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Trendreport

Cloud-Gaming: Das neue Milliardengeschäft der Zockerbranche

Keine andere Technologie wird die Spielebranche in den ­nächsten Jahren so umwälzen wie Cloud-Gaming. Die etablierten Akteure bringen sich bereits in Position, neue Herausforderer drängen auf den Markt. Das Potenzial ist riesig: Die Plattformbetreiber wollen zwei Milliarden Menschen ­erreichen. Noch müssen sie aber einige Probleme lösen.

Von Jan Lindenau
13 Min.
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Ganz egal, ob Smartphone oder Tablet: Cloud-Gaming bringt Blockbusterspiele auf jedes
Endgerät – solange die Internetleitung stabil ist. (Abbildung: Shadow)

Abende in deutschen Hotels können ziemlich ernüchternd sein. Wenn Florian Maier während einer Dienstreise in sein Zimmer kommt, dann bleibt ihm als Abendprogramm vor allem der Fernseher, manchmal auch Netflix oder Youtube. Aber eine Runde am Computer spielen? Unmöglich, ohne die passende Hardware dabeizuhaben. „Ich würde mich schon als Gamer bezeichnen“, sagt Maier, „habe aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit aber nicht mehr viel Zeit fürs Spielen und möchte bei meinen Dienstreisen nicht noch einen extra ­Gaming-Laptop mitnehmen.“

Eine neue Art des Spielens

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Menschen wie Maier, technik- und gamingaffin sowie beruflich viel unterwegs, sind im Grunde perfekt geeignet für eine neue Art des Spielens: Cloud-Gaming. Die Technologie verspricht, dass man Computer­spiele übers Internet – eine stabile Anbindung voraus­gesetzt – jederzeit, überall und auf jedem beliebigen Endgerät spielen kann. Denn ähnlich wie beim Video-Streaming wird beim Cloud-­Gaming lediglich das Videobild des Spiels übertragen, die eigentliche Computerleistung kommt aus der Cloud.

Es wäre die Evolution eines Multimilliardengeschäfts, die die Musik- und Filmbranche mit Anbietern wie Spotify und Apple Music, Netflix und Amazon Prime schon vollzogen haben: Nutzer müssen nicht mehr darüber nachdenken, wie sie etwas konsumieren – sie tun es einfach. Für Computerspiele bedeutet das: quasi grenzenlose Rechenpower und eine permanent verfüg­bare Spielebibliothek. Auf Smartphones und Tablets würden nicht mehr nur grafisch überschaubare Spiele wie „Candy Crush“ und „Pokémon Go“ laufen, sondern sogar Hochglanzproduktionen wie „Call of Duty“ oder „Red Dead ­Redemption“. Kein Plattenspieler, keine Satellitenschüssel, kein ­Bluray-Player – und bald keine Spielekonsole mehr?

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Was simpel klingt, hat in der Vergangenheit lediglich ein Nischen­publikum interessiert. Zwar gibt es schon seit einigen Jahren Cloud-Gaming-Angebote – vor allem Konsolenriese Sony hat viel investiert, Pioniere wie Onlive und Gaikai aufgekauft und in seinem Angebot Playstation Now gebündelt. Doch ein Eintauchen in die Welt des Cloud-Gamings, das eine gute Spielerfahrung ermöglicht und unkompliziert ist, suchen Gamer derzeit noch vergebens. Niedrigere Auflösungen, weniger Bilder pro Sekunde und schlechterer Sound als bei stationären Plattformen sind ­einige der Probleme, die das Zocken aus der Wolke aktuell noch beeinträchtigen. Aber genau das soll sich schon sehr bald ändern. Mit kaum vorstellbaren Auswirkungen.

