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Interview
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Blockchain-Entrepreneur Matan Field: „Ein dezentrales Reddit wäre nur der Anfang“

Wie Blockchain den Finanzsektor aufmischt? Spannend, aber Matan Field denkt schon weiter. Er glaubt, dass dezentrale Technologien Arbeit und Wirtschaft noch viel ­grundlegender verändern werden. Wie genau und was das alles mit Ameisen und Staren zu tun hat, erklärt der Israeli im Gespräch.

Von Luca Caracciolo
7 Min. Lesezeit
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(Foto: Luca Caracciolo)

Eigentlich beschäftigte sich Matan Field als Doktor der Physik lange Jahre mit solch abstrakten Dingen wie der Stringtheorie. Und weil das offenbar recht wenig mit dem praktischen Leben zu tun hatte, forschte Field nebenher im Bereich So­cial Entrepreneur­ship, insbesondere mit Bezug auf kooperative Wirtschafts­modelle. Als er dann 2013 erstmals von der Blockchain-Technologie hörte, glaubte er, die technische Basis für neue Formen der Koopera­tionen gefunden zu haben. Die ersten Gehversuche mit der dezen­tralen Technologie probierte er mit Freunden, als er mit ihnen eine App für Fahrgemeinschaften namens Lazoo ent­wickelte. 2015 dann begann Field mit seinem Startup Backfeed an dezen­tralen Organisationsformen auf Basis der Blockchain-Technologie zu arbeiten. Sein neuestes Projekt: Mit einem Team aus mehreren dutzend Entwicklern und Blockchain-Enthusiasten will er unter dem Namen „DAOStack“ das Framework für DAOs bauen, also für Decentralized Autonomous Organisations, die auf der Ethereum-Blockchain basieren.

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t3n Magazin: Matan, du glaubst an die Zukunft von dezentralen ­Organisationen und Unternehmen. Was ist so schlecht an zentraler Steuerung?

Matan FieldWir haben die Art und Weise, wie unsere Organisationen funktio­nieren, jahrhundertelang nicht großartig verändert – beispielsweise, wie unsere Unternehmen gesteuert werden. Es gibt eine ziemlich klare Vorstellung einer pyramidenartigen Struktur mit dem CEO an der Spitze, dem mittleren Management und den restlichen Mitarbeitern am unteren Spektrum. Wenn man sich aber Organisationsprinzipien aus der Natur anschaut, dann funktionieren die ganz anders.

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t3n Magazin: Kannst du ein Beispiel nennen?

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Matan Field: Schau dir beispielsweise Ameisen an und wie sie kooperieren. Es gibt zwar die Königin, die legt aber nur Eier und sagt ihrem Volk nicht, was es tun soll. Vielmehr haben wir es hier mit einer kollektiven und dezentral ablaufenden Organisationsform zu tun. Ganz ähnlich übrigens Fischschwärme. Oder Stare. Hast du mal Schwärme von Staren gesehen?

t3n Magazin: Nur im Fernsehen.

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Matan Field: Das ist beeindruckend, oder? Schwärme von Staren können bis zu 1,5 Millionen einzelne Tiere umfassen. Sie fliegen alle ­koordiniert zusammen, wie eine einzige lebende Kreatur – und dabei gibt es nicht den einen klaren Führer des Schwarms.

t3n Magazin: Das ist jetzt ein wenig sehr weit weg von klassischen Unternehmensorganisationen.

Matan Field: Dann mal anders: Schau dir mal die Open-Source-Bewegung an oder schlicht die technische Funktionsweise des Internets mit ihrer Server-Infrastruktur. Beides funktioniert nicht zentral wie etwa in einem Unternehmen, aber am Ende des Tages funktionieren sie als Organisation doch ziemlich gut.

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t3n Magazin: Worauf willst du hinaus?

Matan Field: Stell dir einfach vor, es wäre möglich, Millionen von Menschen innerhalb einer digitalen Organisation zusammenzubringen – ohne klassische Führungsstruktur. Wenn die Entwickler, Designer und Unternehmen einer Open-Source-Community alle spontan zusammenarbeiten könnten, ohne konkrete Führung. Und wenn es eine Idee gibt, dann gründe ich eben nicht ein Unternehmen, sondern schmeiße die Idee in dieses Netzwerk und andere Leute können mitarbeiten und die Idee weiterentwickeln.

t3n Magazin: Aber ich verschaffe mir ja einen Vorteil, wenn ich eine Idee habe und daraus ein Unternehmen gründe. So funktioniert doch Innovation.

