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Analyse

Werden Facebook und Apple die nächste Computing-Plattform dominieren? Die große Augmented- und Virtual-Reality-Marktanalyse

Spatial-Computing-Technologien wie Augmented und Virtual Reality könnten eines Tages das Smartphone ersetzen. Fast alle großen Tech-Konzerne arbeiten deshalb an entsprechenden Brillen und Plattformen. Doch wer liegt vorne? Die Kolumne „Views on VR“ von Luca Caracciolo.

Von Luca Caracciolo
18 Min.
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Spatial Computing – Die Strategien der großen Konzerne im Überblick. (Foto:picture alliance/All Canada Photos)

Dass Virtual Reality nicht den schnellen Durchbruch erzielen konnte, der im vergangenen Jahr von vielen Experten und Marktforschungsunternehmen vorausgesagt wurde, ist keine große Überraschung. Zu teuer, zu unhandlich, zu kompliziert, zu nerdig sind die aktuellen Highend-VR-Headsets einfach noch. Und das vielleicht größte Problem: Es gibt noch immer nicht genug überzeugenden Content, der potenzielle Käufer anspricht.

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Im Jahr eins nach dem Launch der Highend-Geräte Oculus Rift, HTC Vive und Playstation VR macht sich in der Branche deshalb Ernüchterung breit. Hinzu kommt der Umstand, dass die großen Tech-Konzerne Augmented Reality als bedeutendere Technologie für die Zukunft auserkoren haben. Zumindest in der Theorie.

Facebook, Microsoft, Apple, Google – fast alle großen Tech-Konzerne richten sich strategisch auf VR und AR aus. Welche Technologie wann genau wie den großen Durchbruch erfährt, lässt sich schwer vorhersagen, weshalb die großen Unternehmen mehrgleisig fahren. Mit der Gewissheit, dass räumliches Computing – auch Spatial, Immersive oder Ambient Computing genannt – eines Tages eine große Rolle spielen wird, versuchen sie mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf die gesamte Technologie-Bandbreite zu setzen: Von Augmented Reality mit dem Smartphone bis zu Highend-VR mit einem leistungsstarken PC ist alles dabei.

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Wie positionieren sich die Tech-Konzerne aber genau und wie ist ihre Strategie zu deuten?

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Facebook: Der Vorreiter

Als Facebook 2014 Oculus VR für über zwei Milliarden US-Dollar kaufte, ging ein Raunen durch die Tech-Welt: Erstaunen ob der Risikofreude von Marc Zuckerberg, aber auch schlagartiges Interesse für Virtual Reality in breiteren Gefilden. Es gibt Stimmen, die behaupten, Facebook habe die Branche durch den Oculus-Kauf um fünf Jahre nach vorne katapultiert. Kritisch einwenden ließe sich, ob ein organischerer Verlauf der VR-Marktentwicklung den Hype des vergangenen Jahres erst gar nicht verursacht hätte.

Facebook jedenfalls sieht die Bemühungen in Virtual Reality als sehr langfristige Investition an, Zuckerberg spricht oftmals von einem Zehn-Jahres-Plan: In diesem Zeitraum soll die Technologie sowohl in Sachen Hardware als auch Software kontinuierlich weiterentwickelt werden, um dann irgendwann mal so ausgereift zu sein, dass sie die nächste große Computing-Plattform nach Mobile werden kann. Denn: Social-VR gilt als VR-Killer-App, weil das Präsenzgefühl in VR eine unmittelbare Nähe zu Mitmenschen erlaubt, die physisch nicht im gleichen Raum sind.

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Auf dem Weg zu dieser neuen Super-Plattform steckt Facebook sehr viel Geld in die Content-Produktion – allen voran in Games. Was aber hat der Betreiber des größten sozialen Netzwerks der Welt mit Videospielen zu tun? Gamer sind in der Regel Early Adopter und probieren neue Formen virtueller Interaktion aus. Insofern sind Games allein schon aufgrund der Zielgruppe interessant. Aber mehr noch: Spiele geben seit jeher einen Rahmen des Experimentierens vor, in Spielen lassen sich neue Formen sozialer Interaktion frühzeitig beobachten, weil ihre Realität immer eine provisorische ist.

