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Interview
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„Keine Partei kann es sich leisten, Digitalisierung nicht zu thematisieren“

Digitalisierung ist das Kernthema des Digital Festivals in Zürich. Wir sprachen mit Organisator Jonathan Isenring über Innovation sowie politische Unterschiede zwischen Schweiz und Deutschland.

Von Sébastien Bonset
6 Min. Lesezeit
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Bild: Hack Zurich

Jonathan Isenring ist Organisator des Digital Festivals in Zürich, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet. In der Veranstaltung ist auch der Hackzurich aufgegangen und das Event hat sich schon jetzt in die Mitte der Innovationsökonomie der Schweiz gespielt. Der Schweizer sprach mit t3n über die Startup-Landschaft, die besondere Stärke der Eidgenossen im Fintech-Bereich, Unterschiede zwischen der Digitalpolitik der Schweiz und Deutschlands sowie natürlich über das Digital Festival selbst.

Das Digital Festival Zürich versteht sich als Anker im Schweizer Digital-, Technologie- und Innovationsökosystem. (Bild: Digital Festival)

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t3n.de: Jonathan, als Organisator des Digital Festivals in Zürich setzt du dich mit dem Thema Digitalisierung auseinander. Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2017 widmen sich diesem Bereich mal mehr mal weniger. Wie geht die Politik in der Schweiz mit der Digitalisierung um? Was macht ihr anders als die Deutschen und wo siehst du Gemeinsamkeiten – positiv wie negativ?

Jonathan Isenring: Wie viele Länder versucht auch die Schweiz, die digitale Wirtschaft aktiv zu fördern. Es werden Berichte verabschiedet, Arbeitsgruppen gebildet, Themenfelder definiert und so weiter. Ich denke nicht, dass es in dieser Hinsicht große Unterschiede zwischen der Deutschen und Schweizer Politik gibt. Keine Partei und kein Politiker kann es sich heute leisten, Digitalisierung nicht zu thematisieren. Das kann durchaus zu einem besseren Verständnis und höherer technologischer Durchdringung in der Bevölkerung führen. Doch erscheinen viele der heutigen politischen Bemühungen bestenfalls hölzern, unbeholfen und altbacken oder einfach als beliebtes Positionierungsinstrument. Die Politik und ihre sowohl fördernden als auch regulierenden Anstrengungen hinken der Technologie immer hinterher. Oftmals ist ein Unverständnis, eine Unbeholfenheit und eine Angst und die damit einhergehende Wahrung des Status Quo durch die Politik zu beobachten. In der Schweiz und in Deutschland.

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Was aber feststeht, unabhängig von politischer Träumerei, ist, dass Digitalisierung einen wesentlichen Einfluss auf den Strukturwandel, die Gesellschaft und auch das Wirtschaftswachstum eines Landes hat. Und hier ist wohl auch einer der wesentlichen Unterschiede zu finden: Für ein ressourcenarmes Land wie die Schweiz ist es zentral, die Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, bestmöglich zu nutzen. Ich denke, viele Schweizer Unternehmen haben dies erkannt und sind dabei, sich für kommende Herausforderungen zu positionieren. Dabei ist es natürlich äußerst hilfreich, dass die Schweiz das Zuhause von einigen global führenden technischen Universitäten ist. Um diese Prozesse zu fördern, kann die Politik die unternehmerischen Rahmenbedingungen optimieren und versuchen, ausgewählte Unternehmen im eigenen Land anzusiedeln. In Zürich scheint dieses komplexe Zusammenspiel gut zu funktionieren. So hat zum Beispiel Google seinen größten Forschungsstandort ausserhalb der USA in Zürich und neue, höchst innovative Startups wie Magic Leap gesellen sich dazu.

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t3n.de: Besonders im Bereich der Blockchain hat sich die Schweiz im europäischen Vergleich als bevorzugter Standort für Startups etabliert. Auch im Fintech-Sektor seid ihr sehr gut aufgestellt. Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür und haben andere Länder die Entwicklung verschlafen?

