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Keine Arschlöcher! Ein Leitfaden für den Aufbau eines glücklichen, gesunden und kreativen Teams

In der Design-Community hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es nur einen einzelnen Visionär braucht, um tolle Produkte zu schaffen. Das ist Unsinn.

Von Rhys Newman
18 Min. Lesezeit
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(Foto: Julian Bleecker)

Einleitung

Tolle Teams schaffen tolle Produkte, meiner Erfahrung nach priorisieren und fördern die besten Teams sogar eine gesunde und positive interne Kultur, weil sie wissen, dass das entscheidend für den eigentlichen Gestaltungsprozess ist.

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„Einfache Anpassungs-Fähigkeit ist nicht genug. Für mich hat sich gezeigt, dass das Wertschätzen von Lachen, Empathie, gemeinsamer Verantwortung und ein ausgeprägter Mangel an Ego viel wichtiger sind.“

In zwanzig Jahren Führung von Design-Studios und Teams, von einer spezialisierten Beratungsfirma bis hin zu einigen globalen Unternehmen, habe ich mich ausführlich mit den Unterschieden zwischen einem erfolgreichen und einem lediglich effektiven Studio beschäftigt. Was unweigerlich über den Erfolg eines Studios entscheidet, hängt davon ab, ob es in der Lage ist, Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln und zugleich kreativ zu arbeiten. Dennoch ist einfache Anpassungsfähigkeit nicht genug. In einer sich ständig verändernden hyper-konkurrierenden Umgebung hat es sich für mich gezeigt, dass das Wertschätzen von Lachen, Empathie, gemeinsamer Verantwortung und ein ausgeprägter Mangel an Ego viel wichtiger sind.

Mein Gradmesser für Erfolg – neben großartigen Produkten – war es, Studios und eine Studio-Kultur aufzubauen, bei denen die kreative Kompetenz des Gesamt-Teams greifbar ist, bei dem die Designer gern zur Arbeit gehen und Besucher bemerken, wie positiv und kreativ es zugeht.

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Im Folgenden versuche ich, einen Leitfaden zu erstellen für die (oft übersehenen, eher humanistisch orientierten) Verhaltensweisen, die ein Studio glücklich, funktionierend und zukunftsfähig machen. Ich glaube daran, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen dem, wie sich das Studio fühlt, wie wir Designer miteinander umgehen, und der innovativen Wirkung eines Teams. Die Eigenschaften eines effektiven Studios zu benennen, wird hoffentlich jeden im Team zu einem bewussteren Mitwirkenden machen. Natürlich variieren diese Eigenschaften zu gewissen Teilen und sollten nicht als konkrete Regeln betrachtet werden. Eher noch fungieren diese Eigenschaften als Richtlinie zur Schaffung eines durchwegs positiven und im Ergebnis stetig kreativeren Arbeitsplatz.

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Sag Guten Morgen und Gute Nacht

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Ich weiß, das klingt komisch, aber es ist eine Sache der Höflichkeit, dass du, wenn du einen Raum betrittst, „Hallo“ sagst und und wenn du gehst „Tschüss“. Es ist gar nicht so kompliziert. Aber diese übliche Sitte ist so wichtig und spielt eine funktionale Rolle im Studio.

Weil Design-Arbeit von Natur aus gemeinschaftlich ist, braucht es dazu ein paar Arten von Ansagen, die erklären „Hier bin ich. Ich arbeite jetzt mit.“ Als jemand, der ein Team leitet und ihm zuhört, nutze ich die Art in der jemand „Guten Morgen“ sagt, oft als ein Barometer für seine Laune. Es verrät mir, wie sie sich fühlen, ohne dass ich nachfragen muss.

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„Ein ‚Gute Nacht‘ beim Gehen zu sagen, bringt unterschwellig einen familiären Spirit in das Studio.“

Genauso wichtig ist es, dass wir den Tag mit „Gute Nacht, ich gehe jetzt“ beenden. Praktisch gesagt ist es einfach gut zu wissen, wenn jemand nach Hause geht, weil man nicht weiß … ob er am nächsten Morgen wiederkommt. Aber im Ernst, „Gute Nacht“ ist etwas, was wir zu unseren Kindern sagen, unseren Lebenspartnern und unseren Eltern. Ein „Gute Nacht“ beim Gehen zu sagen, bringt unterschwellig einen ähnlich familiären Spirit in das Studio.