Trotz dieser langfristigen Perspektive ist auch Facebook mittlerweile klar, dass der Markt langsamer wächst als erwartet. Auch deshalb hat das Unternehmen den Preis der Oculus Rift innerhalb eines Jahres um die Hälfte gesenkt: Kostete die Rift zum Start 700 Euro und der Touch-Controller im Dezember zum Launch noch 200 Euro, bekommt man das Bundle mittlerweile für 450 Euro. Oculus-Content-Chef Jason Rubin rechtfertigte die Preissenkung damit, dass man noch nach dem optimalen Preispunkt für VR suche und das Facebook schon immer gerne experimentiere. Doch trotz der langfristigen Ausrichtung und der Investition in die Zukunft: Oculus hat von den drei Anbietern von Highend-VR-Headsets noch am wenigsten verkauft. Erst durch die neuerliche Preissenkung konnte die Oculus Rift offenbar an die Verkäufe der HTC Vive aufschließen – von beiden Anbietern gibt es aber nach wie vor keine offiziellen Verkaufszahlen. Klar die Nase vorn hat Sony, das im Frühjahr bereits verkündet hat, knapp eine Million Headsets verkauft zu haben.

Was bleibt also Facebook anderes übrig, als den Preis so weit zu drücken, dass es fast schon schmerzt? Zuckerberg will mit dem Verkauf der Rift selbst ja auch gar kein Geld verdienen. Es geht ihm schlicht darum, ein Ökosystem zu schaffen und bei der nächsten Computing-Plattform auch die ausliefernde Hardware zu stellen. Etwas, was er bei Mobile schmerzlich vermisst: Facebook läuft immer einen Schritt hinter den beiden großen Ökosystemen iOS und Android her – oder anders gesagt: Stellt euch einfach vor, die Facebook-App wäre auf jedem Smartphone nicht nur vorinstalliert, sondern fundamentaler Bestandteil der Smartphone-UI. Um eine solche Positionierung bei der nächsten Computing-Plattform einzunehmen, wird Facebook weiterhin viel Geld in den VR-Markt pumpen.

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Seit Ende vergangenen Jahres stellt sich Facebook breiter auf. Immer stärker soll es jetzt auch um Augmented Reality gehen. Unlängst hat der Konzern begonnen, an AR-Technologien in Brillenform zu arbeiten – weil hier aber noch viel Arbeit in die Technologieentwicklung gesteckt werden muss, soll der Weg zunächst übers Smartphone gehen: Auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz hat das Unternehmen die „Camera Effects Plattform“ angekündigt, eine AR-Plattform fürs Smartphone. Apple und Google sind im Laufe des Sommers nachgezogen, beide Unternehmen haben mit ARKit beziehungsweise ARCore ebenfalls zwei Smartphone-AR-Plattformen für iOS und Android angekündigt, die die erweiterte Realität in die Hosentasche bringen. Der Vorteil: weil sie Plattform-Betreiber auf OS-Ebene sind, können sie ihre AR-Plattform viel geschickter und enger mit dem Smartphone-OS verzahnen als Facebook.

Facebook andererseits verfügt über die soziale Infrastruktur, um mögliche AR-Anwendungen mit anderen zu teilen – wenn es beispielsweise um soziale Anwendungen wie etwa Notizen von Freunden an realen Objekten in der Welt geht. Und dennoch kann das Smartphone für Facebook nur ein Zwischenschritt in Richtung einer komplett neuen Hardware in Form einer Brille sein. Deshalb intensiviert Facebook seine Investitionsbemühungen. Neben der Oculus Rift ist eine kabellose, autarke VR-Brille in Planung, die ohne Positionstracking funktionieren und rund 200 Euro kosten soll. Mobile VR als Virtual Reality mit dem Smartphone entwickelt Facebook derweil mit Samsung weiter. Und hinter verschlossenen Türen wird kräftig an AR-Brillen gearbeitet.

Eine räumliche Computing-Welt – ganz gleich ob in VR oder AR – ist für Zuckerberg die zwingende Konsequenz, wenn es um soziale Interaktion im digitalen Raum geht – eine solche Welt ist letztlich auch ein Fest für den Datenbestand von Facebook. Und das wird sich Zuckerberg nicht entgehen lassen.

