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Dynamic Pricing: Was Onlinehändler darüber wissen müssen

Den Preis bestimmen Angebot und Nachfrage. So weit, so gut. Mit Preisfindungs-Tools lassen sich jedoch Umsatz und Verkäufe optimieren. Doch was müssen Onlinehändler dabei beachten?

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(Abbildung: Shutterstock / Zilu8)

An der Zapfsäule nehmen Autofahrer mehrere unterschied­liche ­Preise am Tag schon lange als selbstverständlich hin, doch bei anderen Waren und Dienstleistungen ist das vielen Kunden suspekt. Dabei bedeuten schwankende Preise insbesondere in den digitalen ­Kanälen vor allem eins: ein Höchstmaß an Transparenz. Dynamic ­Pricing läuft darauf hinaus, Preise in Onlineshops auf Basis vorgegebener Variablen je nach Situation anzupassen. „Dynamic Pricing erfolgt grundsätzlich nicht gegen den Kunden gerichtet“, betont Michael Feindt, KI-Experte und strategischer Berater der Supply-Chain-Management-Plattform Blue Yonder. Da eine Vielzahl an Händlern und Anbietern es inzwischen einsetze, komme vielmehr dadurch ein fairer, an Angebot und Nachfrage orientierter Preis zustande. Dynamic Pricing sollte dabei immer nachvollziehbar sein, um den Kunden nicht zu verärgern oder zu verunsichern.

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Je nach vorhandener Datenmenge erfolgen Preisanpassungen oft mehrmals täglich und richten sich etwa an der Preis­gestaltung von Konkurrenten und dem aktuellen Verhältnis von Angebot und Nachfrage aus. Größere Händler werten mithilfe von Tools eine Vielzahl von Datenpunkten und Zugriffen aus, beispielsweise die Besuche der Produktseite, Waren im Warenkorb oder tatsächliche Käufe – und das inzwischen oftmals für Desktop- und Mobil-Browser, Social-Media-Zugriffe und Apps gesondert. Unternehmen verlassen sich dabei auf Algorithmen, die permanent Preissuchmaschinen und Onlineshops von Mitbewerbern abklappern. Bereits heute gehen mehr als drei Viertel aller Abrufe bei großen Onlinehändlern auf Bots zurück, die sich ein Bild über den aktuellen Preis einer Ware verschaffen.

Immerhin vier von zehn Onlinehändlern in Deutschland setzen inzwischen generell eine Preismanagement-Software zur optimalen Preisfindung ein, wie aus einer Studie des Bundes­verbands ­E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) hervorgeht. Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse ­Coopers (PWC) ermittelte 2019, dass gerade einmal jeder fünfte Händler in Deutschland seine Preise auch automatisiert anpasst – teilweise vollautomatisch, teilweise aber auch mit letzter Justierung durch den Vertrieb. Laut ihrer Analyse lassen sich mithilfe eines Pricing-Tools die Vertriebskosten um 14 Prozent senken und zusätzlich im Schnitt um 3,9 Prozent höhere Preise erzielen.

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Wie man mit den richtigen Tools den optimalen Preis findet

Die Nutzung von Pricing-Tools ist – etwas kaufmännisches Wissen vorausgesetzt – nicht schwierig. Das Verhältnis zwischen Zugriffen und Kaufvorgängen kann Händlern aufzeigen, wie gefragt ein Produkt ist – auch im Vergleich zu anderen Produkten. Anhand der Kostenstrukturen und Einkaufspreise lässt sich ein Korridor definieren, in dem die Preise schwanken dürfen.

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Zudem lassen sich externe Einflüsse definieren, die den Preis beeinflussen können, etwa Wochentag, Tageszeit oder ­Saisonverlauf und Wetterdaten. Auch das Datum (etwa kurz vor ­Monatsende oder ein für eine bestimmte Warengruppe besonders attraktiver Monat) kann in der Preisberechnung berücksichtigt werden. In vielen Fällen fließen in Pricing-Tools auch die Preise der Mitbewerber ein.

Auf Basis dieser Faktoren lassen sich Regelwerke entwickeln, die aber laut Berater Feindt nicht zu stark einschränken sollten: „Es kann beispielsweise ein Fehler sein, als Bekleidungshändler nur Preissenkungen im Laufe der Saison vorzusehen. Wenn nämlich auf einmal das zur Kleidung passende Wetter herrscht, könnte man die Preise der Nachfrage entsprechend auch kurzfristig anheben – schon, damit die Ware dann nicht zu schnell ausverkauft ist.“ Diese Regelwerke müssen nach und nach an das jeweilige Geschäft angepasst werden – eine Aufgabe, die Fingerspitzengefühl und Expertenwissen erfordert.

