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TwentyBN: Wie ein Startup Künstliche Intelligenz in die deutsche Industrie bringen will

Selbstfahrende Autos, medizinische Diagnostik, Spracherkennung: Glaubt man den Prognosen, wird Künstliche Intelligenz alles verändern. Vier Gründer aus Berlin wollen die neuronalen Netze schon jetzt in die deutsche Industrie bringen – mit ihrem Startup TwentyBN.

Von Lisa Hegemann
5 Min.
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(Foto: Christian Lagerek/Shutterstock)

Christian Thurau, Florian Hoppe, Ingo Bax und Roland Memisevic haben gemeinsam das Startup TwentyBN gegründet. (Foto: TwentyBN)

Christian Thurau, Florian Hoppe, Ingo Bax und Roland Memisevic haben gemeinsam das Startup TwentyBN gegründet. (Foto: TwentyBN)

20 Milliarden Nervenzellen bevölkern die Großhirnrinde des Menschen. Sie bilden eine Art Lernzentrum im menschlichen Gehirn: Wenn ein kleines Kind regelmäßig das Bild eines Hundes sieht und dazu das Wort „Hund“ hört, entwickeln sich – vereinfacht erklärt – Netzwerke. Irgendwann weiß das Kind dadurch, dass das Tier auf dem Bild ein Hund ist.

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Genau um diese menschliche Eigenschaft geht es auch beim sogenannten Deep Learning. Bei dieser Form der Künstlichen Intelligenz bauen Entwickler künstliche neuronale Netzwerke nach. Statt dem Computer Schritt für Schritt zu erklären, dass ein Bild immer dann einen Hund anzeigt, wenn ein Tier vier Beine hat oder ein Fell, werden dem Algorithmus beim Deep Learning viele Bilder gefüttert, aus denen er die Informationen herausfiltert, wie ein Hund aussieht – fast so wie beim Mensch.

Das Unternehmen Twenty Billion Neurons – der Name ist angelehnt an die 20 Milliarden Nervenzellen in unserer Großhirnrinde – will diese Technologie nun nach Deutschland bringen. Das Startup, kurz TwentyBN genannt, will die Künstliche Intelligenz auch hierzulande wirtschaftlich nutzen. Die Gründer Ingo Bax, Florian Hoppe, Roland Memisevic und Christian Thurau kennen sich aus dem gemeinsamen Studium in Bielefeld und beschäftigen sich bereits seit mehr als 20 Jahren mit dem maschinellen Lernen. Ihr Ziel: die deutsche Industrie mit Künstlicher Intelligenz auszustatten.

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Vom Doktortitel bis zur Gründung von TwentyBN

Dass sie das Startup erst 2015 gründeten, hängt mit der Entwicklung der Technologie zusammen: „Zu der Zeit, als wir unsere Doktortitel machten, war das Thema Künstliche Intelligenz noch nicht in der Wirtschaft angekommen“, sagt Hoppe im Gespräch mit t3n. Es habe noch nicht so viele Anwendungsfelder gegeben. Sein Kollege Thurau bezeichnete die Technologie damals als „esotherischen Teil der Informatik“.

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Nach dem Studium schlugen sie deshalb zunächst unterschiedliche Berufswege ein: Bax und Memisevic arbeiteten als Professoren, Thurau forschte am Fraunhofer IAIS und Hoppe beriet und entwickelte für kleine und große Firmen. Dass sie sich wiedertrafen, kam durch eine Fachtagung zustande: Thurau organisierte sie für seinen damaligen Arbeitgeber und lud seine ehemaligen Kommilitonen ein. Memisevic hielt dort einen Vortrag zum Thema Deep Learning. Dadurch entstand die Idee zu TwentyBN. „Wir haben 2014 erkannt, dass jetzt viele Technologien funktionieren, die früher noch nicht so weit waren“, erzählt Thurau. „Für uns war es logisch, dass wir bei dieser Revolution dabei sein wollen.“

Im Mai 2015 gründeten die vier früheren Kommilitonen, zunächst nebenbei. „Wir haben das Startup in unserer Freizeit aufgebaut und erst einmal getestet, ob wir Anklang finden“, so Hoppe. Die Gründer unterhielten sich mit vielen Leuten aus der Industrie, versuchten herauszufinden, ob ihr Produkt überhaupt auf Interesse stößt. „Wir haben schnell gemerkt, dass unsere Idee viel Zustimmung erhält“, sagt Hoppe. Daraufhin kündigten die Gründer nacheinander ihre Jobs und widmeten sich der Unternehmung Vollzeit.