Ich denke auch, dass es wichtig ist, vor Businessreisen Hände zu schütteln. Ich weiß, das klingt verrückt, aber das ist eine kraftvolle und zugleich intime Geste. Leute, die auf solche Reisen gehen, übernehmen oft die Arbeit, die das gesamte Team repräsentiert, es ist eine Chance, einander in die Augen zu sehen und zu sagen „Gute Reise, ich hoffe, alles läuft gut“.

Und wenn sie wiederkommen, ist das ein Anlass zum Feiern. Wir sind ein Team, wenn also Leute vom Team weg sind, fehlen sie. Und wenn sie wiederkommen, ist das gemeinsame Team wieder hergestellt. Das ist gut. Lasst es uns feiern.

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Obwohl das trivial wirken mag, verbessert der Akt des Beachtens (und sogar des Förderns) dieser subtilen kulturellen Rituale die Funktionalität des Studios, weil es das persönlicher macht.

Sei optimistisch, hab keine Angst vorm Scheitern und lache mehr

(Foto: Nicole Ryan)

(Foto: Nicole Ryan)

„Die Rolle von Lachen in einem effektiven Studio kann gar nicht genug betont werden.“

Designer wissen, dass gutes Design konstante Wiederholung benötigt. Wiederholung heißt Scheitern und wiederholtes Scheitern. Die Herausforderung ist dabei „Wie gehst du mit wiederholtem Scheitern während des Design-Prozesses um?“.
Design, durch eine humanistische Brille gesehen, sieht Optimismus als bewusste Entscheidung und Kreativität als einen optimistischen Akt an.

Darum ist konstanter Optimismus eine Schlüsselzutat für Wiederholung. Er fördert das Festhalten und die Beharrlichkeit, die notwendig ist, um den kreativen Prozess am Leben zu erhalten, vor allem in schwierigen Zeiten. Die Schwierigkeit beim Einführen von Neuerungen innerhalb von großen Unternehmen zeigt sich zum Beispiel in einer Arbeitsumgebung, in der Leute oft „Nein“ oder „Ich verstehe nicht“ sagen, weil Veränderungen in der Unternehmenskultur oft unbequem und langsam sind. Im Ergebnis muss man sich Negativität stellen und dagegenhalten – nicht nur in Brainstorming-Sitzungen oder während eines Vorschlags – sondern täglich.

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Die Rolle von Lachen in einem effektiven Studio kann gar nicht genug betont werden. Ein Lachen kann äußerlich oder innerlich sein: Wie man die Rolle des Lachens innerhalb des Studios definiert, bestimmt das Studio selbst. Wenn wir nicht über oder mit ihm lachen können, können wir nicht funktionieren.

Lachen entschärft einen Konflikt, wenn ein Moment zu ernst wird.

Lachen ist ansteckend und schweißt ein Team enger zusammen.

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Lachen ist ein Schlachtruf („Lachen trotz aller Widrigkeiten“), vor allem wenn „das Business“ das Team darum bittet, „mehr mit weniger zu schaffen.“

Lachen macht kreativ.

Lachen ist eine ernste Sache.

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Esst und kocht zusammen

(Foto: Nicole Ryan)

(Foto: Nicole Ryan)

Was für eine Familie gilt, gilt oft auch für ein Studio. Ich wurde in einem Haushalt großgezogen, der daran glaubte, dass „eine Familie, die zusammen isst, zusammen bleibt“. Zum Essen zusammenzukommen ist etwas so Natürliches und Einfaches. Menschen (sogar überkorrekte, sogenannte Manager) lassen ihr Visier herunter, wenn sie essen – und das ist eine gute Sache. Die Geschichte stützt diese Beobachtung. Große Bands, Bewegungen und viele große Projekte haben alle einem Küchentisch begonnen – immer mit Wein – aber wir sparen uns den „Wert des Alkohols“ für einen anderen Artikel auf.

