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Marketing

„Ein Tesla ist das perfekte Produkt“: Brian Solis zur Zukunft des Marketings

Er ist einer der einflussreichsten Digitalanalysten der Welt: Mit seinen Büchern „Engage!“ und „The End of Business As Usual“ hat Brian Solis Unternehmen die Augen dafür geöffnet, wie soziale Medien die Kundenbeziehung revolutionieren und das Marketing verändern. Bis heute erforscht er die Auswirkungen disruptiver Technologien auf unser Leben und unsere Arbeit – in Sachen Social Media ist seine Euphorie allerdings deutlich abgekühlt. Wir haben ihn in Paris getroffen.

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Brian Solis im t3n-Interview (Foto: LeWeb / Flickr, Lizenz: CC BY 2.0)

t3n Magazin: In deinem neuen Buch hast du das Konzept des „vernetzten Kunden“ oder auch der „Generation C“ eingeführt, mit dem Unternehmen sich heute auseinandersetzen müssen. Was genau meinst du damit?

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Brian Solis: Im Marketing arbeiten wir mit vielen verschiedenen Generationsbegriffen: Da gibt es die Generation Z – Teenager und jünger – und die Generation Y, die Millenniums-Generation. Daneben existieren noch die Generation X, zu der ich gehöre, die Baby-Boomer und die Älteren. Ich erkläre das so genau, weil jeder annimmt, dass der digital vernetzte Kunde aus der jüngeren Generation kommt, die die ersten echten Digital Natives hervorgebracht hat.

Aber meine Forschungen haben gezeigt, dass sich das Verhalten aller Konsumenten ändert, wenn sie ein Smartphone oder Social Media benutzen. Die „Generation C“– für „Connected“ – bezeichnet daher Verbraucher egal welchen Alters, die diverse Verhaltensweisen eines digitalen Lifestyles teilen und sich insofern vom traditionellen Verbraucher stark unterscheiden. Diese Gruppe ist jetzt schon sehr groß und wächst rasant.

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t3n Magazin: Wie sieht die typische „Customer Journey“, also der Weg vom ersten Interesse bis hin zum Kauf, bei diesen Connected Customers aus?

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Brian Solis: Der „traditionelle digitale Kunde“ fällt eine Entscheidung, indem er googelt: Er klickt auf „Suchen“, bekommt Ergebnisse angezeigt und klickt sich von dort aus weiter. Der Connected Customer dagegen beginnt nicht mit Google, denn er will gar keine Webseite mehr besuchen, die im Grunde ja nur eine digitale Broschüre ist. Er hat ein genaues Ziel vor Augen – will vielleicht etwas kaufen oder unternehmen – und will möglichst schnell dorthin gelangen. Er informiert sich also bei jemandem, dem er vertraut und der dasselbe Interesse teilt. Zum Beispiel bei Youtube, wo ihm ein kurzes Video seine Frage beantwortet oder ihm einen wertvollen Rat gibt. Oder er macht eine In-App-Suche, geht zu Pinterest oder zu Facebook.

Die „Reise“ des Kunden ist heute also schon in ihrem Ausgangspunkt eine andere. Trotzdem investieren wir fröhlich weiter in Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinenmarketing und auf Reichweite ausgerichtete Social-Media-Kampagnen, um die Aufmerksamkeit der „traditionellen“ Kunden zu bekommen.

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Von der Bühne direkt ins t3n-Interview: Brian Solis nahm sich bei der LeWeb-Konferenz viel Zeit für das Gespräch mit Lea Weitekamp.

Von der Bühne direkt ins t3n-Interview: Brian Solis nahm sich bei der LeWeb-Konferenz viel Zeit für das Gespräch mit Lea Weitekamp.

t3n Magazin: Im Endeffekt geht die Customer Journey also weit über das uns vertraute Konzept der Produktsuche hinaus?

Brian Solis: Ja, das ist längst nicht mehr alles. Es geht um geteilte Erfahrungen. Nicht nur vor, sondern auch nach dem Kauf, wenn ich mit dem Kundenservice in Kontakt trete, mich mit anderen über das Produkt austausche, eine Rezension verfasse. In Zukunft müssen wir uns vor allem mit dem Erschaffen und dem Managen gemeinsamer Erfahrungen beschäftigen.

t3n Magazin: Was passiert, wenn Unternehmen ihre Customer-Journey-Modelle zu stark an „traditionellen“ Kunden ausrichten?

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Brian Solis: Das können wir im Alltag sehr gut beobachten: Die tatsächlichen Erfahrungen der Kunden sind heute holprig und fragmentiert – auch wenn immer mehr Unternehmen Apps und mobile Webseiten anbieten. Die Connected Customers sind schneller, besser informiert und effizienter. Sie wollen keine Zeit mit langwierigen Entscheidungen oder Transaktionen verschwenden. Eigentlich wollen sie innerhalb weniger Minuten an ihr Ziel gelangen. Doch obwohl wir mit dem Smartphone viel intuitiver agieren können, lassen sich viele Transaktionen darüber nicht abwickeln. Also wird ein zweiter Bildschirm, ein zweites Gerät für den letzten Schritt notwendig. Und das kostet unnötig Zeit. Die Unternehmen betrachten die Welt heute noch nicht durch die Augen ihrer Kunden – stattdessen zwingen sie sie dazu, ihre natürliche Umgebung zu verlassen. Das wird nicht mehr lange funktionieren.

t3n Magazin: Also Mobile First?

