14 Fragen, die du dir vor dem Redesign einer Seite stellen solltest
Wenn ein Redesign ansteht, will man als Designer oft gerne von vorne anfangen und nicht selten praktisch gar nichts von den ursprünglichen Seite übernehmen. Aber wozu das Rad neu erfinden? Oft kann diese Art des Aktionismus zu eher negativen als positiven Ergebnissen führen, da nützliche Elemente der ursprünglichen Seite im Zuge des Redesigns verworfen und Benutzer vor eine komplett neue Erfahrung gestellt werden.
Der beste Weg ein Redesign anzugehen, ist in meinen Augen, das bestehende Projekt zu analysieren, gute Ansätze beizubehalten und schlechte durch neue zu ersetzen. Ohne eine fundierte Analyse, riskierst du wichtige Faktoren zu übersehen und so mit deinem Redesign mehr Schaden als Nutzen zu stiften. Aus diesem Grund stellen wir uns in unserer Agentur diese 14 Fragen, bevor wir beginnen, ein Redesign für ein bestehendes Projekt zu entwerfen.
Brauchen wir tatsächlich ein Redesign?
Die Frage klingt in diesem Zusammenhang komisch, ist aber durchaus berechtigt. Je länger man sich mit einem Projekt beschäftigt – egal ob auf Kunden oder Agenturseite – irgendwann tritt unwiederruflich ein gewisser Wear-Out-Effekt ein. Das, was am Anfang noch spannend und neu war, wird zum alltäglichen Standard und erzeugt immer stärker werdende Zweifel. Man kann sich nicht vor diesem Phänomen schützen. Höchstens der Versuch einer Distanzierung kann hier bei der objektiven Entscheidungsfindung helfen.
Sind die Design-Entscheidungen aus heutiger Sicht immer noch nachvollziehbar? Wie sehen es die Benutzer? Was ist der (tatsächliche) Grund für den Wunsch nach einem Redesign? Brauchen wir ein Redesign des kompletten Projektes, oder sind Detailverbesserungen in den einzelnen Komponenten vielleicht eine bessere Lösung?
Gibt es Markenrichtlinien und Vorgaben?
Steht die grundsätzliche Notwendigkeit des Redesigns fest, kann es ans Eingemachte gehen. Egal ob global Player oder lokaler Kleinunternehmer: Irgendwelche Vorgaben gibt es immer. Selbst wen es dem Kunden nicht bewusst sein sollte und man euch „freie Hand“ gibt – was erstaunlicherweise bei vielen großen Unternehmen immer noch der Fall ist – gibt es immer einen Satz an Erwartungen, die es vor dem Redesign zu herauszufinden und zu beachten gilt.
Welchen Input erhalte ich vom Kunden?
Oft können deine Kunden dir einen perfekten Insight in die Erwartungen an das Redesign geben und erledigen sehr viel Vorarbeit, bevor sie den Hörer in die Hand nehmen und dich um deine Hilfe bitten. Dennoch solltest du den Input des Kunden grundsätzlich in Frage stellen und das Wissen aus deinen Erfahrungen unter den Tisch fallen zu lassen.
Nicht immer sind die Insights, die du von deinem Kunden erhältst, korrekt. Es kann sein, dass du mit Millionen-Unternehmen zusammenarbeiten wirst, deren Insights auf Befragung von 10 Mitarbeitern in der Zentrale mit der Aufgabe sich in ihre Kunden hineinzuversetzen basieren. Betriebsblindheit ist ein sehr verbreitetes Phänomen, das die unternehmensinterne Sichtweise als absolute Konstante voraussetzen und Input von außen schwer machen.
Eine persönliche und kritische Auseinandersetzung mit den Projektinhalten und etwas Fingerspitzengefühl im Gespräch mit dem Kunden, kann hier viel Potential für das anstehende Redesign herauskitzeln.
Gibt es Bestandteile, die gerettet werden sollten?
Gut designte Seiten können oft trotzdem langweilig und überarbeitungsbedürftig wirken. Und doch verbergen sich oft gut etablierte und funktionierende Konzepte hinter der „langweilig“ wirkenden Fassade. Es lohnt sich immer, die Struktur einer Seite zu überprüfen um auf gute Bestandteile, die in der neuen Seite übernommen werden sollten, zu stoßen. Das Übernehmen solcher positiven Bestandteile minimiert das Risiko, etablierte Benutzer vor ein vollkommen unbekanntes Konzept zu stellen und gegebenenfalls zu vergraulen.
Kannst du mit den vorhandenen Bestandteilen arbeiten?
Während Seiten der letzten Jahre in der Regel mit zeitgemäßem Markup entwickelt werden, bringen ältere Exemplare zum Teil noch ein tabellenbasiertes Layout mit sich. Du musst dich entscheiden, ob du mit den vorhandenen Komponenten weiter arbeiten möchtest, oder eine komplett neue Struktur erarbeiten musst. Während die Entscheidung bei kleineren, veralteten Seiten schnell zugunsten eines Neuaufbaus fällt, könnte es bei großen Seiten zu einer enormen Steigerung des Aufwands führen. Hier gilt es Budget, Arbeitszeit und Nutzen in Einklang zu bringen.