„Es liegt etwas Verletzliches im miteinander und füreinander Kochen. Es macht bescheiden, zu dienen und bedient zu werden.“

Das Mittagessen markiert eine natürliche Pause im Tag und ist eine große Chance für Gespräche und letztendliche Kreativität. An seinem Schreibtisch zu essen oder in seiner Großraumbürozelle kommt mir so schrecklich vor und viel zu einsam für eine Kultur, die so eng an das Zusammenarbeiten gebunden ist. Findet statt dessen einen Tisch, an dem Mitarbeiter eines Teams als Gruppe zusammen essen können – das wird das Team enger zusammenbringen. Man sollte etwas über seine Kollegen oder sich selbst lernen.

Aber es lohnt sich, einen Schritt weiter zu gehen, lass mich also eine kurze Geschichte erzählen …

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Mitarbeiterevents in einem großen Unternehmen werden dazu gemacht, diese informellen Gespräche zu fördern, tun aber oft das Gegenteil: Man geht in ein nettes Restaurant, jeder bestellt teures Essen und viel Wein, man trinkt, bis man betrunken ist und kehrt zurück in sein Hotelzimmer. In einem Jahr war unser Budget so begrenzt, dass wir dachten „Warum versuchen wir nicht das Gegenteil? Geht raus, kauft Lebensmittel, und kocht füreinander.“

Was dann passierte, war unglaublich! Jeweils einer übernahm die Verantwortung fürs Kochen, ein anderer für die Vorbereitung, und jemand anderes fürs Tischdecken. Ohne große Diskussionen schwirrte das ganze Team in der Küche herum, wie in einem Bienenkorb für sein großes Ziel arbeitend. Es liegt etwas Verletzliches im miteinander und füreinander Kochen. Es macht bescheiden, zu dienen und bedient zu werden.

Gute Studios gestalten gute Pinnwände

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Es ist wichtig, dass man, wenn man ein Studio betritt, genauso fühlt wie man sieht, was dort geschaffen wird – das Studio sollte vor kreativer Energie bersten. Ich glaube, dass man den Gesundheitszustand eines jeden Design-Studios feststellen kann, wenn man seine Pinnwände anschaut.

Der Nutzen, seine Arbeiten auf und aus seinem Rechner auf die Pinnwände eines Studios zu bringen, ist im Folgenden beschrieben:

Erhöht die Sichtbarkeit: Pinnwände bewegen Arbeiten aus der virtuellen in die physische Welt und ermöglichen ihnen damit, besser sichtbar zu werden, interaktiv, greifbar und öffentlich.

Fördert Gespräche: Pinnwände fördern Gespräche und informelle Bewertungen, weil sich Leute naturgemäß davor versammeln.
Lässt den gemeinsamen Besitz anwachsen: Pinnwände schaffen eine Kultur des gemeinschaftlichen Besitzes, weil sie Leute dazu einladen, buchstäblich auf den Ideen anderer aufbauend zu gestalten.

Fördert Wiederholung: Dick beschichtete Pinnwände spiegeln gesunde Projekte wider, weil sie zeigen, dass die Arbeit mehrere Überarbeitungen durchlaufen hat.

Bereinigt Ideen: Wenn Pinnwände zu kompliziert werden, können sie abgeräumt und neu bestückt werden. Was hängenbleibt, bleibt hängen.

Schafft Verbindungen: Pinnwände erlauben Menschen auch, nicht-lineare Verbindungen zu ziehen, weil sie es ermöglichen, Bereiche von Spannungen, Synergien und Überlappungen zu erblicken, die man sonst nicht gesehen hätte. Sie erlauben einen Blick aufs ganze Bild durch seine individuellen Bestandteile.

Vereinfacht das Denken: Manchmal kippt aus der scheinbaren visuellen Komplexität der Bilder heraus die Pinnwand, und eine einzelne Vision erscheint.