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HTC und Valve: Die ungleichen Partner

Neben Oculus VR ist HTC in Kooperation mit Valve der wichtigste Treiber der neueren Virtual-Reality-Welle. Mit der HTC Vive bietet das taiwanesische Unternehmen auch die aktuell einzige Highend-VR-Lösung für Endverbraucher, die Room-Scale-VR ermöglicht – also das Tracking auf einer bis zu 16 Quadratmeter großen Fläche. Mit Valve haben die Asiaten einen Partner im Boot, der die mit Abstand weltgrößte Distributionsplattform für PC-Spiele im Netz bereitstellt.

Diese Partnerschaft zerbröselt aber aktuell: Valve ist für die Entwicklung des Lighthouse-Systems – also des Room-Scale-Trackingsystems – ebenso verantwortlich wie für die Software der Vive. Und die US-Amerikaner verfolgen eine offene Strategie: Auch andere Unternehmen können das Lighthouse-System lizensieren und entsprechende Konkurrenz-Produkte herstellen. LG hat bereits angekündigt, bis Ende des Jahres einen unmittelbaren HTC-Vive-Konkurrenten auf den Markt bringen zu wollen.

Für Valve ist es völlig unerheblich, wer die abspielende Hardware baut oder zur Verfügung stellt: Steam soll die größte Plattform für PC-Inhalte im Netz bleiben, auch in Sachen Virtual Reality. Um sich möglichst früh zu platzieren – wie damals zum Start von Steam im Jahr 2003 – hat das Unternehmen frühzeitig entsprechende Anstrengungen unternommen. Erst langfristig wird sich zeigen, ob die Strategie richtig war. Valve-Chef Gabe Newell selbst ist sich der Risiken durchaus bewusst. Im Frühjahr dieses Jahres hat er in einem Interview gesagt:

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„We’re optimistic. We think VR is going great. It’s going in a way that’s consistent with our expectations. We’re also pretty comfortable with the idea that it will turn out to be a complete failure.“

Während Valve es wirtschaftlich verkraften kann, wenn der VR-Hype nicht abhebt und einen Durchbruch im Massenmarkt zur Folge hat, sieht es bei HTC deutlich kritischer aus. Das Technologie-Unternehmen ist aufgrund des schlecht laufenden Smartphone-Verkaufs aktuell ohnehin angeschlagen. Das schleppende VR-Geschäft bringt HTC in eine schwierige Lage: Der Verkauf des Smartphone-Geschäfts steht im Raum, kurz zuvor hieß es noch, über einen Verkauf der VR-Tochter werde nachgedacht.

Auch wenn der asiatische und vor allem der chinesische Markt in Sachen Virtual Reality deutlich weiter ist als der europäische oder US-amerikanische und HTC hier über deutlich bessere Absatzchancen verfügt als etwa Oculus, bleibt die Frage, ob das reicht, um ein wirtschaftlich funktionierendes Ökosystem zu schaffen. Zumal HTC nicht an den Software-Verdiensten im Steam-Store beteiligt wird. Auch deshalb haben die Taiwanesen vermutlich einen eigenen Shop namens Viveport gestartet. Ursprünglich nur für die chinesischen Kunden der HTC Vive gedacht, ist eine internationale Strategie nur logisch. Dass HTC nicht nur auf Valve setzten will, beweist auch die Ankündigung der autarken VR-Brille für die VR-Plattform von Google „Daydream“ – wohl auch deshalb wird Google als potenzieller Übernahmekandidat des VR-Geschäfts von HTC gehandelt.

Im Bereich Augmented Reality ist HTC eher dünn aufgestellt – ein konkretes Produkt ist bisher nicht angekündigt. Vermutlich übersteigt es die ökonomischen Kapazitäten des Unternehmens, sich auch im AR-Bereich aufzustellen. Zwar investiert HTC etwa in den AR-Display-Hersteller Lumus, eine echte strategische Ausrichtung gibt es allerdings nicht.

