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Controlling für Händler: Mit diesen Tools behältst du deine Zahlen im Blick

Für viele Onlinehändler klingt Controlling nicht gerade sexy. Doch wer sich die ­zahlenbasierte Fleißarbeit spart, verschenkt unter Umständen bares Geld. Die gute Nachricht für alle Controlling-Muffel: Werkzeuge und Dienste können einen Gutteil der Arbeit abnehmen.

Von Jochen G. Fuchs
7 Min. Lesezeit
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(Abbildung: Shuttestock / Jiw Ingka)


Controlling klingt nach langweiliger Bürokratie. Auch für Klaus ­Forsthofer von ACE Deutschland hatte es den Ruch von Kleinkrämerei: „Man ist es als Händler doch eher gewohnt, schnell zu agieren und dabei auch mal aus dem Bauch heraus zu entscheiden“. ACE ist Hersteller und Verkäufer von Messtechnik, Arbeitskleidung und ­Zubehör. Forsthofer hat zusammen mit Peter Höschl von ­Shopanbieter.de ein Controlling-Projekt angestoßen, das zu dem zunächst verblüffend anmutenden Ergebnis kam: Weniger Umsatz kann mehr Ertrag bedeuten.

ACE stand wirtschaftlich gut da. Der Umsatz wuchs, aber irritierenderweise stieg der Ertrag nicht in gleichem Maße an. Es ­stellte sich heraus, dass gerade einmal zehn Prozent des Sortiments für 80  Prozent des Umsatzes sorgten. Einige Bestseller offenbarten sich als Verlustbringer, und jeder dritte Artikel hatte sich im vergangenen Jahr überhaupt nicht verkauft. In der Folge konzentrierte sich ACE auf die Förderung der gewinnbringenden Artikel, entfernte die verlustreichen Bestseller aus dem Verkauf und trennte sich von Lagerbeständen. Etwa 50 Prozent des ­Sortiments mussten gehen. Der Lohn: 35 Prozent mehr Gewinn erwirtschaftet das Unternehmen jetzt.

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Das Beispiel zeigt, dass es nicht reicht, die geläufigsten ­Kennzahlen und die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) im Blick zu behalten. Um kein Geld zu verschenken, müssen Händler sich mit dem Controlling anfreunden. Dabei können schon Papier, Bleistift und das gute alte Excel helfen. Komfortabler wird es mit SaaS-Tools oder spezialisierten Beratern und Dienstleistern.

Das Tool Sellics ist auf Amazon spezialisiert und berücksichtigt Steuern, Einkaufskosten, Amazongebühren sowie PPC-Marketinggebühren. (Screenshot: Sellics)

Das Tool Sellics ist auf Amazon spezialisiert und berücksichtigt Steuern, Einkaufskosten, Amazongebühren sowie PPC-Marketinggebühren. (Screenshot: Sellics)

Die wichtigsten Controlling-Analysen für Onlinehändler

Controlling ist keine einmalige Sache, erklärt Forsthofer: ­„Controlling, das merken wir gerade, ist ein fortlaufender Prozess.“ Eine Reihe stetiger Analysen und Rechnungen offenbart die Stellschrauben für den Shop. Das Ziel: eine bis auf das einzelne Produkt heruntergebrochene Erfolgsrechnung.

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Pareto-Prinzip

Dieses Prinzip besagt, dass mit 20 Prozent des Aufwands rund 80 Prozent des Ergebnisses erzeugt werden. Übersetzt auf die Welt der Shopbetreiber führt das zur Faustregel: 20 Prozent des Sortiments sorgen für 80 Prozent des Umsatzes.

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Lagerbestandsanalyse

Mit Hilfe der Lagerbestandsanalyse identifizieren Händler ­sogenannte Renner (schnelldrehende Artikel) und Penner (Laden­hüter). Dafür werden der Artikelbestand, der Lagerwert anhand des Einkaufspreises, der Umsatz und die Verkäufe des zu kontrollierenden Zeitraums erfasst. Aus der Anzahl der durchschnittlichen Artikelverkäufe pro Tag ergibt sich die Lagerreichweite in Monaten.