Inspiriert: Wenn Leute versuchen, sich neue Dinge vorzustellen, beziehen sie das aus der Quelle ihres Wissens. Oftmals gedeihen Ideen aus unserer unmittelbaren Umgebung, so wie aus Pinnwänden oder dem Schnickschnack auf unserem Schreibtisch.

Die Pinnwände eines Studios sind wie begrünte Fassaden. Ihr Überleben hängt davon ab, wie wir sie beackern und pflegen, um Kreativität und Produktivität wachsen zu lassen. Diese Analogie lässt sich auf Schöpfung und Zerstörung anwenden – auf das Pflügen und Ernten.

Lies hier mehr über unsere Pinnwand in einem gemeinsamen Forschungsprojekt, durchgeführt von der Stanford University und der University of Technology in Helsinki.

Lies Romane

(Bild: Guardian News & Media. Text: @motionandrew)

(Bild: Guardian News & Media. Text: @motionandrew)

Bücher tragen zum Gesamtgefühl der Atmosphäre eines Studios mit bei. Ein Studio voller Bücher schafft den Eindruck, dass seine Designer gedankenvoll, intelligent und voller Ressourcen sind – zumindest geben sie dem Studio einen intellektuellen Anstrich, ha!

„Storytelling ist ein Handwerk. Es ist emotional und ein Teil des Design-Prozess.“

Es scheint, dass jedes Designstudio sich verpflichtet fühlt, seine Regale mit „Wie man kreativer wird“, „wie man ein Design-Hero wird“, „wie jeder andere alles besser macht als wir“ zu füllen, und das ist okay. Trotzdem schlage ich eine Alternative vor.

Als Designer bitten wir Menschen oft um einen Vertrauensvorschuss, um eine Welt zu beschreiben, die nicht wirklich existiert. Was wir tun ist im Grunde nicht mehr, als eine Fiktion zu entwickeln und gute Geschichten zu erzählen – ein essenzieller Teil menschlicher Kommunikation. Würde es dann nicht auch Sinn machen, zumindest auch die Literatur in unser Studio Einzug halten zu lassen oder wenigstens anzuregen, dass sie dort gedeiht?

Storytelling ist ein Handwerk. Es ist emotional und ein Teil des Design-Prozess. Wir sollten daher Romane lesen und studieren.

Designe das Designen

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Es gibt eine einfache Regel beim Kreativ-sein: Designe den Prozess so, dass er zum Projekt passt.

In der Beraterwelt ist es sehr einfach, den Designprozess anzupassen, weil jedes Projekt anders ist. Aber in großen Unternehmen kann jedes Projekt mehr oder weniger gleich sein – du gestaltest im Grunde nur ein anderes Produkt, das dem vorherigen sehr ähnelt. An Design in großen Unternehmen muss man daher ein wenig so herangehen, als wenn es eine Beraterleistung wäre.

Egal, wo du arbeitest, die Herausforderung wird sein, wie man den Designprozess verändert. Dieser Prozess beginnt mit dem Gestalten eines metaphorischen Fensters, Rahmens oder Filters, mit dem Menschen die Welt so sehen wie du, und den man selbst gestalten muss.

Wenn Leute durch diese Linse deine Vision für das Projekt verstehen können, dann versetz sie in die Lage, Experten dafür zu werden – indem du ihnen ermöglichst, diese Sicht auf verschiedene Bereiche des Projekts anzuwenden. Wenn du das tun kannst, hat ein Projekt enormes Potenzial.

Umarme den Rand

(Foto: Rhys Newman)

(Foto: Rhys Newman)

Ich glaube daran, dass Leute etwas schaffen wollen. In Unternehmen oder komplexen Projekten brauchen die Produkte, die wir schaffen, oft eine ungeheure Menge Zeit. Infolge dessen gehe ich davon aus, dass die meisten Designer (mich eingeschlossen) an Nebenprojekten arbeiten – kreative Projekte, die außerhalb des Studios entstehen.

