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Valleycon Silly: Fünf Dinge, die ich in einem Jahr Silicon Valley gelernt habe [Kolumne]

Nach einem Jahr als Korrespondent im Silicon Valley kehrt unser Mitarbeiter Moritz wieder nach Deutschland zurück und zieht ein Fazit. Im letzten Teil der Valleycon-Silly-Kolumne listet er fünf wichtige Erfahrungen auf, die er innerhalb von zwölf Monaten im Silicon Valley gemacht hat.

Von Moritz Stückler
5 Min. Lesezeit
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(Quelle: Moritz Stückler)

Moritz Stückler berichtet für t3n als Korrespondent aus dem Silicon Valley. In seiner Kolumne „Valleycon Silly“ schreibt er über all das, was ihm abseits der tagesaktuellen Nachrichten begegnet. Anhand von Alltagserlebnissen nimmt er die kulturellen Besonderheiten der USA – natürlich vorzugsweise in Bezug auf Technik und Startups – unter die Lupe.

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Ein Jahr ist nun vorbei. Eigentlich sollte ich nur sechs Monate bleiben, zwölf sind es am Ende geworden. Jetzt sitze ich wieder an meinem IKEA-Schreibtisch im Büro in Hannover. Draußen regnet es. Ich vermisse die Sonne, meinen täglichen Fußmarsch durch den Mission District und Burritos. Schon auf dem Weg vom Flughafen nach Hause fiel mir auf, dass die Menschen hier etwas nüchterner sind und der Himmel etwas grauer ist, als in San Francisco. Im Kopf realisiert man nur sehr langsam, dass ein großes Abenteuer jetzt vorbei ist. Gerade deswegen versuche ich irgendwie krampfhaft ein Fazit zu ziehen. Ich kategorisiere Dinge gerne, habe es gerne ordentlich im Kopf. Deswegen suche ich nach der passenden mentalen Schublade, in der ich dieses vergangene Jahr ablegen kann. Ich finde sie einfach nicht. Es sind ganz viele Schubladen, die ich dafür benötige. Viele Erkenntnisse werden noch ein paar Wochen und Monate brauchen, bis sie mir bewusst werden. Aber einige Dinge sehe ich schon jetzt nach meiner Rückkehr ziemlich klar:

1. Das Silicon Valley ist nicht gleichzusetzen mit den USA

Ja, das Silicon Valley liegt in Kalifornien und Kalifornien liegt in den USA. Tatsächlich fühlt es sich aber anders an. Trotz der größeren Entfernung fühlen sich San Francisco und das Silicon Valley deutlich europäischer an, als zum Beispiel die Großstädte an der amerikanischen Ostküste. Land und Leute in Nordkalifornien sind bekannt für ihre liberale Haltung. Drogen sind hier an der Tagesordnung, Homosexualität sowieso und eben auch in Sachen Technik sind die Menschen hier oft fortschrittlicher als anderswo. Einen großen Kulturschock erfährt man als Westeuropäer garantiert nicht, wenn man ins Silicon Valley reist.

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Wer beim Gedanken an die USA an Republikaner, Waffen-Fanatiker und Fremdenfeindlichkeit denkt, der wird enttäuscht. Demografisch ist das Silicon Valley ein Ort der hohen Gehälter und guten Bildung und deswegen statistisch auch nicht repräsentativ für den Rest des Landes, vor allem nicht für die ländlicheren Gebiete im Landesinneren. Wer das Land verstehen lernen möchte, und wissen will, wieso die Meinungen der amerikanischen Bevölkerung so sind wie sie sind, der sollte woanders hinreisen.