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Microsoft: Die Windows-Strategie

Microsoft hat zeitig auf Augmented Reality gesetzt. Mit der Holo Lens zeigte der Office-Konzern sehr früh seine Version der erweiterten Realität: kabellos und autark, die gesamte für den Betrieb nötigen Technologie direkt in der Brille verbaut. Trotz erheblicher technischer Beschränkungen – etwa ein Sichtfeld von gerade mal 40 Grad – beeindruckte die Technologie durchaus, als sie Anfang 2015 vorgestellt wurde. Mittlerweile kann die Brille als Entwickler-Hardware für rund 3.000 US-Dollar erworben werden, was sie nur für B2B-Kunden interessant macht. Die Tech-Demos in Sachen Minecraft, die Werbevideos mit den virtuellen Bildschirmen im Sichtfeld wirken zwei Jahre später wie grobe Konzeptideen. Kein Mensch auf der Welt kauft sich für 3.000 US-Dollar eine klobige Brille, die einen Fernseher an die Wand projiziert.

Aber nicht nur der Preis verhindert eine größere Marktdurchdringung. Auch das Aussehen und die beschränkte Technologie sorgen dafür, dass die Holo Lens ein Nischendasein fristet. Das ist durchaus von Microsoft gewollt – der Konzern verpackt die Technologieentwicklung in eine teure B2B-Brille und verhindert damit, dass Prototypen und frühe Versionen zu schnell für tot erklärt werden. Eine neue Version ist erst für 2019 angekündigt.

So richtig klar ist es aber nicht, wo Microsoft mit der Holo Lens eigentlich hin will. Auf Dauer nur im B2B-Bereich unterwegs zu sein, dürfte für den Windows-Konzern kaum das Ziel sein, zu sehr schmerzt die große Niederlage im Smartphone-Markt. Ähnlich wie Facebook spielt Microsoft im Bereich Mobile nur die zweite Geige. Auch deshalb hat der Konzern ähnlich wie Facebook sehr früh auf Spatial-Computing-Technologien gesetzt. Aber während Facebook alles dafür tut, dass Virtual Reality bei einem größeren Publikum ankommt – etwa viel Geld in den Ausbau des Ökosystems steckt und krasse Preissenkungen vornimmt – ist unklar, welche Rolle die AR-Brille in Microsofts Gesamtstrategie einnimmt.

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Etwas klarer sind die Virtual-Reality-Bestrebungen der Redmonder. Großes Thema auf der diesjährigen IFA waren die VR-Brillen für Windows 10, die einige Vorteile gegenüber Rift, Vive und Playstation VR haben: sie verfügen über ein sogenanntes Inside-Out-Tracking – bedeutet: Es ist nicht mehr nötig, dass externe Sensoren im Raum aufgestellt werden, um das Tracking des Headsets im Raum sicherzustellen. Die Positionsbestimmung erfolgt ausschließlich über Tiefenkameras, die direkt in der VR-Brille verbaut sind. Laut ersten Tests funktioniert das erstaunlich gut. Und weil diese VR-Brillen, die Microsoft unter dem Label „Windows Mixed Reality“ vermarktet, auch SteamVR unterstützen werden, haben Nutzer schlagartig Zugriff auf mehrere tausend VR-Apps. Vieles davon ist Schrott, ja, aber dennoch ist das viel besser, als mit einem eigenen Ökosystem bei Null anzufangen.

Die VR-Brillen, die beispielsweise Acer, Asus oder Dell baut, sind im Handling also deutlich einfacher und bewegen sich in einem Preisrahmen von 300 bis 400 Euro. Da bekanntlich Konkurrenz das Geschäft belebt, ist davon auszugehen, dass die Preise in absehbarer Zeit fallen werden. Microsoft fährt also mit VR eine ähnlich offene Strategie wie mit PCs: Nutzer stellen sich ihren PC selbst zusammen – je nach Bedarf und Kostenrahmen – das OS liefert Microsoft. Die neuen VR-Brillen von Acer, Asus und Dell sind dann „nur“ noch eine zusätzliche Peripherie-Geräteklasse, die sich Nutzer dazukaufen. Noch unklar bleibt, wie Microsoft das eigene Ökosystem für VR-Apps aufbauen will, denn die Unterstützung von SteamVR ist gleichzeitig ein Risiko – die derzeit größte PC-Plattform für Virtual Reality hat einen enormen Vorsprung, der kaum aufzuholen sein wird.

