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Interview

Digitalisierung der Gastronomie: Warum Metro-Chef Olaf Koch auf Datenpower und Empathie setzt

Olaf Koch ist Noch-CEO des deutschen Großhandelskonzerns Metro. Vor seinem Abschied erklärt er im Interview, was er im Umgang mit Startups gelernt hat und warum Daten für das Überleben der Gastronomie essenziell, aber nicht alles sind.

8 Min.
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Metro-Chef Olaf Koch. (Foto: Melanie Grande)

Es ist ein warmer Freitag Mitte September. In der ­Düsseldorfer Metro-­Zentrale arbeiten die Teams in versetzten Schichten, um die Ansteckungsgefahr mit Covid-19 zu minimieren. Zur Be­grüßung streckt Metro-­CEO Olaf Koch seinen Ellenbogen ent­gegen. Der 50-Jährige wirkt gelöst. Wenige Wochen zuvor hat er verkündet, seinen Vertrag zum Jahresende frühzeitig zu beenden. Die Entscheidung dazu habe er im Sommerurlaub getroffen, ­erzählt er.

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Der sich lange hinziehende Verkauf des Großflächen­discounters Real war kurz zuvor endlich über die Bühne gegangen. Wie es für ihn weitergeht? Seine Antwort fällt vage aus: „Ich werde gerne weiter Gründern helfen und es ist auch nicht aus­geschlossen, dass ich immer mal wieder was Eigenes mache.“

Während seiner neunjährigen Amtszeit hat sich das Gesicht des Konzerns extrem verändert: Die Warenhäuser Karstadt und Kaufhof sind verkauft, die Elektronikhändler Mediamarkt und Saturn abgespalten und 2020 kam dann die Trennung vom ­China-Geschäft und zuletzt von Real. Übrig bleibt das Groß­handelsgeschäft mit Gastronomen, Hoteliers und selbstständigen Händlern.

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Und diese Kundengruppe leidet. Auf den Aktionsflächen in den Metro-Filialen stehen bereits die Heizpilze parat. Hoffnungsträger einer ganzen Branche im anstehenden Pandemiewinter. Koch und ­Metro setzen sich für deren bundesweite Sonderzulassung ein und kaufen CO2-Zertifikate, um die schlechte Energiebilanz auszugleichen. Im Geschäftsjahr 2018/19 erwirtschaftete Metro in 34 Ländern mit 100.000 Mitarbeitern einen Gesamtumsatz von 27,1 Milliarden Euro. Im Ausnahmejahr 2019/20 wird ein Umsatzminus stehen. Trotz der Schwierigkeiten gibt sich Koch optimistisch und hält selbst Zukäufe für möglich: „Wir gehen mit großer Zuversicht in die nächsten Monate und Quartale und können auch den Markt unterstützen, andere Unternehmen fördern und uns – wo sinnvoll – an ihnen beteiligen.“

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t3n: Herr Koch, Sie haben Metro extrem verschlankt und das gesamte Geschäft auf die Gastronomie ausgerichtet. Allerdings hat diese Branche aufgrund der Pandemie existenzielle Probleme – und jetzt kommt auch noch der Winter. Das ist doch eine schwierige Situation für ­Metro.

Olaf Koch: Die vollständige digitale Penetration der Bevölkerung mit dem Smartphone hat alle Formate unter einen unglaublichen Transformations- und Innovationsdruck gesetzt. Und da ist ein Konglomerat, das kaum Synergien aufweist, mehr schädlich als hilfreich. Klar, bei einem Unternehmen, das sich jetzt auf den Großhandel konzentriert, könnte man denken, dass die Situation sehr herausfordernd ist. Unsere Kunden stehen vor enormen Frage­zeichen, was ihre Zukunft betrifft. Aber schauen Sie, der Gastronomiemarkt liegt je nach Land bei minus 24 bis minus 40 Prozent. Wir sind im Juli bereits flächenbereinigt zu positivem Wachstum zurückgekehrt. Die Gastronomie ist bei uns zwar ebenfalls leicht negativ – minus zwei bis vier Prozent –, aber wir kompensieren das mit anderen Kundengruppen. Dass wir weniger tangiert werden, kommt daher, dass wir die Extrameile gehen.

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t3n: Extrameile – was heißt das konkret?

Wir haben uns in der Krise überlegt: Wenn du Gastronom bist, was brauchst du jetzt? Du brauchst Unterstützung beim Gang zu den Behörden oder bei Finanzhilfen, Lösungen für die Wiederöffnung, zum Beispiel eine App zur Kundenregistrierung über QR-Codes. Wir haben diese Dinge kostenfrei zur Verfügung gestellt und uns auch stark in der Politik engagiert für die Branche – sowohl national als auch international.

t3n: Gilt es in dieser Ausnahmesituation, schneller Entscheidungen zu treffen?