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Industrieveteran Phil Harrison hat auf der diesjährigen Games Developer Conference den Cloud-Gaming-Dienst von Google vorgestellt: Stadia soll im November starten. (Abbildung: Google)

Industrieveteran Phil Harrison hat auf der diesjährigen Games Developer Conference den Cloud-Gaming-Dienst von Google vorgestellt: Stadia soll im November starten. (Abbildung: Google)

Denn zwei US-Giganten, Microsoft und Google, werden ­dieses Jahr eigene Cloud-Gaming-Angebote starten. Jahrelang haben sie an den Plattformen gefeilt, dementsprechend strotzen sie vor Selbstvertrauen, mit dem Ziel, den Markt massiv zu erweitern. Die neuen Angebote wollen Cloud-Gaming jetzt aus der ­Nische herausholen, denn genau dort ist es heute noch zu finden: ­Play­station Now etwa wird derzeit von rund 700.000 Menschen weltweit genutzt, das sind weniger als ein Prozent der rund 100 Millionen Playstation-4-Besitzer. Microsoft spricht hingegen von zwei Milliarden potenziellen Nutzern für sein Angebot. Hinter dieser Zahl, die zunächst nach purem ­Marketing klingt, steckt ein angestrebter Paradigmenwechsel, der den Markt auf den Kopf stellen könnte. Denn tatsächlich gibt es bereits zwei ­Milliarden Gamer auf der Welt, ein Großteil von ihnen spielt aber vor ­allem Casual Games, also einfache Browser- oder Handytitel ohne ­große Einstiegshürde. Wenn der Zugang zu anspruchsvolleren Games aber nicht mehr von teurer Hardware abhängt, wird ihre Zielgruppe ungleich größer. Wer nicht alle fünf bis sechs Jahre 400 Euro für eine Konsole bezahlen muss, 50 bis 60 Euro für ­jedes Spiel und nochmal monatliche Kosten für zusätzliche ­Services –, sondern im Ideal­fall nur zehn Euro im Monat für ­einen ­Aboservice, auch daran arbeiten die großen Plattformen bereits –, der wird eher einmal zu einem großen Videospieltitel statt zu „Candy Crush“ greifen.

Die Sache mit der Latenz

Bislang wurden Gamer-Biografien vor allem dadurch geprägt, auf welcher Plattform man zuerst gespielt hat – ob auf einer Xbox oder einem Gameboy, einer Playstation oder dem heimischen Computer. Auch Florian Maier erinnert sich daran, mit welchen Spielen er auf seinem PC begonnen hat, Anfang der Nullerjahre waren das „Doom“ und „Age of Empires“. „Mein Gaming-PC ist kurz nach dem Abi kaputtgegangen, das Mainboard ist durchgebrannt“, erinnert er sich. „Ich dachte mir, vielleicht ist das Fügung, also habe ich mir für mein Studium ein Ultrabook statt eines neuen PCs gekauft, um mich auf meine Studieninhalte zu konzentrieren.“ Mit diesem mittlerweile achtjährigen Gerät aktuelle Spiele spielen? Eigentlich undenkbar.

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„Die größte Heraus­forderung für einen ­Newcomer wie Google sind Inhalte.“

Tatsächlich gibt es – neben Playstation Now – derzeit schon Anbieter von Cloud-Gaming, die genau das ermöglichen wollen. ­Maier nutzt derzeit vor allem Shadow, den Dienst eines französischen Unternehmens. 35 Euro im Monat bezahlt er dafür, dass quasi ein leistungsfähiger Rechner in der Cloud für ihn bereitsteht. Wenn er bei einer LAN-Party mit Freunden mitspielen möchte, sagt er, dann brauche er nur eine Verbindung zum Internet. Sein in die Tage gekommenes Ultra­book übertrage die Spielbefehle seiner Tastatur dann an den virtuellen PC und streame im Gegenzug nach wenigen Millisekunden das Video seines Spiels.

Doch Shadow habe Schwächen, erklärt Maier. Spiele müssten immer erst installiert und upgedatet werden; dazu habe sein virtueller Rechner nur einen begrenzten Speicherplatz, da sei haushalten wie auf der heimischen Festplatte angesagt. Die neuere Generation von Cloud-Gaming-Angeboten will genau diese Grenzen und Hürden aufheben. Schließlich, sagt Maier, habe Shadow gelegentlich Probleme damit, die Leistung der Internetband­breite anzupassen: Der Dienst schaffe es nicht, seine Auflösung zu ­drosseln, wenn es mal eng wird. Dann fange es an zu stocken und sei eigentlich unspielbar.

