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Porträt

Angriff auf die Großen: Startups digitalisieren die Versicherungsbranche

Für die großen Versicherungen brechen mit der Digitalisierung schwere ­Zeiten an. Neue Technologien verändern den traditionellen Verkauf von Policen. Startups greifen mit schlanken und kreativen Lösungen an. Wie gehen die Brachenriesen damit um?

Von Katharina Heckendorf
12 Min.
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(Foto: Signals)

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Hinter einer Glastür im ehemaligen Postamt von Berlin-Mitte beginnt das Reich von Johannes Rath: Hier, zwischen alten Perserteppichen vom Flohmarkt und teuren Vintage-Schreibtisch­lampen hockt der ­blonde Zweimetermann mit dem angedeuteten Undercut an einem großen runden Holztisch – und erzählt mit ausladenden Gesten davon, wie er sich die Zukunft der Signal Iduna vorstellt.

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Als Chief Digital Officer soll der 34-Jährige den 100 Jahre alten Versicherungskonzern fit für die Zukunft machen. Kein leichter Job, denn die Zeiten für Versicherungen sind rauer geworden: Mit den niedrigen Leitzinsen lässt sich das Kapital nicht mehr so leicht erhalten. Der Markt ist gesättigt, die Kunden in Deutschland und anderen westlichen Ländern ­haben die wichtigsten Versicherungen schon abgeschlossen. Und nun machen den klassischen Versicherern auch noch die Insurtechs ­Konkurrenz. Also werden ­Zukunfts- und Strategieprogramme geschmiedet, Sparpläne und Stellenkürzungen verabschiedet. Die Signal Iduna zum Beispiel will Kosten von 140 Millionen Euro sparen und rund 1.400 Stellen kürzen, bei der Axa Versicherung sollen zehn Prozent der Vollzeitstellen eingespart werden, und auch Allianz oder Zurich vermeldeten in den vergangenen Monaten Personalabbau. „Für die Versicherungen ist der Wandel so schwer, weil ihr Kerngeschäft traditionell darin besteht, Risiken zu vermeiden und zu managen – und jetzt sollen und müssen sie etwas wagen und ­Risiken eingehen“, sagt Michaele Völler. Sie ist Professorin am Institut für Versicherungswesen und leitet die Forschungsstelle für den Versicherungsmarkt an der TH Köln.

Vielfältige Altlasten

Neues wagen, das soll auch CDO Johannes Rath für Signal Iduna in den Open ­Studios in Berlin. Und genau genommen ist er damit ziemlich spät dran: Das Studio eröffnete im Herbst des vergangenen Jahres – als Allianz, Ergo und andere ihre Labs und Hubs längst gegründet hatten. „Hätten wir nach der Eröffnung nicht unter Hochdruck gearbeitet, hätten wir etwa für unsere Cyberschutzlösung den Markt­eintritt verpasst“, sagt Rath.

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Signal Idunas „Open Studios“ in Berlin wollen Startups und etablierte Branchen­größen zusammenbringen. (Foto: Signals)

Wie kann man eine Riesenorganisation mit Tausenden Mitarbeitern in die Zukunft bringen? Welche Altlasten muss man loswerden, um sich gegen die Insurtechs durchzusetzen? ­Welche Produkte sind in Zukunft überhaupt noch gefragt? Das sind ­Fragen, die Johannes Rath seither beschäftigen.

