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Die Rezolution der Politik: So funktioniert politische Kommunikation im Netz

Rezo, Artikel 13, Fridays for Future: Eine junge Generation ­protestiert im Netz und auf der Straße. Die großen Parteien trifft das alles ziemlich unvorbereitet. Um die Menschen wieder zu erreichen, muss die Politik sich etwas einfallen lassen – ein paar schicke Youtube-Videos zu drehen, wird nicht reichen.

Von Jakob von Lindern
11 Min. Lesezeit
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(Illustration: Hubertus Krohne)

„Wir machen euch ein ernsthaftes Angebot, ins Gespräch zu kommen. Organisiert euch, ladet uns ein, wir kommen dazu. Egal, ob Wahlkampf ist oder nicht. Uns ist wichtig, dass wir mit euch im Gespräch sind.“ Diese Botschaft richtete Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, Ende Mai an die Kritiker seiner Partei, in einem Video zusammen mit seinen Parteikollegen Kevin Kühnert und Tiemo Wölken. Die Nutzer, die den Clip auf Youtube kommentieren, reagieren gespalten auf Klingbeils Appell: „Sagen kann man viel. Am Ende zieht ihr doch sehr wahrscheinlich wieder den Kopf ein. Nein danke“, schreibt eine Nutzerin, „die ganze Koalition mit der CDU ist eine Farce“, empört sich ein anderer – 1.539 Likes hat ihm die Community dafür gegeben. Doch es gibt auch ­andere Stimmen: „Kritik ernstgenommen, zum Diskurs eingeladen und ein klares Statement. Auch so kann Politik gehen“, schreibt jemand, oder auch: „endlich mal ne Partei, die (richtig) antworten kann.“

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Ein kleiner Einschub für alle, die nicht wissen, auf wen ­Klingbeil, Wölken und Kühnert hier antworten – wahrscheinlich, weil sie längere Zeit digital detoxend im Schweigekloster verbracht haben: Im Mai veröffentlichte der Youtuber Rezo ein Video, in dem er eine knappe Stunde lang darüber spricht, „wie CDU-Leute lügen, wie ihnen grundsätzliche Kompetenzen für ­ihren Job fehlen (…) und dass nach der Expertenmeinung von ­zigtausenden deutschen Wissenschaftlern die CDU aktuell unsere Leben und unsere Zukunft zerstört“, wie er zu Beginn sagt. Er spricht dann vor allem über Klimapolitik, die Entwicklung der Vermögen und Einkommen in Deutschland und über die US-­Militärbasis Ramstein, von der aus Drohnenangriffe gesteuert werden. Rezo belegt seine Behauptungen mit einer Art Literaturverzeichnis, in dem er mehr als 200 Quellen verlinkt und folgert am Schluss, die CDU/CSU, aber auch die SPD, seien verantwortlich für eine völlig verfehlte Politik und deshalb unwählbar, insbesondere für junge Menschen. Die sollten deshalb erstens selbst nicht CDU wählen und zweitens ihre Eltern überzeugen, das doch bitte auch nicht zu tun. Das Video ging viral, Rezos Bild schaffte es bis in die Tagesschau, seine Aussagen wurden gefactcheckt und die Fact-Checks wieder gegengecheckt. Vor allem die Reaktionen oder Nicht-Reaktionen der Adressaten des Videos trieben die Diskussion immer weiter. Und offenbarten nicht zuletzt eins: Der Graben, der derzeit viele etablierte Politiker von der jungen Wählerschaft trennt, wird sich nicht mit ein paar schicken Videos allein überwinden lassen.

Im Juli lud CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Vertreter von Umwelt- und Jugendorganisationen zur Diskussion über das Klima ein. „Wenn jetzt noch halb so viel Liebe in die Klimakonzepte der CDU fließen würde, wie in die Social-­Media-Betreuung von diesem einen Gesprächstermin, wären wir einen großen Schritt weiter“, twitterte Teilnehmerin Luisa Neubauer von Fridays for Future im Anschluss. (Screenshot: Facebook/Paul Ziemiak)

Im Juli lud CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Vertreter von Umwelt- und Jugendorganisationen zur Diskussion über das Klima ein. „Wenn jetzt noch halb so viel Liebe in die Klimakonzepte der CDU fließen würde, wie in die Social-­Media-Betreuung von diesem einen Gesprächstermin, wären wir einen großen Schritt weiter“, twitterte Teilnehmerin Luisa Neubauer von Fridays for Future im Anschluss. (Screenshot: Facebook/Paul Ziemiak)

