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Analyse

Deutsche Bahn im Digitalisierungscheck: Das können die Kunden erwarten

Der verspätete Zug bleibt wohl vorerst das Sinnbild der Deutschen Bahn. Wahrscheinlich ist das ein bisschen ungerecht, denn der Konzern tut mittlerweile weit mehr, als Menschen und Güter zu befördern.

Von Ekki Kern
7 Min.
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(Foto: Leonid Andronov/Shutterstock)

Längst geht es bei der Deutschen Bahn um das Wie, und somit natürlich auch um Technologien, die die ehrgeizige Vision vom modernen, kundenorientierten Unternehmen verwirklichen sollen.

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Wer als Marketingexperte alle unfertigen Ideen und Entwicklungen eines so breit aufgestellten Konzerns wie der Deutschen Bahn aufzeigen möchte, muss notgedrungen die Metaebene beschreiten. Und so möchte das Unternehmen nicht weniger, als „die Mobilität von morgen“ mitentwerfen, und dieser, man kann es sich denken, irgendwie auch seinen Stempel aufdrücken. Das zumindest sagt Rüdiger Grube, Chef der Bahn und ganz oben im DB-Hochhaus am Berliner Potsdamer Platz zuhause.

Was fehlt: Eine durchdachte Digitalisierungsstrategie

Wer so hoch hinaus will, braucht natürlich vor allem eines: eine wohl durchdachte Digitalisierungsstrategie fürs eigene Unternehmen (die man sich mit rund einer Milliarde Euro bis 2018 einiges kosten lässt), neue Geschäftsfelder, die im Notfall auch mal darüber hinwegtäuschen können, dass das „Kerngeschäft Schiene“ nicht ganz rund läuft. Und – ganz wichtig in einem ehemaligen Staatsunternehmen: ein Quäntchen neues Denken.

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Ebendiesen frischen Wind in einen großen Konzern bringen, das können vor allem agile Startups. Das hat sich auch bei der Bahn herumgesprochen. Betreut werden diese vom DB Accelerator, dem unternehmenseigenen Förderprogramm. Und bieten kann der Konzern den kleinen Unternehmen das, was man selbst „einen riesigen Datenschatz“ nennt, der „die größte Eisenbahninfrastruktur Europas“ umfasst.

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Wer als Startup vom DB Accelerator gefördert wird, erhält zudem Zutritt zum direkt an der Spree gelegenen Berliner Coworking-Space „DB Mindbox“, den es seit 2015 gibt und in dem es darum geht, aus Wissen und Daten konkrete neue Produkte zu entwickeln. Hier haben die Teams drei Monate Zeit, Prototypen zu bauen, und werden von Experten der Deutschen Bahn betreut.

Auch die eigenen Mitarbeiter will man ausdrücklich zum kreativen Denken animieren, heißt es. Im Rahmen der jährlich ausgetragenen Hackathons können sie Vorschläge machen, was man aus dem riesigen Datenbestand, auf dem die Bahn sitzt und der täglich größer wird, so alles machen könnte. Die besten Projekte mit „besonders hohem Kundennutzen“, wie es heißt, werden prämiert, mit immerhin je 20.000 Euro. Ab diesem Jahr sollen auch externe Interessierte beim Hackathon mitmachen dürfen.

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Kauf von Tickets von Partnerunternehmen soll bald in der App möglich sein

Besonders gern gesehen bei der Bahn sind wenig überraschend vor allem all jene Projekte, die auf die Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel, also Multimodalität, fokussieren. Wie etwa die App Qixxit. Diese nimmt für sich in Anspruch, immer die beste Route aus 15 Verkehrsmitteln und über 20 verschiedenen Anbietern herauszufinden. Sie berücksichtigt mittlerweile Bahn, Fernbus, Flugzeug, Mitfahrgelegenheit, Mietfahrrad, den öffentlichen Personennahverkehr, Taxis und stationsunabhängiges Carsharing.

Bald, verspricht die Bahn, soll es auch möglich sein, Tickets von Partnerunternehmen in der App zu kaufen. Eine herausfordernde Disziplin, die auch der „DB Navigator“, die Standard-App des Unternehmens, noch nicht anstandslos beherrscht, wie das Beispiel Berlin zeigt.

Operativ handelt es sich bei Qixxit um eine ausgegründete Firma unter dem Dach der Deutsche Bahn Digital Ventures GmbH, jenem Unternehmen, mit dem der Konzern über finanzielle Beteiligungen an jungen Unternehmen neue Geschäftsmodelle umzusetzen gedenkt. Für 2017 und 2018 seien hierfür 50 Millionen Euro veranschlagt, heißt es.

