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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will das Bündnis 90/Die Grünen?

„Zukunft wird aus Mut gemacht“, titeln die Grünen ihr Wahlprogramm – doch was bedeutet das für die Digitalpolitik? Die Öko-Partei im t3n.de-Digitalcheck zur Bundestagswahl 2017.

Von Stephan Dörner
5 Min. Lesezeit
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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will das Bündnis 90/Die Grünen?

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Digitalisierung scheint bei den Grünen eher ein Randthema zu sein: Als Punkt 24 von 24 taucht es im Bundestagswahlprogramm „Zukunft wird aus Mut gemacht“ unter der Überschrift „Gerechtigkeit im Sinn“ auf. Der Teil, der sich explizit mit der Digitalisierung beschäftigt, ist mit „Wir gestalten die Digitalisierung“ überschrieben. Die Grünen wünschen sich in der Digitalisierung einen aktiven Staat, der die Digitalisierung gestaltet – und zwar durch Investitionen und Regulation. Denn, so zumindest der Befund der Grünen: „Die Digitalisierung trifft auf eine Wirtschaft, in der mit ökologischen Langzeitschäden, Investitions- und Nachfrageschwäche, zu starker Konzentration von Vermögen und zu großem Ressourcenhunger einiges im Argen liegt.“

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Die Grünen fordern daher, „die Digitalisierung mit klaren Regeln so zu gestalten“, dass Risiken „beim Datenschutz oder bei der Machtkonzentration einiger weniger Internetkonzerne“ begrenzt werden. Als Ziel wird formuliert, die Digitalisierung in das grüne Schlagwort von der „ökologischen und sozialen Marktwirtschaft“ einzubinden.

In Zeiten der Niedrigzinsen plädieren die Grünen für die Aufnahme von Krediten, um sie in Bildung zu investieren. Unternehmen und Staat würden zu wenig investieren – der „schwarzen Null“ von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird der Kampf angesagt.

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Auch die Grünen fordern ein „schnelles und flächendeckendes Internet“ – und zwar explizit auf Basis der Glasfaser-Technik. Tatsächlich machen die Grünen hier auch einen sehr konkreten Vorschlag zur Finanzierung: Sie wollen den Staatsbesitz an Telekom-Aktien im Wert von rund zehn Milliarden Euro verkaufen und in den Breitbandausbau investieren. Wie die CDU fordern auch die Grünen eine eigenständige Vertretung des Themas Digitalisierung im Kabinett.

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Weiterhin findet sich ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität im Grünen-Programm. Wie alle etablierten Parteien bringen die Grünen auch ein schärferes Kartellrecht ins Spiel, um der Machtkonzentration von Google, Facebook und Amazon entgegenzuwirken. „Netzmonopole“ sollen „in extremen Fällen entflochten werden.“ Fraglich ist, wie eine deutsche Bundesregierung dies bei US-Konzernen durchsetzen sollte.

Der schleppenden Digitalisierung des deutschen Mittelstands wollen die Grünen mit einem dezentralen „IT-Beratungsnetzwerk für den digitalen Wandel“ auf die Sprünge helfen, das anbieterunabhängig zu Themen wie IT-Sicherheit und digitalen Wandel berät. Offen bleibt hier die Frage der Größe dieses Teams und der Finanzierung. Angesichts der Größe des deutschen Mittelstands müssten schon ganze Heerscharen gut ausgebildeter ITler in staatlichem Auftrag durch die Lande ziehen. Wo sollen diese herkommen angesichts des Fachkräftemangels, wie sollen sie bezahlt werden? Auf solche Details geht das grüne Wahlprogramm nicht ein – die Idee klingt unausgegoren.

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Grüne zum Datenschutz: Ja, aber …

Zum Thema Datenschutz positionieren die Grünen sich nicht eindeutig: Einerseits wird eingeräumt, dass der Besitz von Daten einen Wettbewerbsvorteil bietet und die Grünen deutsche Unternehmen dabei unterstützen wollen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits wollen sie aber auch „sicherstellen, dass der Schutz unserer Daten dabei immer gewährleistet wird.“ Wie ein reformiertes Datenschutzrecht aussehen kann, das beiden Aspekte gerecht wird, bleibt an dieser Stelle offen.

Beim Thema Arbeit fordern die Grünen angesichts der Digitalisierung ein Recht auf Homeoffice, um Arbeit „humaner, familienfreundlicher und ökologischer“ zu machen. Gleichzeitig wollen die Grünen Arbeitnehmer und Selbstständige vor aus ihrer Sicht negativen Folgen der Digitalisierung wie einer umfassenden Leistungskontrolle schützen. Für Freiberufler fordern die Grünen ein allgemeines Mindesthonorar als absolute Untergrenze für zeitbasierte Dienstleistungen – ähnlich zum Mindestlohn bei Arbeitnehmern.

Startups wollen die Grünen fördern, indem sie „Selbständigen den Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen verbessern, neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding stärken und diese mit Förderbanken vernetzen sowie Co-Working- und Gewerberäume für Gründer*innen fördern.“ Kleinere und mittlere Unternehmen sollen außerdem steuerlich begünstigt werden. Ausgaben in Forschung und Entwicklung sollen mit einer Steuergutschrift von 15 Prozent gefördert werden.

