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Autonomes Fahren: Wie die deutschen Autohersteller Tesla abhängen wollen

Autonomes Fahren ist die Lieblingsvision der Autohersteller. Audi, BMW, Daimler und Volkswagen wollen beim Rennen um die selbstfahrenden Gefährte ganz vorne dabei sein. Doch die intelligenten Systeme stecken noch voller ­Tücken. Dieser Artikel ist Teil unserer Themenwoche Zukunft der Mobilität.

14 Min. Lesezeit
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(Vision Next 100 nennt BMW sein autonomes Gefährt der  Zukunft. Ein Armaturenbrett ist nicht mehr vorgesehen, das Lenkrad sieht wie der Controller einer Spielekonsole aus. Abbildung: Audi)


Noch einmal Synonym für Fortschritt sein, das wäre schon ­etwas in diesen für die Automobilindustrie widrigen Zeiten. Ja, insgeheim hofft man bei Audi, dass sich eine Erfolgsgeschichte wie die des Quattro für die eigene Marke und den zugehörigen Volkswagen-Konzern demnächst wiederholen möge. Nur diesmal müsste es natürlich mehr sein als ein simpler Allrad, vielmehr ein Superauto ohne nennenswerte Schwächen, das dem Fahrer alle Freiräume lässt und ihm seine Wünsche geradewegs von den Lippen abliest.

inen ersten Entwurf dieser noch fernen Zukunft hat der Konzern auf einer Bühne der Internationalen Automobilausstellung 2017 präsentiert: Dass es sich beim Konzeptfahrzeug Aicon um einen Audi handelt, erkennt man allenfalls noch an den vier Ringen an der Front. Der Rest ist eben Zukunft. Und die glänzt ebenfalls, aber fährt elektrisch – und autonom.

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Es ist dieser mit reichlich Erwartungen aufgeladene Begriff, der mittlerweile zum Standard-Vokabular einer ganzen ­Industrie gehört. Ingenieure, Entwickler und Programmierer arbeiten mit Hilfe künstlicher Intelligenz an ihren Visionen des selbstfahrenden Fahrzeugs. Nicht so sehr, weil die Autobranche so ­visionär denkt, sondern weil die Ankündigungen eigener Modelle und Technologien von Unternehmen wie Tesla und Google die ­bisherigen Marktführer aufgeschreckt haben. Wer sich auch in zehn Jahren noch zu den führenden Herstellern zählen will, muss jetzt klotzen. Diese Botschaft ist angekommen.

Futuristisch ist bei Mercedes Benz nicht nur das Design. Die Modelle sollen auch ohne Fahrer auskommen. (Abbildung: Daimler)

Mit dem Automatisierungsgrad von Fahrzeugen steigen die Ansprüche an mobile Netze, präzise Sensorenauswertung und Technologien wie maschinelles Lernen massiv. Besonders gefragt sind alle Anwendungen künstlicher Intelligenz für Autos. Einer Analyse des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge arbeiten in diesem Sektor weltweit mittlerweile mehr als 500 Unternehmen. Seit 2010 seien 51 Milliarden US-Dollar in die Forschung investiert worden.

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Grundsätzlich geht es um Themen wie maschinelles Sehen sowie Musteranalyse, -erkennung und -vorhersagen. Es ist also die Software, die immer mehr Funktionen im Auto steuert, die Hardware rückt in den Hintergrund. Schon deshalb investierten Fahrzeughersteller im eigenen Interesse „stark in den Aufbau interner Kompetenzen“, analysiert McKinsey. So seien etwa mehr als 40 Prozent der Patente im Bereich KI-gestützter Funktionen für das autonome Fahren im Besitz der traditionellen Autohersteller. Sie und ihre Zulieferer dominieren den Bereich der Entwicklung des Fahrerlebnisses und halten in diesem Segment mehr als 85 Prozent aller Patente. Bei der hauseigenen Entwicklung sind sie am aktivsten, etwa jedes zweite Patent stammt aus der Feder eines Mitarbeiters.

