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Interview
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Dieser Mann erklärt großartig, wie gute Krisenkommunikation funktioniert

Shitstorms gehören für Unternehmen zu den gefürchteten Internet-Phänomenen. Doch was tun, wenn die Kacke richtig am dampfen ist? Krisenmanager Marcus Ewald sagt: Auf Geheimdienst-Methoden zurückgreifen.

Von Daniel Hüfner
7 Min. Lesezeit
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(Foto: © Laurin Schmid / laurin-schmid.com)

Muss man wie Marcus Ewald deutscher Meister im Debattieren sein, um ein Unternehmen erfolgreich aus einem Shitstorm zu führen? „Nein“, sagt Ewald, „man muss nur den einen schönen Satz finden, der die Lösung bedeutet“. Okay, zugegeben: Ganz so leicht verhält es sich nicht mit erfolgreicher Krisenkommunikation, wie er uns im Interview dann auch verraten hat.

Wie erfolgreiche Krisenkommunikation funktioniert

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Ewald ist selbstständiger Krisenmanager und springt mit seiner Agentur Ewald & Rössing Unternehmen immer dann zur Seite, wenn es vor der Haustür lichterloh brennt. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Hochtief, Opel oder Jack Wolfskin. Wir haben mit ihm über gute und schlechte Krisenkommunikation gesprochen.

t3n.de: Marcus, wie zieht man sein Unternehmen am besten aus dem Dreck?

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Marcus Ewald: Wir müssen uns bewusst machen, dass der Erfolg eines Unternehmens extrem davon abhängt, was seine Stakeholder von ihm halten. Das können natürlich Kunden und Investoren sein, aber auch Politiker oder Staatsanwälte. Passiert jetzt etwas, was das Verhältnis zu diesen Menschen infrage stellt, kann man von einer Krise sprechen. Aus dem Dreck ziehen heißt dann, die Verbindungen zu den Stakeholdern durch eine geschickte Krisenkommunikation wieder zu reparieren. Manchmal ist das einfach. Manchmal aber auch schwer.

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t3n.de: Hast du ein Beispiel für richtig schlechte Krisenkommunikation?

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„Die Salami-Taktik ist in Wahrheit niemals eine Taktik.“

Ewald: Ja, der ADAC hat da eines abgeliefert. Gegenüber Journalisten wurde die Mauschelei bei den Platzierungen für den Autopreis „Gelber Engel“ anfangs immer wieder dementiert. Als die Frage später bei der Jahreshauptversammlung vor Aktionären gestellt wurde, drohte der ADAC sogar mit einer Klage. Nachdem die Journalisten die Sache publik machten, passierte das, was wir gemeinhin als Salami-Taktik kennen, die in Wahrheit aber niemals eine Taktik ist.

t3n.de: Sondern?

Ewald: Eine Ausflucht aus dem Umstand, dass man intern schlecht organisiert ist und keine Strategie für die Krisenkommunikation hat. Das hat man ja auch beim Sex-Skandal der Ergo-Versicherung gesehen. Dadurch wurde alles zu einem gigantischen Skandal aufgeblasen, weil jedes neue Detail eine Nachricht wert war.

t3n.de: Wenn man über schlechte Krisenkommunikation spricht, fällt einem aktuell ja besonders der Name Number26 ein…

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Ewald: …ja, die plötzliche Kündigungswelle von Number26 hat in den sozialen Netzwerken wirklich extrem hohe Wellen geschlagen.

t3n.de: Kritisiert wurde ja vor allem das anfängliche Kommunikationsverhalten des Unternehmens. Was hat Number26 denn aus deiner Sicht alles falsch gemacht?

Ewald: Number26 hat zwei Fehler gemacht. Zum einen haben sie vorher nicht genau durchdacht, welche Schlupflöcher ihr eigenes Produkt für möglicherweise böswillige Kunden bietet. Was also, wenn ein Kunde eine bestimmte Funktion – in diesem Fall die kostenlosen Bargeldabhebungen – überstrapaziert oder gar zu seinem Vorteil ausnutzt? Zum anderen war es natürlich ein Fehler, die betroffenen Kunden dann ohne Vorwarnung rauszuschmeißen.

