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Ratgeber

Beratung as a Service: Wie Agenturen Firmen bei der digitalen Transformation unterstützen

Berater versprechen die digitale Transformation auf Projekt­basis. Doch um aus der Masse hervorzustechen, ist mittlerweile mehr nötig als perfekte Powerpoint-­Folien.

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(Grafik: flaticon.com / Gregor Cresnar, Trinh Ho)

Das Problem mit dem großen Umbruch ist, dass er manchmal so klein beginnt. Wenn Frank Mühlenbeck seinen Dienst als Berater bei einem Unternehmen antritt, schiebt er oft erst mal ein paar Monitore in die Lobby der jeweiligen Firma. „Listening Room“ nennt er die Fläche dann – auf der ist zu sehen, wie und in welchem Kontext Unternehmens- und Produktnamen im Netz auftauchen und besprochen werden. „Da laufen dann jeden Tag der Vorstand und alle Mitarbeiter vorbei und sehen, was die Kunden wirklich sagen“, sagt Mühlenbeck.

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Ein paar Bildschirme, ein paar Schlagworte, ein paar Aha-­Momente. Und das ist alles?

Das klingt zu simpel, als dass man als Mittelständler dafür fünfstellige Budgets loseist. Und so beschreibt es das Dilemma der Digitalberatung ganz treffend. Unternehmen sind auf der Suche nach dem passenden Navigator und Helfer durch den ­digitalen Wandel – finden sich aber erst einmal in einem schwer überschaubaren Feld an Einzelkämpfern, Designagenturen und Beratungsunternehmen wieder. Schicke Websites haben alle, perfekte Power­point-Folien können viele, eine eindrucksvolle ­Referenzliste schicken immer noch die meisten gerne auf Nachfrage zu. 

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Doch um sich abzusetzen, das spüren die meisten, die sich selbst irgendwo als Digitalberater verorten würden, braucht man mehr. So werden die ohnehin traditionell gut gefüllten Tage der Consultants heutzutage noch länger – sie müssen sich selbst verkaufen, über neue Aufgaben in der eigenen Branche nachdenken. Und ganz nebenbei noch vielen Unternehmen die digitale Transformation erklären.

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Denn natürlich ist es mehr, als nur die Begriffe für eine Tagcloud zu definieren. „Es geht immer erst darum zu verstehen, woran es hakt“, sagt Mühlenbeck. „Dann aber geht es durch die gesamte Wertschöpfungskette.“ Als Einzelkämpfer, wie Frank Mühlenbeck es ist, fokussiert er sich vor allem auf Bereiche rundum die digitale Kommunikation, hilft bei Strategien und Inhalten für Content- und Online-Marketing: „Wir setzen den Fokus auf die Bereiche, in denen es schnell erste Ergebnisse gibt.“

Gute Geschäfte mit ratlosen Gesichtern

Ein kurzer Blick auf den Bildschirm von Mühlenbeck zeigt einen bunt gefüllten Google-Kalender. Man darf vermuten: So richtig schlecht läuft das Geschäft mit dem Zuhören und Weiterhelfen nicht. Das passt zu den Gesamtzahlen des Beratungsmarktes. Viele Unternehmen sehen oder spüren die Zwänge, die digitalen Seiten ihres Geschäftes genau zu durchleuchten und mit Hilfe von außen zu verändern. Viele Firmen sind aktuell aber auch gut finanziell aufgestellt – üppige Budgets für Beratungsprojekte können vergleichsweise leicht bewilligt werden. Für das vergangene Jahr meldet der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) für die Branche ein Umsatzwachstum von 7,4 Prozent auf knapp 30 Milliarden Euro. In diesem Jahr soll es in ähnlichem Tempo weitergehen – mindestens.