Ein unverzögertes Spieleerlebnis ohne Verbindungsabbrüche ist die Hürde, die jeder Cloud-Gaming-Anbieter in Zukunft nehmen muss. Die nächste Folge der Lieblingsserie, ein Podcast: All das lässt sich notfalls im heimischen WLAN herunterladen und später konsumieren. Gaming hingegen ist ein Live-Erlebnis: Der Nutzer braucht permanent schnelles Internet, seine Daten müssen mit ausreichend Serverkapazitäten verarbeitet und schnell zurückgeschickt werden. Sonst schießt die Latenz in die Höhe, also die Zeit zwischen einem Befehl und der Darstellung auf dem Bildschirm. Bei einer geringen Latenz von wenigen Millisekunden reagiert das Spiel quasi unverzüglich, eine hohe Latenz hingegen bedeutet lange Verzögerungen. Gerade schnelle Action-Games sind so unspielbar. Diese Herausforderung lockt Unternehmen an, die zuvor kaum jemand mit Computerspielen in Verbindung gebracht hat.

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Ein neuer Player betritt die Bühne

Es ist der 19. März 2019, 10 Uhr morgens, als in San Francisco ein Herausforderer mit solchen Datenzentren im Rücken die ­Arena des Cloud-Gamings betritt. Viele Gerüchte gab es im Vorfeld der Game Developer Conference, denn ein Unternehmen, das wie kaum ein anderes das vernetzte und digitalisierte 21. Jahrhundert geprägt hat, hatte einen Vortrag angekündigt: Google.

Neben CEO Sundar Pichai trat Phil Harrison auf die Bühne. ­Harrison ist ein Star hinter den Kulissen der Gaming-Branche: Als Manager hat er für Sony in den 1990er-Jahren die damals neue Playstation erfolgreich auf den Markt gebracht, später wechselte er zum Konkurrenten Microsoft. Als im Januar 2018 bekannt wurde, dass Google Harrison angestellt hatte, fluteten Spekulationen die Gaming-Welt: Was zur Hölle will Google mit einem Gaming-Veteranen?

Die Antwort konnten Zuschauer auf der Konferenz und im ­Livestream beobachten: Google präsentierte Stadia, seine eigene cloudbasierte Gaming-Plattform. Das Versprechen: Man loggt sich in Stadia ein, via Laptop, Tablet, Smartphone und kann jeder­zeit und überall jedes Spiel spielen, das verfügbar ist – in einer Grafik, für die sonst eine eigene Konsole oder gar ein ­Gaming-PC notwendig wären. Vor allem sollte erstmals das hürdenlose Eintauchen in die Wolke möglich sein – ohne Wartezeit, ohne ­Installation, ohne Update.

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Eine neue Generation von Angeboten

Dieses Erlebnis ist Branchenbeobachtern zufolge jedoch nicht der einzige Unterschied der neuen Generation von Angeboten. Piers Harding-Rolls leitet die Abteilung für Spieleforschung bei IHS Markit, einem Londoner Analyseunternehmen, und erklärt: Der Hauptunterschied zu bisherigen Angeboten sei, dass sich jetzt Cloud-Service-Anbieter einmischen, die einen Kostenvorteil gegenüber den bisher vertretenen Unternehmen hätten. Denn die Infrastruktur, die weltweiten Rechenzentren für die Cloud-­Dienste von Microsoft und ­Google, sind ja schon vorhanden, was für die Spiele aus der Wolke eine geringere Latenz bedeutet. „Ihre weltweiten Datenzentren ermöglichen es ihnen außerdem, dass sie immer globaler agieren können“, so Experte Harding-Rolls. Andere Anbieter hingegen müssten solche Infrastrukturen erst aufbauen.

