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Web Experience Management: Wie die eigene Website und Facebook sich ergänzen

Social Media sind für viele Unternehmen bereits alltäglich: Sie folgen ihren Kunden in die Netzwerke und die ersten geben ihre Website dafür sogar ganz auf. Im Schlagwort „Web Experience Management“ stecken dagegen die Gründe, warum eine eigene Website für Organisationen und Unternehmen auch weiterhin das Zentrum ihrer Online-Kommunikation sein wird.

Von Daniel Hinderink
6 Min. Lesezeit
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Jüngst entschied sich der Egmont-Verlag, die Website für das Magazin FHM ganz aufzugeben und durch eine Seite bei Facebook zu ersetzen. Über die Gründe, die den Verlag bewogen haben sich so zu entscheiden, kann, wegen der eher dürften Auskunft des Verlages selbst, nur spekuliert werden. Nach eigenen Angaben wollte man den Besuchern dort begegnen, wo sie sich aufhalten. Man folge einem Trend aus den USA berichtet kress: „Dort würden Filme, CDs und ganze Kampagnen auch nur noch auf Facebook stattfinden.“ Stimmt, aber eine periodisch erscheinende Zeitschrift ist kein singuläres Produkt wie ein Film oder eine CD. Ein Blick auf ein viel näher liegendes Beispiel, nämlich FHM USA zeigt auch, dass man dort weiterhin eine Website betreibt, die mit den Aktivitäten bei Facebook „nur“ verwoben ist.

„Die Interaktion mit unseren Lesern ist für uns das Wichtigste.“

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Eine Vermutung ist, dass man angesichts fehlender Erlöse aus den Werbeinnahmen der Website die Kosten eines notwendigen Relaunchs gescheut hat und dies die günstigste Möglichkeit war, weiterhin online präsent zu sein. Aber auch die richtige?

Kampflose Kapitulation

Das Beispiel FHM ist besonders dankbar, weil die Frage, ob diese Entscheidung zum Unternehmen passt, sich so besonders plakativ selbst beantwortet.

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Denn die Nachteile der Entscheidung liegen bereits heute auf der Hand:

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  1. Aufgabe der Möglichkeit eines geschlossenen Markenauftritts: Der Egmont-Verlag hat sich damit von Facebook abhängig gemacht und die Marke FHM online bis auf weiteres untrennbar mit der von Facebook verbunden. Er kann das eigene online Angebot weder funktional noch gestalterisch vollständig von Wettbewerbern differenzieren.
  2. Aufgabe der autonomen Speicherung (und Verwertung) von Inhalten: Seine Inhalte sind bei Facebook gespeichert und damit abhängig: zum einen von deren, bislang sehr stabilen Infrastruktur und den Funktionen, die häufigen Änderungen unterworfen sind. Auch wenn sich jedes Unternehmen, das sich allein auf Facebook verlässt, entscheiden sollte, über eigens entwickelte Facebook-Applikationen für ein Mindestmaß an Eigenständigkeit zu sorgen, geschieht dies im visuellen Rahmen von Facebook.
  3. Preisgabe der Benutzerdaten: Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass nicht nur der Content-Lieferant über Facebooks „Insight“-Funktionen Daten sammelt, sondern auch Facebook und viele weitere. Daten über Nutzer und Benutzung ist die Währung, mit der Seitenbetreiber für das Angebot von Facebook bezahlen. Wer das für wertlos hält, der hat schon das Geschäftsmodell von Google nicht verstanden.
  4. Aufgabe der Werbeeinnahmen: Denn das Wissen über die Nutzer ist der Schlüssel zu immer feinerer Abstimmung der werblichen Kommunikation auf deren Interessen und Bedürfnisse. Das ist das Versprechen an die Werbetreibenden. Ein Unternehmen, und speziell ein Verlag, der seine Marke einer Werbeplattform als Magnet zur Verfügung stellt, ohne dort selbst Werbeeinnahmen generieren zu können, gibt dieses Geschäft kampflos auf. Im Print wäre das vergleichbar mit einer Entscheidung, nur noch Inhalte zu liefern, aber Layout, Werbeanzeigen (und Einnahmen) und Formate einem anderen zu überlassen.
  5. Aufgabe der Rolle eines Verlages (im Web): Wenn Facebook jetzt noch mehr Funktionen zur Individualisierung, zur Eingabe und Präsentation von Inhalten und ein Beteiligungsmodell am Abruf von journalistischen Inhalten nachlegt und andererseits der Schwund im Printbereich weitergeht, dann können sich viele teilwerbefinanzierte Unternehmen wie z. B. Verlage zu Recht überflüssig vorkommen. Erkannt hat Facebook die Zielgruppe der Journalisten und Publikationen bereits und gibt ihnen best practice Beispiele zur Integration (nicht Migration) an die Hand. In dieser Hinsicht wird zweifelfsohne noch mehr folgen.