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Dass die Welt nicht mehr ist, wie sie war, das soll die Installation am Eingang der Open Studios verdeutlichen: Hier hängen unter anderem Turnschuhe, die mit dem Smartphone verbunden ­werden können, ein selbstfahrender Roboter und ein intelligentes Türschloss. „Die ganze Welt besteht mittlerweile aus Signalen“, beschreibt es Johannes Rath. Alles, was er und sein Team machen, soll diese Vernetzung berücksichtigen. Denn die Technologie verändert die Kundenbedürfnisse: Eine gute Versicherung, das bedeutete für Kunden früher schlichtweg, dass sie zahlt, wenn ein Schaden entstanden ist – wenn der Keller vollgelaufen ist oder man den Autospiegel des Nachbarn abgefahren hat. Das seitenlange Kleingedruckte schien niemanden ernsthaft abzuhalten, es gab ja keine Alternativen. Heute aber ist Absicherung alleine nicht entscheidend, weiß ­Michaele Völler. „Der Kunde ist verwöhnt, eine tolle Deckung allein lockt kaum einen“, sagt sie. Stattdessen soll es einfach sein: „Die Erfahrungen, die Kunden in der digitalen Welt mit pfiffigen ­Anbietern und den digitalen Giganten machen, prägen auch ihre Erwartungen an etablierte Versicherungsunternehmen.“ ­Flexiblere Produkte und besserer Service. Das ist heute wichtig – ­quasi eine „Amazonisierung“ der Versicherungswelt.

Um dem Bedarf der Kunden nachzukommen, reicht es aber nicht, eine Browseranwendung für die Schadensmeldung zu programmieren, wenn alle anderen Prozesse so bleiben, wie sie sind. Die stabilen Einnahmen über viele Jahre haben die ­Branche ­träge gemacht: ­Ineffiziente Prozesse wurden ­beibehalten, zu viele Mitarbeiter weiter beschäftigt, alte Computersysteme weiter ­genutzt und in starren Hierarchien und wenig kundenorientiert ge­arbeitet. Michaele Völler zitiert den ehemaligen ­Telefonica-Chef und heutigen Eurowings-CEO Thorsten Dirks: „Wenn Sie einen Scheißprozess haben und den digitalisieren, dann ­haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“

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Gründe für solche „scheiß digitalen Prozesse“ lassen sich auch bei den Versicherungen ausmachen: Teilweise liegen die immensen ­Daten der Versicherer auf Großrechnern aus den Siebziger Jahren – und können nur schwer verarbeitet oder gar zusammengeführt werden. Außerdem müssen Versicherungen eine Heerschar von Vermittlern unterhalten, die bis zu einem Drittel Provision fordern. Bei der Signal Iduna sind das laut Geschäftsbericht 27.435 haupt- und ­nebenberufliche Vermittler, zusätzlich zu den über 7.000 Mitarbeitern. Gerade die jüngeren Zielgruppen erreicht man aber besser im Netz. Vertreter aber kann man nicht von heute auf morgen rauswerfen. Die Konzerne stehen vor Konflikten, die sich nur schwer lösen lassen.

Johannes Rath soll den Dortmunder Versicherungsriesen Signal Iduna fit für die digitale Transformation machen. (Foto: Signals)

Johannes Rath steht vor der schwierigen Aufgabe, seine Zukunftspläne umzusetzen, auch wenn es an einigen Stellen wehtut. Dabei muss er die Leute aus den Hauptsitzen in Dortmund und ­Hamburg mitnehmen. So trägt er zum Beispiel in Berlin Jeansjacke und Turnschuhe, in Dortmund Anzug. Er weiß, was nötig ist: Er war einer der Ersten, der erkannt hat, dass sich die Versicherungsbranche wandeln muss – und gründete vor sieben Jahren Sijox als Tochter der Signal Iduna. „Ich dachte, alles um uns herum wird digital, und wir verkaufen unsere Versicherungen immer noch mit einer Ledermappe unterm Arm.“ Seither verkaufen die Vertreter die Pakete, die speziell für die junge Zielgruppe entwickelt wurden, nicht mehr auf Papier, sondern mit dem iPad. Wer sich darüber informieren will, kann mit ­ihnen chatten oder skypen. Im Geschäftsbericht aus dem Jahr 2014 heißt es: „Mit unserer jungen Marke Sijox sind wir schon im digitalen Zeitalter angekommen.“