„Ich glaube, dass 100 Prozent der Zeit der Leute auf Produkt und Arbeit konzentriert sein sollte.“

Interessanterweise sind viele dieser Nebenprojekte oft der komplette Gegensatz zu dem, was wir intern machen. Diese Projekte stehen für pure Kreativität und sind schneller, normalerweise handgemacht, und sehr persönlicher Natur. Leute suchen sich oft Nebenprojekte, die die Lücke für eine Fähigkeit füllen, die sie verloren, vergessen haben oder einfach nicht besitzen. Beispiele für Nebenprojekte in unserem Studio sind Vogelhäuschen, Bier brauen und komplett maßgeschneiderte Fahrradrahmen, um nur ein paar zu nennen.

Um es klar auszudrücken, das ist kein „Fun Friday“ oder ein Zwanzig-Prozent-Ansatz, bei dem Nebenprojekte am Ende Studioprojekte werden. Ich glaube, dass 100 Prozent der Zeit der Leute auf Produkt und Arbeit konzentriert sein sollte.

Aber anstatt das zu bekämpfen oder es zu formalisieren, feierten wir unsere Nebenprojekte, indem wir sie öffentlich machten, ob nun in unserem vierteljährlichen Magazin oder indem wir offen darüber gesprochen haben. Ähnlich wie die vorher erwähnten Studio-Pinnwände sind Nebenprojekte zu einem Teil der Studio-Substanz geworden und haben unser Profil geschärft. Und ich glaube, die Tatsache, dass sie so unterschiedlich sind, ergänzte die Farbe und die Vielfalt, die Dynamik, die das, was im Studio passierte, vervollständigte und erweiterte.

Achte auf deine Sprache

(Foto: Luke Johnson)

(Foto: Luke Johnson)

Sprache bestimmt den Rahmen eines Projektes. Es ist daher wichtig, ständig zu überprüfen, dass Menschen das gleiche Verständnis von einem Wort, einer Formulierung oder einem Namen haben. Idealerweise sollte man am Beginn eines Projektes die Sprache festlegen, sogar bis zu dem Punkt, dass man jeder Person im Team eine Liste übergibt: Wenn wir dies sagen, dann meinen wir mit „dies“ das hier. Dieser pedantische Ansatz ist besonders in Mulitkulti-Studios wichtig, in denen eine unterschiedliche Sprache mehrere, manchmal unberechenbare Interpretationen fördert.

„Die wiederholten Worte und Formulierungen sind genauso aussagekräftig wie ein offene Körperhaltung oder eine gerunzelte Augenbraue.“

Sprache kommt auch aus dem Projekt hervor. Manchmal muss man Worte erfinden, um die Anforderungen eines Projekts zu kommunizieren. Andererseits muss man sehr darauf achten, wie Wörter und ihre Bedeutungen sich während des Designprozesses entwickeln. In unserem Studio haben wir Sprache auf zweierlei Arten dokumentiert. „Talk of the Studio“, eine wöchentliche E-Mail, enthielt mitgehörte Zitate aus dem und rund um das Studio. Wir veröffentlichten auch eine Liste der Projektbegriffe und ihrer Bedeutungen in der Lexikon-Rubrik unseres vierteljährlichen Magazins.

Schlussendlich denke ich, dass Sprache sich genauso entwickelt wie Körpersprache. Die wiederholten Worte und Formulierungen sind genauso aussagekräftig wie ein offene Körperhaltung oder eine gerunzelte Augenbraue. Ich bin sehr sensibel dafür, wie und warum Menschen Dinge sagen, weil es eine Menge über ihre Geisteshaltung und ihre Motivation verrät.

Triff dich im offenen Raum

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Es gibt wenig Dinge in einem effektiven Studio, die hoch vertraulich sind, warum also in einen Raum gehen und die Tür hinter sich schließen? Verlege statt dessen die meisten Gespräche nach draußen. Sie werden im Ergebnis besser sein.

Gespräche im offenen Raum erlauben anderen, sich mit einzuklinken, auszuklinken oder mitzubekommen, was passiert. Manchmal werden Leute, die nicht von Anfang an Teil des Gesprächs sind, spontan dazukommen und das Gespräch in eine neue und interessantere Richtung lenken.
Falls es schwierige Dinge auszusprechen gilt, werden Leute außerdem vielleicht ihre Worte etwas vorsichtiger wählen, wenn die Konversation in der Öffentlichkeit stattfindet. Das Potenzial für Verletzungen und Angriffe ist hinter geschlossenen Türen viel größer als draußen.