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Allerdings sind Technologieunternehmen „nur scheinbar unter­repräsentiert“, schreibt McKinsey. Denn viele Patente im Bereich des Fahrerlebnisses, wie etwa Sprach- und Gestenerkennung, werden nicht speziell für Fahrzeuge entwickelt. Und die höchste Zahl aller Patente hält kein etablierter Konzern, sondern ein Neuling auf dem Automarkt: die Google-Tochter Waymo.

Assistenz funktioniert – autonom nicht

Die ersten Ausläufer der Entwicklung von Hardware hin zu Software finden sich schon heute in den Fahrzeugen. Die sogenannten Assistenzsysteme, derzeit noch bevorzugt in den Luxus­karossen der Premiumhersteller verbaut, werden immer ausgereifter. Das bedeutet für den Fahrer, dass er zumindest entspannter unterwegs sein kann. Die Technologie unterstützt ihn, indem sie auf der Autobahn etwa sicheren Abstand zum Vordermann hält oder selbstständig einparkt.

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Wirklich allein fahren können die mit komplexer Software und Sensorik ausgestatteten Systeme allerdings noch nicht. Nicht unerheblich bleibt daher die Frage, wie lange es noch ­dauern wird, bis sich der Fahrer auf die Autos und ihr Können im Umgang mit Verkehrssituationen aller Art blind verlassen kann. Um das ­herauszufinden, fragt man besser nicht bei den Her­stellern nach. Denn sie sehen den Stand der Technik nur durch die ­rosarote ­Brille. Menschen wie Wolfgang Bernhart sehen sie ­dagegen nüchterner. Für das Beratungsunternehmen Roland ­Berger ­beschäftigt er sich mit der Autoindustrie.

Gleich zu Beginn des Gesprächs stellt er klar, dass der Begriff autonomes Fahren ein schlechter sei: „Er ist ungenau und er wird inflationär gebraucht“, sagt Bernhart. Denn selbst ein vollautomatisiertes Fahrzeug der Zukunft sei nicht in dem Sinne autonom, wie es zum Beispiel der Mars-Rover war, der auf dem fernen Planeten komplett auf sich allein gestellt herumfuhr. Bei allem Fokus auf neue Technologien sollte man sich deshalb in Erinnerung rufen, dass die meisten Fahrzeuge derzeit höchstens mäßig intelligent sind.

Von teilautomatisiert bis fahrerlos

Um den Grad der Automatisierung ein wenig zu kategorisieren, lassen sich Fahrzeuge in unterschiedliche Stufen einordnen. Die internationale Vereinigung Society of Automotive Engineers (SAE) hat eine Begrifflichkeit geschaffen, auf die sich die Branche halbwegs geeinigt hat. Ihr folgend bedeutet Level zwei, dass ein Auto teilautomatisiert ist, dass der Fahrer also Unterstützung des Fahrzeugs genießt, seine Hände aber am Steuer bleiben müssen, der Blick auf die Straße gerichtet. Level drei („hochauto­matisiert“) heißt, dass der Fahrer die Hände wegnehmen kann, das Gehirn aber „angeschaltet“ bleiben muss. Im Gefahrenfall soll er die Kontrolle innerhalb eines definierten Zeitraums über­nehmen können. Derzeit spricht man in Europa von vier Sekunden. Somit darf der Fahrer im Auto streng genommen keine Tätigkeiten ausüben, die ihn vom Sichtfeld auf die Straße ablenken könnten. Zeitungslesen ist folglich tabu.

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Automatisierung heißt: „Hands off, brain off.“

Als vollautomatisiert wird das Level vier bezeichnet. Dort gilt das Motto: „Hands off, brain off.“ Ein mit dieser Stufe ausgezeichnetes Fahrzeug muss in der Lage sein, völlig selbstständig in einen sicheren Zustand zu kommen. Das heißt in der Regel: anhalten am Straßenrand. „Beim Level vier handelt es sich um ein redundantes System, das ich als autonom bezeichnen würde“, sagt Bernhart.