Ab November 2019 soll Stadia auf den Markt kommen, auch in Deutschland. Wer auf der Website von Google nach Stadia sucht, den wird vor allem eins überraschen: der Preis. Denn theoretisch lässt sich Stadia kostenlos nutzen. Zwar kostet die Founders Edition derzeit 129 Euro, in der ein Controller für Stadia inklu­sive einem Extragerät, das Chromecast Ultra, enthalten sind, um Spiele auf einem Fernseher zu spielen. Dennoch soll jeder, der einen Chrome-Browser und einen Stadia-Account hat, direkt auf seinem Computer mit einem eigenen Controller losspielen können. Voraussetzung sind natürlich trotzdem die Spiele selbst, die man voraussichtlich für ähnliche Preise wie auf anderen Plattformen kaufen kann. Wer Stadia-Kunde ist, kann außerdem für zehn Euro im Monat Spiele mit verbesserter Frame-Rate und in 4K-Auflösung spielen, selbst 8K soll in naher Zukunft kommen.

Geschwindigkeit muss sein

Die massiven Datenpakete hinter diesen Zahlen werfen vor ­allem eine Frage auf: Wie kann Google ein flüssiges Spiele­rlebnis gewährleisten? Google verspricht, dass schon eine Internet­geschwindigkeit von zehn Megabit pro Sekunde für das Streamen von Spielen in HD-Auflösung ausreichen. Kaum ein Interview, in dem der für Stadia verantwortliche Harrison nicht gefragt wird, ob und wie Google denn eine zufriedenstellende Performance für Gamer sicherstellen wolle. Seine Standardantwort darauf: „Wenn du gute Erfahrungen mit Youtube hast, dann wirst du eine großartige Erfahrung mit Stadia haben.“

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Die Verbindung dieser beiden Google-Produkte dürfte auch auf einer anderen Ebene kein Zufall sein: Tatsächlich soll ­Stadia tief mit Youtube verwoben werden. Schaut ein Nutzer etwa ein ­„­Let’s Play“-­Video auf Googles Videoplattform an, soll er in ­Zukunft nicht nur sofort die Möglichkeit haben, dieses Spiel zu spielen – ohne Download, Update, Einstellungsanpassung –, sondern sogar direkt an der Stelle einzusteigen, an der er das Video ­pausiert hat.

Unabhängige Tests, die mit einer Vorabversion von Stadia gemacht wurden, zeigen allerdings, dass die Hochglanzpräsentation von Google nicht ganz mit der Realität mithalten kann. Der Fachjournalist Richard Leadbetter hält in seinem Bericht für das Onlinemagazin ­Eurogamer etwa fest, dass die Latenz höher war, als wenn man das Spiel direkt auf einem PC spielen würde. Auch mit schnellen Bewegungen auf einem großen Bildschirm gebe es noch Probleme. Allerdings, so betont der Journalist, habe es sich auch um einen ersten Test in einem nicht-kontrollierten Umfeld gehandelt. Wirklich belastbare Aussagen ließen sich erst treffen, wenn die finale Version ausgeliefert werde und er diese aus­reichend testen könne.

Nichtsdestotrotz: Google hat es geschafft, den ersten Schritt in eine neue Welt zu machen. Harrison nutzte das Momentum auch gleich, um einen Seitenhieb gegen seinen ehemaligen ­Arbeitgeber Microsoft und dessen Konsole, die Xbox, auszuteilen: „We’re not ­making a Box. We’re making a Place.“

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Die Schatten der Vergangenheit

Die Reaktion aus Redmond ließ nicht lange auf sich warten. Noch am Tag der Google-Präsentation schickte Phil Spencer, ­Leiter der Unterhaltungssparte von Microsoft, eine E-Mail an seine Mitarbeiter. ­Spencer ist nicht nur Xbox-Fans ein Begriff. Er ist der Mann, der Jahr für Jahr bei der großen Gaming-Messe E3 auf die Bühne tritt und neue Spiele und Konsolen aus dem Haus Microsoft präsentiert.