Google: Von Pappe bis Highend

Google hat den vielleicht ungewöhnlichsten Weg im Bereich Virtual Reality gewählt. Der Konzern, der mit Google Glass sehr früh im Bereich Spatial Computing vorgeprescht ist, hat sich dem Thema im Anschluss deutlich langsamer genähert. Der vielleicht spektakulärste Zug: Frühzeitig  mit Cardboard eine VR-Lösung für jedermann zu veröffentlichen. Für zehn Euro oder oftmals auch als Werbegeschenk zu haben, war die VR-Papp-Variante ein intelligenter Ansatz, mit minimalen Ressourcen einen maximalen Effekt zu erzielen: möglichst vielen Menschen die Möglichkeit geben, Virtual Reality auszuprobieren. Das Risiko war quasi nicht vorhanden, weil Pappe extrem günstig ist und Smartphones mittlerweile allgegenwärtig sind.

Der Nachteil dieser Strategie: Bei dieser Form der Low-End-VR ist es für die meisten Interessenten geblieben, den Sprung in die High-End-VR haben die wenigstens vollzogen. Für Google wenig schlimm – der Konzern ist in einer weit komfortableren Position als zum Beispiel Facebook, was die Plattformposition der derzeit dominanten Computing-Plattform auf OS-Ebene angeht, denn mit Android stellt Google das weltweit verbreitetste Smartphone-OS – und genau deshalb ist die erste echte technische VR-Strategie auf das Smartphone bezogen: Daydream ist eine Mobile-VR-Lösung, die nur mit entsprechenden Android-Telefonen funktioniert. Neben der Gear VR von Samsung ist Daydream technisch die beste mobile VR-Lösung. Im Sommer kündigte Google dann den nächsten Schritt an: Autarke VR-Brillen ohne Smartphone, dafür aber mit Raum-Tracking. Kommen sollen die neuen Geräte von Anbietern wie HTC oder Lenovo. Technisch nicht mit HTC Vive und Oculus Rift auf einer Stufe, dafür aber aufgrund des Raum-Trackings im deutlichen Vorteil gegenüber Mobile-VR-Lösungen.

Ähnlich wie Facebook hat Google auch in Sachen Content früh investiert. Die hauseigenen Apps wie Youtube oder Google Earth haben längst VR-Pendants erhalten, mit Blocks hat das Unternehmen kürzlich ein Tool vorgestellt, mit dem sich Kreative in VR austoben können. Und nicht zuletzt der Kauf eines der erfolgreichsten VR-Studios Owlchemy Labs (Jobsimulator) zeigt, dass Google es wichtig ist, das Thema nicht nur von der Hardware zu denken. Denn der fehlende VR-Content ist der vielleicht wichtigste Grund für die verhaltene Entwicklung des Marktes.

Google verfolgt eine ganzheitliche Perspektive, die sowohl Hard- als auch Software gleichmäßig ins Auge fasst – gar nicht so unähnlich zu Facebook. Allerdings hat der Konzern eine deutlich verhaltenere Herangehensweise, denkt das Thema stark vom potenziellen Nutzer her. Und der potenzielle Nutzer besitzt ein Smartphone und keinen Highend-PC.

Ein Grund für diese zurückhaltendere Positionierung könnte auch das Ergebnis der frühen Vorstöße in Sachen Augmented Reality sein: Auch wenn Google Glass kein echtes Augmented Reality ist, weil dem Träger nur Zusatzinformationen angezeigt werden und keine kontextsensitiven digitalen Objekte im Raum, war das Unternehmen aus Mountain View extrem früh mit Produktentwicklungen im Bereich Datenbrillen. Interessant in diesem Zusammenhang: Google Glass wird weiterhin entwickelt, soll aber insbesondere im industriellen Bereich zum Einsatz kommen.