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Zur Krisenkommunikation von Number26 hat Marcus Ewald eine klare Meinung: „Ein zweites Mal wird man dem Startup nicht verzeihen.“ (Foto: Number26)

Zur Krisenkommunikation von Number26 hat Marcus Ewald eine klare Meinung: „Ein zweites Mal wird man dem Startup nicht verzeihen.“ (Foto: Number26)

t3n.de: Ist das nicht das gute Recht von Number26?

Ewald: Nein, weil man so nicht nur die betroffenen Kunden verärgert. Die wissen vielleicht gar nicht mal, dass sie dem Geschäftsmodell von Number26 da erheblichen Schaden zufügen. Durch ein solches Vorgehen sendet man aber auch ein fatales Signal an alle anderen Kunden. Zu sagen, schaut her, wir haben da eine kostenlose Funktion, und wer sie nicht in unserem Ermessen nutzt, den schmeißen wir einfach raus, erzeugt nämlich eine große Angst.

t3n.de: Woraus dann auch der Shitstorm entstanden ist?

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Ewald: Ja. Aber das war auch der Tatsache geschuldet, dass die von Number26 kommunizierten Kündigungsgründe extrem nah am Produktversprechen waren.

t3n.de: Wie meinst du das?

Ewald: Lass es mich an einem Beispiel erklären. Volkswagen bewirbt ja ein zuverlässiges Auto, das bequem ist und schnell fährt. Durch den Abgasskandal ist dieses Produktversprechen aber nicht gebrochen worden. Denn es war ja kein Reifen defekt, sondern nur die Luft unsauber, die hinten raus kam. Natürlich haben die jetzt große Probleme mit der Staatsanwaltschaft, die Verkäufe sind aber nicht eingebrochen. Bei Number26 war das anders. Das gebrochene Versprechen hat zumindest kurzzeitig das ganze Geschäftsmodell torpediert.

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t3n.de: Jetzt will Number26 eine sogenannte Fair-Use-Policy gemeinsam mit den Kunden erarbeiten. Sinnvoll oder zu wenig?

Ewald: Es ist absolut notwendig, Transparenz zu schaffen und eine gemeinsame Lösungsstrategie zu entwickeln. Über solch einen kooperativen Ansatz lässt sich auch gut festhalten, was eigentlich fair ist und was nicht. Trotzdem reicht das allein nicht aus. Number26 muss jetzt auch seine AGB entsprechend ändern. Schon damit man die Kündigung von Konten in Zukunft sauber begründen kann. Hier müssen klare Regeln her. Denn eins ist klar: Kündigungen außerhalb der in den AGB vereinbarten Bedingungen wird man Number26 kein zweites Mal verzeihen.

t3n.de: Ist denn die Krisenbewältigung für Unternehmen durch Shitstorms im Netz schwieriger geworden?

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„Shitstorms werden oft missverstanden.“

Ewald: Auf jeden Fall. Vor 20 Jahren wäre so ein Fall wie Number26 vielleicht über irgendeine Zeitung gegangen. Kritiker wären dann in eine Talkshow eingeladen worden und das betroffene Unternehmen hätte drei oder vier Tage Zeit gehabt, sich eine Lösungsstrategie zurechtzulegen. Heute setzt man ein paar Kunden abrupt vor die Tür und nach ein paar Stunden hat sich eine ausgewachsene Community gegen einen gewendet. Aber Shitstorms werden auch oft missverstanden.

t3n.de: Das heißt?

Ewald: Bei Number26 hat sich der Shitstorm nicht an den Kontokündigungen entzündet, sondern daran, dass sie gegenüber den Kunden nicht richtig kommuniziert wurden. Und so ist das eigentlich bei allen Krisen in Unternehmen: Das Chaos entsteht nicht durch den gemachten Fehler, sondern durch die Art und Weise, wie nachher damit umgegangen wird.

t3n.de: Was sollten denn Startups im Falle des Auftretens einer Krise als Erstes tun beziehungsweise was auf gar keinen Fall?

Ewald: Die erste Reaktion ist meistens Panik. Ist ja auch klar. Gründer wollen ihr Baby retten, nur verfallen sie dann in einen von zwei Zuständen. Entweder werden sie apathisch, das heißt, sie igeln sich ein, versuchen das Problem zu lösen und kommunizieren erstmal gar nichts nach außen. Oder aber sie werden aktionistisch. Dann gehen sie an die Öffentlichkeit und versprechen irgendwas, was sie später womöglich zurücknehmen müssen. Das ist auch schädlich. Die Kunst besteht also darin, beides zu verbinden und sehr schnell das Richtige zu tun.

t3n.de: Aber was ist denn das Richtige?