ABC/XYZ-Analyse

Diese Analyse zeigt, welche Artikel im Sortiment verbleiben ­sollen und welche nicht. A steht dabei für die Artikel, die anteilig den meisten Umsatz abwerfen, meist die 80 Prozent aus dem Pareto-­Prinzip. B versammelt den Mittelbau, C kennzeichnet die am wenigsten umsatzrelevanten Artikel. XYZ schlüsselt den ­Artikelstamm zeitlich abgestuft auf: X steht für Artikel, die in höherer Stückzahl, Y in mittlerer Stückzahl und Z in sehr geringer Stückzahl verkauft wurden. Vereinfacht ausgedrückt sind A/X-Artikel die wichtigsten, C/Z-Artikel sollten aus dem ­Sortiment fliegen.

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Allerdings müssen vor dieser Entscheidung Kosten und ­Gebühren bis auf Artikelebene kalkuliert werden. Was hilft es, wenn die Renner bleiben, aber nur Verlust abwerfen?

Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung

Diese Aufgabe erledigt die mehrstufige Deckungsbeitrags­rechnung. Vom Nettoverkaufspreis werden der Nettoeinkaufspreis und der variable Kostenanteil wie Lieferkosten und Zoll abgezogen. Das ergibt den Rohertrag, auch Deckungsbeitrag eins (DB1). Nach Abzug produktbezogener Kosten wie Marktplatz­gebühren, Marketing-, Payment- und Logistikkosten erhält man den Deckungsbeitrag zwei (DB2), der angibt, wie viel der Händler tatsächlich an dem Artikel verdient hat. Um das Betriebs­ergebnis zu erhalten, kann jetzt noch DB3 errechnet werden. Dafür ­werden bereichs- oder produktgruppenbezogene Betriebskosten oder die nicht artikelabhängigen Fixkosten des Unternehmens abgezogen.

Aftersales-Analyse

Ein von Händlern gerne unterschätzter Bereich, erläutert ­Forsthofer, ist die Aftersales-Analyse: „Wir erleben immer noch Überraschungen. So habe ich kürzlich ein Produkt entdeckt, das im DB2 noch gut dasteht – dieser gute Eindruck verfliegt aber, wenn man die Retourenkosten und vor allem die Wiederverwertungsquote miteinbezieht.“ Die Ergebnisse dieser Analyse können im DB3 erfasst und eventuell noch mit Bearbeitungskosten von Gewährleistungsfällen ergänzt werden.

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Tools und Dienstleister

Der simple Einstieg ins Controlling geschieht mit Excel-Tabellen und einfachen Analyseformeln. Wie Berater Peter Höschl ver­sichert, muss niemand die Flinte ins Korn werfen, weil manche Zahlen fehlen: „Eine geschätzte Zahl ist besser als gar keine. Auch mit einer Annäherung kann man schon ein Gefühl dafür ent­wickeln, welche Produkte sich lohnen und welche nicht.“ Blind auf das Controlling zu vertrauen, ist allerdings auch nicht empfehlenswert, manche Zusammenhänge kennt nur der Unternehmer. Ein unrentabler Artikel, der immer im Bundle mit einem rentablen verkauft wird oder als Einstiegsartikel für weitere Folge­käufe dient – beispielsweise für Verbrauchsartikel –, bleibt im Sortiment. Das Controlling liefert Handlungsempfehlungen für den Unternehmer, entscheiden muss er selbst.

Wer sich in die Thematik Controlling tiefer einarbeiten will, findet im Netz kostenlose Tools und unterstützende Literatur. Spezifische Kurse finden sich etwa bei Anbietern wie Udemy, Hanseatic Business School, der Haufe-Akademie oder als Gasthörer in betriebswirtschaftlichen E-Commerce-Studiengängen. Wem Excel zu wenig bietet, der kann auf spezialisierte Dienstleister und Tools zurückgreifen, die das Controlling unterstützen oder komplett übernehmen.