Und Augmented Reality abseits von Google Glass? Erst kürzlich hat Google ARCore für Android-Smartphones vorgestellt – eine direkte Konkurrenz-Plattform zu ARKit von Apple. Bleibt die Frage, ob Google Tango, die ursprünglich angedachte AR-Plattform für Mobilgeräte, eine Zukunft hat. Tango-kompatible Geräte sind mit zusätzlicher Kamera-Hardware ausgestattet, um den Raum und die für AR nötige Abstandsberechnung und Objekterkennung genauer vornehmen zu können als mit der „einfachen“ Smartphone-Kamera. Der große Nachteil: Smartphone-Hersteller müssen zusätzliche Hardware verbauen, was die Produktionskosten verteuert. ARCore geht jetzt den „leichteren“ Weg, den auch Apple für Smartphone-AR gewählt hat: Auf Basis der bereits in vielen Millionen Smartphones verbauten Technologie wie der Smartphone-Kamera und den Bewegungssensoren Entwicklern ein SDK zur Verfügung zu stellen, um AR-Apps zu bauen.

Auf der Hightech-Seite fällt Google im Bereich AR vor allem durch große Investments auf – allen voran in das meist gehypteste Startup des gesamten VR/AR-Bereichs: „Magic Leap“. Die laut vielen Branchenkennern und Experten wegweisende Technologie soll eine völlig neue AR-Qualität erreichen. Das große Problem: Noch immer befindet sich Magic Leap im Stealth-Modus, bisher hat es keine öffentliche Vorführung für Journalisten gegeben. Dennoch: Auch Google glaubt an die Zukunft des Startups und hat mittlerweile neben Alibaba oder Qualcomm Ventures etliche Millionen US-Dollar investiert.

Apple: AR und nur AR

Wenn Apple eine Sau durchs Dorf treibt, dann ist es Augmented Reality. Firmenchef Tim Cook hat mehrfach wiederholt, dass er Augmented Reality sehr spannend findet und interessanter und zukunftsträchtiger als VR. Der iPhone-Konzern hat 2015 das Münchner AR-Unternehmen Mataio gekauft, in diesem Jahr zusätzlich SMI – ein deutsches Unternehmen, das im Bereich Eye-Tracking weltweit führend ist.

Wie Facebook und Google geht auch Apple bei AR den Weg über das Smartphone: Mit ARKit hat der Konzern auf der diesjährigen WWDC eine AR-Schnittstelle für iOS-Geräte präsentiert, mit der Entwickler AR-Apps bauen können. Seit dem Sommer geistern etliche Protoypen-Apps durchs Netz, die die Möglichkeiten der Plattform zeigen. Wie gut sie im Alltag funktionieren, wird man vermutlich erst bewerten können, wenn die ersten AR-Apps auf Basis der neuen iOS-Version für alle Nutzer verfügbar sind.

Mit dem iPhone X, das kürzlich vorgestellt wurde, legt der Konzern zudem auch die Weichen für technisch ausgereiftere AR-Apps – zumindest in der Theorie. Denn auf der Apple-Keynote sind eher Spielereien gezeigt worden, die genauen technischen Spezifikationen des verbauten Tiefenkamerasystems liegen noch nicht vor. Für Smartphone-AR eher ungewöhnlich: Das Tiefenkamerasystem ist auf der Vorderseite des iPhone X verbaut, was für Gesichtserkennung mit FaceID Sinn ergibt – für AR-Apps eher weniger. Und auch wenn ARKit mit der Smartphone-Kamera runter bis zum iPhone 6S funktioniert und die Schnittstelle für Smartphone-AR werden soll  – das iPhone X könnte das erste Smartphone der Welt sein, dass innerhalb kurzer Zeit millionenfach verkauft wird und fortschrittlichere Smartphone-AR-Technologie an Bord hat. Das, was Google mit Tango in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat.

Wenn es nach Apple geht, ist das Smartphone nur der erste Schritt für Augmented Reality – dass eines Tages die AR-Brille womöglich das Smartphone ersetzen könnte, hat sich nicht nur bei der Konkurrenz herumgesprochen. Aber Apple kann diese Entwicklung ähnlich wie Google aus einer relativ komfortablen Position vorantreiben. Auf die aktuelle Computing-Plattform Nummer eins – das Smartphone – die Infrastruktur schaffen, um die Möglichkeiten und die Rezeption in Sachen Augmented Reality auszutesten: Eine Strategie, die relativ wenige Risiken mit sich bringt.