In seiner E-Mail, die später geleakt wurde, drückte Spencer zunächst Anerkennung für Google aus: „Wir haben heute gesehen, wie ein großer Techkonkurrent den Gaming-Markt betreten hat, der die notwendigen Komponenten für Erfolg mitbringt: ­Content, Community und Cloud“, schreibt er. Allerdings zeige Stadia, davon ist Spencer überzeugt, dass man sich auch bei Microsoft auf einem richtigen Weg befinde: „Google ist heute groß rausgekommen, jetzt haben wir einige Monate bis zur E3. Dann werden wir groß rauskommen.“

Die geweckten Erwartungen konnte Spencer bei der E3-­Präsentation allerdings nicht halten. Die xCloud – so nennt Microsoft sein Cloud-Gaming-Projekt – bekam lediglich einen Slot von wenigen Minuten, anstatt die Präsentation zu dominieren. Von den Fans wurden vor allem die News zur neuen Konsole – Codename: Project Scarlett – gefeiert. Anstatt sich also kopfüber in die schöne neue Cloud-Welt zu stürzen, setzt Microsoft erstmal weiterhin auf den Anker, der in den Wohnzimmern von Millionen Menschen steht: die stationäre Konsole.

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Microsoft glaubt an die Zukunft der Konsole

Wer bei Florian Liewer, Director Xbox Gaming im deutschsprachigen Raum, nachfragt, der versteht, warum Microsoft die xCloud nicht ganz so marktschreierisch wie der kalifornische Konkurrent ankündigt. Denn während Google komplett in die Wolke eintaucht, bleibt bei Microsoft das Konsolengeschäft fester Bestandteil des Geschäftsmodells: „Gaming in der Cloud ist eine Erweiterung, eine zusätzliche Option für alle Spieler da draußen“, erklärt Liewer die ­Microsoft-Strategie. Dazu bietet Microsoft gleich mehrere Streaming-­Angebote: Wer jetzt schon eine Xbox One besitze, der könne in Zukunft kostenlos seine ­Spiele per ­„Console Streaming“ auf ein mobiles Gerät übertragen. Die ­eigene Konsole fungiere dabei als Spiele-Server, so der Microsoft-­Manager.

Für Gamer ohne Xbox sei hingegen Project xCloud gedacht, das „echte Konsolenspielerfahrung direkt auf das mobile End­gerät“ bringe, sagt Liewer. Über den Preis schweigt sich Microsoft noch aus, nicht aber zur Infrastruktur. Azure-Datenzentren in Europa und rund um den Globus, so Liewer, sollen die Leistungsfähigkeit gewährleisten.

Das überzeugte sogar den derzeitigen Konsolenmarkt­führer und Hauptkonkurrenten Sony: Das japanische Unternehmen wird für die eigenen zukünftigen Cloud-Pläne nicht auf die Infrastruktur von ­Google oder Amazon zurückzugreifen, sondern mit Microsoft kooperieren. Wie diese Pläne – neben dem bestehenden Playstation-­Now-Angebot – jedoch aussehen werden, ist noch nicht bekannt.

Die jahrzehntelange Erfahrung von Sony und Microsoft in der Spielebranche dürfte vor allem bei einem entscheidenden Thema ein Vorteil gegenüber Google sein: Spieleinhalte und Exklusivtitel. Das also, wofür Spieler im Normalfall das meiste Geld ausgeben, und woran die Plattformbetreiber auch am meisten verdienen. In der xCloud seien etwa 3.500 Titel aus drei xBox-Generationen abrufbar, sagt ­Liewer, mit 1.900 weiteren in der Entwicklung. Auf der Stadia-­Seite finden sich hingegen derzeit nur einige Dutzend, die zum Release spielbar sind. Und auch, wenn durchaus namhafte Spielestudios wie Ubisoft, Bethesda oder Square Enix auf Stadia vertreten sind – und es bis November noch mehr werden dürften: „Die größte Herausforderung für einen Newcomer wie Google sind Inhalte“, bekräftigt Spieleanalyst Piers Harding-Rolls aus London, und das sei jetzt die Hauptaufgabe: Ein content-­basiertes Abomodell aufzubauen und sich exklusive Inhalte zu sichern.