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Matan Field: Richtig – und das ist auch der „Missing Link“ in der Gleichung: Es gibt keine richtige Incentivierung für ein solches Vorgehen. Wieso sollten das Leute tun? Also ihre Ideen einfach so preisgeben? Wenn ich das heute so mache, würde ich als Urheber der Idee nicht wahrgenommen und vermutlich die Anerkennung auf diese Idee verlieren.

t3n Magazin: Und jetzt kommt die Blockchain ins Spiel …

Matan Field: Genau, ein dezentrales Organisationssystem auf Basis der Blockchain-Technologie. Ein System, das quasi in Echtzeit die Ideen und Meinungen der beteiligten Individuen aufnimmt und in eine Handlung überführt. Das können beispielsweise Codezeilen sein. Die im System beteiligten Personen bekämen die Möglichkeit, per Tokens diesen Codezeilen einen gewissen Wert zuzuordnen. Also wie wertvoll ist die Leistung für die Community oder ein spezielles Projekt? In der Form ließe sich ein Reputationssystem entwickeln, dass unterschiedliche Wertesysteme und Kontexte innerhalb des Netzwerks berücksichtigt.

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t3n Magazin: Das klingt doch alles sehr abstrakt. Wenn ich mir die heutige Unternehmenswelt so anschaue, dann frage ich mich, wie solche Ideen darin ihren Platz finden sollen.

Matan Field: Ich glaube, dass sie die heute uns bekannte Unternehmenswelt ersetzen werden. Schau dir doch etwa die Medienwelt und ihre Akteure an, und wie das Internet ihren Platz eingenommen hat.

t3n Magazin: Das stimmt ja nicht, die Akteure mit ihrer Reputation gibt es ja nach wie vor – auch im Internet. Eine New York Times findet auch im Netz ihre Anerkennung.

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Matan Field: Ja, das stimmt. Aber sie sind jetzt auch nur Player in diesem neuen Spiel – ein Spiel, dessen Spielregeln sie früher selbst festgelegt haben. Lass mich erklären: Vor dem Internet waren die Medienunternehmen das Gerüst für den Informationszugang. Heute ist das Internet dieses Gerüst geworden und die Medienunternehmen sind nur große Player darin. Und übrigens: Solche Unternehmen, die diesen Shift frühzeitig erkannt haben, sind heute zu großen Playern herangewachsen – und solche, die das Potenzial des Internets nicht erkannt haben, werden vermutlich früher oder später komplett verschwinden. Und ich glaube, dass etwas ganz Ähnliches mit der Unternehmenswelt passieren wird.

t3n Magazin: Inwiefern?

Matan Field: Wenn eine neue Form der Unternehmensorganisation beispielsweise mit Blockchain-Technologien einfach hundertmal effizienter ist als herkömmliche Organisationsstrukturen, dann werden jene Unternehmen, die solche Strukturen frühzeitig adaptieren, sich in diesem neuen Gerüst Vorteile erspielen – und andere werden zurückfallen.

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t3n Magazin: Aber wieso kann denn eine solche netzwerkartige ­Organisationsform so viel effizienter sein?

Matan Field: Große Unternehmen haben heute ein fundamentales Problem: Sie sind in der Regel zu langsam, was Innovationen angeht. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Top-Talente in der Regel nicht unbedingt zu den Großunternehmen gehen, weil sie für den Mehrwert, den sie schaffen, nicht wirklich belohnt werden. Klar, sie bekommen Gehälter. Das war es aber auch. Was aber, wenn du plötzlich eine Organisationsform hast, in der tausende der talentiertesten Personen der Welt zusammenarbeiten können?

t3n Magazin: Was würde dann passieren?

Matan Field: Sie würden mächtiger sein und koordinierter zusammenwirken können als jeder Konzern. Solche neueren Organisationsformen, die einfach effizienter sind, werden alte Strukturen ersetzen – aber nicht in dem Sinne, dass die großen Konzerne einfach verschwinden. Vielmehr werden sie solche neuen Organisationsformen adaptieren – oder eben verlieren.

t3n Magazin: Wie werden denn deiner Meinung nach Unternehmen solche dezentralen Organisationsformen adaptieren?

