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Interview
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Produktiv-Expertin Claire Burge: „Slack ist schlimmer als E-Mail“

Claire Burge hilft Unternehmen, produktiver zu arbeiten. Im Interview erklärt sie, warum Firmen wie Spielplätze funktionieren sollten und welche Aufgabe dem Mensch bleibt, wenn Maschinen seinen Job übernehmen.

Von Daniel Hüfner
5 Min. Lesezeit
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(Foto: claireburge.com)

t3n Magazin: Glaubt man deinen Vortragstiteln, liegt die Zukunft der Arbeit im Chaos. Müssen wir uns Sorgen machen?

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Claire Burge: Wenn wir uns anschauen, wie sich unser Arbeitsleben durch neue Technologien verändert, regiert zunehmend das Chaos, das stimmt. Viele Leute verstehen Arbeit immer noch als sehr eintönige, sichere und durchorganisierte Sache. Die Zeiten sind aber vorbei.

t3n Magazin: Warum?

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Claire Burge: Weil wir heute nicht nur mit 20 oder 30 verschiedenen Tools arbeiten. Wir kleben jeden Tag zehn oder mehr Stunden an unseren Smartphones. Unterwegs wie zuhause. Wir werden von Benachrichtigungen bombardiert. Diverse Studien haben gezeigt, dass sich 75 Prozent der Menschen überfordert fühlen und aus diesem Grund auch weniger Kontrolle über ihren Job haben.

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t3n Magazin: Und das ist mit Chaos gemeint?

Claire Burge: Genau. Chaos hat ja nicht immer etwas mit Verwüstung oder Krawall zu tun. Das ist ein Missverständnis. Die Wissenschaft sieht Chaos vielmehr als eine Umgebung, in der sehr viele unvorhersehbare Veränderungen stattfinden. Bezogen auf die Arbeit heißt das: Vor zehn Jahren haben wir vielleicht noch in Word-Dokumenten gearbeitet, Excel-Tabellen ausgefüllt und ein paar E-Mails beantwortet. Dann kam der Aufstieg von ERP-Systemen, Cloudtechnologien und Software-as-a-Service. Inzwischen leisten wir ein Vielfaches und das in dutzenden von Anwendungen. Diese Art der Fragmentierung muss aber nicht per se schlecht sein. Im Gegenteil: Unternehmen müssen nur richtig damit umgehen.

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t3n Magazin: Wie gehen Unternehmen damit am besten um?

Claire Burge: Sie müssen Wege finden, das Chaos kreativ zu nutzen. Ein prima Beispiel dafür sind öffentliche Spielplätze.

t3n Magazin: Das musst du erklären.

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Claire Burge: Wenn wir uns einen Spielplatz vorstellen, sehen wir einen umzäunten Bereich mit vielen Geräten, die jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen bei Kindern provozieren. Eine Schaukel animiert zum Schaukeln, eine Rutsche zum Rutschen und so weiter. Diese Analogie lässt sich sehr gut zum Aufbau von Teams und Unternehmen nutzen. Zuerst ist eine Managementstruktur notwendig, die quasi den Sicherheitszaun darstellt. Dann müssen Voraussetzungen geschaffen werden, die Mitarbeitern eine unterhaltsame und effiziente Arbeit ermöglichen.

t3n Magazin: Worauf sollten Chefs hier alles achten?

Claire Burge: Führungskräfte sollten sich überlegen, welches Verhalten sie sich von ihren Mitarbeitern wünschen und welches Umfeld dafür benötigt wird. Wie soll untereinander kommuniziert werden? Wie sollen sich Mitarbeiter in Meetings organisieren und Aufgaben erledigen? Wie bearbeiten sie Dokumente, wie betreiben sie Zeitmanagement? Natürlich sollte – wie auf dem Spielplatz auch – Raum für Spontaneität und Auszeiten geschaffen werden.

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t3n Magazin: Kannst du dafür Beispiele nennen?