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Das Silicon Valley ist eine eigene kleine Welt – In seiner Gesinnung näher an Europa als am Rest der USA. (Foto: Moritz Stückler)

Das Silicon Valley ist eine eigene kleine Welt – In seiner Gesinnung näher an Europa als am Rest der USA. (Foto: Moritz Stückler)

2. Im Silicon Valley gibt es verdammt viel heiße Luft

„Aus Scheiße Gold machen“ – nirgendwo anders konnte ich dieses geflügelte Wort bisher mehr bestätigen als im Silicon Valley. Wie leichtsinnig, oberflächlich und realitätsfern hier mit Geld umgegangen wird, entzieht sich auch nach einem Jahr halbwegs exklusiver Einblicke meiner Kenntnis. Man könnte meinen, es handele sich um Spielgeld, wenn Gründer und Investoren über ihre Seed-Runden oder neues Funding reden. Kein Wunder, dass viele Firmen und Einzelpersonen hier die Bodenhaftung verlieren. Nur weil eine Idee in der Bay Area funktioniert, heißt es keinesfalls, dass das auch im Rest der Welt der Fall sein wird. Viele Geschäftsideen sind nichts weiter als heiße Luft mit einem schönen Logo. Eine skurrile Geschäftsidee, ein gutes Netzwerk und Eloquenz reichen hier oft aus, um aus einer Schnapsidee ein Unternehmen mit mehreren Millionen Dollar Kapital zu machen.

3. Als Deutscher bist du im Silicon Valley gern gesehen

Schon vor meinem Jahr im Silicon Valley habe ich erlebt, dass wir als Deutsche in den USA eigentlich immer sehr gerne gesehen sind. Jeder Amerikaner hat im Gespräch irgendwie deutsche Vorfahren, einen deutschen Nachbarn oder eine sonstige Beziehung zu „Deutschländ“. Unsere Tugenden und unsere Kultur werden hier sehr hoch geschätzt und kopiert. Deutsche Mitarbeiter finden sich in jedem größeren Tech-Unternehmen in San Francisco – in meiner subjektiven Wahrnehmung auch meistens in relativ hohen Positionen. Viele der jungen Amerikaner in der Tech-Branche waren schon einmal in Deutschland oder dem nahen europäischen Umland und werden nicht müde zu betonen, wie gut bei uns alles funktioniert: Soziale Systeme, Nahverkehr, Sauberkeit, Pünktlichkeit und solche Aspekte hinterlassen einen guten Eindruck in der Welt.

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Vom typischen Patriotismus ist in der Tech-Branche nur wenig zu spüren – die jungen Menschen wissen ganz genau, wo ihre kulturellen, infrastrukturellen und politischen Schwächen liegen. Von den Problemen, die wir in Deutschland im digitalen Bereich und bei Startups gerne sehen, zum Beispiel übermäßig protektiver Datenschutz oder überbordende gesetzliche Kontrollen, sowie mangelnde Investitionsbereitschaft, wissen in den USA nur wenige. Nur wer sich sehr genau mit Deutschland beschäftigt hat, kennt diese Probleme.

Deutsche sind im Silicon Valley gern gesehen – sollten aber Englisch beherrschen. (Foto: Moritz Stückler)

Deutsche sind im Silicon Valley gern gesehen – sollten aber Englisch beherrschen. (Foto: Moritz Stückler)

4. Dear Germans, improve your fucking English!

Ja, natürlich kommt man „mit Hand und Fuß“ in den USA irgendwie zurecht und schafft es, sich verständlich zu machen – die Leute sind ja auch extrem hilfsbereit. Wer aber glaubt, mit gebrochenem Englisch effektiv arbeiten zu können, der irrt sich. Es ist etwas anderes, ob ich jemanden nach dem Weg frage, oder ob ich ihm eine Geschäftsidee vorstellen oder ihn als Kunden gewinnen möchte. Amerikaner legen bekanntlich viel Wert auf Fassade und Oberflächlichkeiten. Eloquenz und Sprachkenntnisse gehören definitiv zu diesen Eigenschaften. Wenn du dein Anliegen nicht überzeugend und selbstbewusst präsentieren kannst, hast du schlechte Karten. Und eine selbstbewusste Präsentation in gebrochenem Englisch und Eins-zu-Eins-Wörterbuch-Englisch ist nur schwer zu absolvieren. Ich habe viele guten Ideen mit deutscher Beteiligung im Silicon Valley gesehen, die durch mangelnde Englischkenntnisse definitiv negativ wahrgenommen wurden.