Jonathan Isenring: In der Schweiz hat sich vor allem Zug und Umgebung, auch bekannt als Crypto Valley, seit einiger Zeit als ein beliebtes Ziel für Blockchain- und Crypto-Unternehmen etabliert. Einige der wichtigsten Firmen und Projekte aus der ganzen Welt inklusive Ethereum und Tezos sind hier zuhause. Sie entscheiden sich bewusst für Zug, dies aufgrund des einzigartigen Ökosystems bestehend aus spezialisierten Juristen, Investoren und Logistikdienstleistern sowie einem stabilen Rechtssystem, attraktiven Steuerbedingungen und vereinfachten Behördengängen. Es ist aber auch festzuhalten, dass die Beziehung dieser Firmen mit der Schweiz bis anhin größtenteils virtuell war, da es in der Schweiz an Infrastruktur wie beispielsweise einem spezialisierten Coworking-Space fehlte. Und hier kommt wieder die Politik ins Spiel: Diese kann, wie kürzlich im Crypto Valley geschehen, entscheidende Inputs geben und Unterstützung bieten, wenn es darum geht, entsprechende Infrastruktur zu entwickeln und auszubauen. So entstehen aktuell in Zug die Crypto-Valley-Labs, ein hochspezialisierter Blockchain-Inkubator, als direkte Folge zu einer Diskussion von führenden Crypto-Firmen mit dem Schweizer Bundesrat Schneider-Ammann.

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t3n.de: Aktuell findet das Digital Festival in Zürich statt. Was bietet eure Veranstaltung?
Jonathan Isenring: Das Digital Festival ist der Anker im Schweizer Digital-, Technologie- und Innovationsökosystem und findet jeweils während fünf Tagen, in diesem Jahr vom 13. bis 17. September, in Zürich statt. Bestandteil des Digital Festivals sind mehr als zwölf Keynotes, 15 verschiedene Sessions und über 65 Labs und natürlich auch der Hackzurich, Europas größter Hackathon. Nach dem eher passiveren Teil der Keynotes an den Morgen geht es an den Nachmittagen in die Labs, bei welchen zu mehr als 25 verschiedenen Themen Technologien erlebbar gemacht werden und man sich interaktiv in kleineren Gruppen mit Themen auseinandersetzt und diese erarbeitet. Die Sessions als viertes Element dienen dazu, sich mit anderen Teilnehmenden auszutauschen, sich in lockerer Atmosphäre auf neue Themen und Experimente einzulassen und den Kopf wieder frei zu kriegen; ganz nach dem Motto, dass man auch beim Austausch zu hochrelevanten und ernsten Themen Spaß haben kann. Wichtig sind auch die kleinen Elemente wie zum Beispiel gratis Kinderbetreuung für die Digital Natives unserer Teilnehmenden, Meet & Greets mit unseren Speakern oder die Abendveranstaltungen/Konzerte/Parties, die dem Digital Festival das gewisse Etwas verleihen.

t3n.de: Fokussiert ihr euch auf die Digitalwirtschaft der Schweiz, oder richtet sich das Festival auch an Startups und Teilnehmer aus anderen Ländern?

Jonathan Isenring: Gerade bei Themen wie Digitalisierung, Innovation und Technologie ist es unumgänglich, dass man diese global betrachtet. Das Digital Festival zeichnet sich somit dadurch aus, als dass es internationale Themen in einen lokalen Kontext stellt. Das heißt aber nicht, dass das Digital Festival nur für Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz geschaffen ist, sondern es soll langfristig auch eine internationale Ausstrahlung geschaffen werden. Eben genau diese internationale Ausstrahlung hat bereits der Hackzurich, ein wichtiger Bestandteil des Digital Festivals, bei welchem wir über 5.000 Bewerbungen aus 65 Ländern erhalten. Von diesen Bewerbungen werden 550 Teilnehmende selektiert, welche dann innerhalb von 40 Stunden einen innovativen Prototyp entwickeln.