Viel Aufholarbeit für Google

Ob Google den Vorsprung der Konkurrenz aufholen kann, ist noch ungewiss, allerdings versucht man es mit allen Mitteln. So holte sich der Konzern etwa die renommierte Spieleentwicklerin Jade Raymond ins Haus. Für Google ein weiterer Königstransfer neben Phil Harrison: Die Kanadierin gilt im Gaming-Bereich als Koryphäe, wurde von Variety zu einer der 500 einflussreichsten Menschen in der Entertainment-Branche gewählt. Wenn jemand weiß, wie man AAA-Inhalte für die eigene Plattform entwickelt und vermarktet, dann Raymond. Schließlich hat die ­43-Jährige für den französischen Spielekonzern Ubisoft nicht nur das ­Toronto-Studio mitaufgebaut, sondern war hier auch entscheidend an den ersten Teilen der Blockbuster-Reihe ­„Assassin’s Creed“ beteiligt. Raymond leitet mittlerweile das Spiele­entwicklungsstudio von Google.

„Gaming in der Cloud ist eine Erweiterung, eine ­zusätzliche Option für alle Spieler da draußen.“

Das große Kalkül der Anbieter: Sollte Cloud-Gaming ein Erfolg werden, dann könnte das Menschen zu Spielern zu machen, die noch gar nicht wissen, dass sie eigentlich Spieler sind. Genau wie Netflix Menschen zu Serienjunkies gemacht hat, die bis dahin gar nicht wussten, dass es diesen Begriff überhaupt gibt. Schon bei der Verbreitung des Smartphones ließ sich ein ähnlicher Effekt beobachten: Überall waren spielende Menschen zu sehen, die in der U-Bahn oder beim Spaziergang „Candy Crush“ und „Pokémon Go“ auf ihrem Telefon aufriefen. Microsoft-Manager Liewer sagt etwa: „Grundsätzlich gilt: Jeder der rund zwei Milliarden ­Gamer auf der Welt könnte in Zukunft ein potenzieller Nutzer von ­Project xCloud sein.“

Und was macht Amazon?

Zwar sieht Branchenexperte Harding-Rolls diese Zahl um einiges skeptischer: Eine solche Anzahl an Nutzern sei erst in fünf bis zehn Jahren realistisch, sobald 5G-Netzwerke verbreitet ­seien. „Und natürlich werden viele dieser Konsumenten nicht an Cloud-Gaming-Angeboten interessiert sein“, ordnet er ein. Tatsächlich sind laut einer Umfrage im Auftrag des Branchendienstes Gamesindustry.biz lediglich 15 Prozent der Spieler in Westeuropa an einem Cloud-Gaming-Angebot interessiert. Trotzdem sei mit einem schnellen Wachstum zu rechnen: „Ich erwarte eine zweistellige Millionenzahl von aktiven Cloudgamern im Jahr 2023, aber das ist meilenweit von Hunderten Millionen oder gar Milliarden entfernt.“ Und Harding-Rolls rechnet noch mit etwas anderem: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Amazon den Cloud-Gaming-Markt betritt.“

Schließlich sind Microsoft und Google auf dem Markt der Cloud-Services stark vertreten, aber nicht Marktführer – das ist vielmehr der Konzern von Jeff Bezos mit den Amazon Web ­Services (AWS). Tatsächlich scheint auch der Internetkonzern eine eigene Cloud-­Gaming-Plattform zu bauen. Im Januar hatte man schon Job­angebote für Cloud Games ausgeschrieben, wie das Internetportal The Verge berichtete. Dazu hat das Unternehmen mit Twitch eine ­Streaming-Plattform, die in der Gaming-­Community ein hohes Ansehen genießt, und ist mit Fire TV schon in den Wohnzimmern vieler Nutzer vertreten. Doch ein Name für das Projekt, mögliche Features oder gar ein konkretes Angebot? Darauf wartet die Branche noch vergebens.

Der Krieg um das Spiel aus den Wolken scheint endgültig eröffnet: Denn hinter Google und Microsoft, Sony und Anbietern wie Shadow, ja, selbst hinter Amazon scharen sich noch andere Mitbewerber, die mit Cloud-Gaming in Verbindung gebracht werden: Publishing-Riese EA Games, das US-Telekommunikations­unternehmen Verizon, der chinesische Megakonzern Tencent.