Angekommen, das weiß man heute, ist man damit noch nicht. Denn die Kultur in den Unternehmen muss sich wandeln. Starre Hie­rarchien und Prozesse müssen abgeschafft werden. In vielen Versicherungsgesellschaften fehle es an einer ­„echten ­Innovationskultur“, konstatiert die Lünendonk-Studie „Versicherer in der Zeitfalle“ 2018, für die 104 Führungskräfte aus Versicherungen im deutschsprachigen Raum befragt wurden. 38 Prozent von ihnen bemängelten eine fehlende Innovationskultur in ihren Unternehmen, um neue Ideen schnell zur Marktreife zu bringen und sich so Wettbewerbsvorteile zu sichern, heißt es dort.

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Deshalb lernen die Mitarbeiter aus den Hauptsitzen der Signal ­Iduna in den Open Studios in Berlin agile Methoden kennen und diskutieren, wie sich Führung verändern muss. Mehr als 1.300 Menschen seien schon zu Besuch gewesen, erzählt Rath. Wie genau die Zukunft der Versicherung aussehen soll, das weiß hier keiner so genau. Aber: Sie probieren es jetzt zumindest. „Wir liefern hier“ – mehrmals sagt ­Johannes Rath diesen Satz. Die Betonung ein Hinweis darauf, dass noch längst nicht jeder im Konzern an den Erfolg der neuen Maßnahmen glaubt.

Ein „Big Player“ mit 100 ­Mitarbeitern?

Da hat es die digitale Konkurrenz einfacher. Das zeigt etwa das ­Berliner Insurtech Coya.* Gründer Andrew Shaw sagt: „Unsere Kunden mögen es nicht, wenn jemand Fremdes bei ihnen auf dem Sofa sitzt.“ Außerdem würden Versicherungen beim Kunden häufig Frust und Enttäuschung wecken, erzählt der 36-Jährige. Diese Erkenntnis hat er im ­Urlaub auf Bali gewonnen: Eine Tropenkrankheit hatte ihn erwischt, die Nummer seiner Auslands­krankenversicherung aber war weit weg, in „irgendeinem ­Ordner“ in Deutschland. „Ohne diese Nummer wollte man mir nicht helfen. Ich lag fiebrig im Bett und konnte nicht fassen, wie die mit mir ­umgegangen sind, obwohl sie seit Jahren Geld von mir bekamen.“ Er nennt das ein „Trust Paradox“.

Mit Coya hat er daraufhin eines der kapitalschwersten ­Insurtechs Deutschlands gegründet. Schon in der ersten Finanzierungsrunde haben die Berliner 30 Millionen US-Dollar sammeln können. ­Hinter einer alten Backsteinfassade in Kreuzberg arbeiten Shaw und sein rund 60-köpfiges Team. Unter grellem Neonlicht stehen weiße Schreib­tische mit großen schwarzen Bildschirmen dicht an dicht. Der strahlende Sonnenschein dieses Sommertages findet keinen Weg nach ­innen. Eine Armlänge vom Fenster entfernt beginnt schon die ­nächste Hausfassade. Wer hier arbeitet, tut es nicht, weil das Büro so schön ist. Es ist Andrew Shaw, der hier Techies und alte Hasen aus dem ­Versicherungsgeschäft um sich geschart hat. Dunkle kurze ­Haare, gelbes Gummiband am Arm. Blaues T-Shirt, das an Fußballtrikots aus den Siebzigern erinnert. Seine Mitarbeiter sagen über ihn: „Manchmal hat er zu viele Ideen. Er ist ein Getriebener.“ Und auch etwas größenwahnsinnig wirkt er: Um zu den größten deutschen Versicherungen zu gehören, brauche er in Zukunft vielleicht 100 Leute, schätzt Shaw. ­Diese Einschätzung findet ­Michaele Völler „ambitioniert“: Das sei selbst dann schwierig, wenn man wenige Kunden mit großen Volumen habe. Allein wegen der Berichtspflichten und der vielen Anforderungen seitens der Aufsicht, sagt sie.

