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„Software has eaten the world”: Warum Technologie längst das Weltgeschehen diktiert [Kolumne]

Seit vielen Jahre gilt ein Zitat von Netscape-Erfinder Marc Andreessen als inoffizielles Motto der Digitalisierung: „Software is eating the world“. Martin Weigert argumentiert in seiner Kolumne Weigerts World, dass dieser Leitsatz heute ein wenig angepasst werden muss.

Von Martin Weigert
3 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock)

„Software has eaten the world“

Es fällt mir immer schwerer, in Kolumnen zur Digitalisierung nicht Bezug auf aktuelle, nachrichtenrelevante, gesellschaftliche, politische oder soziologische Entwicklungen zu nehmen. Klar: Es passiert derzeit auch einfach unglaublich viel in der Welt. Ich habe aber noch eine andere Erklärung für meine Feststellung.

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Im Jahr 2011 verkündete Netscape-Erfinder und Silicon-Valley-Investor Marc Andreessen im „Wall Street Journal“: „Software is eating the world“. Heute, fünf Jahre später, nehme ich mir die Freiheit, seinen Leitsatz zu modifizieren: „Software has eaten the world.“

Daesh hat den Terrorismus im Software-Zeitalter neu erfunden

Ohne Software wäre auch die Flüchtlingskrise völlig anders verlaufen. (Foto: Janossy Gergely / Shutterstock.com)

Ohne Software wäre auch die Flüchtlingskrise völlig anders verlaufen. (Foto: Janossy Gergely / Shutterstock.com)

Wenig Signifkantes passiert heute noch, ohne dass Software und das Internet dabei eine kritische, oft sogar DIE ausschlaggebende Rolle spielen. Das ist der Grund, warum sich Beobachtungen zum technischen Fortschritt immer schwerer von sonstigen Begebenheiten des Weltgeschehens trennen lassen. Ein paar aktuelle Beispiele:

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  • Die Flüchtlingskrise wäre ohne Smartphones und darauf installierte Chat-Apps und Karten-Anwendungen ganz anders verlaufen. Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten müssen, kommunizieren per WhatsApp & Co. mit Weggefährten und Daheimgebliebenen. Man muss davon ausgehen, dass Hunderttausende in den letzten Monaten auch deshalb den mit vielen Strapazen verbundenen Weg aus Afghanistan und Syrien nach Europa antraten, weil über Messaging-Apps versendete Textnachrichten, Fotos und Videos ihnen vor Augen geführt haben, dass die Chancen auf ein Durchkommen gut sind und sich der Schritt trotz aller Gefahren lohnen werde.
  • Daesh (IS) nutzt die Möglichkeiten des Internets und der sozialen Netzwerke wie keine Terrororganisation zuvor. Nur dank Social-Media-Plattformen und (verschlüsselten) Messengern ist die Gruppe in der Lage, innerhalb kürzester Zeit weltweit Mitglieder anzuwerben, Sympathisanten um sich zu scharren und Angst und Schrecken zu verbreiten. Zynisch könnte man konstatieren: Daesh hat den Terrorismus im vernetzten Software-Zeitalter neu erfunden.
  • Im VW-Abgasskandal, der im schlimmsten Fall eines der wichtigsten Symbole des Industriestrandorts Deutschland in die Knie zwingen könnte, geht es um manipulierte Software.
  • Populistische Bürgerbewegungen wie Pegida nutzen soziale Netzwerke und einschlägige „alternative” Online-Medienangebote zur Organisation, Radikalisierung und Identitätsstiftung. Die digitale Filterblase der Sympathisanten stellt sicher, dass gegensätzliche Sichtweisen und belegbare Fakten nicht das ideologische Fundament der Bewegung destabilisieren.
  • Russlands Annektierung der Krim und der darauf folgende geopolitische Konflikt polarisieren. Ein entscheidender Grund dafür: Desinformations-Kampagnen, mit denen vor allem Russland, aber vermutlich auch andere Länder, unter systematischem Einsatz bezahlter Trolle online die öffentliche Meinung beeinflussen. Sich als Laie ein Bild davon zu verschaffen, was Wahrheit und was Propaganda ist, schien und scheint speziell bei diesem Konflikt schwerer zu sein denn je.