„Es geht nicht um die Form oder den Kanal“, sagt Martin Fuchs, Politikberater und Digitalexperte. Das Problem liegt tiefer. „Es geht um Inhalte, darum, die Leute ernst zu nehmen und um eine neue Debattenkultur, die für viele Menschen Standard ist, in der die Parteien zurzeit aber nicht wirkmächtig agieren.“ Wer früher hauptsächlich zu Wahlkampfzeiten in den direkten Dialog mit Wählern und Konkurenten ging, sieht sich heute oft verpflichtet, auch das aktuelle Tagesgeschehen zu kommentieren – und kann kritischen Fragen kaum über einen längeren Zeitraum ausweichen. Nur wenige Akteure im Politikbetrieb meistern die neue Herausforderung souverän: Die politische Kommunikation ist in einer handfesten Krise – wie Rezo eindrucksvoll gezeigt hat.

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Allein die Reaktionen der alteingesessenen Parteien, allen voran der CDU, auf sein Video: Der CDU-Bundestags­abgeordnete Philipp Amthor nahm ein Reaktions-Video auf, das dann aber doch nicht veröffentlicht wurde und nun wohl in den ­Archiven des Konrad-Adenauer-Hauses darauf wartet, geleakt zu ­werden. Stattdessen veröffentlichte die CDU schließlich eine elf ­Seiten ­lange Antwort als PDF. Einige Unions-Politiker, darunter ­Verkehrsminister Andreas Scheuer, thematisierten die Tat­sache, dass Rezo vom Unternehmen Tube One vermarktet wird, das wiederum zu Ströer Media Brands gehört, wohl um anzu­deuten, Rezo und sein Video seien gekauft. Die CDU-Chefin ­Annegret Kramp-Karrenbauer ließ sich schließlich dazu hinreißen, über die Regulierung von Äußerungen im Netz zu sprechen, was sie dann auf Twitter „absurd“ nannte, sie wolle keine Meinungs­äußerungen regulieren, man müsse aber sprechen über „Regeln, die im Wahlkampf gelten“.

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Das alles flog der CDU ziemlich um die Ohren. Auch die kon­struktiveren Vorschläge der Partei ernteten im Netz ­zumeist Häme, wie die Forderung, die CDU solle „eigene Influencer aufbauen“, deren Videos „schnelle, prägnante Argumente, ­Schnitte, Quotes, Charts, Musik, Webkommunikation“ bräuchten (der CDU-nahe Verein c-netz). Oder mit „jungen, netzaffinen ­Gesichtern“ einen „kompletten Neustart“ der Kommunikation hinlegen (aus einem Beschluss der Jungen Union). Doch über die Frage der unmittelbaren Reaktion und unüberlegter Äußerungen hinaus hat Rezo für alle offen gelegt, was manchen schon lange klar ist: „Die politische Kommunikation ist seit Jahren in einer Phase der Disruption“, sagt Politikberater Fuchs.

„Die Akteure in den Parteien wollen zu sehr am Althergebrachten ­fest­halten. An den Machtstrukturen und an der ­ganzen Art der Politik.“

Schuld daran sind, wie ja eigentlich immer, wenn etwas ­disrupted wird: Internet, Smartphone und Social Media. Politiker und ­Parteien sind dort ja durchaus präsent, schließlich bietet es ­ihnen die Möglichkeit, ihre Botschaften direkt und unmittelbar zu versenden und mit ihrem Publikum zu kommunizieren. Anderer­seits sind viele Politiker daran gar nicht gewöhnt. Und nutzen die neuen Medien deshalb wie die alten. „Da zeigt die Forschung konstant seit 15, 20 Jahren, dass die Politik diese Medien benutzt hat, wie sie früher Pressemitteilungen benutzt hat“, sagte Martin Emmer, Kommunikationswissenschaftler und Professor an der FU Berlin vor kurzem in einem Interview mit dem MDR.