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Startup-Förderung: Grüne fordern 25.000 Euro als zinsfreies Gründungsdarlehen

Ein Gründungskapital von 25.000 Euro als zinsfreies Darlehen soll jeder Gründer erhalten, der „ein überzeugendes Konzept vorlegt.“ Rückgezahlt werden soll das Darlehen erst, wenn das Startup Fuß gefasst hat. Dafür und für weitere Fragen, die Startups betreffen, soll ein bundesweiter One-Stop-Shop für Gründer entstehen. Zudem wollen die Grünen – eher unkonkret – die politischen Rahmenbedingungen so formulieren, dass „kleine oder junge Unternehmen, Kultur schaffende und Kreative sie ebenfalls meistern können – und große Unternehmen sie mit ihren teuren Anwält*innen nicht mehr einfach aushebeln können.“

Innovative Ansätze tauchen teilweise in anderen Programmteilen auf, die nicht mit dem Digitalisierungs-Begriff überschrieben sind. So fordern die Grünen beispielsweise einen Mobilpass, mit dem sämtliche Angebote des öffentlichen Verkehrs sowie Car- und Bikesharing aus einer Hand gebucht und bezahlt werden können. Eine Bundesregierung mit grüner Beteiligung könnte hierzu allerdings höchstens den Anstoß geben – die Kommunen und Anbieter von Car- und Bikesharing-Diensten müssten sich für einen Mobilpass vor allem untereinander einig werden.

Fazit

Im Vergleich zum Wahlprogramm insbesondere der CDU oder der Linken sind die Vorschläge der Grünen im Bereich Digitalisierung insgesamt erfreulich konkret. Klar, Breitbandausbau wollen alle – aber die Grünen sagen auch gleich, dass sie den durch den Verkauf von Telekom-Aktien finanzieren wollen.

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Ansonsten geben sich die Grünen insbesondere Startup- und mittelstandsfreundlich und wollen – auch da sind sie unter den deutschen Parteien keine Ausnahme – den US-Tech-Konzernen stärker auf die Finger schauen. Neben den Chancen der Digitalisierung wird deutlich, dass die Grünen auch Gefahren sehen – unter anderem befürchten sie Mitarbeiterüberwachung. Bei einigen Überlegungen zur Digitalisierungs-Förderung wie das „IT-Beratungsnetzwerk für den digitalen Wandel“ ist unklar, wie sie umgesetzt werden sollen.

So gut wie nicht thematisiert werden die zu erwartenden Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt durch Technologien wie autonomes Fahren und künstliche Intelligenz. Eine klare Absage erteilen die Grünen staatlichen Akteuren wie Geheimdiensten, die IT-Sicherheitslücken aufkaufen, um diese ausnutzen. Aus unserer Sicht eine sinnvolle Maßnahme, um den Markt nicht weiter anzuheizen. Eine Massenüberwachung des Internets lehnen sie klar ab.

Weniger  deutlich positionieren sie sich beim Thema Hatespeech im Netz: Beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Justizminister Heiko Maas (SPD) enthielten sie sich. Insgesamt spielt das Thema Digitalisierung bei den Grünen keine Hauptrolle. Auch zu einer längst überfälligen Überarbeitung des Urheberrechts, das Regeln wie das aus den USA bekannte Fair Use auch in Deutschland erlaubt, um die im Internet übliche Remix-Kultur zu legalisieren, findet sich nichts im Programm. Stattdessen wird nur allgemein davon gesprochen, dass sie die Interessen zwischen Urhebern und Verbrauchern „bürgerrechtskonform … fair ausgleichen“ wollen. Open Access wird unterstützt.

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Im Zentrum des grünen Wahlprogramms stehen in Bezug auf die Digitalisierung drei Themen: Ausbau der Infrastruktur, steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen und eine stärkere Regulierung zum Schutz von Arbeitnehmern und Selbstständigen wie Mindesthonorare. Klar wird dabei, dass die Zeiten der „Öko-FDP“ unter ehemaligen Grünen wie Oswald Metzger vorbei sind: Auch bei der Digitalisierung wünschen sich die Grünen einen aktiven Staat, der vor allem investiert. Dazu nehmen die Grünen auch die Aufnahme neuer Schulden in Kauf.

Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick:

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was wollen CDU/CSU?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die SPD?

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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will DIE LINKE?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will das Bündnis 90/Die Grünen?

Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die FDP?

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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die AfD?

Hinweis: Der Artikel wurde nach einer E-Mail an einigen Stellen leicht überarbeitet.

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Dein t3n-Team

Maximilian Ruta

Bzgl. der Punkts „Auch zu netzpolitisch heiß diskutierten Themen wie Überwachung durch Staatstrojaner oder Gesetzen gegen Hatespeech findet sich nichts im Programm.“ möchte ich an dieser Stelle nochmal auf die Zusammenfassung des Themas auf der Webseite der GRÜNEN verweisen:

https://www.gruene.de/programm-2017/a-bis-z/wir-gestalten-die-digitalisierung.html

Dort heißt es: „Mit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Onlinedurchsuchung (Staatstrojaner) greift die Bundesregierung weiter unverhältnismäßig tief in die digitalen Bürgerrechte ein.“

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Stephan Dörner

Danke für den Hinweis!

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