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Gründer Andrew Shaw (ganz rechts) hat mit seinem Insurtech Coya schon in der ersten Finanzierungsrunde 30 Millionen US-Dollar eingesammelt. (Foto: Coya / Christian Manthey)

Vielleicht frech, vielleicht hat Shaw aber auch genau die Spur Selbstbewusstsein, die man braucht, wenn man eine ­Versicherung gründen will. Schließlich gibt es kaum einen Markt mit so hohen Markteintrittsbarrieren wie die Versicherungs­branche. An einer Wand am Büroeingang hängt der ganze Stolz der kleinen Firma, die vor wenigen Tagen erhaltene Lizenz der deutschen Finanzaufsicht. Neun Monate hat das Team daran gearbeitet: „Durchaus ein Kraftakt für eine junge Firma“, sagt Shaw, der um zehn Uhr morgens übermüdet seine Club Mate schlürft. Mit der Lizenz haben sie den größten Vorteil eingespielt, den die klassischen Versicherer in Deutschland noch haben, das Okay der Behörden. Jetzt soll es schnell gehen, in wenigen Wochen soll das erste Produkt fertig sein.

Eine Hausratversicherung soll den Anfang machen. Allerdings nicht irgendeine: Sie soll an den Lebensstil der jungen ­Generation angepasst sein. Individuell, einfach verständlich, keine Fallen,­ ­jederzeit kündbar, verhältnismäßig günstig, so verspricht es Shaw. „Live more“ lautet der Slogan. „Bei uns kannst du dein Fahrrad oder dein Snowboard mit einem Knopfdruck schnell versichern, solange du es nutzt.“ Das wirklich Besondere sieht man als Kunde aber nicht: Eine künstliche Intelligenz soll die Kunden kennenlernen und mit den gesammelten Daten maßgeschneiderte Produkte entwickeln und diese vorschlagen. Das viele Geld für die Versicherungsvertreter können sie sich bei Coya also sparen, zumindest solange die Kundenbedürfnisse automatisiert verarbeitet werden können.

Diese Versicherung weist den Weg in die Zukunft, glaubt Shaw. Nah am Kunden – einfach und flexibel. Aber der Startup-­Gründer täuscht sich, wenn er meint, das würden die Etablierten nicht versuchen. Auch Menschen wie Johannes Rath ist klar, dass sie Kunden viel mehr entgegenkommen müssen als früher. ­Versicherungen seien eben kein „Love-Product“, sagt er.

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Auch die Etablierten spielen mit

Er und sein Team haben eine Versicherung speziell für BVB-Fans entwickelt: Die „Versicherung 09“ ist eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung für Fußballfans mit Gamification-Elementen. Je mehr Tore in der Saison fallen, desto billiger wird die Police. Wer den Schaden selbst beseitigt, wird dafür mit einem Kasten Bier und dem entsprechenden Stundenlohn vergütet. Geht ein Trikot oder der ­gelbschwarze Schal kaputt, wird der Betrag erstattet. Wer lange schadenfrei bleibt, kriegt Geld zurück. So nur einige der Ideen. „Es geht darum, Versicherung erlebbarer zu machen“, sagt Johannes Rath. „Der Kunde muss mehr wahrnehmen als nur den Rechnungsversand.“ Insofern sei das genau der richtige Ansatz, findet auch Michaele Völler von der TH Köln. „Mehr Interaktionspunkte und einen erlebbaren Mehrwert schaffen“, so nennt sie das.

„Die Startups denken stark vom Kunden her“, sagt Völler. ­Daran arbeiten auch die Etablierten: Die Kölner Axa etwa mit der App Wayguard, die per GPS einen sicheren Heimweg garantieren will. Wer allein unterwegs ist, schaltet die App ein und meldet sich dort wieder, wenn er sicher zu Hause angekommen ist. Im Notfall können Nutzer schnell einen Hilferuf absetzen und direkt geortet werden. Die Talanx-­Versicherung bietet bei der Tochter HDI eine Autoversicherung an, bei der das Auto mit einem automatischen Notrufsystem ausgestattet ist und zusätzlich die vorausschauende Fahrweise des Kunden überwacht, die dann gegebenenfalls mit Amazon- oder Tankgutscheinen belohnt wird.