Matan Field: Das ist eine spannende Frage. Ich glaube, dass Unternehmen solche Strukturen intern und extern aufgreifen werden. Intern in der Weise, dass es zwar auch noch Top-Down-Strukturen geben wird, aber einige Abteilungen innerhalb von dezentralen Organisationsformen arbeiten werden – also ein Mix aus beiden Welten. Extern insofern, dass Unternehmen zunehmend mit externen Netzwerken oder Schwärmen kooperieren.

t3n Magazin: Was wird deiner Meinung nach eher intern abgebildet und in welchen Fällen werden Unternehmen eher externe Netzwerke anzapfen?

Matan Field: Das ist eine generelle Frage von Offenheit versus Geschlossenheit. Der „Schwarm“ ist ja per Definition offen. Wenn du willst, dass jeder mitmachen kann, musst du offen sein – also eine Open-­Source-Strategie verfolgen. Ich glaube, dass in Zukunft der Anteil an geschlossenen Prozessen innerhalb von Unternehmen generell sinken wird – das wird Inhouse passieren, vielleicht mit einer internen Schwarmintelligenz. Und der Rest wird in Open-­Source-Manier an öffentliche Netzwerke outgesourced.

t3n Magazin: Das dezentrale Internet wird heute von großen zen­tralen Plattformen maßgeblich bestimmt: Facebook, Google, Amazon. Diese Akteure versammeln aufgrund ihrer monopolartigen Stellung extrem viel Macht. Glaubst du ernsthaft, dass sie an solchen dezentralen Technologien wie Blockchain überhaupt interessiert sind? Das entspricht ja dem Gegenteil von dem, was sie groß gemacht hat.

Matan Field: Ich glaube, dass sie sehr interessiert sind.

t3n Magazin: Facebook? Ernsthaft? Würde ein auf Blockchain-­Technologien ­basierendes, dezentrales Identitätsmanagement nicht den zentralistischen Strukturen des größten sozialen Netzwerkes der Welt fundamental widersprechen?

Matan Field: Das wird in der Tat spannend. Facebook wird vermutlich solche dezentral organisierten Social-Media-Plattformen bekämpfen, ja. Aber gleichzeitig wird sich zeigen, wie lange Marc Zuckerberg solche dezentralen Technologien zurückhalten kann – oder ob Facebook sie nicht auch in irgendeiner Form adaptieren muss. Es gibt jedenfalls ein paar interessante Projekte auf Basis der Blockchain-Technologie.

t3n Magazin: Welche zum Beispiel?

Matan Field: Eines ist Synereo. Das Startup hat vor einigen Monaten per Crowdfunding fünf Millionen US-Dollar eingesammelt. Keine Ahnung, ob sie es schaffen werden oder erst das nächste Projekt, aber es wird eine Frage der Zeit sein. Generell ist Social Media ein wirklich deutlich schwierigerer Bereich als etwa Open Source. In Social Media gibt es einen großen Akteur, gegen den du dich durchsetzen musst. Und es gibt den Netzwerkeffekt, der immer den größten Akteur stärkt. In der Open-Source-Welt gibt es nicht den einen großen Player, gegen den du dich durchsetzen musst. Es gibt viele Konzerne und Unternehmen und da reicht es, dass einige wenige besonders frühzeitig solche neuen dezentralen Technologien einsetzen. Und quasi zwischen dem Social-­Media-Bereich und dem Bereich Produktivität und Open Source gibt es ja noch Collaborative Media.

t3n Magazin: Was meinst du damit?

Matan Field: Stell dir einfach Millionen von Autoren vor, die gemeinsam eine Open-Media-Plattform bauen. Eine Art dezentrales Medium. Oder ein dezentrales Reddit. Solche Vorhaben sind deutlich näher dran an dezentralen Organisationsformen im Bereich Arbeit und Produktivität, sind einfacher zu realisieren und durchaus in der Nähe zu klassischem Social Media. Synereo geht in eine ganz ähnliche Richtung. Das ist aber nur der Anfang. Generell sehe ich die Bewegung von Open Source und Blockchain-Technologien in einem weit größeren Kontext. Und jeder Erfolg in einem Feld wird andere Bereiche beeinflussen.

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