Erst bei Level fünf spricht die SAE dann von „Full Auto­mation“, also fahrerloser Fortbewegung. Ein Auto, das in diese Kategorie passt, kann man als Roboterauto bezeichnen. Es muss zum Beispiel auch unter widrigen Wetter- und Wegbedingungen jede erdenkliche Verkehrssituation im Griff haben und kommt ohne menschliche Führung aus.

Im öffentlichen Nahverkehr gibt es erste Pilotprojekte wie den Deutsche-Bahn-Bus Ioki, der seit Oktober autonom durch Bad Birnbach fährt. Allerdings ist dort für alle Fälle noch ein Fahrer an Bord. Von einer Serienproduktion mit Level-fünf-Funktionen sind solche autonomen Projekte noch weit entfernt. Immerhin gibt es mittlerweile Bemühungen, ein Level-­drei-fähiges Serien­auto auf die Straßen zu schicken: Im Juli ­kündigte Audi an, in seinem neuen A8 ab 2018 sukzessive sogenannte „pilotierte Fahrfunktionen“ anzubieten. Nicht ohne den Hinweis allerdings, dass weltweit unterschiedliche Zulassungsverfahren und ihre entsprechenden Fristen zu beachten seien. Aktueller Stand in Deutschland ist diesbezüglich, dass das Kraftfahrtbundesamt neuen Fahrzeugen eine sogenannte Typgenehmigung erteilen muss – und da stellt sich die drängende Frage, nach welchen Kriterien eine solche künftig für autonome Mobile erfolgen könnte.

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In einem Positionspapier fordert etwa der Technische Überwachungsverein (TÜV), dass das nationale und internationale Regelwerk für digital vernetzte Fahrzeuge angepasst und harmonisiert werden müsse, „um eine gemeinsame europäische Verkehrspolitik für automatisierte und zukünftig autonom fahrende Autos in der vernetzten Mobilität voranzubringen“. Der Fahrer bräuchte Rechtssicherheit bei der Nutzung von Assistenz- beziehungsweise automatisierten Systemen.

Auf nationaler Ebene wird die rechtliche Lage langsam ­etwas klarer. Der Bundesrat hat im Mai dem sogenannten ­Gesetz zum automatisierten Fahren zugestimmt. Inhaltlicher Kern ist „die rechtliche Gleichstellung von menschlichem Fahrer und Computer“. Hoch- oder vollautomatisierte Fahrsysteme dürften künftig die Fahraufgabe selbstständig übernehmen. Man ermögliche ­damit, „dass der Fahrer während der hochautomatisierten Fahrt die Hände vom Lenker nehmen darf, um etwa im Internet zu surfen oder E-Mails zu checken“, sagte Verkehrsminister ­Alexander Dobrindt.

Laut der gesetzlichen Regelung muss ein Fahrer nur dann das Lenkrad oder ganz allgemein die Fahrzeugsteuerung übernehmen, wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder „wenn die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen“. Letzteres wäre etwa bei einem geplatzten Reifen der Fall.

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Geklärt scheint nun auch die vieldiskutierte Haftungsfrage: Im Fall eines Unfalls, der sich ereignet, während das Auto selbstständig fährt, ist der Hersteller in der Verantwortung. Der Halter haftet nur dann, wenn er die Aufforderung des automatisierten Systems ignoriert hat, wieder das Steuer zu übernehmen. Um zur Not prüfen zu können, ob der Fahrer oder das System in einer bestimmten Situation die Fahraufgabe innehatte, schreibt das Gesetz den Einsatz einer Blackbox vor.