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Aber was kaufen sich die Unternehmen damit ein? Einige Tendenzen lassen sich grob ausmachen: Einzelkämpfer sind häufig auf bestimmte Aufgaben fokussiert – etwa Social Media, Innovationsmanagement oder Internationalisierung. Designagenturen sind die passenden Ansprechpartner, wenn die Strategie steht und die Customer Journey von Anfang bis Ende schick und sinnvoll gestaltet werden muss. Die größeren Berater haben für fast jeden Bereich Experten – und sie kümmern sich in der Regel direkt noch mit um die Steuerung größerer Projekte.

Der Markt selbst verändert sich allerdings – und hinterlässt nicht nur Gewinner. Die Digitalisierung macht ja selten an einem Unternehmensbereich halt. Dadurch werden auch die Beratungsprojekte immer komplexer. Das stellt die Berater vor die Aufgabe, zum richtigen Moment die richtigen Kompetenzen bereitstellen zu können. Besonders für die mittelgroßen Beratungen und Agenturen wird die Luft häufig dünn, wenn sie keine starke Spezialisierung finden. Das sagt auch Jonas Lünendonk, geschäftsführender Gesellschafter des Marktforschungsinstituts Lünendonk und Hossenfelder, das sich auf die Branche spezialisiert hat. „Es ist wichtig, dass eine Beratung über alle Unternehmensprozesse hinweg erfolgt – besonders im Bereich von Projekten rundum die Customer-Experience“, sagt der Beratungsexperte, „das hat eine Management- oder IT-Beratung besser im Griff als eine Design­agentur, die sehr weit vorne sitzt in der Wertschöpfung eines Produkts.“

Deshalb passiert aktuell innerhalb der Consulting-Branche viel. Für Aufsehen in der Szene sorgte im Februar die Übernahme des Digitalagentur SinnerSchrader durch den Consulting-­Giganten Accenture. Auch andere Beratungskonzerne haben in den vergangenen Jahren bei Spezialisten zugeschlagen – und sich etwa in den Bereichen Datenanalyse, künstliche Intelligenz oder User-Experience verstärkt. „Man sieht, dass sich der ein oder andere Berater mit Digital- und Design-Kompetenz auflädt“, sagt Lünendonk.

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Ein Einzelkämpfer wie Mühlenbeck hat dafür ein enges Netzwerk an Freiberuflern und Agenturen. Von seinem eher schlicht eingerichteten Büro aus in einem Gewerbegebiet am westlichsten Rand von Köln sucht er sich die Kollegen auf Zeit zusammen, die dort einspringen, wo er nicht weiterkommt. Neue digitale Beraternetzwerke wie Comatch oder Klaiton wollen ebenfalls dabei helfen, sowohl Kunden mit Beratern als auch spezialisierte Consultants mit Strategieexperten zusammenzubringen.

Wenn Torsten Jensen dagegen nicht weiterkommt, kann er sich sicher sein, in seiner Firma den passenden Helfer zu finden. 50.000 Mitarbeiter in der Beratungssparte hat EY, früher Ernst and Young, weltweit, für die Jensen als Manager Digital Innovation in Deutschland arbeitet. „Eine Blockchain kann ich noch ganz gut erklären, aber programmieren kann ich sie nicht“, beschreibt er einen typischen Fall, in dem er Expertenrat im EY-Netzwerk sucht.

Einer unter vielen

Um einen virtuellen Eindruck in die Digitalkompetenz des Beratungskonzerns zu geben, hat Jensen in die Kölner Büros in bester Innenstadtlage geladen. Vor den Scheiben des Be­sprechungsraumes ragt der Dom auf, dahinter schickt Jensen den Gast auf Weltreise: Mit einer VR-Brille lassen sich die Digital­labore von EY besuchen – die Beratung unterhält spezialisierte Teams in Süd­indien, in Madrid, in London und bald auch in Berlin und Frankfurt.