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So intensive Kommunikation mit Wählerinnen und Wählern, wie sie die sozialen Medien ermöglichen, ist für die Politik ein relativ neues Feld. Und dass die dann auch noch antworten und darauf wieder eine Antwort erwarten, erst recht. Im Kontakt mit Menschen, für die diese Art zu kommunizieren völlig normal ist, scheitert die Kommunikation dann. Das sind nicht nur, aber doch zum großen Teil, Jugendliche. Rezo etwa, aber auch die ­Beteiligten der Fridays-for-Future-Proteste oder der Demos gegen die EU-­Urheberrechtsreform. „Die halten sich nicht an klassische politische Kommunikationsprozesse, die über Jahrzehnte, wenn nicht über Jahrhunderte eingeübt worden sind, sondern nutzen ihre Medien, um ihre Themen auf die Tagesordnung zu setzen,“ so Emmer. „Die wollen einfach mitreden.“

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Obwohl das keine ganz neue Entwicklung ist, haben viele ­Politiker bisher wohl unterschätzt, welche Wirkung das ent­falten kann. Ob der sogenannte Rezo-Effekt die CDU bei der Europawahl tatsächlich nennenswert Stimmen gekostet hat, ist zwar umstritten. Doch zumindest bei den unter 30-Jährigen schnitt die CDU mit gerade einmal 13 Prozent historisch schlecht ab, während die Grünen bei 33 Prozent lagen.

„Ich glaube, es ist manchen in der Politik erst jetzt klar ­geworden, welche Wirkung ein Internetvideo haben kann“, sagt Berater Fuchs. Das Rezo-Video könnte also eine Art Weckruf sein. „Die Parteien werden sich hoffentlich professioneller aufstellen, mehr Geld in die Hand nehmen, die fähigen Leute, die sie haben, endlich ernst nehmen.“

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Politik auf Twitch

Einer davon könnte Tiemo Wölken sein, SPD-­Abgeordneter im ­Europaparlament. Im Rezo-Reaktions-Video der Partei sitzt er neben Lars Klingbeil und Juso-Chef Kevin Kühnert auf ­Gaming-Stühlen, denn sie haben vorher gemeinsam öffentlich auf der Streaming-Plattform Twitch „Overcooked“ gezockt und dabei über Politik gesprochen. Eingeladen hatte Wölken, der die Plattform seit einiger Zeit nutzt. Vermutlich als einziger deutscher Politiker.

Auch er sieht Nachholbedarf bei seinen Kolleginnen und ­Kollegen. „Politik muss da stattfinden, wo sich junge Menschen informieren“, sagt er. Auf Vorschlag seines Freundes Peter Smits, auf Youtube besser bekannt als Pietsmiet, beschloss er deshalb als er vor etwa drei Jahren ins Europaparlament einzog, Youtube als Medium einzusetzen. „Das war eine bewusste Entscheidung“, sagt er. „Durchaus auch mit der Überlegung: Was kann ich besser machen, als meine Kolleginnen und Kollegen?“

Seitdem berichtet er dort regelmäßig von seiner Arbeit in Brüssel und Straßburg, sein Kanal hat etwas mehr als 40.000 Abonnenten, immerhin fast dreimal so viele wie der Kanal ­seiner Partei. Er nutzt außerdem Instagram-Stories und seit einiger Zeit auch Twitch. „Es ist tatsächlich ein tolles Medium, um über ­Politik zu reden“, sagt er. „Viele sind sehr interessiert, die Fragen sind konstruktiv und die Diskussionen auf hohem Niveau.“

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In seine Streams schalten sich ein paar Hundert Leute ein, zur Hochzeit der Debatte um Artikel 13 der Urheberrechtsreform ­waren es mal gut 1.500. Das ist im Vergleich zu den Streams ­populärer Let’s-Player ein Witz, aber es ist etwa zehn Mal so viel wie die Videos, in denen CDU-Fraktionschef Ralph ­Brinkhaus auf Fragen antwortet, die den Youtube-Kanal der CDU erreichen. ­Können andere von ihm lernen? „Ich empfehle meinen ­Kolleginnen und Kollegen, das einfach auszuprobieren“, sagt ­Wölken. „Authentische Einblicke in den politischen Betrieb zu vermitteln, halte ich für wichtig, um Hürden abzubauen.“

Konstruktive Kritik und Fragen auf hohem Niveau: Tiemo Wölken, SPD-Abgeordneter im Europa­parlament, schätzt die politischen Diskussionen auf der ­Streaming-Plattform Twitch. (Screenshot: Twitch/ Tiemo Wölken)

Konstruktive Kritik und Fragen auf hohem Niveau: Tiemo Wölken, SPD-Abgeordneter im Europaparlament, schätzt die politischen Diskussionen auf der ­Streaming-Plattform Twitch. (Screenshot: Twitch/ Tiemo Wölken)

