Venture Capital bringt Open Source an den Aktienmarkt: Börsengang 2.0
Mårten Mickos, Chef des schwedischen Datenbankherstellers MySQL AB, hat gegenüber Journalisten angedeutet, dass sein Unternehmen ernsthaft über einen Gang an die Börse nachdenkt – wahrscheinlich noch in diesem Jahr. Mickos betonte aber auch, dass man es nicht eilig habe: Schließlich habe MySQL erst im Februar eine dritte Finanzierungsrunde über 18,5 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Von den 39 Millionen US-Dollar Risikokapital, die MySQL insgesamt erhalten habe, so Mickos, sei bislang erst die Hälfte ausgegeben – nicht zuletzt, weil das Unternehmen in den letzten Jahren bereits ordentliche Umsätze erzielte. 2005 meldete das Unternehmen bereits Gewinne bei kräftigem Wachstum, 2006 sollen Umsatz und Kundenzahlen weiter gestiegen sein. Allerdings hat MySQL bislang noch nie konkrete Zahlen genannt.
Venture Capital
Sehr überraschend ist der Drang an die Börse nicht: Wenn Venture Capitalists Geld in ein Unternehmen investieren, denken sie immer auch schon an den Exit, also den Ausstieg aus dem Investment, sei es durch einen Börsengang oder den Verkauf des Unternehmens. Aber für MySQL ist Verkaufen offenbar keine Option: 2005 gab es ein Angebot von Oracle, das MySQL ausschlug, weil man unabhängig bleiben und weiter wachsen wollte, wie Mickos damals erklärte. Letztlich bleibt dann nur der Börsengang.
MySQL ist beileibe nicht die einzige Open-Source-Firma, in der Risikokapital steckt. In den letzten Monaten floss Venture Capital unter anderem in die Linux-Appliance-Schmiede rPath, den Embedded-Anbieter MontaVista, den Virtualisierungsspezialisten XenSource, den deutschen Groupware-Hersteller Open-Xchange und den PHP-Spezialisten Zend. Auf der Konferenz Open Source Meets Business, die im Januar in Nürnberg stattfand, erklärten mehrere Venture Capitalists unisono, warum Investoren Open Source mögen.
Es gibt sie, die Beispiele für zumindest finanziell erfolgreiche Firmenverkäufe: der deutsche Linux-Distributor Suse etwa, der jetzt zu Novell gehört, oder Middleware-Spezialist JBoss, mittlerweile unter dem Dach von Red Hat. Dass aber alle genannten und viele weitere ungenannte Open-Source-Firmen ihre Käufer finden, ist eher unwahrscheinlich, zumal die Integration eines Open-Source-Unternehmens für ein traditionelles Softwarehaus durchaus eine Herausforderung darstellen kann. Novell musste das beim Kauf von Suse erfahren. Selbst die Hochzeit von JBoss und Red Hat, immerhin zwei Open-Source-Urgesteine, scheint nicht ganz ohne (zumindest atmosphärische) Spannungen abzugehen.
Open Source geht an die Börse
Es gibt schon eine Reihe von Open-Source-Firmen an der Börse. Um die Jahrtausendwende – die Dot-Com-Blase war gerade zum Platzen angefüllt – wagten in kurzer Folge mehrere Linux-Firmen den Schritt aufs Börsenparkett. Red Hat, heute eines der weltweit wichtigsten Open-Source-Unternehmen, machte 1999 den Anfang. Derzeit liegt der Preis der mit einer Vervielfachung ihres Wertes
gestarteten Red-Hat-Aktie, die mittlerweile an der New York Stock
Exchange (NYSE) gehandelt wird, ungefähr in Höhe des Ausgabekurses.
Allerdings wurde die Aktie Anfang 2000 im Verhältnis 2:1 gesplittet. Die Marktkapitalisierung liegt damit bei über vier Milliarden US-Dollar. Wenige Monate später folgte VA Linux – damals noch ein Anbieter von Linux-Servern, heute als VA Software unter anderem Betreiber des wichtigsten Open-Source-Hosters SourceForge – mit einem Rekordbörsengang. Damals hat sich der Preis der Aktie schon am ersten Handelstag verachtfacht. Mittlerweile dümpelt die VA-Software-Aktie deutlich unter Ausgabekurs.
Bei Linux-Distributor Caldera, mittlerweile als SCO Group in juristische Händel mit dem Rest der Linux-Welt verstrickt, war die Nachfrage im März 2000 bereits geringer. Die Aktie wird derzeit für etwa einen US-Dollar gehandelt, nachdem sie angesichts abnehmender Aussichten auf Erfolge in den Prozessen gegen IBM und Novell seit vergangenem Sommer kräftig an Wert verloren hat. Um die Liste der Linux-Firmen an der Börse komplett zu machen: 2001 ging Mandriva (damals noch MandrakeSoft) an die Pariser Börse und seit 2005 werden Aktien des auf Asien konzentrierten Anbieters TurboLinux in Japan gehandelt.
Die nächste Generation
Mit dem Softwareentwicklungs-Spezialisten Trolltech, seit Sommer 2006 an der Börse in Oslo gehandelt, wagte sich das erste Nicht-Linux-Unternehmen aus der Open-Source-Szene aufs Parkett. Die Aktie wird derzeit etwas unter dem Ausgabekurs gehandelt. Im Herbst folgte die deutsche Max21 AG, eine Beteiligungsgesellschaft, die mehrere kleine Open-Source-Unternehmen zu einem schlagkräftigen Ganzen vereinen will. Auch hier ist der Aktienwert etwas gefallen. Und nun steht also MySQL in den Startlöchern.
Droht uns eine neue New Economy, nur dass der Hype diesmal nicht dem Web, sondern Open Source gilt? Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Denn anders als der Datenbankhersteller MySQL, der bereits seit über zehn Jahren im Geschäft ist und sowohl eine Reihe zahlender Kunden als auch ein im Markt akzeptiertes Produkt vorweisen kann, stehen viele der „neuen“ Open-Source-Unternehmen noch ziemlich am Anfang. Solange das Risikokapital fließt und die Investoren nicht ungeduldig werden, dürfte sich der Drang an die Börse mit all den damit verbunden Auflagen bei den meisten Unternehmen in Grenzen halten. Aber wenn Open Source das Softwaregeschäft wirklich so umkrempelt, wie es viele vorhersagen, dann werden die Open-Source-Firmen kommen – auch an die Börse. Und die Investoren werden dabei ihren Schnitt machen.