Weiter gedacht können Journalisten bald ein Magazin ganz ohne Verlag bei Facebook & Co online publizieren und es stellt sich die Frage, ob der Egmont-Verlag nicht in einem Akt vorauseilenden Gehorsams das getan hat, was Wirtschaftswissenschaftler „Disintermediation“ nennen: die Eliminierung von Vermittlern in einer Wertschöpfungskette. „Laß ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh’ er mich verdrängt.“ heißt es in Goethes Egmont.

Das gilt natürlich nur für Verlage und ähnlich gelagerte Geschäftsmodelle. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade ein Verlag diesen Schritt getan hat, der so offensichtlich gegen sein angestammtes Geschäftsmodell gerichtet ist.

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Die Website im Zentrum der Online Präsenz

Aber nicht nur Verlage sind schlecht beraten, ihre Online-Marke einfach in fremde Hände zu legen. Fast kein Unternehmen wird fremde Werbung neben eigenen Inhalten wollen, und selbst wenn Facebook gegen Gebühr werbefreie Unternehmensseiten anbieten sollte, gelten immer noch alle Gegenargumente in Sachen Differenzierungsmöglichkeiten, Autonomieverlust, Datenkontrolle.

Die Antwort ist nicht Facebook-Abstinenz, aber ein sinnvoller Einsatz in einem klugen Mix aus den besten Funktionen und Angeboten im Netz, in Kombination mit einem individuellen und effizient kommunizierenden eigenen Webauftritt im Zentrum. Der große Unterschied zwischen heute und der Situation vor einigen Jahren ist, dass die eigene Präsenz im Web nicht auf die eigene Website und bestenfalls noch ein paar Reflektionen der PR-Arbeit beschränkt ist. Die Präsenz verteilt sich auf viele Orte und Medien, die in einem zentralen Ort, der eigenen Website „verankert“ sind. Die Website „spiegelt“ und verknüpft die Aktivitäten im Web.

Web Experience Management: einmal von innen nach außen (und zurück)

Ein ausnahmsweise hilfreiches Schlagwort heißt „Web Experience Management“ und verbindet Social-Media-Marketing mit den Klassikern Content Management, Digital Asset Management und Brand Management. Im Kern der Online-Präsenz steht die Marke, so wie sie verstanden werden will (CI, Markenkern), darum bauen sich in Schichten Ziele, Strategie, Gestalt (Corporate Design, Wording) auf. Als Reflektionen und „Kommunikationsstationen“ bzw. „Berührungspunkte in der Erfahrungskette“ stehen eine ausgewählte Zahl an „Satelliten“ zur Verfügung und eröffnen den Zugang zu kanalspezifischen Funktionen, Inhalten und Benutzern, die mit der Marke kommunizieren und mit denen die Marke kommunizieren kann.

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Die Social-Media-Elemente sind nur beispielhaft gemeint, dort könnten auch andere stehen.

Checkliste für einen gelungenen Start

Die Frage „Was ist meine Social Media Strategie?“ ist vielen im Marketing schon so geläufig, dass die Parodie als Phrasendreschmaschine unter What The Fuck Is My Social Media „Strategy“ genau zur rechten Zeit kommt. Tatsächlich geht es auch nicht darum, was für übergeordnete Ziele hier erreicht werden sollen, denn es sind immer dieselben: Rückkanäle eröffnen, „Mitmachen“ statt Passagier zu sein, die Konversation mitgestalten, Daten und Einsichten zu sammeln und im besten Fall neue Kunden zu gewinnen und bestehende als loyale Fürsprecher zu gewinnen. Wichtig ist viel mehr, ganz praktisch herauszufiltern, was man inhaltlich in welchem Format mit wem teilen möchte. Der richtige Kanal ergibt sich daraus praktisch von allein.