Controlling-as-a-Service

Externes Betriebswirtschafts-Knowhow lässt sich über Buch­haltungsdienstleister, Steuerberater oder spezialisierte Berater einkaufen. Eine Alternative zu kostspieligen Beratern von außerhalb ist das Startup Adam, das speziell jungen Unternehmen ab 39 Euro im Monat Controlling in Form von Software-Tools und Beratung anbietet. Adam kümmert sich um alle Hintergrund­prozesse für ein aussagekräftiges Controlling und liefert in regelmäßigen Abständen grafisch aufbereitete ­Berichte zu Gewinn, Verlust und Liquidität. Bei Bedarf übernimmt Adam auch das Beleg­management für 19 Euro im Monat. Der wichtigste Punkt: Quartals­weise gibt es ein Gespräch mit dem ­Controlling-Sparringspartner, in dem Wachstumschancen und Potenziale besprochen werden. Höhere Tarife bieten kürzere Zeitabstände.

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Lagerbestandsanalyse-as-a-Service

Eine Lagerbestandsanalyse und -optimierung kann Netstock durchführen. Die SaaS-Lösung führt per ERP-Connector die wichtigsten Daten zusammen. Das System hilft dabei, Lagerbestände zu reduzieren und Lagerreichweiten zu ermitteln. Es macht Bestellvorschläge, die den Aufwand für den Einkauf reduzieren. Absatz- und Risikoprognosen sollen fundierte Entscheidungen ermöglichen. Netstock führt eine einmalige Lager­bestandsanalyse durch, um Probleme aufzudecken und fährt dann mit einer täglichen Lagerbestandsoptimierung fort. Es werden unterschiedliche Lager, Währungen und Regionen unterstützt und dazugehörige Wechselkurse automatisch angewendet. Die wichtigsten Bestandskennzahlen bereitet Netstock grafisch auf und präsentiert sie in Echtzeit. In die Prognosen kann der Händler manuell eingreifen, um Schwankungen abzufangen. Die Lösung ist ab 199 Euro monatlich erhältlich, jederzeit kündbar und wird ab 999 Euro einmalig in die Softwarelandschaft des Unternehmens integriert.

Business-Intelligence-Lösungen

Die Königsklasse der Controlling-Tools leistet viel bei meist ­hohen Preisen. Wunderdata etwa fasst ab 199 Euro im Monat auf einer fertig voreingestellten Dashboard-Umgebung alle Kennzahlen in Berichten und Diagrammen zusammen. Zusätzlich liefert eine „universelle Filterbox“ einen Assistenten für eigene Datenanalysen. Die Anbindung soll in nur fünf Minuten erfolgen.

Die Enterprise-Cloud-Lösung Minubo bietet einen vollständigen BI-Stack, lohnt sich aber erst ab etwa einer Million Euro Jahresumsatz. (Screenshot: Minubo)

Die Enterprise-Cloud-Lösung Minubo bietet einen vollständigen BI-Stack, lohnt sich aber erst ab etwa einer Million Euro Jahresumsatz. (Screenshot: Minubo)

Minubo ist eine Enterprise-Cloud-Lösung und liefert einen umfangreichen BI-Funktionsumfang. Basis ist ein selbstent­wickeltes E-Commerce-Datenmodell mit einer Anwendungs­suite, Tablet-Apps für stationäre Läden, einer Feed-API für Dritt­systeme und einer Web-Anwendung für Reports und Analysen. Die ­Lösung lohnt sich ab etwa einer Million Euro Jahresumsatz. Das ­Komplettpaket wird für ­Lizenzkosten von 2.000 Euro im Monat angeboten. Eine weitere Lösung ist die Infozoom-E-­Commerce-BI, die als Windows-Desktop­software oder als Webanwendung erhältlich ist. Lizenzkosten für das Self-Service-Datenanalysetool für Multichannel-Händler sind auf Anfrage erhältlich.