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Wer sich EY ins Haus holt, hat viel vor und ist auch bereit, viel Geld auszugeben. „Bei großen Transformationen steigt bei der Arbeit mit vielen Dienstleistern der Abstimmungsbedarf und die Schnelligkeit würde auf der Strecke bleiben.“, sagt Jensen. Wenn in der Zentrale die große Digitalisierungskampagne gestartet wird, sind die EY-Mitarbeiter auch in den anderen Standorten vertreten – und können vor Ort entsprechend schulen oder auch Software implementieren. „Wir sind in genauso vielen Ländern vor Ort wie unsere Kunden.“ Die großen Berater werben damit, dass sie alles überall abdecken können: Von der Strategie- bis zur Rechtsberatung, vom IT-Outsourcing bis zur Führungskräfte-Schulung, vom Innovationsworkshop bis zur tatsächlichen Prototypenentwicklung. „Wir wollen unseren Kunden sagen, wo die Reise hingeht“, sagt Jensen, „und sie dann an die Hand nehmen und die Aufgaben gemeinsam umsetzen.“

Jensens Problem: Genau das versprechen alle anderen auch. Und fast überall sind auch in Deutschland in den vergangenen Jahren Labore und Experimentierflächen aus dem Beratungsboden geschossen: Accenture zeigt in Bonn, wie sich Datenbrillen in der Logistik einsetzen lassen. Deloitte hat unter anderem in Düsseldorf ein Analytics Lab eingerichtet, in dem Vorstände auf bunten Stühlen in die Zusammenhänge ihrer Daten eintauchen können. Und Roland Berger hat in Berlin das „Spielfeld“ gebaut, in dem etablierte Unternehmen von Startups lernen sollen. Die meisten großen Beratungen sind stolz auf ihre Traditionen und Strukturen – die mal eher unternehmerisch geprägt sind wie bei EY, mal technisch wie bei Accenture, mal sehr analytisch wie bei McKinsey. Doch aus der Kundensicht und besonders in dem frischen Feld Digitalisierung wirkt die Differenzierung erst einmal dünn.

Daher besinnen sich die Digitalberater häufig auf etwas sehr Analoges: ihre ganz persönliche Reputation. Frank Mühlenbeck ist seit Jahren in der Digitalszene unterwegs, hat zahlreiche Firmen gegründet („Ich glaube, es sind 19“) und pflegt sehr gewissenhaft das eigene Content-Marketing in einem Blog. Torsten Jensen legt neben seine EY-Visitenkarte direkt auch noch eine andere, die ihn als Mitglied des Gesamtvorstands des Bundesverband Deutsche Startups ausweist – erst vor eineinhalb Jahren hat er die Digitalagentur verkauft, die er selbst mitgegründet hatte, und ist ins Beraterlager gewechselt.

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(Foto: RCKT)

Karolin Hewelt verweist ebenfalls stolz auf ihr Team: „Unsere Berater saßen bei Rocket-Startups am Tisch, als da nur 20 Leute waren. Die wissen aus eigener Erfahrung, was in Startups funktio­niert und was nicht.“ Das Versprechen hier: Wer Disrup­tion will, sollte sich von denen beraten lassen, die sie gemacht haben. Vor zweieinhalb Jahren sorgte Rocket Internet für Aufsehen, als es große Teile seiner Kommunikationsabteilung auslagerte – und die PR-Agentur RCKT ins Leben rief. Vor wenigen Wochen verkündeten die Kommunikatoren den nächsten Schwenk: Unter dem Titel „Next“ wollen die Berliner Startup-Experten jetzt auch Konzernen bei der Digitalisierung helfen – Karolin Hewelt ist mitverantwortlich für das zehnköpfige Team.