Dass die Regelung noch immer die Interventionsmöglichkeit des Fahrers voraussetzt, betrachten viele Experten grundsätzlich als bedenklich – und als Benachteiligung der deutschen Auto­industrie gegenüber deren Konkurrenz aus dem Ausland. In den USA ist man diesbezüglich schon weiter. Dort dürften die Regeln schon in naher Zukunft das Fahren ohne menschlichen Fahrer, also Level fünf, ermöglichen.

Autonomes Fahren: Software als Achillesferse

Mal abgesehen von solchen regulatorischen Hürden ­kämpfen die Hersteller hauptsächlich mit der Software hinter ihren teil- und hochautomatisierten Systemen, den Vorstufen des ­autonomen Fahrens, sagt Experte Bernhart. Die große Herausforderung sei, ein Fahrzeug zu schaffen, das wirklich jeder denkbaren Verkehrs­situation gewachsen ist. „Das Problem liegt darin, im gemischten Verkehr zu prognostizieren, was andere Verkehrs­teilnehmer tun werden.“ Als Beispiel nennt er eine Kreuzung, an der ohne eindeutige Rechts-vor-Links-Regelung vier Autos stehen. Der menschliche Fahrer tauscht sich in einer solchen ­Situation über Blickkontakt aus, irgendwann fährt einer dann einfach los, während die anderen warten. So intuitiv funktioniert die Technik leider nicht.

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Der Innenraum des Mercedes F015 unterscheidet sich von bisherigen Modellen: Die üblichen Sitzreihen fehlen, das Interieur ­erinnert stattdessen an einen ­kleinen ­Meetingraum. (Abbildung: Daimler)

Diese Erfahrung hat auch Christoph von Hugo gemacht. Er ist bei Daimler Abteilungsleiter für Aktive Sicherheit. Als erfahrener Fahrer, sagt er, besitze man Intuition: Man sieht den Schulterblick eines anderen Fahrers, erkennt so, dass er unter Umständen die Spur wechseln will – und handelt dementsprechend selbst voraus­schauend. Für ein automatisiertes System seien solche Situationen allerdings eine Herausforderung, „ganz besonders im Stadtverkehr“.

Von Hugo spricht sich aus diesem Grund dafür aus, dass automatisierte Autos in komplexeren Verkehrssituation „angemessen konservativ“ fahren – zumindest so lange, bis sie verlässlich das machen, was sie sollen. „Ich kann nicht in Zahlen ausdrücken, was das heißt“, sagt er. Aber die Fahrzeuge müssten ja nicht zu Stoßzeiten mutig über eine stark befahrene Kreuzung hinweg­huschen, wie das bei einigen Taxifahrern im Pariser Stadtverkehr zu beobachten sei.

Ähnlich defensiv ist sein Kollege Josef Schloßmacher von Audi, zumindest derzeit noch. „Wir haben im Prinzip jetzt den Anfang mit mehrspurigen Straßen gemacht, in der Stadt oder auf der Autobahn“, sagt der für Technologien und Showcars ­zuständige Experte aus Ingolstadt. „Komplexe Kreuzungs­situationen sind im Moment, ebenso wie Stadtverkehr mit vielen Einmündungen, noch zu viel für die Systeme.“

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Grundsätzlich ist es also die Frage „Wie reagieren andere Verkehrsteilnehmer?“, die extrem schwierig zu lösen ist. Den Herstellern müsse es um das Thema Entscheidungsfindung und ein sehr hohes Maß an Zuverlässigkeit gehen, sagt Roland-Berger-Fachmann Bernhart. „Ein Fahrzeug mit Level vier muss mindestens so gut fahren wie 999 von 1.000 Fahrern.“ Andernfalls würde es weder in der Branche noch in der Öffentlichkeit Akzeptanz finden.