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t3n.de: Das Digital Festival findet zum zweiten Mal statt und ist damit ein noch junges Event. Was habt ihr im Vergleich zur Erstausgabe verändert?

Jonathan Isenring: Das ist richtig, das Digital Festival findet zum zweiten Mal statt. Der Hackzurich allerdings findet bereits zum vierten Mal statt. Im Vergleich zum letzten Jahr ist das Programm breiter und reichhaltiger. Des Weiteren gibt es viele kleine Verbesserungen, die in der Summe den Unterschied machen. Wir haben sehr viel Zeit in die Gesamtinszenierung investiert, bieten einen Livestream an oder schaffen mit einer neuartigen App eine bessere Information und Vernetzung unserer Teilnehmenden. Eine sehr wichtige Erweiterung in diesem Jahr ist der Miteinbezug der Kreativwirtschaft. Oftmals ist die Kreativwirtschaft Pionierin und Vorbotin von technologischen Trends und es hilft auch, über den Tellerrand zu schauen. Aus diesem Grund bieten wir in diesem Jahr auch Programmbestandteile zu den Themen Digital und Kunst, Musik, Film und dem kreativen Schaffungsprozess. Ein besonderes Highlight ist die Digitalsymphony, ein Pionierprojekt und Loungekonzert, welches wir mit dem Zürcher Kammerorchester, dem Deutschen Pianisten Sebastian Knauer und Produzenten Pantha du Prince realisieren. Ein Experiment sondergleichen, verschiedene Mindsets und Kulturen zusammenzubringen und klassische Musik mit digitalen Elementen verschmelzen zu lassen.

t3n.de: Wie positioniert ihr euch gegen die überwältigende Konkurrenz ähnlich gearteter Veranstaltungen?

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Jonathan Isenring: Unser wichtigster Grundsatz ist, dass man zusammen mehr erreichen kann als alleine; das hatte meiner Meinung nach schon immer Gültigkeit, ist aber in Zeiten neuer Technologien und der Digitalisierung mehr denn je gefragt. So involvieren wir unsere Teilnehmenden aktiv: sei das bei der Programmgestaltung, der aktiven Mitarbeit und Auseinandersetzung der Themen.

Die Praxis- und Outputorientierung stehen bei uns im Vordergrund. Technologien werden erlebbar sein, Wissen und Erfahrungen gegenseitig geteilt. Wir sehen von einem reinen Unterhaltungsprogramm und der inflationären Nutzung von Buzzwords ab und fokussieren uns auf die Praxis, den Transfer in den Alltag und auf einen nachhaltigen Output. So locken wir unsere Teilnehmenden aus der Komfortzone und ermöglichen ihnen dafür einen größtmöglichen Mehrwert zu erzielen. Zusammenfassend geht es bei uns nicht nur um reine B2B-Themen, sondern auch um gesellschaftlich und individuell relevante, da wir am Ende alle nicht nur als Angestellte oder Firmen von neuen Technologien betroffen sind, sondern auch als Privatpersonen und Gesellschaft. So schlagen wir Brücken zwischen den verschiedenen Branchen, Themen und Personengruppen.

t3n.de: Kannst du uns schon etwas zu euren Plänen für die Zukunft erzählen?

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Jonathan Isenring: Auch eine Plattform wie das Digital Festival ist am Ende ein Produkt, welches konstant auf die Bedürfnisse unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmern angepasst werden muss. Aus diesem Grund bietet das diesjährige Feedback sicher wieder Grundlage für einige Weiterentwicklungen. Es ist sicher klar, dass wir aufgrund des großen Interesses, weiterwachsen werden, versuchen aber dennoch die Intimität zu wahren und nicht zu einer anonymen Großveranstaltung zu werden. Wir werden sicherlich Programmbestandteile in andere Teile der Schweiz bringen und planen auch mit dem Hackzurich einige Auslandsveranstaltungen, für welche wir schon von verschiedenen Seiten Anfragen erhalten haben.

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