Nach und nach habe man gemerkt, dass es keinen Sinn machte, das Angebot an einer bestimmten Stelle einzugrenzen: Von der PR-Beratung war es nicht weit bis zum Online-Marketing, da fragten die Kunden dann schnell nach Tools zur Datenanalyse – und aus dem neu gewonnen Wissen leiteten sich dann immer mal wieder neue Ideen für Kommunikation oder Marketing ab.  „Wir haben von vorneherein gesagt, dass wir Digitalberatung machen wollen“, sagt RCKT-Geschäftsführer Nils Seeger, „wir wussten nur anfangs nicht genau, in welchem Bereich.“

Jetzt wollen die RCKTer noch ein Stück weiter oben ansetzen. Ein Schwerpunkt für die neue Arbeit soll die Vernetzung von Konzernen mit Startups sein – und die Schulung zu agilen Arbeitsweisen und neuer ­Führungskultur. „Voraussetzung für den digitalen Wandel ist ja immer, dass der Wandel auch im Unternehmen ankommt“, ergänzt Hewelt, „das sind am Ende auch immer kommunikative Themen.“

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Die Aufgabe, sich in einem dicht besetzen Markt zu behaupten, gehen die Berliner mit Rocket-typischem Selbstbewusstsein an. Stolz ist man schon einmal darauf, die ersten Dax-Konzerne unter den Kunden zu haben. Zudem wurde RCKT vom Bundeswirtschaftsministerium dafür ausgewählt, die gerade entstehenden Digital Hubs quer durch Deutschland zu vernetzen.

Mehr liefern als gute Ideen

Um die Herausforderungen weiß man aber auch bei RCKT: Der Einführungsworkshop, das Führungskräftetraining und das Set­up für einen firmeninternen Inkubator wird nicht ewig gebucht werden. „Es ist sicher nicht unendlich viel Geld da, um Testballons zu etablieren – irgendwann müssen sich auch in der digitalen Welt Geschäftsmodelle finden, die sich tragen“, sagt Hewelt.

Die tradierten Beratungen leben auch von ihrem guten Ruf und exzellenten Referenzen aus den vergangenen Jahrzehnten. Ein anderer klassischer Vorteil von Beratungen fällt in der digitalen Welt jedoch in sich zusammen: Auch die Consultants bringen nur selten große Erfahrungen in ihrem Gebiet mit – zu schnell ändern sich Technologien und Tools. „Wir müssen sehr schnell den eigenen Reifegrad raufschrauben, um anderen helfen zu können“, sagt auch Jensen.

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Daher suchen die Berater jetzt auch nach kreativen Geschäftsmodellen für die eigene Branche. Das verlässliche Großprojekt mit drei bis sechs Monaten Laufzeit, Dutzenden Beratern beim Kunden und einer eindrucksvollen Abschlusspräsentation vor dem Vorstand – alles abgerechnet nach vierstelligen Tagessätzen – verliert an Bedeutung. Die großen Beratungsunternehmen entwickeln und verkaufen mittlerweile auch spezielle Softwarelösungen für bestimmte Branchen oder gründen kleine Startups gemeinsam mit Unternehmenskunden und teilen sich Invest und Profit. „Die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen, ist da“, sagt Experte Lünendonk, „aber sie wird bei weitem nicht immer umgesetzt.“ Denn beide Seiten sind sich manchmal noch unsicher, was bei den Projekten eigentlich rauskommen soll.

Auch Frank Mühlenbeck macht sich Gedanken über die Zukunft seiner Branche. In maximal fünf Beratungsprojekte parallel sei er involviert, sagt Mühlenbeck – und die sollen eigentlich nur die Hälfte seiner Zeit füllen. Denn mit der anderen Hälfte arbeitet er daran, sich und seine Kollegen zumindest ein bisschen überflüssig zu machen: Mit seiner neuesten Unternehmung bastelt er gerade eine digitale Lernplattform zusammen – in der Mitarbeiter in Videolektionen, unterstützt von Tests und Infos, bestimmte Themen virtuell lernen können. „Natürlich ist jedes Projekt individuell“, sagt Mühlenbeck, „aber bis zu 80 Prozent sind häufig auch Struktur.“ Die will er mit den neuen Videolektionen schneller und kostengünstiger unter die Firmen bringen. Damit könne man auch Unternehmen erreichen, die sich sonst keinen Berater leisten könnten. Und natürlich will er auch selbst davon profitieren: „Das skaliert besser als meine Arbeitszeit“, sagt er schmunzelnd.

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