Claire Burge: Das E-Commerce-Unternehmen Etsy erlaubt seinen Mitarbeitern, sich ihre Arbeitsplätze frei nach ihren Wünschen einzurichten. Das gilt nicht nur für die Hardware, sondern beispielsweise auch für Möbel und Utensilien. Epic Systems aus New York dagegen hat die Räume so gestaltet, dass sich Mitarbeiter immer an einem anderen Ort befinden. Die Meetingräume sind einer U-Bahn nachempfunden. Ist das nicht cool? Schön finde ich auch die Idee von Evernote, die Treppen im Gebäude mit Sitzkissen zu versehen. Das fördert spontane Gespräche auch außerhalb des eigenen Arbeitsplatzes. Vierteljährliche Teamausflüge, wie sie unter anderem Dialexa anbietet, sollten übrigens zum Standard gehören. Das kann ein Kinobesuch oder ein Fallschirmsprung sein.

t3n Magazin: Du hast selbst mehrfach gegründet. Mit deinem Startup „This Is Productivity“ trimmst du vor allem Softwarefirmen auf Effizienz. Was sind deine Empfehlungen?

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Claire Burge: Selbst nutze ich Rescuetime. Das Tool hilft bei der Kategorisierung und Messung von produktiven und nicht-produktiven Tätigkeiten. Außerdem beschränke ich mich pro Woche auf maximal fünf Meetings und versuche, mindestens drei neue Angebote zu schreiben. Wenn ich diese beiden Ziele erreiche, kann ich mir sicher sein, dass es meinem Unternehmen gut geht. Auch empfehle ich, auf Transparenz zu setzen. Arbeitet mit Taskmanagern, die für alle Mitarbeiter einsehbar sind.

t3n Magazin: Hast du Tipps für besonders effektive Meetings?

Claire Burge: Hört auf, zu viele Meetings zu machen. Unternehmen sollten stattdessen eine Kommunikationskultur schaffen, die es erlaubt, Probleme in Echtzeit-Chats zu lösen. Das spart viel Zeit. Ansonsten: Fangt immer pünktlich mit dem Meeting an, auch wenn nicht alle Teilnehmer anwesend sind. Habt immer einen Protokollanten dabei. Haltet neue Aufgaben direkt in den Taskmanagern fest. Überhaupt ist wichtig, jedes Meeting mit einer Liste aus jetzt zu erledigenden Aufgaben zu beenden und Deadlines festzulegen.

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t3n Magazin: Was ist eigentlich mit E-Mails? Sind die noch zeitgemäß?

Claire Burge: Von E-Mails kann ich nur abraten. Sie sind ein sehr eigennütziges Werkzeug, das der Produktivität von Unternehmen schadet. Warum? Mitarbeiter können sich nicht gegenseitig in ihre Inbox schauen und wissen so überhaupt nicht, woran die Kollegen gerade arbeiten. Das erschwert das Delegieren von Aufgaben und kostet viel Zeit. Aus diesem Grund habe ich E-Mails innerhalb meines Unternehmens auch abgeschafft.

t3n Magazin: Dein Unternehmen kommt ganz ohne E-Mails aus?

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Claire Burge: Natürlich verfügen meine Mitarbeiter und auch ich noch immer über eine Inbox, schließlich werden E-Mails auf der ganzen Welt genutzt. Der Unterschied ist aber, dass alle unsere E-Mails zu 100 Prozent auf Kunden und Investoren beschränkt sind. Intern dagegen haben wir die gesamte Belegschaft von der E-Mail erlöst. Wir arbeiten nur noch mit offenen und kollaborativen Tools. Dazu rate ich allen Unternehmen, die weniger E-Mails wollen.

t3n Magazin: Von welchen Tools sprechen wir genau?

Claire Burge: Wir nutzen unter anderem Teamwork für das Projektmanagement, Google Drive als Cloudspeicher und Telegram für die Kommunikation. Außerdem Wunderlist als Taskmanager, vor allem die Offline-Funktion ist hier extrem praktisch.

t3n Magazin: Was ist mit Slack? Immerhin behauptet das Tool von sich, die E-Mails in Unternehmen in Rente zu schicken.

