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Warum die Zukunft des Crowdinvestings düster aussieht

Die Insolvenz von Protonet ist auch ein verheerendes Signal für die Zukunft des Crowdinvesting. Steht die einst gefeierte Finanzierungsform vor dem Aus?

Von Daniel Hüfner
5 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock)

Für 2.046 Kleinanleger endete der vergangene Mittwoch mit einer Hiobsbotschaft: Protonet ist insolvent. „Trotz der vielen Erfolge und einer prominenten Präsenz in der Öffentlichkeit“ sei es dem IT-Unternehmen nicht gelungen, schwarze Zahlen zu schreiben, hieß es in einer offiziellen Mitteilung.

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Nach vier Jahren also ist jene Idee gestorben, die das Hamburger Startup um Gründer Ali Jelveh mit viel Pathos zum Leben erweckt hatte. Protonet entwickelte einen Cloud-Server, der einfacher und sicherer sein sollte als alle anderen Modelle auf dem Markt. Ein radikaler Gegenentwurf inmitten der Snowden-Ära, der den Machern sogar zu einem Weltrekord verhalf: Drei Millionen Euro kamen 2014 innerhalb von nur 133 Stunden über eine Crowdinvesting-Kampagne bei Seedmatch zusammen.

Protonet war das Startup mit dem deutschen Crowdinvesting-Rekord. Die Insolvenz stellt auch die Finanzierungsform infrage. (Foto: dpa)

Beim Crowdinvesting beteiligen sich Privatleute in der Hoffnung auf eine hohe Rendite schon ab wenigen Hundert Euro an einem Unternehmen. Es ist die Vision einer demokratisierten Startup-Welt, in der Otto-Normalverbraucher genauso wie sonst nur schillernde Großinvestoren vom Schlage Marc Andreessen oder Frank Thelen am plötzlichen Reichtum erfolgreicher Gründer teilhaben können. Doch im Fall Protonet ernteten die Schwarmanleger nur die bittere Erkenntnis: Das Geld ist futsch.

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Crowdinvesting-Pleiten häufen sich

Es ist nicht die einzige Pleite dieser Art. Zuletzt verabschiedeten sich noch weitere Crowd-Stars vom Markt. So etwa Returbo, das mit retournierten Waren handelte. 1,1 Millionen Euro sammelte das Berliner Startup über Companisto ein.

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Dann wäre da noch Freygeist: In dem noch jungen Hersteller von Elektrofahrrädern sahen die rund 1.000 Kleinanleger offenbar ein so gutes Geschäft, dass sie 1,5 Millionen Euro zur Finanzierung des Vorhabens beisteuerten. Auch Triprebel – zuvor mit 700.000 Euro von der Crowd unterstützt – stellte vor wenigen Wochen den Insolvenzantrag. Die Pleiten anderer Startups, die weniger Kapital von der Crowd erhielten und deshalb von den Medien weniger beachtet wurden, nicht mitgezählt.

Nun sind scheiternde Startups nichts Ungewöhnliches, keine Frage. 90 Prozent von ihnen stellen innerhalb der ersten fünf Jahre den Betrieb ein, besagen Statistiken. Es liegt in der Natur der Sache, dass innovative Geschäftsmodelle nur dann ernsthaft auf die Probe gestellt werden können, wenn man sie unterstützt – mit Mut, Geld und der nötigen Portion Risikobereitschaft. Und doch wird in diesen Tagen umso klarer, wie untauglich das Crowdinvesting als Finanzierungsform für Startups, aber auch als Geldanlage für Verbraucher ist. Und das hat zwei einfache Gründe.

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Crowdinvesting erschwert Folgefinanzierungen

Zum einen greift das Crowdinvesting in seiner bisherigen Form zu kurz. Auf den ersten Blick klingt das Versprechen der Plattformen gegenüber Startups noch verlockend: Mit nicht mehr als einem Businessplan lässt sich innerhalb von Stunden eine sechs- oder siebenstellige Startfinanzierung aufstellen. Der Gang zur Bank? Erübrigt sich. Klinkenputzen bei Business Angels? Nicht nötig. Zudem lassen sich die Kleinanleger als Markenbotschafter ins Boot holen. Mit dem Geld kann schließlich das Startup groß gemacht und im besten Fall nach wenigen Jahren teuer verkauft werden. Am Ende profitieren alle. Die Gründer, die Plattformbetreiber, die Anleger – so das Prinzip. Mit der Realität aber hat das kaum etwas zu tun.