Durch Software verlaufen Entwicklungen immer häufiger exponentiell

Völkerwanderungen, Terrorismus, Konzern-Betrügereien, populistische Bürgerbewegungen und politische Desinformation gab es zwar schon immer. Doch in der Software-Ära verlaufen die Prozesse nach neuen, oft scheinbar undurchsichtigen Mustern, deren Handhabung mit den erprobten Rezepten schlecht oder gar nicht funktioniert. Die Konsequenzen einzelner Ereignisse sind im Vorfeld zumeist schwer absehbar und werden erst sichtbar, wenn die Dynamik schon nicht mehr zu stoppen ist. Viele ausgelöste Vorgänge laufen wie im Zeitraffer ab. Die Folgen sind oft, wie Nico Lumma jüngst in einem klugen Beitrag erläuterte, exponentiell und global.

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Am Grundverhalten der Menschen und Institutionen ändert sich wenig. Das Spiel bleibt in seinen Grundzügen das gleiche wie immer. Doch die Regeln sind andere. Neu geschrieben von Software. Software hat — auch ohne die vielbeschworene künstliche Intelligenz — die Kontrolle über die großen Geschehnisse auf der Erde übernommen. Menschen agieren im Rahmen dessen, was die Software zulässt, und auf Basis dessen, was sie ermöglicht.

Die Politik dagegen findet sich vermehrt in der Rolle passiver Beobachter wieder, die immer einen Schritt zu spät zu sein scheinen.

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Das meine ich, wenn ich schreibe: „Software has eaten the world.“

Mehr aus „Weigerts World“ findet ihr hier – dem Autor auf Twitter folgen könnt ihr hier.

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2 Kommentare
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Fritz Iv

Absolut richtig, meiner bescheidenen Beobachtung nach. Man müsste inzwischen eine ganz neue Politologie des Internets schreiben. Dort, wo klassisch „oben“ war, entstehen enorme Verluste an Macht bzw. an Steuerbarkeit. Vieles passiert jetzt sozusagen „bottom-up“, nicht mehr nur „top-down“.
Was die Hyperbel der Asylsuchenden angeht, so folgt die übrigens der Verbreitung von Smartphones. Man vergisst immer, wie jung die Entwicklung ist, dass Smartphones auch in den Schwellenländern zu einer hohen Verbreitung kamen. Wenn man so will, kann man sagen: Der sich selbst verstärkende Flüchtlingsstrom ist eine Folge des Siegeszugs von Android (überholte Symbian 2011) und von Whatsapp, das erst im Lauf von 2013 richtig abhob. Liegen Fluchtgründe genug vor, entsteht dann auch beim Flüchtlingsstrom der sich selbst verstärkende Anstieg.
Das bewirkt eine De-Lokalisierung der Krisen und Konflikte. Nichts ist mehr weit weg. Damit entsteht ein völlig neues Umfeld für Politik, das du beschreibst. Oder zu beschreiben versuchst, denn diese „Geschichte im Zeitalter von Software und globaler technischer Vernetzung“ ist noch gar nicht richtig zu begreifen. Ich würde vermuten, sie erzwingt viel mehr internationale Zusammenarbeit, Kooperation und auch viel schnelleres Handeln (weil sich z.B. Wanderungsbewegungen viel schneller anschwellen als sagen wir mal im 18. Jahrhundert, als ein Brief an die Heimat Wochen oder Monaten brauchte, wenn er nicht überhaupt verloren ging). Selbst das 20. Jahrhundert entwickelten sich „Wellen“ vergleichsweise behäbig und gedämpft.

Antworten
History Repeats - mit oder ohne Internet

Nützliche Software wird durch Softwarepatente und Abmahnungen verhindert. Würde Wikipedia noch existieren wenn es hier gegründet worden wäre ? Na also…

Dank Internet sieht man es nur besser.
Ausländer schicken gigantische Geld-Mengen an die Heimat. Welche Startups machen das billiger als bisher und werden auch genutzt ? Na also.