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Ein Pricing-Tool kann mithilfe der genannten Parameter für jedes Produkt den aktuell optimalen Produktpreis berechnen. Wie oft man dabei an der Preisschraube dreht, hängt von der Produktkategorie ab. Während Käufer beispielsweise bei speziellen Markenprodukten, etwa aus der Technikwelt, Preise genau vergleichen, tun sie das bei anderen Produkten, etwa im Bekleidungssektor oder in der Kategorie Home und Living, weniger. Eine Untersuchung der ­Preissuchmaschine Idealo hat ergeben, dass sich gerade bei gefragten Technikartikeln die Bestpreise bis zu viermal täglich ändern können.

Viele der Tools sehen vor, dass Preise an das übliche Preisschema, also etwa auf den Euro, auf 90 oder 99 Cent gerundet werden. Das ist auch im Hinblick auf das Empfinden des Kunden sinnvoll, insbesondere bei hochpreisigen Produkten – es sei denn, man will als Händler vermitteln, dass die Preise besonders hart kalkuliert sind. Andererseits haben sich, so beobachtet es der Blue-Yonder-Berater Feindt, die Kunden durchaus an krumme Preise gewöhnt.

Bonprix ist einer der zahl­reichen größeren E-Commerce-­Player, der auf Dynamic Pricing setzt. Das hat nach eigener Aussage in der Coronakrise dabei geholfen, Lieferketten und Margen zu optimieren. (Abbildung: Bonprix)

Eine besondere Rolle bei bestimmten, stark umkämpften und gut vergleichbaren Artikeln spielt der günstigste Anbieter. Es kann sich für Händler, die Bekanntheit erreichen wollen, lohnen, sich mit den gefragtesten Artikeln immer einige Prozentpunkte unterhalb des günstigsten Anbieters zu positionieren. Die dann möglicherweise fehlende Marge sollten sie als Marketinggeld verbuchen. Doch Vorsicht: Rein automatisiert sollte man eine solche Strategie nicht fahren. Sonst riskiert man, dass Preisfehler eines anderen Anbieters den eigenen Preis ins Bodenlose und Unrentable fallen lassen. Sinnvoller ist es deshalb, sich als Zweitgünstigster zu positionieren: Das sorgt immer noch für Sichtbarkeit in den Preissuchmaschinen, verringert aber das Risiko zu starker Preissenkungen.

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Gerade in Ausnahmesituationen wie der Coronakrise sollten Händler ein solches Tool nicht rein regelbasiert arbeiten lassen, sondern zumindest bei gravierenden Veränderungen den Preis kontrollieren. Angesichts der Logistikprobleme zu Beginn der Krise hatten beispielsweise Händler, die eine Lieferung aufgrund mangelnder Artikelverfügbarkeit nicht sicherstellen konnten (etwa, weil sie viele Krankheitsfälle in der eigenen Logistik ­hatten), die Preise sogar angehoben. Hier müssten Händler den Unterschied zwischen Artikeln, die langfristig gehandelt werden, und solchen, die ein Verfallsdatum oder eine Saisonalität haben, berücksichtigen. Neben Lebensmitteln und verderblicher Ware betrifft das vor allem in der Coronapandemie auch Bekleidung und Schuhe. „Gerade in einer solchen Situation“, so erklärt Feindt, „in der einen zwar einfache automatisierte Verfahren im Stich lassen können, kann man aufgrund der Vielzahl an Daten und mit guten, adaptiv datenbasierten Regelwerken einen erkleck­lichen Teil der einbrechenden Marge retten, weil ein Pricing-Tool differenzierter, objektiver und weniger emotional agiert als ein Händler, der um seine Existenz fürchtet.“

Der Modehändler Bonprix etwa setzt seit 2014 auf Tools zur Preisfindung. Die Covid-19-Krise, so das Unternehmen, habe für Probleme in den Lieferketten in beiden Richtungen gesorgt, weil einfach von einem auf den anderen Tag ein komplett verändertes Kaufverhalten zu beobachten war. Der Einsatz eines Tools für ­Dynamic Pricing habe es ermöglicht, schnell auf Marktveränderungen, Lagerbestände und Auftragseingänge zu reagieren.

Von PreisKämpfen auf Amazon bis Individual Pricing im Alleingang

Eine besondere Rolle für viele Händler spielt Dynamic Pricing auf dem Amazon Marketplace. Hier ist die Konkurrenz besonders groß und die Preise sind extrem umkämpft. 50 Prozent der Produkte verzeichnen mehr als 14 Preisänderungen pro Tag, wie eine Studie des ­Pricing-Software-Anbieters Sellerlogic zeigt. Trotzdem sollte man nicht annehmen, dass der Kunde aufgrund dieser Wettbewerbs­situation grundsätzlich besonders günstig wegkommt. Denn fast alle größeren Händler setzen hier auf Pricing-Tools, um die Marge zu optimieren. Deshalb sind echte Schnäppchen insbesondere bei vergleichbarer Markenware selten zu finden, wie von Marketplace-Händlern und -Dienstleistern übereinstimmend zu hören ist.