Und wie geht das? „Spontanität ist wichtig“, sagt Wölken. „Meine Videos zu aktuellen Themen, der Trilog-Verhandlung zum Copyright zum Beispiel oder Rezo, sind auf besonders ­großes ­Interesse gestoßen.“ Wölkens Videos kommen in der Regel ohne schnelle Schnitte oder technische Spielereien aus, sind aber professionell produziert. Licht, Ton, Kapuzenpullover und leicht chaotische Arbeitszimmer-Optik sind Youtube-typisch – noch ein Unterschied übrigens zu den Brinkhaus-Videos. „Das ist der Standard, der von den Zuschauerinnen und Zuschauern erwartet wird“, sagt er. „Wichtiger ist es, authentisch aufzutreten.“

Authentizität – nichts wird so oft gefordert, wenn es um gelungene Kommunikation im Netz geht. Und Politikern, die im Netz erfolgreich kommunizieren, wird sie häufig attestiert, wie Wölken oder Kevin Kühnert oder der US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez. Andere Politiker, neigen deshalb unter Um­ständen dazu, ihren Style zu kopieren. „Das ist zum Scheitern verurteilt“, sagt Berater Fuchs. „In der Politik ist alles inszeniert, jeder spielt irgendwie eine Rolle.“ Doch diese Rolle müsse zur Person und zu den Inhalten passen. „Um sie zu finden, muss man sich hinter­fragen, ernsthaft darüber nachdenken, was man will und ­warum. Das tun Politiker nur sehr selten.“

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Mehr Nachdenken, das rät Fuchs Politikern generell. Denn ­viele sind schlicht überfordert, beobachtet er. Von der ­Schnelligkeit, dem Druck, zu allem etwas sagen zu müssen, von der Presse­anfrage bis zu Instagram alle möglichen Kanäle bespielen zu müssen und dabei permanenter Kritik ausgesetzt zu sein. „Die meisten Menschen gehen in die Politik, um die Welt ein bisschen besser zu machen, oder wenigstens ihren Wahlkreis“, sagt Fuchs. Dazu gehört zwar von Anfang an, mit Menschen zu sprechen, aber vor allem auch zu lesen, Akten zu kennen, sich in Themen einzuarbeiten. Politiker vom Typ Rampensau, wie etwa Christian Lindner, seien eher die Ausnahme, so Fuchs.

Als Berater empfiehlt er deshalb seinen Kunden, sich gut zu überlegen, ob sie wirklich zu jedem Thema etwas posten müssen und welche Kanäle sie überhaupt bespielen wollen. Wer nur auf Instagram ist, weil der Konkurrent im Wahlkreis das jetzt macht, der solle es lieber bleiben lassen. „Es kann manchmal wirklich sinnvoll sein, auf einer Plattform keinen Account zu haben“, sagt er. Angela Merkel habe anonym einige Wochen auf Twitter verbracht – und dann entschieden, dass das nicht der richtige Kanal für sie ist.

Vielleicht muss man als Politiker also gar nicht das ­ganze ­Internet verstehen. Von dem Teil, in dem man sich bewegt, ­sollte man aber eine gewisse Ahnung haben. „Codes, Memes, die Feinheiten der Kommunikation in den Netzwerken erschließt sich nur, wenn man sich auch wirklich dort bewegt.“ Dass viele ­Politiker nicht wussten, dass die „Zerstörung“ bei Rezo nicht ganz wörtlich zu nehmen ist, ist dafür ein deutliches Zeichen.

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Authentisch, handwerklich solide, wohlüberlegt und kenntnis­reich: Ist das also das Rezept für gelungene politische Kommunikation im Netz? Fast. „Der beste Twitch-Stream hilft nichts, wenn die Inhalte nicht stimmen“, sagt Politiker Wölken. Und an überzeugenden Inhalten fehlt es den Parteien zur Zeit.