Doch auch Firmenkunden und andere Versicherer werden anspruchsvoller. So hat die Rückversicherung Munich Re, die die Risiken der herkömmlichen Versicherungen absichert, im März die sogenannte „Data Hunting Unit“ eingerichtet. Das Team um Physikerin Margit Hoffmann ist auf der Jagd nach jenen Daten, die helfen, Risiken besser abzuschätzen, beispielsweise für die Wahrscheinlichkeit eines Wasserschadens in einer bestimmten Region. Hoffmanns Einheit führt etwa Daten über das Alter der Gebäude und der Wasserqualität zusammen und schaut, ob sich damit mögliche Wasserschäden besser kalkulieren lassen, erzählt sie. Die Schwierigkeit: „Es gibt eine Million Blätter in dem Wald da draußen, wir müssen erst einmal den richtigen Baum mit den relevanten Informationen finden“, sagt Hoffmann. Dabei geht es nicht nur darum, das Risiko für sich selbst besser zu berechnen, sondern auch darum, den Kunden der Rückversicherung, also den Erstversicherern, einen Service zu bieten, sodass diese ihre Policen besser berechnen können.

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Auch für die Kunden aus der Industrie hat die Versicherung schon eine Idee: In Kooperation mit dem Robotikhersteller Kuka möchte die Munich Re Industriekunden dabei unterstützen, ihre Maschinen so mit Sensoren nachzurüsten, dass sich lang andauernde Betriebsunterbrechungen frühzeitig erkennen lassen.Damit könne das reine Versicherungsprodukt sogar günstiger werden, weil tage- oder wochenlange Produktionsausfälle vermieden werden, so die Idee. Letztlich zerstört die Munich Re damit sogar ihr eigenes Geschäftsmodell: „Wenn das funktioniert, verdienen wir auch weniger mit reinen Policen, das ist uns bewusst“, sagt ein Sprecher der Munich Re. Allerdings wandele sich die Branche ohnehin – und entweder man mache mit oder man verliere früher oder später den Anschluss, so ist die Logik. Die Munich Re wolle sich deshalb zum Anbieter von Dienstleistungen wandeln.

Die neuen Technologie macht Teile des Geschäftsmodells der ­Versicherungen obsolet. Auch die Blockchain-Technologie hat dieses Potenzial: Die Kölner Axa hat eine voll automatische Versicherungspolice namens „Fizzy“ per Ethereum-Blockchain programmiert, die ihre Kunden gegen Flugverspätungen absichern soll. Der Kauf der Flug­tickets und auch die Schadensmeldung werden im Falle einer Verspätung über die Blockchain ­abgewickelt. Auch andere Branchenführer arbeiten mit der Technologie, etwa gemeinsam in der ­B3i-Initiative, die 13 Versicherungen gegründet haben, darunter die Allianz, ­Generali und Munich Re.

„Unsere Kunden mögen es nicht, wenn jemand ­Fremdes bei ihnen auf dem Sofa sitzt.“

In der ganzen Branche werden Kooperationen geschlossen, die sowohl Prozesse vereinfachen als auch völlig neue Geschäftsbereiche erschließen sollen. B3i ist eine davon, eine weitere das Insurlab Köln, in dem Axa, Barmenia oder die DEVK zusammenarbeiten. Dabei wird nicht nur mit ehemaligen Konkurrenten auf dem eigenen Gebiet gemeinsame Sache gemacht, sondern auch mit branchenfremden Unternehmen, wie das Beispiel Kuka zeigt. Und natürlich massenhaft mit Startups. Denn häufig sind sie die Vorreiter bei Big Data oder künstlicher Intelligenz. Fast alle klassischen Versicherungen kooperieren mit jungen ­Firmen, um sich den Zugang zu diesen Technologien zu sichern.