Brian Solis: Nicht nur „Mobile First“. Ich sage „Mobile Only“. Und auf längere Sicht wird das noch nicht einmal der letzte Screen sein. Noch in diesem Frühjahr kommt die Apple Watch, die wieder neue Möglichkeiten eröffnet, dann die Oculus Rift und dann – wer weiß?

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t3n Magazin: Was müssen Unternehmen ändern, um auf einer Ebene mit ihren Connected Customers zu sein?

Brian Solis: Heutzutage sind Dinge oft deshalb nicht Mobile Only, weil Firmen annehmen, sie wüssten selbst am besten, wie die Customer Journey aussieht. Sie überlegen, wie sie diese „Reise“ anpassen und sie mittels neuer Technologien effizienter, besser skalierbar und zeitgemäßer gestalten können – und iterieren auf Basis ihrer eigenen Annahmen, statt komplett zu erneuern. Zu wenige haben bisher gefragt: „Wie wäre es, wenn wir ganz von vorn anfangen und die Wünsche der Nutzer als Ausgangspunkt nehmen?“

t3n Magazin: Und wie schaffen es Unternehmen, nicht mehr nur durch die eigene Brille zu schauen? Wie kommen sie dem tatsächlichen Verhalten ihrer Kunden näher?

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Brian Solis: Zum einen natürlich, indem sie sie schlichtweg fragen. Aber ich bin zum Beispiel auch ein großer Fan von Geisteswissenschaften in der Geschäftswelt – von unterschiedlichen Perspektiven etwa aus der Anthropologie, Psychologie oder Ethnografie. Worum ich die Unternehmen, die ich berate, letztlich bitte, ist: Werdet einfühlsamer.

t3n Magazin: Diese Bitte klingt nicht gerade neu. Seit vielen Jahren heißt es, dass Unternehmen in Zeiten von Social Media einfühlsamer werden müssen, um die Chancen der digitalen Kommunikation in vollem Umfang ausnutzen zu können. Hört niemand zu, oder warum forderst du auch 2015, lange nach dem Siegeszug des Social Webs, noch immer dasselbe?

Brian Solis: Diese Frage geht mir sehr zu Herzen, denn ich war einer der ursprünglichen Verfechter der These, dass die sozialen Medien die Geschäftswelt grundlegend verändern würden: Schon allein durch ihre Infrastruktur, die ein Zuhören und Mitmachen auf Unternehmens- und auch auf Kundenseite ermöglichte. Ursprünglich hatte Social Media die Chance, Unternehmen offener zu machen und die Kundenbeziehung in einen Dialog auf Augenhöhe zu verwandeln.

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Laut Brian Solis ist Tesla ein gutes Beispiel für ein nahezu perfektes Produkt: „Tesla ist mehr – es ist ein Erlebnis, ein Lifestyle.“

Laut Brian Solis ist Tesla ein gutes Beispiel für ein nahezu perfektes Produkt: „Tesla ist mehr – es ist ein Erlebnis, ein Lifestyle.“

Doch dann passierte etwas Seltsames. Die Unternehmen, die sich Social Media zu eigen machten, machten sich nicht die Philosophie und den offenen Charakter sozialer Medien zu eigen. Stattdessen wandten sie weiter ihre vertrauten Marketing- und Sales-Abläufe an, nur eben über neue Kanäle. Soziale Medien wurden zum bloßen Werkzeug degradiert, statt eine wirklich neue unternehmerische Perspektive zu eröffnen.

So sind sie zu einem Silo verkommen – mit Social-Media-Beauftragten und Community-Managern, die als Einzelkämpfer in ihrem Unternehmen agieren. Die vor ihren Dashboards hocken und Facebook- und Twitter-Kampagnen optimieren, statt echte, strategische Veränderungen anzuschieben.

„Technik ist dann am besten, wenn sie für den Nutzer unsichtbar ist“: Brian Solis studiert Produkte und Geschäftsmodelle, die das Leben von Konsumenten durch smarte Technologien verbessern.

„Technik ist dann am besten, wenn sie für den Nutzer unsichtbar ist“: Brian Solis studiert Produkte und Geschäftsmodelle, die das Leben von Konsumenten durch smarte Technologien verbessern.

t3n Magazin: Dieser statische Umgang mit Social Media auf Unternehmensseite hat wenig mit dem zu tun, was du als „digitale Transformation“ beschreibst: Ein Begriff, mit dem du dich aktuell auseinandersetzt. Was steckt dahinter?