Im Bereich Virtual Reality hält Apple die Füße still. Immerhin: Die neuen iMacs sind jetzt von der Hardware her leistungsfähig genug, um Virtual-Reality-Experiences abzuspielen. Zudem hat Apple mit HTC eine Partnerschaft verkündet und auf der WWDC erste VR-Experiences gezeigt, die auf Macs laufen. Das Apple mehr als dies in Zukunft im VR-Bereich tun wird, ist nicht zu erwarten – zu ungewiss ist noch die Zukunft von VR, aktuell zu eingeschränkt die potenzielle Käuferschaft und noch zu sehr im Bereich Games verwurzelt. Letzteres ist ein Thema, um das Apple seit jeher eher einen Bogen macht und das es bisher nie direkt adressiert hat.

Sony: Alles auf eine Karte

Von allen beteiligten Akteuren in der VR- und AR-Industrie ist Sony als dedizierte Gaming-Company vor allem an Virtual Reality aus Entertainment-Perspektive interessiert. Vielleicht ist Sony deshalb auch am erfolgreichsten: Mit über einer Million verkaufter Exemplare der Playstation VR hat der japanische Konzern vermutlich so viele VR-Headsets wie Facebook und HTC zusammen verkauft. Die Ausrichtung ist klar: Es geht um Games und nur um Games. Während bei Facebook immer auch die große Vision einer sozialen VR-Superwelt mitschwingt, bei HTC neben Gaming auch immer Business-Cases eine Rolle spielen, hat Sony durch die Zuspitzung auf Games eine vergleichsweise einfache Ansprache an die potenzielle Käuferschaft.

Vielleicht verfolgt Sony damit die klarste VR-Strategie von allen größeren Akteuren – damit aber auch die krisenanfälligste. Wenn die Gaming-Karte nicht abhebt, sind Sonys Investitionen im VR-Bereich dahin – es gibt keinen Plan B bei dem Playstation-Konzern. Ein Erfolg von Playstation VR hätte in jedem Fall einen generellen Einfluss auf die ganze Branche, denn in solch einem Frühstadium kann es für alle Akteure nur hilfreich sein, wenn die Technologie Einzug in die Wohnzimmer hält. Was Augmented Reality angeht, ist keine strategische Entwicklung bekannt. Sony setzt – bisher zumindest – alles auf die virtuelle Realität.

Von Samsung bis Snap

Von Cardboard und Smartphone-AR bis High-End-VR: Fast jeder große Tech-Konzern bereitet sich auf eine mögliche Spatial-Computing-Zukunft vor. Die unterschiedlichen Herangehensweisen spiegeln die jeweiligen Visionen wider. Facebook sieht VR als nächste große digitale Social-Plattform, weshalb Zuckerberg Milliarden in den Ausbau des eigenen Ökosystems steckt – sowohl was die Software angeht, als auch in Sachen Hardware. Zuckerberg verfolgt eine Zehn-Jahres-Vision, in der es eines Tages möglich sein wird, mit anderen Menschen im virtuellen Raum so interagieren zu können, als wenn diese sich im gleichen Raum befänden. Es ist die vielleicht visionärste Positionierung, und deshalb auch die riskanteste: Niemand kann sagen, ob diese Zukunft tatsächlich in der von Zuckerberg intendierten Weise eintreten wird. Was, wenn der Großteil der Menschen einfach kein Interesse an einer solchen virtuellen Interaktion hat?

Apple und Google gehen ihre Strategien stark über ihre jeweiligen mobilen Ökosysteme an. Während Apple stark auf AR setzt, intern vermutlich bereits mit AR-Brillen experimentiert und bisher keinerlei Ambitionen in Richtung VR zeigt, stellt sich Google insgesamt breiter auf: Die hauseigene VR-Plattform Daydream soll um autarke VR-Brillen erweitert werden, zudem investiert der Konzern in Highend-AR, allen voran in Magic Leap. Der kleinste gemeinsame Nenner ist bei beiden aber das Smartphone – als Gerät, dass fast jeder immer dabei hat, ist es die optimale Voraussetzung, um Spatial-Computing-Technologien anzudocken. Dass sie dann aufgrund der technischen Limitierung ihr echtes Potenzial nicht entfalten können, ist für Apple und Google erstmal zweitrangig, wichtiger ist ihnen eine Heranführung auf gelebte Alltagsszenarien – und die beginnen eben beim Smartphone.