Die Industrie muss deshalb Zuverlässigkeit gewährleisten. Die Fahrzeughersteller müssen dem intelligenten System die passenden Reaktionen auf eine kaum überschaubare Anzahl an potenziell gefährlichen Verkehrssituationen antrainieren. Das sei unter anderem auch deshalb komplex, weil der Verkehr in Rom anders tickt als etwa der in Frankfurt, Mumbai oder Palo Alto, sagt Bernhart. An all diesen Orten der Welt unterscheidet sich das Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer teilweise grundlegend, wie viele Urlauber aus eigener Erfahrung wissen dürften.

Diese komplexe Entscheidungsfindung ist das dominierende Thema der Branche. Um auf ein akzeptables Niveau zu kommen, müsse man zehn Milliarden Kilometer Testbetrieb machen, meint Experte Bernhart. Erst dann könnten die Hersteller die Funktions­fähigkeit des Systems auch nachweisen.

Angenommen haben die Autohersteller diese Heraus­forderung. Daimler zum Beispiel testet mit Fahrzeugen auf Basis der S‑Klasse automatisierte Fahrfunktionen auf allen fünf Kontinenten. Im Rahmen des sogenannten Intelligent World Drive sind nach dem Start in Deutschland nun diverse Mobile in China und Ende des Jahres in Australien und Südafrika unterwegs. Ziel sei es, weltweit Erkenntnisse im realen Verkehrsgeschehen zu sammeln, „um künftige automatisierte und autonome Fahr­funktionen an die länderspezifischen Nutzer- und Verkehrsgewohnheiten anzupassen“, wie Daimler es förmlich formuliert. Übersetzt heißt das so viel wie: Das autonome Fahrzeug soll sich im Kreisverkehr in Rom anders verhalten als im Kreisverkehr in Berlin.

Um auf diesem Gebiet voranzukommen, ist die Autobranche sogar bereit, gemeinsame Sache zu machen. Für das weltweit einmalige Vorzeige-Projekt L3Pilot hat sich eine ganze Reihe von Fahrzeugherstellern, Zulieferern, Universitäten, Behörden und Unternehmen zusammengetan. Seit September verfolgt die zunächst auf vier Jahre angelegte Forschungsinitiative das Ziel, automatisiertes Fahren auf den Straßen Europas zu erproben.

Unter der Leitung von Volkswagen haben Audi, BMW, Daimler, Ford, Honda, Jaguar Land Rover, Opel, PSA, ­Re­nault, Fiat, Toyota und Volvo 100 Fahrzeuge mit 1.000 Fahrern in den öffentlichen Verkehr geschickt, „um automatisierte Fahrsysteme nach Level drei und vier unter Realbedingungen und in einer breiten Anwendung zu testen“. Die erprobten Technologien würden „ein weites Spektrum“ umfassen, vom Parken und Überholen bis hin zu Fahren im komplexen Stadtverkehr. Insgesamt sollen so in elf europäischen Ländern Daten zur Bewertung technischer Aspekte, der Nutzerakzeptanz, des Fahr- und Reiseverhaltens sowie des Einflusses dieser Systeme auf Verkehr und Gesellschaft erhoben werden.

Wann kommt die erste autonome Serie?

Bevor die autonomen Superfahrzeuge in Serie gehen, bauen die Hersteller aber erst einmal weiter Assistenzsysteme in ihre Fahrzeuge ein. Ab dem kommenden Jahr wollen viele Premiummarken ihre Autos mit Level-drei-Systemen ausstatten. Den Ankündigungswettbewerb in diesem Segment führt derzeit Audi an. Anfang September schon versprach das Unternehmen den sogenannten „AI Staupilot“, der als weltweit erstes System hochautomatisiertes Fahren auf Level drei ermöglichen soll – sowohl im Stau als auch im zähfließenden Autobahnverkehr bis zu 60 Stundenkilometer. Verbaut wird er vorerst nur in der Luxus­limousine A8. Bei Audi prognostiziert man zudem, dass es in den kommenden Jahren eine Reihe von Kooperationen geben werde, gerade in jenen Bereichen, in denen es um Standardisierung und Verkehrssicherheit geht.