Claire Burge: Nein, Slack ist ein Kommunikations- und kein Aufgabentool. Es ist wie 100 Posteingänge in einem. Es erhöht die Produktivität nicht, es macht sie sogar noch schlechter.

t3n Magazin: Wenn wir über Produktivität sprechen, ist die Automatisierung ja gerade ein Riesenthema. Wird künstliche Intelligenz die Arbeit wirklich so stark verändern wie alle sagen?

Claire Burge: Ja, definitiv. 80 Prozent der Tätigkeiten, die Menschen heutzutage verrichten, werden schon in einigen Jahren automatisiert und von Robotern übernommen werden. Umso wichtiger ist es für den Menschen, dass er sich selbst neu erfindet, weil es sonst keine Arbeitsplätze mehr für ihn geben wird.

t3n Magazin: Interessante These.

Claire Burge: Stimmt, aber davon bin ich überzeugt. Bald werden wir nicht mehr nur am Schreibtisch sitzen, E-Mails abarbeiten oder viele Verwaltungsaufgaben übernehmen. Was stattdessen gefragt sein wird, sind unsere urmenschlichen Qualitäten. Die wollen wir Unternehmen und Mitarbeitern wieder beibringen.

t3n Magazin: Welche Fähigkeiten muss der Mensch mitbringen, um in zehn oder 20 Jahren noch am Arbeitsmarkt gefragt zu sein?

Claire Burge: Dazu haben wir kürzlich eine Studie erstellt mit der Frage, was den Menschen eigentlich im Kern von der Maschine unterscheidet? Die Antwort konnten wir in zwei Kategorien zusammenfassen: Kreativität und kritisches Denken. Dabei geht es vor allem um Empathie, aktives Zuhören, Risikobereitschaft, Visual Thinking und richtige Gesprächsführung. Auf diese Soft Skills wird es ankommen. Das erfordert ein radikales Umdenken beim Recruiting.

t3n Magazin: Inwiefern?

Claire Burge: Je mehr Aufgaben von Maschinen übernommen werden, desto weniger wichtig wird die klassische Berufserfahrung. Entsprechend müssen auch Unternehmen die Mitarbeitersuche stärker auf die genannten Soft Skills ausrichten. Die Frage, wie ein Mitarbeiter vor allem die Team- oder Kundenerfahrung verbessern kann, wird das wichtigste Einstellungskriterium werden. Noch achten wir bei Bewerbern zu 90 Prozent auf die fachlichen Qualitäten und suchen im Vorstellungsgespräch nach den restlichen zehn Prozent an Menschlichkeit. In Zukunft wird es genau umgekehrt sein.

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Dein t3n-Team

Juergen

Telegram als Kommunikationstools im Unternehmen? Dann komme ich ja gar nicht mehr zum Coden.

Antworten
Tristan

Slack ist zuallererst auch ein „Echtzeit-Chat“ und ich verstehe nicht recht, inwiefern damit denn nun schlechter als mit Telegram gearbeitet werden kann?

Antworten
Gordon

Ich verstehe die Aussage auch nicht. Bei der Überschrift erwarte ich auch wenigstens eine Begründung warum Telegram besser als Slack ist und warum von Slack abgeraten wird. Kommt mir schon ein wenig vor wie Clickbait…

Antworten
DoSchu

„Slack ist schlimmer als eMail“ – kann ich nur sagen Blödsinn. Ich bin soooo froh, dass inzwischen viele Kommunikationen via Slack laufen. Meine Mailbox wird so zugespammt, da rutscht schnell mal was durch. Denn leider haben es die Mail-Provider bis heute nicht geschafft, Spam von uns fern zu halten. Da fühle ich mich richtig befreit in Slack. Telegram nutzen wir zum Beispiel für die Kommunikation zur Coworking Konferenz cowork sehr gerne, jedoch mehr für den raschen digitalen Austausch rund um die Events – als prima Alternative zu Facebook Messenger oder Whatsapp, da öffentlich abonnierbar.

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