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Mehrwert für den Kunden schaffen

Einen ähnlichen Ansatz wie Qixxit verfolgt die App „Motiontag“, die sich derzeit noch in der Testphase befindet und die die Route des Reisenden anhand von Bewegungsmustern in verschiedenen Verkehrsmitteln verfolgt. Schon wirklich nutzbar sind andere Projekte aus der „Mindbox“, etwa der Sammelfahrdienst „Clevershuttle“, der Personen mit ähnlichen Routenwünschen verbindet und so beim Geldsparen helfen kann. Worauf man bei der Bahn auch gerne hinweist: Die hier verwendeten Autos fahren mit Elektro- oder Hybridantrieb, und zwar derzeit in Berlin, Leipzig und München. 2017 sollen unter anderem noch Hamburg und Frankfurt folgen.
Ein Problem, mit dem die Eisenbahn seit ihrer Erfindung kämpft, hat ein israelisches Startup gelöst. „Rail Vision“ heißt es, Hindernisse auf den Gleisen per Infrarot erkennen kann es. Diese Entwicklung sei „wegweisend für das vollautomatische Fahren“, sagt die Bahn. Ein künftig wohl nicht nur für genervte Bahnkunden praktisches Produkt liefert das Startup Holoplot. Dieses hat ein Lautsprechersystem gebaut, das Ansagen genau dort hörbar macht, wo sie gebraucht werden. Und eben auch nur dort.

Ganz konkret die Zugfahrt des gemeinen Reisenden verbessern sollen im umkämpften Markt der Personenbeförderung auch andere Innovationen, von denen man bei der Bahn gerne erzählt. Das Buzzword hier: Mehrwert schaffen für den Kunden. Und natürlich sich von der Konkurrenz abheben, etwa vom aufmüpfigen und mittlerweile doch recht groß gewordenen Startup Flixbus.

Dass es nun seit Ende vergangenen Jahres endlich auch in der 2. Klasse der ICEs kostenloses WLAN gibt, war da wohl eine der wesentlichen Voraussetzungen, um als Bahn attraktiv zu bleiben. Zwar sind es derzeit nur 200 MB, die man als Fahrgast versurfen darf, die Erfahrung allerdings zeigt: Das reicht fürs normale Arbeiten. Durchdacht scheint die verwendete Multiprovider-Technik, die jeweils auf die schnellsten Datennetze von Telekom, Vodafone und o2 zugreift und durch intelligente Bündelung der Netzbetreiberkapazitäten hohe Datenvolumen verarbeiten kann.

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Auch das neue Entertainment-Portal zielt wohl besonders auf junge Menschen ab, die einen Grund mehr haben sollen, mal wieder Zug zu fahren. Dort integriert gab es bisher einen elektronischen Zeitungskiosk und Tipps für den Ausflug in die Stadt. Für etwas Neues sorgt jetzt die Kooperation mit dem Prosiebensat.1-Unternehmen Maxdome, das Serien und Spielfilme zuliefert.

Mobilfunk-Repeater bis Ende 2017

Eine gute Nachricht für alle Reisenden mit Platzreservierung ist, dass die Bahn das Problem rund um die sprichwörtlich chaotische Wagenreihung der ICE-Züge angegangen ist. So ist die Position der Waggons dank Sensoren seit Kurzem in Echtzeit abrufbar. Und auch für die Anzeige von Reservierungen im Zug sei eine solche Echtzeit-Lösung in Arbeit, heißt es. Wenn alles gut geht, wird die Anzeige am Sitzplatz dann bei spontanen Reservierungen automatisch von „ggf. freigeben“ auf die gebuchte Verbindung umspringen.

Bis Ende 2017 verspricht das Unternehmen außerdem neue Mobilfunk-Repeater, die endlich für unterbrechungsfreies Telefonieren sorgen mögen. Bis 2020 dann will man nichts weniger als „das größte mobile WLAN-Netz Deutschlands“ aufbauen. In ICEs, großen Bahnhöfen und auch Nahverkehrszügen soll der unterbrechungsfreie Zugang zum Internet Standard werden. Eines zumindest steht diesbezüglich fest: Es handelt sich um einen ehrgeizigen Zeitplan.

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Immerhin schon Mitte des laufenden Jahres wird der „DB Navigator“ mit dem Feature „Self Check-in“ ausgestattet: Per Handy-Ticket kann man sich dann als Reisender auf dem reservierten Platz im Zug einchecken. Wer sich auf diese Weise angemeldet hat, soll, das verspricht die Bahn, nicht mehr von einer Fahrkartenkontrolle belästigt werden.