Zwischen den bekannten Anzeigen zu Umdrehung und ­Geschwindigkeit befindet sich in Audis A8 auch ein Staupilot. Der Wagen steuert damit im zäh fließenden Verkehr ­automatisch. (Abbildung: Audi)

Auch Daimler will beim automatisierten und autonomen ­Fahren „die Nase vorn“ haben, wie es von Hugo formuliert. Und das, obwohl die sich derzeit im Portfolio befindenden E- und S-Klasse-Modelle ausnahmslos Level-zwei-Fahrzeuge sind. Neuen Schwung bringen soll eine Entwicklungskooperation mit Bosch. Das Ziel: vollautomatisiertes und fahrerloses Fahren im urbanen Umfeld Anfang der kommenden Dekade.

Angepeilt ist die gemeinsame Entwicklung von Software und Algorithmen für ein autonomes Fahrsystem. Das Projekt vereine die „Gesamtfahrzeugkompetenz“ von Daimler mit der „System- und Hardwarekompetenz“ des weltgrößten Zulieferers. Die dadurch entstehenden Synergien würden „auf eine möglichst frühe und abgesicherte Serieneinführung der Technologie“ abzielen, sagen die beiden Konzerne.

Wer nun wirklich die Nase vorn hat, das kommt darauf an, wen man fragt. Schon von Berufs wegen ist von Hugo der Auffassung, dass Daimler schon heute vieles besser mache als die Konkurrenz. „Ich glaube durchaus, dass es Unterschiede zwischen unseren Systemen und denen der Konkurrenz gibt“, sagt er. Auf dem Papier seien diese jedoch manchmal „etwas schwer ­auszumachen“, auch wegen der von Hersteller zu Hersteller unter­schiedlichen Bezeichnungen der Produkte und Features. Besonders stolz ist der Daimler-Mann auf den eigenen Lenk­assistenten, der ähnliche Produkte der Konkurrenz angeblich aussteche: „Unter anderem deshalb, weil wir da mittlerweile in der dritten Generation sind und entsprechend mehr Erfahrung mitbringen.“ Natürlich sieht das Josef Schloßmacher ganz anders. Er ist der Meinung, dass „im Moment noch kein wirklicher Wettbewerber direkt in Sicht ist, der Audi kurzfristig nachfolgt“. Aber es werde künftig „sicher einiges passieren, auch in Übersee“.

Vision Next 100 nennt BMW sein autonomes Gefährt der Zukunft. Ein Armaturenbrett ist nicht mehr vorgesehen, das Lenkrad sieht wie der Controller einer ­Spielekonsole aus. (Abbildung: BMW)

Und womöglich auch in München. Eine strahlende Zukunft für den eigenen Konzern prognostiziert wenig überraschend nämlich auch BMW für sich. Derzeit, heißt es, würden rund 600 Mitarbeiter der Unternehmensgruppe an der Entwicklung des hochautomatisierten Fahrens arbeiten. Ein großer Teil davon seien Softwareentwickler. Als nächstes großes Ziel kündigt der Hersteller an, das hochautomatisierte Fahren auf europäischen Autobahnen „mit allen Herausforderungen wie dem Überfahren von Ländergrenzen oder dem Durchfahren von Baustellen“ zu ermöglichen. Ab 2020 sollen so die technischen Voraussetzungen für einen Autobahn-Piloten gelegt sein – um hochautomatisiert mit Serienfahrzeugen fahren zu können.

Daneben geht es besonders den Premiumherstellern darum, ihr Luxus-Image zu pflegen. Und womit könnte dieses Unter­fangen besser gelingen als mit schön anzusehenden Fahrzeugen? Wohl auch deshalb will BMW im Jahr 2021 endlich den lang angekündigten iNext vorstellen, der nicht nur vollelektrisch, sondern auch vernetzt und autonom unterwegs sein soll. „Eine ganze Palette“ hochautomatisiert fahrender Modelle aller Marken der BMW-Group soll ihm folgen.