„Web Experience Management“ ist eine Summe aus einer überschaubaren, aber nicht minder wirkungsvollen Sammlung von Regeln:

  • Im Zentrum der Vernetzung steht der einzige Platz in dem du maximale Gestaltungsfreiheit hast: die eigene Website.
  • Kenne deine Zielgruppe, und verknüpfe deine Website mit den Diensten die sie benutzt.
  • (Oder/und) kenne deine „Digital Assets“ und nutze die Plattformen und Funktionen, die deren Qualitäten am besten zur Geltung kommen lassen.
  • Integriere diese Kanäle in deine Geschäftsprozesse inklusive des Feedbacks!
  • Betrachte neue Kommunikationsformen als Chance Erfahrungen zu sammeln, nicht als Gefahr einen schlechten Ruf zu riskieren.

Der letzte Punkt ist noch gültig, denn die Erwartungen der User werden natürlich stetig größer. Trotzdem, noch kann man sich Archibald Graf von Keyserlingk anschließen:

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„Heute deutet alles darauf hin, dass Web 2.0 dabei ist, zu einem allgemeinen Standard zu werden. Das Thema wird dann keine strategische und wettbewerbsdifferenzierende Rolle mehr spielen. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Noch gibt es ein Zeitfenster für visionäre und veränderungsbereite Unternehmen, um Wettbewerbsvorteile zu erobern. Jetzt besteht die Chance, sich rechtzeitig auf die Generation der Digital Natives einzustellen, für die eine digitale Lebenswelt ganz selbstverständlich ist.“

Heute besteht die Chance, in der Online-Kommunikation Versuche zu machen und neue Wege zu beschreiten. Aber immer noch unterschätzen Unternehmen die Relevanz des Internet für Kaufentscheidungen und verspielen damit wertvolle Zeit durch zu große Zurückhaltung.

Die vollständige Verlagerung der eigenen Online-Präsenz in eine einzige, in wesentlichen Teilen fremdgesteuerte Hand wie im Beispiel von FHM ist jedoch auch kein valider Gehversuch für eine tragfähige Online-Kommunikation, sondern eine Kurzschlussreaktion und eben ein Beispiel für die Überhitzung eines Trends und den damit einhergehenden Aktionismus.

Um das zu verhindern und das Nebeneinander der Kanäle und das Miteinander in der Kommunikation anschaulich zu erklären ist „Web Experience Management“ jedenfalls ein brauchbarer Begriff.

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Über den Autor

Daniel Hinderink ist Gründer und Partner bei dpool, einem Münchner IT-Dienstleister, der sich auf die Konzeption und Entwicklung von Informationsystemen im Intra- und Internet spezialisiert hat. Zu den Kunden zählen Adidas, Reebok, Sixt und einige mehr. Daniel gehört außerdem zu den treibenden Kräften des Erfolgs von TYPO3 im deutschsprachigen Raum und ist ein Insider, wenn es um Themen wie Content Management und Information Process Management geht. In den vergangenen Jahren hat er zahlreiche Vorträge bei diversen Konferenzen und Messen wie LinuxTag, CeBIT, Systems, Computer World und anderen gehalten.

Weiterführende Links zu aktuellen Facebook-News auf t3n.de: Facebook Chronik: 30 witzige und kreative Beispiele [Bildergalerie] – t3n News 12/2011

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13 Kommentare
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Dein t3n-Team

Mick2

Das sollten meine Profs mal lesen bzw. verinnerlichen…

Antworten
Henner

Sehr interessanter Artikel. Seine eigene Produktwebsite zugunsten einer Fanpage zu opfern, ist meines Erachtens ein Riesen-Unsinn. Vom Personalmarketing kommend, habe auch ich mir Gedanken gemacht, ob Unternehmen künftig auf ihre Karriere-Website verzichten können und sich ausschließlich auf Facebook zu präsentieren. Natürlich sollten sie das aus oben genannten Gründen nicht.

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