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2,5 Millionen Dollar als Seed-Finanzierung

Heute, ein Jahr nach der Gründung, hat das Startup bereits die ersten Kunden. Wer sie genau sind, dürfen die vier Unternehmer nicht verraten. Ein Bereich, in dem sie derzeit forschen, ist die maschinelle Übersetzung, an die auch Google Translate angelehnt ist. Der Unterschied: Statt auf standardisierte Sätze zu bauen, bietet TwentyBN eine individuelle Lösung an. „Wir sehen bei der Machine Translation noch Optimierungsbedarf“, so Hoppe. Will eine Maschinenbau-Firma beispielsweise seine Website ins Chinesische übersetzen, trainiert das Startup das Übersetzungssystem so, dass es auch den speziellen Wortschatz rund um das Thema Maschinenbau erkennt. TwentyBN will aber auch in andere Felder, sein Algorithmus lässt sich beispielsweise auch im selbstfahrenden Auto anwenden. Mit den ersten Konzernen sprechen die Gründer bereits.

In den ersten Monaten haben die Gründer ihr Startup aus eigener Kraft finanziert. Am heutigen Mittwoch gaben sie bekannt, dass sie sich einen Investor in ihr Unternehmen geholt haben. Insgesamt 2,5 Millionen Dollar erhielten sie von einem nicht näher genannten US-amerikanischen Business Angel. Mit dem Kapital wollen sie nun vor allem ihr Team erweitern. „Machine Learning und Deep Learning sind sehr forschungsintensive Bereiche“, sagt Thurau gegenüber t3n. Dafür brauche TwentyBN Geld.

Auch die Hardware-Kosten seien in ihrer Branche nicht gerade gering, so der Gründer. Bei TwentyBN rechnen er und seine Kollegen viel auf Grafikkarten-Prozessoreinheiten, gleichzeitig entwickeln sie bereits heute die Lösungen von morgen. „Wir treten in Vorleistung: Wir müssen die neuronalen Netze konstruieren, sie trainieren und mit Daten versorgen“, sagt Thurau. „Das ist nicht umsonst.“

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Die Konkurrenz heißt Google und Facebook

Geld verdienen will das Startup künftig mit seinem Künstliche-Intelligenz-Engine. Die Kunden sollen dafür je nach Aufgabe bezahlen. Will ein Unternehmen eine generische Lösung, beispielsweise einen Satz vom Englischen ins Deutsche übersetzt haben, soll es pro API-Call zahlen. Wenn es dagegen eine On-Premise-Software benötigt, also ein serverbasiertes System, muss es eine Lizenz kaufen.

TwentyBN ist mit seiner Idee nicht allein. Mit der Technologie des Deep Learnings beschäftigen sich auch große Konzerne – vor allem in den USA: Der Suchmaschinenanbieter Google hat 2014 das Startup Deepmind für eine halbe Milliarde Dollar übernommen, auch Facebook tüftelt am tiefgreifenden Lernen. Als Konkurrenz nimmt TwentyBN die Konzerne jedoch nicht wahr. „Google, Facebook und Co. haben ganz andere Ziele“, sagt Thurau. „Sie wollen keine Lösung für die deutsche Industrie entwickeln. Und genau das ist unser Anspruch.“

 „Für Künstliche Intelligenz hierzulande so viel Geld zu bekommen, wäre nicht so einfach gewesen.“

In Deutschland ist der Markt hingegen überschaubarer. Das Startup Heuro Labs befasst sich mit den medizinischen Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz. Es kann durch Algorithmen beispielsweise Tumore erkennen. Micropsi Industries geht hingegen in einen ähnlichen Bereich wie TwentyBN und will in der fertigenden Industrie Fuß fassen. Die Technologie des Startups soll beispielsweise Produktionsabläufe durch Sensoren messen können.

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Dass sich die ersten Unternehmen mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen, heißt aber noch lange nicht, dass sich das Thema in Deutschland durchgesetzt hat. „Deep Learning ist hier eher unterrepräsentiert“, sagt Hoppe. „Das ist sehr schade.“ Er sieht die Gefahr, dass diese Entwicklung die Bundesrepublik auf Dauer zurückwerfen könne. In den USA würden Studenten schon jetzt direkt von der Uni abgeworben, so Hoppe. Die US-Unternehmen suchen nun auch bereits in Deutschland nach geeignetem Personal.

Wie vernachlässigt das Thema Künstliche Intelligenz hierzulande ist, zeigt sich auch an der Finanzierungsrunde des Startups. So ist es auch kein Zufall, dass die Vier ihr Geld in den USA einsammelten. Dort wird Deep Learning stärker nachgefragt, zudem kannte einer der Gründer den Investoren bereits vorher persönlich. „Wir haben es in Deutschland gar nicht erst probiert“, sagt Hoppe. „Für das Thema hierzulande so viel Geld zu bekommen, wäre nicht so einfach gewesen.“

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Olaf Barheine

Alter Wein in neuen Schläuchen. Ich müsste im Keller noch einen Stapel Computerzeitschriften aus den 1980ern mit Artikeln über KI, neuronale Netze, Expertensysteme und dergleichen liegen haben. Die sind jetzt bestimmt wieder brandaktuell. ;-)

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