Denn die meisten Startups können mit einer einzigen Finanzierung gar nicht überleben. Zwei von drei Startups haben in den ersten zwölf Monaten nach ihrer Gründung weiteren Kapitalbedarf, geht aus dem Deutschen Startup Monitor hervor. Problematisch: Der Bedarf steigt rasch an, wenn etwa ins Ausland expandiert werden soll. Notwendige Anschlussfinanzierungen in Höhe von zehn bis 30 Millionen Euro sind dann keine Seltenheit. Summen, die nur Venture-Kapital-Firmen verlässlich stemmen können. Für die aber stellt ein vorheriges Crowdinvesting ein großes Hindernis dar.

Die Gesellschafterstrukturen sind wirr, Ausstiegsfristen kompliziert und aufwendige Umstrukturierungen oft unvermeidbar. Mit anderen Worten: Großinvestoren haben wenig Lust, sich mit Tausenden Kleinanlegern rumzuschlagen. Überlebenswichtige Folgefinanzierungen werden damit massiv erschwert – oder scheitern wie bei Protonet und Triprebel komplett.

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Spärliche Renditen im Erfolgsfall

Zum anderen verspricht Crowdinvesting auch Kleinanlegern mehr, als es am Ende halten kann. Trotz Risikohinweisen sieht auch hier zunächst alles nach einem vielversprechenden Geschäft aus. Die Startups werden von den Plattformen prominent in Szene gesetzt, es gibt ein Video von den Gründern, das Produkt wird detailliert erklärt und Meilensteine sowie Marktpotenziale mit Zahlenkolonnen geschmückt. Ein paar Tausend Euro sind da schnell investiert. Doch eine echte Chance auf Rendite gibt es kaum.

„Mit zweistelligen Renditen geht die Rechnung für Anleger, die ihr Erspartes auf mehrere Startups gestreut haben, nicht mehr auf.“

Kritiker mögen jetzt einwerfen, dass es ja sehr wohl schon einige Erfolgsbeispiele gegeben hat. Und das stimmt. Erst im Dezember wurde die Onlineterminplattform Doxter an einen Konkurrenten verkauft. Das Berliner Startup hatte vorher 100.000 Euro per Crowdinvesting eingesammelt. Zuvor fand bereits Foodist mit Ströer einen prominenten Käufer und auch das Glückspiel-Startup Lottohelden verbuchte zwei Jahre nach seiner Finanzierung bei Seedmatch einen Exit. Dazu gesellt sich das Tee-Startup 5 Cups And Some Sugar.

Zwar sprachen die Crowdinvesting-Plattformen in diesen Fällen von zweistelligen Renditen. Allerdings hagelte es vor allem beim Lottohelden-Verkauf teils heftige Kritik. Mit der Ausbeute waren die Kleinanleger wenig zufrieden – wohl auch, weil sie erkannt haben, dass sie doch nicht in einer Liga mit Großinvestoren spielen. So mag eine Rendite zwischen zehn und 50 Prozent in Niedrigzinszeiten großartig klingen.

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Doch was gerne vergessen wird: Venture-Kapital-Firmen freuen sich über eine solche Rendite nicht bei einer einzelnen Beteiligung, sondern über all ihre Investitionen hinweg. Sie teilen ihr Geld auf verschiedene Startups auf und spekulieren dann auf den einen großen Verkauf, der alle anderen Pleiten mit ausgleicht. Nicht selten erwarten Großinvestoren eine fünf- bis zehnfache Rendite ihres Investments.

Mit zweistelligen Renditen geht die Rechnung da zumindest für jene Anleger, die ihr Erspartes auf mehrere Beteiligungen gestreut haben, vorne und hinten nicht mehr auf. Zusammengefasst: Crowdinvesting ist einfach zu riskant, um sich mit solch geringen Renditen zufriedenzugeben. Dass Startups und die Crowdinvesting-Plattformen in den meisten Fällen bisher eisernes Stillschweigen über die Höhe der Kaufsumme und Rendite bewahren, wirkt auch nicht gerade vertrauenserweckend.