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Noch geht aber Weniges über Ausprobieren hinaus: Laut einer aktuellen Umfrage der Beratung PwC ist die Technologie bei 68 Prozent der befragten Unternehmen „noch nicht Teil der strategischen Planung“. Nur jeder fünfte Versicherer geht davon aus, dass die Blockchain den Versicherungmarkt in fünf Jahren „stark“ verändern wird.

Ort der Begegnung und Kooperationen

Auch Johannes Rath von der Signal Iduna hofft darauf: ­„Signals Open Studios sollen ein Ort der Begegnung sein“, sagt der 34-­Jährige. Auf Veranstaltungen mischen sich hier Leute mit ­Anzug mit Berliner ­Hipstern und ewig jungen Sommer­schalträgern. Startups können sich hier für 290 Euro pro Monat und Schreibtisch einmieten. Auch der hauseigene Kapitalgeber ­Signals VC sitzt hier: Ein kleines Team investiert früh in junge Unternehmen, die sich mit künstlicher Intelligenz, Automatisierung oder Big Data beschäftigen. Eines der ersten Investments etwa war Sales Hero, ein Berliner Startup, das Verkaufsprozesse mit einer künstlichen Intelligenz effizienter machen will.

Ob beim informellen Bier, beim Kaffee holen oder mit kapitalunterstützten Partnerschaften mit Startups: Hier sollen Synergien entstehen. Etwa, indem neue Zielgruppen erschlossen oder alte Zielgruppen neu kennengelernt werden. Zum Beispiel das Lebensmittelhandwerk: Mit dem Startup How I like, das hier Schreibtische angemietet hat und smarte Kühlschränke mit Lebensmitteln fürs Büro vertreibt, habe Signals den Finger am Puls der Zeit, sagt Rath: „Wir ­sehen, was die Branche bewegt und welche Produkte wir entwickeln sollten.“

Auch Andrew Shaw von Coya beobachtet die Digitalisierungsvorhaben der Großen genau. Einige spannende Projekte gebe es, gibt er zu, ein gewisses Amüsement kann er allerdings nicht verbergen: „Es wird in Abteilungen und Hierarchien gedacht. Es werden Regeln befolgt, die man in einem Startup nicht kennt.“ Und: „Man entwickelt Dinge, die sind schon outdatet, wenn sie live sind.“ So lauten seine kurzen Einschätzungen. Den jungen Insurtechs wiederum mangele es häufig an der Versicherungskompetenz an sich, schreibt das Beratungsunternehmen Oliver Wymann in seinem „Insurtechradar 2017“. Viele würden deshalb mit Versicherern und Rückversicherern kooperieren, sich so Know-how und Kapital besorgen. Schließlich haben die klassischen Versicherer bei der Kalkulation der Policen oder bei der Einhaltung der Behördenauflagen jahrzehntelange Erfahrung. Andrew Shaw aber will dennoch vorerst unabhängig bleiben: „Wir haben genug Wissen intern“, sagt er. Sogar einen ehemaligen Manager der Allianz und einen Anwalt hat er ins Team geholt.

Und doch könnte künftig für beide Seiten ein Zugewinn in der Zusammenarbeit liegen. Selbst wenn das Ergebnis noch niemandem klar vor Augen steht, gilt es, sich jetzt auf den Weg zu machen und etwas zu wagen. Am Eingang zum Signals-Studio in Berlin Mitte steht Jörg, ein Roboter aus Pappe mit viereckigen Augen und Füßen aus Mülleimern. Er weist den Weg durch ein verrauchtes Treppenhaus in den zweiten Stock: „This way to the future“, steht auf seiner linken Hand. Auf der anderen „Don’t look back“. Jetzt müssen die Versicherer Letzteres hinkriegen.

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