Jeder führt mal

(Foto: Luke Johnson)

(Foto: Luke Johnson)

Ich glaube nicht, dass der Vorgesetzte mit der kreativen Leitung verknüpft sein muss. Wenn man das tut, wird ein Team schnell nur noch zu Untertanen, die nur noch das designen, wozu sie beauftragt werden.

Diese Art von Management widerspricht auch der innersten Natur von kreativen Projekten, die in ihrem Herzen chaotische, greifbare und sich entfaltende Dinge sind. Sie sind physisch (ich mache immer diese komische, schüsselförmige Handgeste für ein Projekt). Du kannst sie formen und biegen und in die richtige Richtung stoßen. Sie müssen gefüttert, gewässert und gepflegt werden. Manchmal sind sie schwach und manchmal sind sie robust, aber sie brauchen immer Liebe.

An jedem Punkt sollte sich jemand verantwortlich dafür fühlen oder die Möglichkeit haben zu führen. Es ist so wichtig, gemeinsam verantwortlich zu sein. Solch dynamische Projekte können in einem Studio nicht effektiv von nur einer Person geleitet werden, weil sie nie zweidimensional sind.
Dies führt auch zu gemeinsamer Verantwortlichkeit, weil es ein Gefühl erzeugt, dass zumindest ein Teil des Projekts einem Individuum gehört. Auf diese Weise kann an jedem Punkt ein Mitarbeiter auf das Projekt zeigen und sagen „Wir haben das gemacht. Ich hab das gemacht.“

Kehr alles um

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Wenn man Produkte für Menschen gestaltet, erfordert das, dass man an ihre Gedanken, Gefühle, Motivationen und Werte herankommt. Um das zu tun, muss ein kluger Designer seine eigene Weltsicht umkehren und die Welt durch die Augen von jemand anderem sehen, um sich in ihn einzufühlen. Die Gabe, mit anderen mitzufühlen, ein sehr menschliches Verhalten, ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit und Charakteristik von Studio und Designer.

Beauftragt einen Wettleiter

(Foto: Julian Bleecker)

(Foto: Julian Bleecker)

Wettbewerb motiviert ein Team, so viel ist sicher. Aber auf Quatsch zu wetten scheint anzufeuern und schweißt ein Team zusammen.

Erfolgreiche Bürowetten, die klare Regeln einhalten und regelmäßig und kurzfristig stattfinden, sorgen für gute Stimmung. Wichtig dabei ist, dass sie sich gerecht anfühlen und jedem eine faire Chance auf einen Gewinn bieten, unabhängig von der Wette.

Neben der Erfassung der Wetteinsätze, dem Festlegen von Deadlines und dem Einsammeln von Geld, muss ein guter Wettleiter auch ein guter Kommunikator sein. Dazu gehören regelmäßige, verbindliche Mails, die den Wettkampf und die Wetten zusammenfassen. Am Wichtigsten ist, dass der Wettleiter die Begeisterung wachhält und das Wetten freundlich hält.

Aus persönlicher Erfahrung ist die bloße Aussicht darauf, etwas zu gewinnen, aufregend. Nachdem ich meine einzige jemals gewonnene Wette im Studio gewann, ging ich raus und kaufte mir eine Sonnenbrille, etwas, womit ich normalerweise nie durchgekommen wäre, aber es waren 100 US-Dollar in bar und meine Frau hatte keine Ahnung. Ha!

Wetten waren zum Beispiel der Super Bowl, die NCAA Basketball-Meisterschaft, Name und Geschlecht des Royal Babys, die WM und das Verkaufsdatum der Firma.

Bring das Außen nach Innen

(Foto: Rhys Newman)

(Foto: Rhys Newman)

Wir verbringen die meiste Zeit mit unseren Kollegen bei der Arbeit statt mit unseren Partnern oder Familien. Ob es uns gefällt oder nicht – wir alle gehen zusammen durch dieses Leben. Wir sollten das beste daraus machen.