Vertrauen in Crowdinvesting schwindet

Eine Krise in der deutschen Crowdinvesting-Szene lässt sich vor diesem Hintergrund nicht wegdiskutieren. Erst vor wenigen Tagen zeigte eine Auswertung: 2016 stagnierte das Volumen der Startup-Finanzierungen per Crowdinvesting erstmals, lediglich der Immobilienbereich wuchs noch kräftig. Es sieht so aus, als hätten Startups und Kleinanleger die Tücken des Crowdinvestings erkannt. Dass auch ein hessischer Verbraucherschützer der Süddeutschen Zeitung sagte, mit vermehrten Beschwerden zu rechnen, ob und wie Kleinsparer ihr Geld wiederbekommen, ist kein gutes Zeichen für die Zukunft der einst gefeierten Finanzierungsform.

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4 Kommentare
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lola

Crowdinvesting ist wie Wütbürger. Ohne auch nur die kleinste kleinigkeit zu prüfen nur nach Gefühl aggieren.
Warum sollte Protonet alles besser und günstiger machen als größe Konzerne. Mehr als eine flotte Farbe und „wir wollen“ war da kaum vorhanden.

Als Investor sollte man, auch als früher Invester, prüfen wem man Geld in die Hand gibt. Denn oft sind das nur Businessplan Künstler und Designer

Antworten
R.M.

Naja, Crowdinvesting steht noch völlig am Anfang. Es mangelt erstens massiv an Transparenz (z.B. volle Einsicht in Ein- und Ausgaben des gestützten Unternehmens, Mitbestimmung) und zweitens müssen auch die Kleininvestoren einen Lernprozess durchlaufen. Das ist nicht anders als im restlichen Leben auch: wer den Markt und Geschäftsideen richtig einschätzt, wird Gewinne machen, wer nur Lotto spielt den bestraft das Leben ;).
Grösser denkende Ansätze wie z.B. Elysium DAO (Digital Autonomous Organization) sind die Zukunft (und die kommt in dem Fall nach meiner Einschätzung schneller als man denkt).

Den meisten Kleininvestoren ist nicht bekannt, wieviel Prozent der Investmentsumme bei einer traditionellen Startupfinanzierung als „Reibungsverluste“ in den Taschen beteiligter Funds, Banken und Grossinvestoren landet. Das sollte einfach zu schlagen sein.

Antworten
Daniel

Lieber Herr Hüfner,

Prof. Michael Koetter und ich untersuchen diese Frage ebenfalls schon länger und ich kann Ihnen in vielen Punkten zustimmen. Unser aktuelles Paper „Funding failure? The ability of crowdfunding to tell the lemons from the lollipops“ kann ich Ihnen bei Interesse gerne zusenden.

Viele Grüße, Daniel

Antworten
Torben Gabriel

„wer den Markt und Geschäftsideen richtig einschätzt“ – die Frage ist halt, wie man das richtig macht. Eigentlich ist das doch immer irgendwo eine Wahrscheinlichkeitsrechnung und Pokern bzw „Auf gut Glück“.

Aber darum geht es doch auch beim Investieren. 9 von 10 Startups im Valley scheitern. Also versuche ich mit dem einen aus zehn eine Menge rauszuholen.

Man kann einfach vorher nicht einschätzen, ob das Startup der Hammer wird oder eine Pleite. Twitter hat man auch als total bescheuert abgestempelt. Zurecht auch. 140 Zeichen als Message online eingeben und mit #Hashtags versehen klingt ja auch bescheuert, wenn man es noch nicht kennt.

Aber klar kommt hinzu, dass meiner Meinung nach auch viele Leute blind sind vor Hoffnung auf den großen Reichtum. Erinnert mich immer an die Dotcom Blase oder die Bankenkrise. Wo jeder seinem Bankberater blind die ganze Kohle vertraut hat weil man wirklich dachte der wolle einem helfen und zu Reichtum verhelfen.

Ich habe nie verstanden warum Protonet jetzt bspw so toll sein soll, dass man darin investiert. Server/Cloud Lösungen sind jetzt nichts, was es nicht an jeder Ecke gibt. Abgesehen davon, dass man Amazon AWS als Gegenspieler hat.
2 Wochen Staatsaffäre um Snowden und den Datenschutz reichen da halt nicht aus. Da wird dann mal kurzzeitig mehr Geld in Sicherheit investiert und Whatsapp Alternativen wie Threema bekommen ein paar neue User, aber das war es dann auch.

Antworten

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