Früher schickte man ein Telefax an die Redaktion, dann SMS, jetzt WhatsApp…
Kiddies erkennen nicht das sich die History Repeated. Korruption und Miswirtschaft, Massenflucht aus Ägypten usw. waren schon in der Bibel Thema und wurden mehrmals verfilmt…
An den neuen Markt erinnert sich ja auch keiner mehr obwohl er sich täglich in den Startup-News wiederholt.
Film-Klassiker werden mit Kiddies in 3D remaked. Siehe Southpark-Folge wo Indiana Jones remaked wird.
Gleiches passiert mit News. Es gibt angeblich nur 12-15 verschiedene Witz-Sorten wo sich jeder joke in eine Schublade stecken lässt. Wer Journalismus studiert hat, sollte News-Stränge auch unter diesem Aspekt sehen und den Leser schlau informieren statt nur PR-Meldungen oder Agentur-Meldungen zu rezitieren… Seltsam das Episodenguides für TV-Serien diese Techniken nicht nutzen…

Software spielt immer größere Rolle weil inzwischen ein Handy einen Robo_Rasenmäher oder Auto steuern kann und man keinen Großrechner und Drehstrom-Anschluss braucht. Aber man kriegt nicht mal Studenten angemeldet oder Updates für Android oder einen Flughafen gebaut der in China schon drei mal länger fertig wäre… Software sieht man nicht. Und wenn man Qualität möchte hat man so viel Freunde wie ein Doping-Tester bei Sport oder Lebensmittel-Kontrolleur oder Gewerbe-Aufsicht für Gastronomie oder der Zoll auf Baustellen…
Wo Leistung nicht belohnt wird (Cashburner z.B. oder korrupte Diktaturen oder Schulden-Staaten…) breiten sich halt Korruption und Miswirtschaft aus.
Welchem Land gehts jedes Jahr besser ? China. Und sonst ? Na also…

Software muss Verbesserung bringen. Effizienzsteigerungen basieren auf Senkung von Kosten und/oder Erhöhung von Leistung. Ist die Gewerkschaft der beste Freund von SAP und großer Verwaltungen ? Das Establishment verhindert seit ewig Verbesserung um sich weiter die Taschen zu füllen. Kein Fintech hat sich bisher durchgesetzt und die Milliardengewinne der drei Kredit-Karten-Firmen vermindert.

Ohne Qualität bringt Software uns nicht weiter.
Wer seine Settop-Box oder TV benutzt oder bestimmte Apps zwangsweise nutzen muss weil es keine Alternative gibt oder sie verboten würde, erkennt oft erbarmungswürdig schlechte Interfaces. Hier wird doch auch seit Jahren ständig erklärt wie responsive Seiten funktionieren.

Wer Google, Amazon, Apple, Ebay,… benutzt erkennt schnell das Kunden nicht so wichtig sind und oft nur Marginalien verbessert werden.

Kickstarter hat sich doch gemeinnützig erklärt um nicht aufgekauft und stagniert zu werden wie fast alle Aufkäufe z.b. Summly, Skype, Paypal, Solar-Internet-Flugzeuge (dicker Aufkauf durch Google), … . Demokratie-Software wird leider nirgendwo entwickelt und keiner hilft einem obwohl Bezahl-Trolle viele politische Verbesserungen und Wahrheits-Verbreitung wirksam verhindern. Die Ideen sind oft trivial. Doch wo kann man sie umsetzen. Jesus, Galileo, Assange, Snowden, Luther, Aaron Swartz,… machen klar wie beliebt das ist und das System läuft.

So lange viele anscheinend nicht wissen wie das System läuft, weil man sich nicht erinnert oder man z.B. keine Steuerberater die neuesten Cashburner-Aktionen erklären lässt, wird das Land wohl nicht besser.
Die Presse ist dafür da, das Land zu verbessern indem Leistung wirksam eingefordert wird. Bei Fußball klappt das. Bei Prominenten nicht. Bei Wirtschaft (aktuell VW, Fail-Fusionen, Cashburner, Steuer-Einnahmen-Steigerung, Flughafen-Bau, Vollbeschäftigung, Stau-Minimierung, Verbrechens(=Spam)-Minimierung,…) auch eher nicht…

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