei erhältlich sein bei der Otto-Brenner-Stiftung.

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Dein t3n-Team

simona

Zuerst einmal tolles Interview – danke dafür.

Beim Lesen habe ich mich aber schon gefragt, ob dieses Interview nicht Pflichtlektüre für die gesamte T3N-Redaktion sein sollte?

Content-Marketing oder auch Clickbaiting genannt wird Danz groß auch im T3n-Newsticker betrieben. Darüber hinaus könnte man vom unabhängigen Journalismus her auch mal die Kategorien [Sponsored Company] und [Sponsored Post] hinterfragen. Ich habe den Verdacht, dass bei diesen Posts die Unabhängigkeit eine nicht so große Rolle spielt.

Antworten
Daniel Hüfner

Hallo Simona,

danke für Dein konstruktives Feedback!

Wie aus den Bezeichnungen „Sponsored Company“ oder „Sponsored Post“ hervorgeht, handelt es sich bei diesen Artikeln um von Werbekunden bezahlte Inhalte, die auch eindeutig als solche gekennzeichnet sind.

Natürlich sind diese unter journalistischen Gesichtspunkten nicht unabhängig und können es auch gar nicht sein. Allerdings achten wir darauf, dass die Texte so unwerblich wie möglich sind und inhaltlich zu unserer Zielgruppe bei t3n passen.

Beste Grüße aus Hannover

Daniel

Antworten
simona

Danke für die Antwort.

Irrelephant

In dem Zusammenhang kann ich jedem nur empfehlen sich mal das Buch
Trust Me, I’m Lying: Confessions of a Media Manipulator von Ryan Holiday zu Gemüte zu führen.

Antworten

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