5. Bilde dir nichts darauf ein, dass du im Silicon Valley warst/bist/sein wirst

Das Silicon Valley gilt immer noch als das Mekka der Tech-Welt – zu Recht! Aber bitte, bilde dir nicht ein, nur weil du ein paar Wochen oder Monate in San Francisco oder im Silicon Valley verbracht hast, wirst auf magische Weise zum Startup- oder Technik-Flüsterer und in Deutschland muss jeder deine Ratschläge befolgen. Bitte fang nicht an, deine Unterhaltungen mit „Aber im Silicon Valley…“ zu beginnen, oder Leuten schon vor deinem Namen zu verraten, dass du ja Zeit im Silicon Valley verbracht hast. Und nein, es gibt auch keinen inoffiziellen Orden oder Abzeichen für deine Zeit im Valley. Natürlich ist es für jeden eine tolle und besondere Erfahrung, und es ist absolut lobenswert, darüber zu bloggen oder viel zu erzählen, sowohl Freunden als auch den Kollegen.

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Trotzdem ist das Silicon Valley letztendlich nur ein dichtbesiedelter Ballungsraum in den USA, und auch dort liegt die Weisheit nicht auf der Straße. Mal für ein paar Wochen in San Francisco gearbeitet zu haben hat leider primär mit dem Geldbeutel zu tun und nur erst danach mit der Qualität deiner Arbeit.

Silicon-Valley-Aufenthalt: Eine tolle Referenz, aber kein Grund zum Angeben. (Foto: Moritz Stückler)

Silicon-Valley-Aufenthalt: Eine tolle Referenz, aber kein Grund zum Angeben. (Foto: Moritz Stückler)

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Christian

„Viele Geschäftsideen sind nichts weiter als heiße Luft mit einem schönen Logo.“ Der Satz hat mich doch erstaunt ^^ Sonst wird doch immer alles als „das nächste große Ding“ gefeiert. Alles ist super auch wenns keiner braucht.
„wie gut bei uns alles funktioniert: Soziale Systeme, Nahverkehr, Sauberkeit, Pünktlichkeit“ Die Punkte kamen mir hier in Berlin schonmal besser vor. Da kann man schon jeden Tag mit einer Verspätung der S-Bahn rechnen. Habe aber auch keine Ahnung wie es in Amerika aussieht.

Antworten
Moritz Stückler

Glaub mir, dass selbst die Berliner S-Bahn für die Bay Area ein Leckerbissen in Sachen Logik, Pünktlichkeit und Preisgestaltung wäre. Das Gegenstück zur S-Bahn in San Francisco nennt sich Bart und ist teuer, alt, laut, unpünktlich und hat nur eine handvoll Stationen in der Innenstadt.

Antworten
Jochen G. Fuchs

Nahverkehr ist in US-Städten im Allgemeinen nicht vergleichbar mit dem deutschen ÖPNV. Historisch sind viele Straßenbahnen verschwunden, im Zuge der Motorisierung der Gesellschaft und der Zunahme des Individualverkehrs. In den letzten Jahren kommt das Thema Straßenbahn allerdings wieder auf den Tisch. http://orf.at/stories/2206235/2206236/

Die Liste der Städte mit Straßenbahnen ist recht überschaubar: http://www.wikiwand.com/de/Liste_von_Städten_mit_Straßenbahnen#/Vereinigte_Staaten

Zum Vergleich Deutschland:
http://www.wikiwand.com/de/Liste_von_Städten_mit_Straßenbahnen#/Deutschland

Antworten
marina

..und wer etwas mehr über die Kultur in SF abseits der Startup Szene erfahren möchte:

http://www.theshapeup.co/san-francisco-through-the-eyes-of-an-unprepared-european/

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