Welche Änderungen am User-Interface sind erforderlich?
Best-Practices für den Aufbau einer Webseite ändern sich mit der Zeit. Dafür ist nicht zuletzt der Siegesmarsch der neuen Geräte-Klassen wie Smartphone und Tablet verantwortlich. Es ist wichtig die Technik der Benutzer der Seite mit in Betracht zu ziehen. Wird die Seite von modernen Browser naufgerufen? Wie sieht es mit mobilen Geräten aus? Könnte Responsive Web Design wichtig sein, oder ist die Kundschaft tatsächlich noch hauptsächlich mit Internet Explorer 7 unterwegs und die Seite sowieso eher als Intranet dienen soll?
Analyse-Tools helfen dir dabei Wege zu finden, die du beim Redesign gehen kannst und welche eben nicht.
Gibt der Server das her, was du brauchst?
Oft musst du dich im Zuge des Redesigns auch mit den technischen Ressour en deines Kunden auseinandersetzen. Nicht selten triffst du dabei auf Webhosting-Verträge mit tiefen Wurzeln in der Vergangenheit und unter Umständen entsprechend konfigurierten Angeboten. Aber auch bei neueren Angeboten wirst du nicht immer glücklich werden.
Wird die Skriptsprache, die du benutzen möchtest, unterstützt? Werden vielleicht wichtige Funktionen des Servers gesperrt und deine Handlungsfreiheit eingeschränkt? Es gibt tatsächlich Unternehmen, die Business-Pakete mit strengen Datenbankabfragenlimits und ohne .htaccess oder mod_rewrite anbieten.
Hier gilt es ein passendere Angebot für deine Kunden zu finden, oder dich mit den Technischen Gegebenheiten abzufinden beziehungsweise um die dir in den Weg gelegten Steine drumrum zu arbeiten.
Natürlich ist es immer einfacher auf einer bekannten Umgebung zu entwickeln. Nicht immer wird es dir aber möglich sein, die entsprechenden Ressourcen zu erhalten. Besonders wenn eine IT-Abteilung oder externe Dienstleister mit im Spiel sind, kann eine Umstellung zum Problem werden.
Hast du Zugriff auf die Quelldaten der Webseite?
Arbeitst du mit einem (gegebenenfalls aus Performance- oder Sicherheitsgründen) kompilierten System? Wenn ja, hast du Zugriff auf die unkompilierte Version oder kannst du mit der Person die den Zugang hat überhaupt noch erreichen? Auch wenn man es sich gerne wünscht: Nicht immer werden Kunden mit den benötigten Ressourcen für eine Weiterverarbeitung der Webseite bei Übergabe eines fertigen Projektes ausgestattet. Hier hilft im schlimmsten Fall nur noch ein Remake.
Will der Kunde ein CMS und wenn ja, will er sein altes behalten?
Es ist schwierig beim Kunden etablierte Lösungen durch neue zu ersetzen. Egal wie veraltet oder ineffizient die Lösungen sind. Sobald ein Unternehmen gelernt hat, wie es mit diesen Lösungen die gewünschten Ergebnisse bekommt, wird es nur sehr schwierig, neue Lösungen zu etablieren. Im schlimmsten Fall läuft die Seite auf einem selbstgemachten System, das im Grunde genommen nur ein Flickenteppich auf Workarounds und Bugfixes ist.
Wenn du deinem Kunden zeigen kannst, dass ein neues CMS nicht nur dir sondern auch ihm das Leben erleichtern würde und somit sowohl Zeit als auch Geld spart, dürfte das aber kein allzu großes Problem werden.
Lohnt sich der Einsatz neuer Technologien?
Lohnt sich der Einsatz neuer Technologien tatsächlich für das Redesign deiner Seite oder besteht das Redesign hauptsächlich aus der Umstellung auf neue Technologien? Natürlich ist es der Herzenswunsch jedes Webworkers zu zeigen, was in ihm steckt und die komplette Palette seiner technischen Fähigkeiten zu entfalten. Und doch lohnt sich das nicht immer.
Zum Einen bringt die Umstellung in der Regel immer höhere Kosten mit sich als der Einsatz vorhandener Mittel. Zum Anderen ist es auch nicht immer notwendig diese Umstellung zu vollziehen, da die aktuellen Lösungen vollkommen ausreichend sein können. Hier gilt es eine Balance zwischen Ambition und Nutzen zu finden.
Kann man die alten Daten übernehmen?