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Viel schneller. Als wir Ende März in den Lockdown gegangen sind, haben wir drei Prioritäten definiert: Protect, Preserve, ­Attack. Innerhalb von 48 Stunden haben wir die besten Ideen aus den Ländern gesammelt, in ein Playbook gegossen und rausgeschickt in die Organisation. Das hat drei Tage gedauert. Wir hatten auch den Vorteil, dass wir bereits in China gesehen haben, was wichtig ist. Diese Konzentration im Managementteam und auf der Gruppenebene hätten wir nicht erreicht, wenn wir noch ein Konglomerat wären.

t3n: Wie Sie selbst sagen, setzt die Digitalisierung auch Ihre Branche unter Druck. Ich habe mir gerade den ­Metro-Markt neben Ihrer Konzernzentrale in Düsseldorf angeschaut. Da habe ich nicht viel Digitalisierung gesehen, kein ­Self-Checkout oder In-Store-Navigation. Braucht Metro das nicht?

Die Tatsache, dass Sie das nicht in diesem Markt gesehen haben, heißt nicht, dass da nicht viel ist. Wir setzen Blockchain etwa zur Dokumentation der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln ein oder auch Smart Glasses für die Überprüfung der Lebens­mittelqualität. Das normale Einkaufserlebnis ist jedoch immer noch ein haptisches, zwischenmenschliches Erlebnis – das man aber mit digitalen Werkzeugen noch zusätzlich unterstützen kann. Im Markt selbst haben wir seit Jahren elektronische Preisschilder. Self-Checkout testen wir bisher in anderen Ländern; aber das wird auch in Deutschland kommen. Sie scannen die Artikel, legen sie in Ihren Trolley und fahren damit über eine Waage, die dann einen Plausibilitäts-Check macht, ob auch alles stimmt. Zudem testen wir eine neue App mit dem Namen M ­Companion, die die physische Metro-Karte ersetzen soll. Mit ihr wollen wir einen direkteren Kommunikationskanal zu den Kunden schaffen.

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„Unsere Branche spricht ihre eigene Sprache“, betont Metro-CEO Olaf Koch im Interview. (Foto: Melanie Grande)

t3n: Mit der App bekommen Sie dann sicherlich auch mehr ­Informationen über Ihre Kunden. Sie haben auf einer Konferenz kürzlich gesagt, dass Daten die wichtigste Zutat für Gastronomen sind. Was meinen Sie damit konkret?

Als Großhändler verfügen wir über einen weitaus größeren Daten-­Pool, da sämtliche Transaktionen zugeordnet werden können. Die Frequenz, der Warenkorb, alle Rechnungen – das steckt alles in der Metro-Karte, und dementsprechend können wir auch individuell beraten. Für die Gastronomen sind Daten sowohl in der Kundenakquise als auch im Kerngeschäft überlebenswichtig. Die jüngere ­Generation sucht ausschließlich online nach ­Restaurants. Bis vor Kurzem war über die Hälfte der Restaurants nicht online; sie hatten keine eigene Website, waren nicht auf Google Maps, geschweige denn auf Social Media.

t3n: Haben Sie eine Erklärung dafür?

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Zum einen ist das eine Branche, die sich über Kulinarik und Leiden­schaft definiert und übers Gastgebersein, nicht unbedingt über Technologie. Häufig hat Technologie in der Vergangenheit ihre Versprechen nicht halten können und im Gegenteil erheb­liche Zusatzkosten verursacht. Man denke nur an die hohen Provisionen im Zustellgeschäft. Deshalb ist da eine große ­Skepsis. Die Transformationsleistung der Digitalisierung kann kein ­Start­up oder eines der großen US-amerikanischen Techunternehmen leisten. Denn zwei Dinge sind entscheidend: Reichweite und Vertrauen.

t3n: Nicht einmal Amazon, das mit aller Macht in den Lebensmittelhandel drängt?

Technologie und Innovation werden unsere Branche grundlegend verändern, deshalb ist das für uns auch von enormer Relevanz. Im Großhandel sind der persönliche Kontakt und die Vertrauensbasis entscheidend, um Kunden für neue Lösungen zu gewinnen. Hinzu kommt: Die Branche spricht ihre eigene Sprache, und man verlässt sich gerne auf bekannte Partner. Und einer von denen sind wir.

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t3n: Und wie wollen Sie die Gastronomen in die digitale Welt bringen?

Eine eigene Website und Online-Reservierungen sollten eigentlich zur Basis-Infrastruktur gehören. Mit unseren kostenlosen Services haben wir bis heute mehr als 200.000 Gastronomie­betriebe in die Onlinewelt gehoben. Vor eineinhalb Jahren haben wir eine Reservierungsplattform gestartet, die inzwischen europaweit rund 36.000 Restaurants umfasst. Unser TooI ist auch in Google My Business integriert. Zudem haben wir das Tool Menu Kit. Gastronomen können darüber analysieren, mit welchem Gericht sie Geld verlieren und mit welchem sie Geld verdienen.

t3n: Sie sagen, Startups haben es in Ihrer Branche eher schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Sie kooperieren aber zum Beispiel mit Get Now, einem Online-Lieferdienst, der Lebensmittel aus Metro-Filialen liefert. Welche Strategie steckt dahinter? Haben Sie sich an Get Now beteiligt?