Um den großzügig vorgetragenen Ankündigungen auch ­Taten folgen zu lassen, hat der Hersteller im benachbarten ­Unterschleißheim einen Campus gegründet, auf dem man die „Entwicklungskompetenzen für Fahrzeugvernetzung und ­automatisiertes Fahren“ bündeln will. Mehr als 2.000 Mitarbeiter seien beauftragt, von der Softwareentwicklung bis hin zur Straßen­erprobung die nächsten Schritte zum vollautomatisierten Fahren zu entwickeln.

Zudem kooperiert BMW auch mit Intel und Mobileye. ­Gemeinsam hat man im vergangenen Jahr 40 BMW-7er-Entwicklungsfahrzeuge zusammengeschraubt, die in den USA, Israel und ­Deutschland erprobt werden sollen. Ziel der Zusammenarbeit mit diesen und weiteren Partnern sei außerdem, „eine offene Plattform zu schaffen, die auch für andere Marktteilnehmer offen ­gestaltet werden soll“, wie Dirk Wisselmann, bei BMW mit automatisiertem Fahren befasst, sagt.

Ist Tesla weiter als die Etablierten?

„Bei Tesla gibt es keine signifikanten Unterschiede zu Volvo, BMW, Audi und Daimler.“ 

Welcher Hersteller künftig wirklich vorneweg fährt, das entscheidet sich aber nicht nur in Deutschland. Insbesondere ­Tesla hat sich als Vorreiter autonomer Fahrtechnologien einen Namen gemacht. Wolfgang Bernhart kann die Begeisterung für das US-amerikanische Unternehmen allerdings nicht wirklich teilen. In den vom gehypten Betrieb aus dem Silicon Valley produzierten Fahrzeugen seien „einzelne Funktionen vielleicht aus Kunden­sicht besser ausgeprägt als bei anderen Herstellern“, sagt der ­Autoexperte. Technisch gesehen sei Tesla allerdings nicht weiter als die etablierten Premium-Hersteller: „Da gibt es keine signifikanten Unterschiede zu Volvo, BMW, Audi und Daimler.“

In einem Punkt aber könnte das Unternehmen von Elon Musk die deutschen Produzenten trotzdem abhängen – nämlich bei der Frage, wo genau die Intelligenz von Systemen künftig sitzt. Heute orientieren sich viele Fahrzeuge per Radar- und Lidar-Sensorik über den eigenen Standort. Interessant könnte allerdings bald auch ein Szenario werden, bei dem ganze Flotten aus der Cloud gesteuert werden. Dafür bräuchte es Echtzeitkommunikation über Funk und somit neue Standards wie etwa 5G.

In diese Richtung denkt offenbar auch Tesla. Das US-Unternehmen will womöglich nicht die besten Sensoren verbauen und diese immer weiter verbessern, wie das die Konkurrenz tut, sondern stattdessen in jenem Design denken, das man heute eher aus der digitalen Welt kennt. Die Vision: Fahrzeuge, die vernetzt sind, voneinander lernen und aus der Cloud gesteuert werden. Die junge Google-Tochter Waymo verfolgt eine ähnliche Strategie. Das Unternehmen gab Ende September bekannt, mit dem Chiphersteller Intel zusammenarbeiten zu wollen, um die Technologie für das selbstfahrende Auto entscheidend voranzubringen.

Trotz vieler Ankündigungen seitens der Hersteller und Zulieferer bleibt das autonome Fahren vorerst eine Wunsch­vorstellung. Eigentlich schade, dass die Unternehmen noch so lange brauchen. Denn die Nachfrage wäre durchaus schon heute da, wie eine Umfrage des Axa-Konzerns ergeben hat. Ihr zufolge würde jeder dritte Befragte in Deutschland gern oder sogar sehr gern ein autonomes Auto nutzen.

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