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Reine Amazon-Controlling-Tools

Für den größten Marktplatz in Deutschland gibt es alleinstehende Lösungen, die Teilbereiche des Controllings abdecken. Sellics steuert und analysiert verschiedene Amazon-Aspekte, ­darunter auch Wettbewerbsanalyse, Marketingautomatisierung und ­einige betriebswirtschaftliche Controlling-Funktionen. Das Tool berechnet Deckungsbeiträge im sogenannten „Profit-­Dashboard“ und berücksichtigt Steuern, Einkaufskosten, ­Amazon- und FBA-­Gebühren sowie Amazon-PPC-Marketinggebühren. ­Außerdem enthält es eine Lagerbestandsoptimierung und bietet eine ­Ver­lorene-Gutschriften-Identfizierung und -Rückforderung. Die Software ist sowohl für Vendoren als auch für Seller oder ­Agenturen erhältlich. Kosten: ab 47 Euro monatlich.

Sellerboard ist eine einfache, reine Controlling-Lösung für ­Händler bis maximal 30.000 Produkte und schon ab 19 Euro im Monat erhältlich. Die Amazon-Daten können manuell um zusätzliche Zahlen ergänzt werden. Ein Live-Dashboard zeigt die wichtigsten Kennzahlen an, verschiedene konfigurierbare Diagramme ergänzen die gängigen KPI. Eine Lagerbestandsüberwachung ­liefert Bestellanalysen, und ein PPC-Dashboard zeigt die Entwicklung der ­Marketingkampagnen bei Amazon an.

Die Werkzeugkiste für das DIY-Controlling

Die unterschiedlichen Daten aufzubereiten und darzustellen, ist aufwendig und kostenintensiv; oft müssen dazu Schnitt­stellen angebunden oder gar erst entwickelt werden. Das SaaS-Tool ­Synesty verarbeitet, optimiert und erzeugt Datenfeeds. Es ermöglicht Nichtprogrammierern die Automatisierung von ­Arbeitsschritten ab 99 Euro monatlich. Daten aus verschiedenen Anwendungen können von Synesty abgefragt, auf der Plattform nach Regeln und Logiken weiterverarbeitet und schließlich mit anderen, nachgelagerten Systemen synchronisiert werden. ­Zapier ist ein bekannter Automatisierungsdienst, der verschiedene ­Systeme quasi per Plug & Play miteinander verbindet. ­Synesty ist auf E-Commerce spezialisiert, Zapier bedient sehr viele Kategorien. Solche Tools sind sozusagen die ­Werkzeugkiste für das DIY-Controlling. So lassen sich Excel, ERP, Onlineshop und Marketingkonten verbinden, um in Dashboards wie ­Geckoboard oder Tableau KPI zu visualisieren. Geckoboard beginnt bei 49 US-Dollar im Monat. Tableau, ab 70 Dollar pro Einzelplatz erhältlich, ist mehr als nur ein Visualisierungsdienst und erfüllt als Plattform auch gleich ­Analytics-Aufgaben.

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Fazit

Steigen die Controlling-Bedürfnisse bei Onlinehändlern parallel zum Umsatz, dann springen Anbieter wie Adam in die Bresche und unterstützen Händler beim Wachstum. Oder Händler setzen irgendwann auf eigene Controller, die in Verbindung mit großen BI-Lösungen eingesetzt werden. Grundsätzlich sollte mit dem Controlling nicht erst begonnen werden, wenn sich das Unternehmen in einer Schief­lage befindet – dann sind die Handlungsmöglichkeiten schon eingeschränkt. In diesem Fall lohnt eventuell der zusätzliche Blick von außen durch einen externen Controller.

Wie das Beispiel von Forsthofer und seinem Unternehmen ACE Deutschland zeigt, ist auch bei wirtschaftlich guter Lage oft noch viel Verbesserungspotenzial vorhanden. 35 Prozent mehr Gewinn würde wohl kein Händler ausschlagen.

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