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Als Poleposition bei Amazon gilt dabei die Buy Box. Sie ist je nach Produktumfeld für 60 bis 90 Prozent des Gesamtabsatzes verantwortlich. Gerade bei Handelsware, bei der mehrere Anbieter dasselbe Produkt anbieten, spielt die Buy Box eine entscheidende Rolle. Darin landet immer der Anbieter, der die beste Kombination aus Verkäufer-Performance und Preis bietet. Während die Verkäufer-Performance vor allem mittelfristig durch Verkäufer-Feedback, Volumen und Reaktionszeiten geprägt wird (und der Verkäufer das ohnehin im Auge behalten sollte), lässt sich das Pricing direkt in Echtzeit beeinflussen.

„Wenn das Rating eines Verkäufers entsprechend gut ist, kann er trotz eines etwas höheren Preises den begehrten Platz in der Buy Box behalten“, erklärt Igor Branopolski, Gründer und Geschäftsführer von Sellerlogic, selbst Anbieter eines Repricing-­Tools für den Marketplace. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Verkäufer mit einem Repricer die Buy Box mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit gewinnen und dass sie eher mit einem höheren oder gleichen Preis um die Buy Box buhlen als Händler, die nur auf den niedrigsten Preis setzen.

Ein Price-Management-Tool kann Onlinehändlern dabei helfen, den optimalen Preis zu erzielen. (Abbildung: Price2Spy)

Zudem fließen die Auslastung bestimmter ­Fulfillment-Zentren, einige kundenspezifische Elemente wie die Entfernung zum jeweils ausliefernden Logistikzentrum sowie der Prime-Status in die Rechnung mit ein. Lediglich in 50 bis 60 Prozent der Fälle gelange das Angebot mit dem günstigsten Preis in die Buy Box, so die Sellerlogic-Studie.

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Amazon zählt durch den Einsatz zahlreicher Pricing-Tools zu den Plattformen, auf denen sich die Preise zumindest bei den ­Markenprodukten besonders häufig ändern. Bei Private-­Label-Angeboten, also Produkten, die nur ein Hersteller selbst vertreibt, sollten Händler nicht vergessen, dass der Preiskampf zwar nicht direkt mit anderen Mitbewerbern um dasselbe Produkt ausgetragen wird, wohl aber mit vielen Anbietern mit ­vergleichbaren oder nahezu identischen Konkurrenz­artikeln anderer Marken.

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Doch man kann als Onlinehändler auch noch einen Schritt weitergehen. Denn es gibt neben der rein dynamischen Preis­gestaltung, die ja nur mehr oder weniger häufig wechselnde ­Preise kennt, auch individuelles Pricing, das beispielsweise einem Stammkunden einen niedrigeren Preis präsentiert oder bestimmten Kundengruppen einen höheren Preis anzeigt. Das geht zum einen über individuelle Daten, die ein bereits bekannter Kunde, der eingeloggt ist oder sich mithilfe von Cookies identifizieren lässt, übermittelt. Oder auch über allgemeinere Daten: Ein Safari-­Browser wird von vielen Unternehmen beispielsweise mit einer zahlungskräftigeren Klientel in Verbindung gebracht – und selbst die Geolokalisierung via IP-Adresse ermöglicht (begrenzt) Rückschlüsse auf das möglicherweise verfügbare Budget.

„Von individuellem Pricing, das einem Kunden A einen anderen Preis zeigt als einem Kunden B, halten wir nichts“, erklärt ­Michael Feindt von Blue Yonder. Er ist, wie auch andere Handels­experten, die man auf das Thema anspricht, ohnehin der Meinung, dass man sich hier nicht nur juristisch, sondern auch im Hinblick auf Kritik von Verbraucherschutzvereinen schnell auf dünnes Eis begibt. „Hier müssen Händler sehr genau aufpassen, dass sie sich im Rahmen der ­Gesetze bewegen, da Individual ­Pricing schnell zu Diskriminierung führen kann. Außerdem werden die ­Kunden verärgert“, ist sich auch Onlinehandelsexperte Nils Zündorf, ­Managing Director bei Factor-a, sicher. Besser geeignet, um den Kunden psychologisch zu incentivieren, seien Coupons oder ­Rabatte, basierend auf standardisierten Schemata, „beispielsweise ein Coupon per E-Mail, wenn der Kauf abgebrochen wurde.“

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Fazit

Auffällig ist, dass gerade unter Onlinehändlern niemand offen über Individual Pricing sprechen will. Das mag auch daran liegen, dass die Praxis in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt.

91 Prozent haben sich in einer Umfrage des nordrhein-westfälischen Verbraucherministeriums gegen individuelle Preisgestaltung ausgesprochen. Es besteht also die Hoffnung, dass nicht alles, was technisch machbar ist, auch im Handel ankommt. Wahrscheinlich wird es also auch in Zukunft allenfalls dazu kommen, dass ausgewählte Nutzergruppen besondere Angebote erhalten – wenn der Händler hier aufgrund des bisherigen Kaufverhaltens zusätzlichen Umsatz vermutet.

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