Darüber hinaus versuchen sich etliche andere Player ein Stück des Kuchens dieser Computing-Zukunft zu reservieren. Samsung, das früh mit Oculus die Mobile-VR-Lösung Gear VR entwickelt hat, dessen S8 mittlerweile aber auch Daydream-kompatibel ist. Die Koreaner entwickeln aber offenbar auch eine Highend-VR-Brille, die dann mit SteamVR funktionieren könnte – eine offizielle Ankündigung steht aber noch aus. Oder Snap, das vor den meisten anderen mit AR in einer millionenweit verbreiteten App experimentiert und mit den Spetacles zwar noch keine AR-Brille auf den Markt gebracht hat, aber für das eine entsprechende Weiterentwicklung nur logisch wäre. Überhaupt ist Snapchat als Hardware-Company ein durchaus möglicher Weg für das Unternehmen von Evan Spiegel. Und nicht zuletzt Magic Leap, der Liebling der Investoren im Silicon Valley, das über kurz oder lang beweisen muss, ob die „revolutionäre“ Technologie wirklich so wegweisend ist und sich auf eine tragbare Größe miniaturisieren lässt.

Facebook und Apple vorne

Aber wer wird das Rennen machen? Ich sehe ganz klar Apple und Facebook vorne – in einer idealen Welt fusionieren Zuckerberg und Cook zur idealen Spatial-Computing-Company. Warum? Kein anderes Unternehmen der Welt verfügt über die Expertise von Apple, wenn es um Hardware-Design geht – sowohl in einer technischen als auch in einer dedizierten Design-Perspektive. Bei einer Brille, die die Nutzer möglicherweise jeden Tag tragen, ist sowohl die perfekte technische Implementierung als auch und vor allem die Stilfrage entscheidend. Eine im Alltag getragene AR-Brille muss gut aussehen und Stil haben. Bescheuertes Aussehen ist der vielleicht meist unterschätzteste Faktor, was die Verbreitung von VR und AR angeht.

Facebook hingegen verfügt über den Social-Layer dieser Spatial-Computing-Welt, denn: Multi-User-Experiences, also soziale Interaktionen im digitalen Raum fernab von 2D-Communities auf Bildschirmen, sind das Killer-Feature dieser neuen Computing-Welt. Mit Mitmenschen im digitalen Raum kommunizieren, kooperieren und interagieren – und zwar in einer völlig neuen, unmittelbaren Art und Weise, ohne Barrieren und Abstraktionen eines User-Interfaces, könnte grundlegend verändern, was digitale Räume sind, beziehungsweise sie völlig neu erfinden.

In dieser idealen Welt gibt es aber einen Haken – eine für Spatial-Computing sehr wichtige Technologien ist künstliche Intelligenz. Maschinen müssen die ihnen umgebende Welt in einer Art und Weise verstehen lernen, wie sie es bisher noch bei weitem nicht können. Maschinen müssen genau wissen, was sie sehen – und zwar nicht nur in Form von Abständen und abstrakten Objekten. Etwa: Das ist ein Tisch und auf diesem Tisch steht eine Tasse und ein Buch und der Tisch wird beleuchtet von einer kleinen Stehlampe. Bild- und Objekterkennung ist fundamental entscheidend, um digitale Objekte persistent und logisch in der Welt einzublenden.

Zwar investieren Facebook und Apple massiv in KI – Google allerdings ist beiden noch deutlich voraus. Die DNA des Konzerns ist Datenanalyse, kein anderes Unternehmen ist in Sachen KI-Entwicklung so weit wie das Unternehmen von Larry Page und Sergey Brin. Wenn Google diesen Vorsprung geschickt nutzt, könnte es Software-seitig massiv in den Markt drängen und sich möglicherweise entscheidende Vorteile in der Funktionsweise von Spatial-Computing-Anwendungen erspielen.

Bis es aber soweit ist, werden noch Jahre vergehen, und Facebook könnte sich mit den enormen Datenmengen, die Nutzer täglich auf den Plattformen posten, und einer stringenten Weiterentwicklung der KI stärker positionieren. Für die schönste Brille und die Miniaturisierung der Hardware braucht Zuckerberg dann aber immer noch Apple.

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