Überhaupt bemüht sich der Konzern, den Eindruck zu vermitteln, dass man sich als großes Ziel gesetzt habe, das Reisen als solches angenehmer zu gestalten. Luft nach oben ist diesbezüglich ja vor allem noch in Regionalzügen. Fast unglaublich scheint es da, wenn die Bahn von „abgeschirmten Arbeits-, Entspannungs- und Loungelandschaften“ spricht, die hier irgendwann entstehen könnten. Aber das seien bisher eben nur „Ideen“.

Herzstück des Bahnverkehrs verbessern

Neben nutzwertigen Angeboten für die Kunden gehe man das Thema Digitalisierung in zwei weiteren Bereichen an, heißt es. So gelte es, betriebliche und administrative Prozesse zu optimieren und neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dieses Schaffen von konkreten Produkten aus gigantischen Datenmengen ist natürlich auch jetzt schon möglich. Etwa dann, wenn es darum geht, die Pünktlichkeit oder Unpünktlichkeit von Zügen genauer vorherzusagen. Ab diesem Jahr setzt das Unternehmen hier ein neues Prognoseverfahren ein. Und überhaupt sei man gerade dabei, eine ganze Reihe von Algorithmen zu optimieren.

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Stolz ist der Konzern auch darauf, dass er seine eigenen Daten öffentlich zur Verfügung stellt und es somit Programmierern und Entwicklern ermöglicht, mit ihnen zu experimentieren. Vorhanden sind etwa Bahnsteig- und Aufzugdaten, Datensätze über das Streckennetz und rund um das eigene Car-Sharing-Projekt „Flinkster“ und den Fahrradverleih „Call a Bike“.

Neben intelligenten Aufzügen, intelligenten Güterwaggons und intelligenten Weichen will man wenig überrraschend auch das Herzstück des Bahnverkehrs weiter verbessern: die Züge selbst. Automom sollen sie irgendwann fahren können. Getestet wird in diesem Jahr schon, und zwar im sächsischen Erzgebirge. Auf einer übersichtlich langen Nahverkehrsstrecke wird ein umgebauter Dieseltriebwagen ohne Lokführer pendeln.

Zunächst muss der Zug lernen, Hindernisse und optische Signale auf der Strecke zu erkennen. Das soll irgendwann möglich sein, und zwar praktischerweise ohne bestehende Infrastrukturanlagen umzubauen. Helfen können auch in diesem Bereich verschiedenartige Sensoren, die wertvolle Daten generieren. Entscheidungen selbst übernehmen, das kann der Triebzug allerdings noch nicht, die Steuerungsbefehle kommen zunächst aus einer Zentrale. Neue Erkenntnisse für das vieldiskutierte Feld Autonomes Fahren liefert das Fahrzeug freilich jetzt schon.

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Digitalisierung in 3 Feldern angehen

Und so sind derartige Experimente natürlich auch eine gute Nachricht für den Güterverkehr, ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld der Bahn. Hier würden immerhin schon 500 Güterwagen regelmäßig Informationen zu ihrer Position und Richtung, zur Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Wagen und weiteren Parametern liefern, heißt es. Und auch wenn viele es gerne anders hätten: Neben der Schiene bleibt auch die oft überlastete Straße wichtig für den Konzern. Geplant sind diesbezüglich miteinander vernetzte LKW. Natürlich autonom fahrend. Mobilität von morgen eben.

„Wir wollen bei der Digitalisierung Treiber sein und die digitale Zukunft der Mobilität und Logistik aktiv gestalten“, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Dr. Rüdiger Grube.

Mittlerweile hat die Digitalisierung bei der DB viele Facetten, und ständig kommen neue hinzu. Elektronische Zeitungen und Sightseeing-Tipps im ICE-Portal unterhalten Reisende auf langen Zugfahrten, personalisierte Reiseinformation inklusive. Ab dem Frühjahr kommen Serien und Spielfilme hinzu. Ebenfalls vom Frühjahr 2017 an stehen Flinkster-Kunden neben Carsharing-Autos auch Elektro-Roller zur Verfügung. Industriekunden können bereits heute Gütertransporte in Echtzeit verfolgen, selbst Temperaturschwankungen oder Erschütterungen im Container. Erste vollautomatische Schienenfahrzeuge werden erprobt. Auf der Straße rollen bereits fahrerlose Shuttlebusse im Linienverkehr, autonom fahrende, vernetzte LKW (Platooning) werden folgen.

Die Deutsche Bahn geht die Digitalisierung in drei Feldern an – mit neuen Angeboten an der Kundenschnittstelle, bei den betrieblichen und administrativen Prozessen sowie mit der Entwicklung neuer datenbasierter Geschäftsmodelle. Dafür investiert die DB allein unternehmensweit rund eine Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte und hält bis 2019 zusätzlich 100 Millionen Euro Venture Capital bereit, um gezielt Startup- und Gründeraktivitäten zu fördern.

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