Eine Seite kann sehr viele Daten enthalten, die es zu migrieren gilt. So kommen selbst bei unscheinbaren Projekten schnell eine unüberschaubare Anzahl von Seiten zum Vorschein. Hier gilt es eine Balance zwischen neuen Strukturen und Übernahme alter Daten zu finden. Auch müssen die alten Daten irgendwie in das Informations-Konzept deines Redesigns passen.
Eine Automatische Portierung ist in vielen Fällen leider nicht möglich und auch die Bereitschaft zur Kooperation ist in diesem Fall nicht immer gegeben, sodass du entweder mit der alten Datenstruktur arbeiten oder eine adäquate und ins Budget passende Lösung für eine Datenmigration finden musst.
Könnten Änderungen negative Auswirkungen auf die Suchmaschinenplatzierung der Seite haben?
Bei der Übernahme von Daten spielt Suchmaschinenoptimierung eine wichtige Rolle. Es ist wichtig Informationen der Vorhandenen Webseite zu übernehmen um keine Verschlechterung im Ranking zu verursachen. Dieser Faktor erschwert die Entscheidung über die Übernahme von Bestandsdaten und Strukturen zusätzlich. Die Webseite kann schließlich furchtbar aussehen und zu benutzen sein und dennoch durch gute SEO-Ergebnisse glänzen.
Welche Inhalte sind tatsächlich relevant?
Oft ist es hilfreich, wenn ein Außenstehender – wie zum Beispiel die Agentur – einen Blick auf die Inhalte der Seite wirft. Unter Zuhilfenahme der Webseiten Statistiken könnten sich oft Seiten, die der Kunde für relevant hält als vollkommen uninteressant oder umgekehrt herausstellen. Das Hilft beim Aufbau einer neuen Informationsarchitektur und der Gewichtung der vorhandenen Inhalte.
Welchen Nutzen kannst du mit dem Redesign erreichen?
Wenn du einen Redesign-Auftrag auf dem Tisch liegen hast, geht es nur sekundär um die Optik des Projektes. In der Regel sitzt ihr Kaufleuten gegenüber, die von deiner Arbeit positive Auswirkungen auf Zahlen – seinen es Besucherzahlen oder Verkaufszahlen – erwarten.
Du musst nicht beziehungsweise solltest auf keinen Fall Erfolgsversprechungen für Entwicklungen machen, die du nicht absehen kannst. Dennoch solltest du dir diese Fragen stellen: Wird deine Arbeit zum Erfolg des Projektes beitragen? Welche Vorteile hat meine Lösung gegenüber der alten? Ist mein Ansatz bereit für die Zukunft – bietet er beispielsweise neben einer besseren Usability eine gewisse Zukunftssicherheit für eine Weiterentwicklung, Skalierbarkeit und Performance?
Wenn du keinen Nutzen in einer Überarbeitung siehst oder dich nicht in der Lage siehst, eine Verbesserung herbeizuführen, ist es deine Pflicht es zu sagen. Sollte der Kunde dennoch auf die Überarbeitung bestehen, hast du zumindest ein reines Gewissen.
Es gibt keine magische Formel
Wie immer gibt es keine magische Formel für jede Entscheidung und diese Checkliste ist sicherlich nicht das ultimative Regelwerk für die Herangehensweise an ein Redesign. Viel mehr solltest du in Betracht ziehen auf Basis dieser Fragen deine eigene Checkliste zu entwickeln um die für dich wichtigen Fragen in Zusammenhang mit Redesigns beantworten zu können.
Wirklich guter Artikel!
Alles aus der gelebten Praxis, ohne Marktgeschrei und Hype.
Schon die erste Frage „Brauchen wir tatsächlich ein Redesign?“ würde sich kaum jemand stellen, und dennoch: Es ist eine wichtige Frage. Natürlich bin ich nicht der Feind meines Geldes, aber: oft reicht es, ein paar kleinere kosmetische Eingriffe zu machen und schon sieht die Site frischer aus.
Ein neues CMS beim Kunden einzuführen ist wirklich nicht immer leicht. Dabei ist es wie mit allen alten Programmversionen wie Windows, Word und anderen, an die der Kunde gewöhnt ist – irgendwann kommt eine neue Version die im Betrieb benutzt werden muss. Ich biete zum neuen CMS eine Schulung und eine telefonische Hotline an, damit die Gewöhnung leichter fällt. Hat das neue CMS darüber hinaus Funktionen die die Arbeit erleichtern und ist einfach zu bedienen, so wird ein Wechsel leichter akzeptiert.
Ein sehr guter Artikel. Danke!
Wichtig ist vor allem auch, dass eindeutig und unmissverständlich vor der Entscheidung die Ziele formuliert worden sind, die man mit dem Design erreichen will.
Jedes Design sollte sich letztlich daran messen lassen, ob die Ziele, die man sich mit dem Design gesetzt hat, erreicht worden sind oder nicht.
Hier hat der Auftraggeber eine Menge zu verlieren, aber auch der Designer, denn der lebt schließlich von seinem guten Ruf…