„Im Studio ist es wichtig für das Team, auch meine Familie zu kennen.“

Ja, ich verstehe, dass Leute ihr Privatleben schätzen, und man muss diese Grenze respektieren. Aber die Realität des modernen Studios ist, dass die Grenzen oft verschwimmen. Tatsächlich denke ich, dass es gut es, dass sie verschwommen sind. Kinder, Haustiere und Hobbys – gemeinsame menschliche Verbindungen und Interessen – fördern diese Vertrautheit.

Mein Job bei Nokia zum Beispiel verlangte von mir, dass ich regelmäßig nach Finnland flog, um meinen Chef zu treffen, Marko. Mir persönlich war es wichtig, dass meine Familie wusste, wer Marko war, weil mein Job verlangte, dass ich sie für eine andere Person zurückließ. Als Marko zu Besuch war, lud ich ihn zum Abendessen ein, sodass meine Frau und Kinder ihn kennenlernen konnten. Meine Welt wurde kleiner.

Ich gehe jeden Tag irgendwohin; sie gehen jeden Tag irgendwohin. Ich frage sie nach ihren Freunden, sie mich nach meinen. Wenn ich meinem Namen ein Gesicht gebe, gewinnt es für sie an Bedeutung, was ich für sie tue.

Diese Beziehung ist ein zweischneidiges Schwert. Im Studio ist es wichtig für das Team, auch meine Familie zu kennen. Es gibt all diese Management-Bücher, in denen steht „Du solltest der erste sein, der kommt und der letzte, der geht.“

Schwachsinn.

Ich musste oft früher gehen, weil mein Sohn ein Fußballspiel hatte. Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Team weiß, was für mich wichtig ist und ich weiß, was wichtig für mein Team ist.

Keine Arschlöcher erlaubt!

(Foto: Rhys Newman)

(Foto: Rhys Newman)

Wirklich!

Meine Definition eines Arschlochs ist eine Person, deren Ambitionen für sie selbst oder ihre eigene Karriere größer sind, als die Ambitionen für das Projekt oder Team.

„Oft sind die Leute, die sich für Visionäre halten, nur selbstherrliche Arschlöcher.“

Wenn du ein Arschloch im Studio hast, dann bewegt sich die ganze Umgebung, die Produktivität, Kreativität, und die Produkt-Entscheidungen selbst vom Team und seinen Zielen weg. Infolgedessen ist das Produkt ein Mittel für sein Ego, und es sollte umgekehrt sein.

Ich glaube auch nicht, dass man ein Arschloch sein muss, um Menschen, Studios und Projekte zu führen. Einige der brillantesten Leute, mit denen ich gearbeitet habe, waren auch einige der offensten, großzügigsten und menschlichsten Leute – jene, die die Gabe besitzen, die Kreativität aus anderen hervorzulocken und mehr zuzuhören, als sie selbst reden.

Ich glaube, dass es ein überlieferter Mythos ist, dass tolle Produkte von einem einzelnen Visionär erdacht werden. Oft sind die Leute, die sich für Visionäre halten, nur selbstherrliche Arschlöcher. Ich glaube fest daran, dass tolle Teams tolle Produkte schaffen, und dass Leute Karriere machen, für die tolle Produkte an erster Stelle stehen, nicht ihre eigenen Bestrebungen. Ende der Wutrede.

Finde einen guten Spiegel

Talk of the Studio.

Talk of the Studio.

Der Studio-Spiegel ist eine spezielle Rolle und eine Berufsbezeichnung. In unserem Studio war es Lukes Rolle, unsere Arbeit festzuhalten und sie auf eine einzigartige Weise unserem Team widerzuspiegeln, ähnlich wie die Dokumentation dieser Grundsätze. Mit Ausdauer und dem Auge eines Journalisten ausgestattet, sollte der Studio-Spiegel nicht nur einfangen, WAS gemacht wurde, sondern auch WIE und vom WEM. Das ist nicht nur das simple Kippen von Daten auf den Server, sondern ein Kuratieren der Inhalte in einer Weise, die fürs Team überzeugend und brauchbar ist. Unser Studio hat beispielsweise ein vierteljährliches Magazin geschaffen. Du kannst ADQ2.1: The Launch Issue hier lesen.