Aus Sicht von Gamern dürfte allerdings nicht entscheidend sein, welches Angebot am Ende das Rennen macht. Wichtiger ist, dass Cloud-Gaming voraussichtlich das Spielerlebnis für kommende Generationen grundlegend verändern wird. Der Sprung in die Spielewelt wird sich nicht mehr wie Arbeit anfühlen, man schwebt vielmehr direkt hinein. Oder wie Gamer Florian Maier es beschreibt: „Mein perfektes Zukunftsbild: Ich komme abends nach der Arbeit ins Hotel, lege mich aufs Bett, klappe ­meine ­Bluetooth-Tastatur auf, hole die Maus raus und kann direkt ­anfangen zu spielen.“

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Insomnia

2 Milliarden Spieler? Wer hat denen denn die Statistik gebaut? Harding-Rolls deutet es schon korrekt an aber selbst mit 5G Netzen überall wird es in ein paar Jahren keine 2 Milliarden Cloud Gamer geben. Candy Crush und Co werden nicht gespielt, weil aufm Smartphone nichts anderes läuft – es gibt einige Alternativen die hardware hungriger sind aber auch akzeptabel aussehen – sondern weil Casual Games mittlerweile ein eigenes Genre ist. Person X wird nicht mit Candy Crush aufhören und plötzlich Call of Duty aufm Handy zocken. Dazu kommt, dass viele Casual Games Freemium Modelle sind (was vor allem bei Schülern mit kaum Geld ein riesiger Faktor ist). Nicht kostenlose mobile games kosten ein paar € für eine „lebenslange“ Verfügbarkeit. Beim Cloudgaming zahlt man das gleiche bis vielfache für einen Monat allein.
Ich glaube auch an die Zukunft von Cloud Gaming, selbst Zuhause wenn man nicht den leistungsfähigsten Rechner aber ’ne gute Internet Verbindung hat aber absolut nicht daran, dass plötzlich ALLE (!) Casual Gamer/Mobile Gamer zu Hardcore Cloud Gamern werden. Da tippe ich auf maximal 5% derjenigen, eher weniger (und das nach vieeeelen Jahren).

Antworten
Computerdigital

Sehe ich genauso, Cloud Gaming wird eine Nische sein für diejenigen, die Geld haben und Hardware flexible sein wollen.

Antworten
Cloud Gaming

Langsam wird es wirklich auch immer kompetetiver auf denn Markt jetzt wo Steam, Microsoft, Google und weitere mitmischen werden einige Dienste wahrscheinlich auch wieder verschwinden

Antworten
Philooo

Interessanter Artikel!

Antworten
o0Julia0o

Stadia & Co. – ist Clound-Gaming wirklich dumm? Ja!

Gefährlich. Kreditkartenfalle – die „Amis“ werden drauf reinfallen. Die „Deutschen“ am Ende auch wohl. Schön kleine monatliche Raten & am Ende mehr zahlen als wenn man sich ´nen gescheiten PC holt.

Die Konsequenz. Keine Mods mehr, keine Usermaps, kein CS, Dota, Towerdefence, Battle Royale, Community-Deutschpatches, Community-Multiplayermodes für games, welche keinen unterstützen, kein Doki-Doki Meta-Game, mal selbst ´nen Soundfile austauschen oder andere Musik einbinden, etc.

Und man wird immer abhängiger von den Großkonzernen. Kann irgendwann nur noch Startknöpfchen drücken.
Und wenn es dann keine echten Spiele mehr gibt, dann kommt immer schön Werbung mitten im Game, oder wenn man die normale Preisvariante wählt. Böäh! Das ist ähnlich wie mit dem Bargeld, behaltet euch ein Stück Autonomie, sonst tut ihr bald alles Dinge, die Andere wollen…

Ich wünsche allen Google-Mitarbeitern die an dem Projekt beteiligt sind viel Pech bei der Arbeit.

Doch es wird gegen den Kapitalismus nur herausgezögert werden können. Ich hoffe um viele Jahre! Cloud-Gaming wird irgendwann da sein und irgendwann alleine da sein. Ohne Konsolen, was wäre die Gaming-Welt da schon weit gekommen. Ein viel breiterer Markt. Grafik von 2030 wäre bereits 2010 da gewesen.

Man muss ja nicht gleich Gärtner werden, um eine Tomate zu essen – aber gar keine Kontrolle mehr zu haben, wie einem die Tomate reingedrückt wird – nee.

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