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Nein, aber das ist auch eher die Ausnahme. In unserem Accelerator-­Programm hatten wir uns in der Vergangenheit ­immer mit einem nominalen Betrag von bis zu 120.000 Euro pro Startup beteiligt. Auch, um die Bindung zwischen dem Startup und uns zu manifestieren. Seit 2015 haben wir über 80 Unternehmen begleitet.

t3n: Was haben Sie dabei gelernt?

Wir haben gedacht, es reicht aus, junge Unternehmen zu fördern, die finden ihren Weg dann schon in den Markt. Doch dem ist mitnichten so. Die Tür zu öffnen, ist sogar schwieriger, als die neue Idee zu entwickeln. Wir als Metro müssen der Türöffner sein.

t3n: Welche Gründer oder Geschäftsideen haben Sie ­überrascht?

Flowtify zum Beispiel, ein Unternehmen, das von einem ehe­maligen Gastronomen gegründet wurde, der die ganze Hygienedokumentation, die vom Gesundheitsamt gefordert wird, digitalisiert. Das ist ein Beispiel, von dem man nicht unbedingt gedacht hätte, dass das eine gute Plattform für Digitalisierung ist. Durch Covid hat das noch mal Rückenwind bekommen. Ein anderes Beispiel ist Ordercube, da kann man die Dekoration eines Restaurants mit Prozesseffizienz kombinieren.

t3n: Was kann man sich darunter vorstellen?

Ein Würfel, der zwei Tasten hat – und innen leuchtet eine elek­tronische Kerze. Die Funktion ist im Grunde ganz einfach: Bestellen und bezahlen, also dem Personal ein Signal geben, dass ich bestellen oder eben bezahlen will. So werden die Serviceeffizienz und das Kundenerlebnis optimiert.

t3n: Und von welcher Geschäftsidee haben Sie gedacht, „das funktioniert auf jeden Fall“ – und dann war es leider ein Rohrkrepierer?

Also Rohrkrepierer hatten wir de facto keine. Manchmal war es vielleicht ein bisschen vor der Zeit. Vor ein paar Jahren hatten wir ein ­Startup im Programm, das die Vorbestellung und Bezahlung des Mittagstischs neu organisieren wollte. Der Gedanke war: Den Tisch und das Essen online zu reservieren und auch direkt zu bezahlen, sodass ich auch in großer Runde mittags ins Restaurant gehen kann, schnell das Essen auf dem Tisch steht, und ich danach einfach aufstehen und gehen kann. Anstelle der Gründer würde ich mir in Zeiten von Covid überlegen, ob die Idee nicht jetzt gerade richtig passt.

t3n: Mehr Effizienz geht auch oft mit Automatisierung und ­damit Robotics einher. Haben Sie dazu ein Startup im ­Rennen?

Wir hatten auch mal einen Robotic-Ansatz, das war ein Unternehmen aus Südkorea, das das Servieren der Speisen und Getränke anbieten wollte.

t3n: Als Kellner-Ersatz?

Ja, bis hin zu dem Punkt, dass es den einzelnen Kunden über Gesichtserkennung identifiziert. Das Startup hatte das in einem American ­Coffee in Südkorea eingesetzt. Der Gedanke dahinter war: Der Kunde kommt rein, wird erkannt und bekommt dann schon sein Lieblingsgetränk direkt serviert.

„Die Tür zu öffnen, ist sogar schwieriger, als die neue Idee zu entwickeln.“

t3n: Können Sie sich das auch in Europa vorstellen?

Für den europäischen Markt wäre das noch etwas zu früh. Wenn wir ausgehen, dann wollen wir doch das Erlebnis, die Atmos­phäre und die Seele.

t3n: Das Zwischenmenschliche meinen Sie?

Ja. Warum gehen wir Menschen gerne essen? Weil wir soziale Wesen sind, da gehören die Begegnung und das Gespräch auch dazu. In der Breite kann ich mir das nicht so gut vorstellen. Aber bei Convenience, also Fast-Food-Formaten, schon eher.

t3n: Sie sagen, der Mensch will den menschlichen Kontakt – aber der Mensch ist auch wahnsinnig bequem. Fühlen Sie sich durch den E-Commerce bedroht?

Wenn man E-Commerce auf die Zustellung reduziert, dann machen wir das ja auch schon in der Größenordnung von fünf Milliarden Euro und zunehmend auch rein durch die Online-­Bestellung. Aber es ist gar keine Frage, für bestimmte Sortimente wird der Online-Absatz der Herausragende sein. Deswegen haben wir den Online-Marktplatz ­Metro Markets zunächst für Non-Food-Sortimente gestartet. Wir wollen letztlich mehr als eine Million Artikel anbieten. Für den Gastronomen, der seine tagtäglichen Bedürfnisse abdecken will, ist der Markt aber mehr als nur eine Beschaffungsinstanz. Er will Beratung. Der Markt als Begegnungsstätte wird nie verschwinden.

t3n: Also ist auch keine vollautomatisierte Metro-Filiale ­denkbar?

Der Faktor Mensch ist im Großhandel unersetzbar. Wenn man aber die Power von Daten mit Empathie, also der Beratung der Kunden verbindet, ist das eine unschlagbare Kombination.

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