„Das war ein guter Arbeitsplatz, ich habe etwas gelernt und tolle Dinge geschaffen.“

Es gibt viele Gründe dafür, eine einzelne Person dafür auszuwählen, den Dokumentationsprozess zu übernehmen. In erster Linie geraten die Details eines Projekts schnell in Vergessenheit, vor allem, wenn Projekte über mehrere Jahre gehen. Arbeit zu archivieren ist produktiv und funktional, ein reflektiertes Studio glaubt daran, dass die Arbeit immer etwas besser gemacht werden kann. Schließlich erleichtert ein gut dokumentiertes Projekt neuen Studio-Mitarbeitern, schnell und effizient hineinzukommen.

Aber vielleicht ist der wichtigste Mehrwert von ständigem Dokumentieren der gemeinsamen Arbeit eines Studios, dass es eine fundierte Investition in die Zukunft ist. Je länger ich arbeite, desto mehr habe ich zu schätzen gelernt, wie Leute sich über den gesamten Design-Prozess hindurch verhalten. Daher ist die Geschichte eines Produktes nicht nur, wie das Produkt selbst sich entwickelt, sondern auch, wie die Individuen und das Team gewachsen sind, während sie es schufen.

In einer Welt, die in der Gegenwart so viel verlangt, schätze ich die Aussicht, irgendwann in der Zukunft durch unsere vierteljährliches Magazine zurückblicken zu können, mit einem Glas Whisky in der Hand, und die Entstehung von etwas anzuschauen, das wir gemacht haben, wie wir es gemacht haben, und zu denken: „Das war ein guter Arbeitsplatz, ich habe etwas gelernt und tolle Dinge geschaffen.“

Über die Autoren

Rhys Newman ist ein Designer, Künstler, Radfahrer und Gründer von OMATA Inc. Er war Vizepräsident des Everyday-Adventure-Teams von HERE, einer Nokia-Tochter, und war vorher verantwortlich für den Aufbau von Nokias Advanced Design Team. Er ist auch Gastdesigner bei mehreren Tech-Unternehmen, denen er dabei hilft, glückliche und motivierte Studios aufzubauen, in denen Designer gern arbeiten, Kreativität Priorität hat und Innovation passiert. Er ist außerdem Co-Writer und Illustrator bei „The Universal Truth of Cycling“.

Luke Johnson ist interner Kommunikations-Stratege bei der Düsenantriebs-Versuchsanstalt der NASA. Davor arbeitete er zusammen mit Rhys Newman als Design-Forscher und leitender Designer bei HEREs Everday-Adventure-Design-Team. Er war auch der Studio-Reflektor des Teams. Lukes tief verwurzelter Ansatz ans Design produziert verwickelte Artefakte, die die interne Kultur visualisieren und kommunizieren, eine Gemeinschaft aufbauen und verdeutlichen, wie Individuen und Teams einem Unternehmen Mehrwert verschaffen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf medium.com. Übersetzung: Anja Braun.

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rappel

Gute Nacht beim Rausegehen … das sagt schon viel über die Agentur. Bei uns sagt man Tschüss oder Ciao, aber man geht zu „christlichen Uhrzeiten“.

Antworten
Jürgen Schulze

Wenn ich die Eierköppe auf dem Hach-Wie-Lustig-Wir-Sitzen-Auf-Ner-Plastik-Wiese-Foto sehe…. bah!

Antworten
Stephan Günther

Ich fand den Artikel ziemlich gut. Erfahrungsberichte > Theorie.
Es handelt sich hier natürlich um ein sehr komplexes Thema und im Artikel wurden nur einige kleine Aspekte beleuchtet – klar. Mit jedem Team funktionieren andere Kulturen besser oder schlechter, das muss man austesten. Aber zur Motivation und Inspiration waren hier viele gute Tipps dabei denke ich. Danke dafür.

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