Ewald: Dass man erstmal akzeptiert, dass die Kunden mit ihrer Beschwerde vermutlich Recht haben. Dann sollte so schnell wie möglich eine Erklärung an die Öffentlichkeit raus. Da reicht es schon völlig, zu sagen, passt auf, wir haben da ein Problem und wir untersuchen das gerade, wir machen jetzt folgende drei Schritte und melden uns in ein paar Stunden nochmal. Das nennt man Prozesskommunikation. Nicht die Ergebnisse kommunizieren, sondern den Weg, wie man da hinkommt. PR-technisch lässt sich sowas natürlich auch mit Storytelling verpacken.

t3n.de: Was kann man eigentlich tun, um Krisen zu vermeiden?

Ewald: Da empfehle ich den Aufbau eines Team Red.

t3n.de: Ein was?

„Ich empfehle den Aufbau eines Team Red.“

Ewald: Der Name ist angelehnt an das Vorgehen des amerikanischen Geheimdienstes im Kalten Krieg. In der CIA wurde damals ein eigenes Team gegründet, dessen einzige Aufgabe darin bestand, in die Rolle des russischen KGB zu schlüpfen. Dieses sogenannte Team Red hat also im Labor versucht, die CIA mit allen erdenklichen Tricks zu überlisten und an Informationen zu kommen. So konnten eigene Schwachstellen aufgedeckt werden, noch bevor der russische Geheimdienst sie überhaupt ausnutzen konnte.

t3n.de: Und diese Methode kann auch Unternehmen bei der Krisenvermeidung helfen?

Ewald: Absolut. Zumindest zeitweise sollten Gründer oder CEOs mal nicht nur den dümmsten, sondern den klügsten anzunehmenden User zu spielen. Es geht quasi um die Simulation von verschiedenen Kritikgruppen am eigenen Unternehmen. Dann guckt man sich an, wie man deren Argumente am besten entkräften kann und baut das in seine Strategie ein. Dadurch fördert man übrigens auch die Bildung einer antifragilen Organisation.

t3n.de: Du meinst, dass ein Unternehmen nach einer Krise sogar noch besser dasteht als vorher?

Ewald: Genau. Wir kennen das zum Beispiel aus der griechischen Mythologie. Wenn man der Hydra einen Kopf abschlägt, wachsen zwei nach. Eine typische antrifragile Organisation. Auch Protestbewegungen werden ja häufig stärker, wenn man mit Gewalt gegen sie vorgeht.

t3n.de: Also kann eine Krise für ein Unternehmen auch positiv sein?

Ewald: Niemand wünscht sich eine Krise und ich würde niemals sagen, man brauche eine Krise, um als Unternehmen besser zu werden. Aber wenn man schon eine ernsthafte Krise am Hals hat, sollte man sie wenigstens nutzen.

t3n.de: Gibt es jemanden, dem das besonders gut gelungen ist?

Ewald: Ja, Uli Hoeneß.

t3n.de: Das musst du erklären…

Ewald: Uli Hoeneß hat dafür gesorgt, dass er trotz eines schweren Verbrechens und einer Gefängnisstrafe wahrscheinlich wieder Präsident des FC Bayern München wird.

t3n.de: Und wie?

„Wenn man eine Krise am Hals hat, sollte man sie nutzen.“

Ewald: Er hat glaubwürdig vermittelt, ein guter Mensch zu sein. Unter anderem hat er ja erzählt, viel gespendet und eigenständig Trikots im Fanshop verkauft zu haben. Außerdem hat er die Leute erfolgreich glauben gemacht, dass es sich um Spielsucht und nicht um vorsätzlich hinterzogene Steuern gehandelt hat.

t3n.de: Was heißt das am Ende für Unternehmen?

Ewald: Am besten fasse ich dazu noch mal die wichtigsten Punkte zusammen. Erstens: Nicht in Panik verfallen. Gute Beratung und eine schnelle wie offene Kommunikation sind hier gefragt. Zweitens sollte man sich präventiv die Zeit nehmen, sein eigenes Geschäftsmodell mal zu zerkloppen und mögliche Schwachstellen rechtzeitig auszumerzen. Wenn man beides professionell macht, ist das im Vergleich zum Schaden einer richtigen Krise extrem günstig.

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