„Schicke Videos werden nicht reichen“

Klimakrise, soziale Ungleichheit, Digitalisierung – das sind die Themen, auf die Rezo, die Artikel-13-Demonstranten oder die ­Fridays-for-Future-Bewegung eine Antwort verlangen, aber zumindest von Union und SPD nicht bekommen. „Im Augenblick sieht es so aus, als würden die Volksparteien in dieser Form schlichtweg aussterben“, sagt die Politikwissenschaftlerin Eva Feldmann-Wojtachnia. Sie ist Mitglied der Forschungs­gruppe ­„Jugend und Europa“ am Centrum für angewandte Politik­forschung der LMU München. „Wenn sie das abwenden wollen, müssen sie sich ändern. Wirklich ändern. Schicke Videos werden nicht reichen. Sie müssen echte Angebote an die junge ­Generation machen, Verantwortung wirklich teilen und einen Dialog auf Augenhöhe zu ihrem Grundprinzip machen.“

Diese Erkenntnis scheint in den Parteizentralen noch nicht angekommen zu sein. Statt neue Lösungen anzubieten, ­„benehmen sie sich wie Konzernchefs in den frühen 2000ern, die nicht verstanden haben, dass eine neue Zeit neue Konzepte braucht“, schreibt der Kollege Jan Vollmer in einem Kommentar auf t3n.de. ­Feldmann-Wojtachnia gibt ihm recht: „Die Akteure in den Parteien wollen zu sehr am Althergebrachten festhalten“, sagt sie. „An den Machtstrukturen und an der ganzen Art der Politik.“

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Sie schlägt vor, Mediatoren zwischen Jugend und Politik zu etablieren. Das könnten tatsächlich Youtuber sein, die ­Politikern die Mechanismen des Netzes erklären. Und die mit Fach­leuten aus der politischen Bildung zusammenarbeiten, um deren ­Themen zeitgemäß zu erklären. Von den Parteien fordert sie mehr ­Diskurs und weniger Werbung. Inhaltliche Entscheidungen werden in den Parteien getroffenen und diese Positionen dann nach außen verkündet. „Das funktioniert nicht mehr. Junge Menschen wollen ernsthaft mitreden“, sagt Feldmann-­Wojtachnia. Wenn Politiker Teil der politischen Meinungsbildung junger Menschen sein wollen, statt ihnen nur eine schon fertige Meinung zu verkaufen, müssen sie in einen echten Dialog mit ihnen treten. Der wird zwar in der Social-Media-Kommunikation auch jetzt schon beschworen, findet aber in Wahrheit kaum statt. „Die ­Parteien müssen sich ernsthaft auf die Kritiker zubewegen, in einen ­Diskurs gehen. Das erfordert aber auch die Aufgabe von Macht“, sagt Feldmann-Wojtachnia. „Die beste Werbung ist, dass man mit Offenheit über Themen spricht.“

Da kommt wieder die Authentizität ins Spiel. Nicht im ­Sinne von Videos, die die Optik eines Rezos imitieren. Sondern im Sinne von Ehrlichkeit. Ein Angebot zum Dialog ist nur dann ­authentisch, wenn dahinter nicht nur der Versuch steht, sich anzubiedern, sondern ein echtes Interesse am Diskurs – und damit verbunden eben auch die Bereitschaft, sich inhaltlich auf den ­Gesprächspartner einzulassen, vielleicht sogar die ­eigene ­Position zu überdenken. Für diesen Unterschied haben viele ­junge Menschen ein feines Gespür. „Es ist gut und wichtig zu ­reden. ­Immer wieder gerne“, twitterte Luisa Neubauer von ­Fridays for Future nach einem Treffen mit CDU-Generalsekretär Paul ­Ziemiak. „Wenn jetzt noch halb so viel Liebe in die Klima­konzepte der CDU fließen würde, wie in die Social-Media-­Betreuung von diesem einen Gesprächstermin, wären wir einen großen Schritt weiter.“

Und auch Klingbeil, Wölken und Kühnert müssen ­darum kämpfen, als ehrlich wahrgenommen zu werden. In den ­Kommentaren zu ihrer Rezo-Antwort werfen ihnen die Nutzer immer wieder die ihrer Meinung nach leeren Versprechungen der SPD der letzten Jahre vor – zum Beispiel Artikel 13, bei dem sich die SPD auf Europaebene mit den Protestlern solidarisierte, nur um die umstrittene Reform auf Bundesebene aufgrund des Drucks des Koalitionspartners CDU schließlich doch durchzu­winken. Für viele ein Grund, die ­Gesprächseinladung Klingbeils auszuschlagen. Oder, wie es ein Nutzer formuliert: „­Welchen ­Dialog am Tisch wollt ihr führen, wenn ihr nach dem Aufstehen darauf scheißt?“

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Dein t3n-Team

Tristan Melzner

Man muss die Jugendlichen dort treffen, wo sie sind statt zu versuchen, sie zu sich zu holen. Ich bin mal gespannt, ob Klingbeil sein Versprechen einhält.

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