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Brian Solis: Digitale Transformation denkt über die Werkzeug-Ebene hinaus. Sie beschreibt die Evolution der Geschäftsmodelle, der Prozesse, Philosophien und Systeme – letztlich auch der Gesellschaft und Politik. Beim Konzept der digitalen Transformation steht der zielgerichtete Einsatz von Technologien im Vordergrund, und wie dieser ein Unternehmen verändert. Und dazu braucht man zuallererst eine klare Vorstellung davon, wofür ein Unternehmen in Zukunft stehen will: Wie möchte es arbeiten? Welche Rolle sollen Menschen in und außerhalb der Firma spielen?Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Customer Journey. Heutzutage wird sie von mehreren Abteilungen organisiert, die nicht immer zusammenarbeiten. Manchmal hassen sie sich sogar, was absurd ist – Kunden denken nicht in Abteilungen und wollen das auch nicht, aber wir zwingen sie dazu. Und sie machen unterschiedliche Erfahrungen mit jedem Kontakt.

Eine richtig gute Firma hingegen definiert: „Das ist die Erfahrung, die wir jemandem während des gesamten Lifecycles wünschen. Das ist die Erfahrung, die wir Menschen bei jedem Berührungspunkt mit unserem Unternehmen wünschen.“ Und dann bringt sie ein übergreifendes Team zusammen, um diese Erfahrung zum Standard zu machen. Wer so denkt, stellt sicher, dass er die vorhandenen Werkzeuge und Tools zum richtigen Zweck einsetzt. Und dann entfaltet Social Media vielleicht endlich sein volles Potenzial.

t3n Magazin: Du hast einmal gesagt, dass Technik am besten ist, wenn sie für den Nutzer unsichtbar ist. Was wäre für dich das perfekte Produkt?

Brian Solis: Das perfekte Produkt wäre kein Produkt. Es wäre ein Erlebnis. Tesla zum Beispiel ist nicht nur ein Elektroauto. Das ist ein Lifestyle. Die Begeisterung für die Zukunft des Autofahrens geht bei Tesla so weit, dass das Unternehmen 2014 alle seine Patente auch für die Konkurrenz freigegeben hat, um für schnelleren Fortschritt zu sorgen. Diese Leidenschaft prägt eine ganze Branche – und verändert nachhaltig die Erfahrungen der Konsumenten.

So wie der Motorradhelm von Skully Systems: Es ist nicht nur ein schöner, sehr sorgfältig designter Helm. Die integrierte Technologie meldet smarten Autos, dass ich in der Nähe bin, und verhindert so, dass sie mir den Weg abschneiden. Eine perfekte Kombination aus Hard- und Software und ein enormer Zugewinn an Sicherheit, mit dem der Helm das Motorradfahren an sich verändern wird. Er ist nicht nur ein Produkt, sondern sein eigenes Ökosystem. Das sind Dinge, die ich mag!

t3n Magazin: Das klingt, als würdest du zu den Käufern eines solchen Helms gehören…?

Brian Solis: Ja! Ich fahre Harley Davidson. Mir gibt das Motorradfahren ein Gefühl von großer Freiheit: Es ermöglicht mir, eine Zeit lang komplett ohne Radio oder Smartphone zu sein. Nur ich und der Wind.

t3n Magazin: Solche Momente der Abgeschiedenheit werden im digitalen Zeitalter wirklich immer seltener. Siehst du das manchmal als Gefahr?

Brian Solis: Ich sehe eine Menge Leute, die ihr Smartphone nicht weg legen können. Die sich nicht aufs Autofahren konzentrieren oder auch nur für einen Moment lang eine ernsthafte Unterhaltung führen können. Man kann aus so vielen Dingen herauslesen, wie die Technik Besitz von ihnen ergriffen hat. Ich will das nicht verurteilen, denn es ist letztlich eine Frage des Lifestyles. Aber wenn wir die Verheißungen der neuen Technologien zu sehr in den Mittelpunkt stellen, laufen wir Gefahr, dem Shiny-Object-Syndrom zu verfallen und das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.

Ein Motorradhelm mit GPS, Rückfahrkamera und transparentem Sichtfeld-Display: Für Brian Solis eine perfekte Mischung aus Hard- und Software.

Ein Motorradhelm mit GPS, Rückfahrkamera und transparentem Sichtfeld-Display: Für Brian Solis eine perfekte Mischung aus Hard- und Software.

t3n Magazin: Kannst du dafür ein Beispiel nennen?

Brian Solis: Nehmen wir die Musikbranche: Technologien haben unseren Musikkonsum in den letzten Jahren so stark verändert, dass es die Verdienstmöglichkeiten von Künstlern ruiniert hat. Wir waren so beschäftigt damit, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, dass wir eine ganze Branche aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Und jetzt müssen wir das wieder in Ordnung bringen. Als jemand, dessen Job es ist, Technologien zu analysieren und einzuordnen, lege ich besonderen Wert darauf, mich nicht unreflektiert von ihnen lenken zu lassen.

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