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Essay: Willkommen in der Endlosschleife!

Steve Jobs erleben, mit Albert Einstein fachsimpeln, den Uropa kennenlernen: Wären wir unsterblich, virtuell oder tatsächlich, wäre all das denkbar. Doch eigentlich würden wir nur das Jetzt konservieren und auf ewig den alten Ikonen huldigen. Der Autor Jens Lubbadeh erklärt in seinem Essay, warum das keine gute Idee ist.

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Das Bewusstsein ist eine feine Sache. Blöd nur, dass es sich auch bewusst ist, dass es irgendwann erlöschen wird. Das ist das Kernproblem unserer Spezies: Wir müssen alle sterben. Aber wir wissen es, leider.

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Natürlich haben wir uns damit nicht einfach abgefunden. Seit jeher versuchen wir, den Tod auszutricksen. Bislang konnten wir ihn nur aufhalten. Für echte Unsterblichkeit aber dürften wir ihn erstens erst gar nicht eintreten lassen. Oder, zweitens, wir ziehen unser Ich um in haltbarere „Hardware“.

Die biologische Hardware scheint das Problem zu sein. Die Medizin hat zwar die Lebenserwartung in den vergangenen 1.000 Jahren verdoppelt, sterben tun wir aber immer noch. Klonen ist auch keine Lösung, denn wir kopieren damit nur die biologische Hardware, aber unser individuelles Ich, die Software, ist weg.

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Transhumanisten um Ray Kurzweil suchen neue Hardware-Lösungen: Sie wollen das Ich einfach in die Cloud umsiedeln. Das Problem ist nur: Wir haben noch immer keinen blassen Schimmer, auf welche Weise unsere rund 86 Nervenzellen das erzeugen, was sich für uns anfühlt wie in unserem Kopf-Kinosessel zu sitzen und den Film „Realität“ zu schauen. Außerdem: Wie schön ist ein Leben ohne Körper wirklich?

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Virtuelle Klone sind die neuen Höhlenmalereien

Klar ist bislang nur: den Tod auszutricksen bedarf Hightech. Und die haben wir noch nicht.

Es gibt eine Lowtech-Alternative: Vermächtnisse hinterlassen, Todesforscher sprechen auch von symbolischer Unsterblichkeit. Die bordeigene No-Tech-Lösung ist, Kinder zu zeugen. Aber Kinder wiederum sind eigene Ichs und haben vielleicht keine Lust, die Vermächtnisse unseres Ichs – also unsere Ideen, Werte, Traditionen, Königreiche und/oder Firmen – weiterzuführen.

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Also nimmt man sein Vermächtnis doch besser selbst in die Hand und malt Höhlenwände voll, lässt Totenmasken, Grabmäler, Gemälde, Fotografien von sich anfertigen, oder forscht, schreibt, malt und komponiert gegen das Vergessen an.

Nur ein Vermächtnis zu erschaffen, reicht nicht für ein ewiges Leben.

Verlust durch Abstraktion: Was sagt uns E=mc² über den Menschen Albert Einstein aus oder die Mona Lisa über Leonardo da Vinci?

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Unberechenbarkeit des Zeitgeists: Wir mögen noch immer die Musik von Mozart und Bach. Aber wer sagt, dass die Leute im Jahr 2316 auch noch „Yesterday“, „Billy Jean“ und „Heroes“ hören?

Inkompatibilitäten: Wer von uns kann Homers 2.700 Jahre alte „Odyssee“ im Original lesen? Und wer wird im Jahr 4716 noch Kafka verstehen?

Geniemangel: Lasst uns ehrlich sein, nur sehr wenige sind dazu geboren, ein E=mc2, eine Mona Lisa oder ein „Billy Jean“ zu schaffen. Nun zeichnet sich eine Big-Data-Lösung für alle ab: Warum hinterlassen wir uns nicht einfach selbst als Vermächtnis?

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Nehmen wir einfach all unsere Daten, die wir im Laufe unseres Lebens produzieren und schaffen davon eine dreidimensionale Fotografie, die so redet und handelt wie wir. Das ist das ultimative Selfie! Keine Mehrdeutigkeiten, keine offenen Fragen, keine Missverständnisse – unsere Nachkommen werden von unserem digitalen Klon direkt erfahren, was wir einmal gedacht, gefühlt und geglaubt haben.

Vielleicht hinterlassen wir uns als Chatbot, mit dem man im Browser oder per App plaudern kann. Vielleicht als Siri-Stimme, die klingt und spricht wie wir. Oder wir kommen wieder als lebensechtes Hologramm, das man entweder in Virtual Reality mit Hilfe einer Brille wie Oculus Rift sehen kann. Oder noch besser: hineingemixt in die Realität mit einer Augmented-Reality-Brille wie Microsofts Hololens. Letzteres ist wahrscheinlicher, weil es den Klon besser in den Alltag integriert und sich so wirklich mit ihm zusammenleben ließe.

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Die Big-Data-Bestattungsunternehmen heißen Eternime, Forever Identity oder Project Elysium und sie alle wollen diese Vision der digitalen Unsterblichkeit wahr machen.

Blättern im Familienalbum war, zugegeben, bislang recht unbefriedigend. Hey, wer ist denn der Mann da mit dem komischen Schnurrbart und dem Mittelscheitel? Es wäre schon toll, den Urgroßvater direkt ansprechen zu können, ihn einfach fragen zu können, wie es so war, im Deutschland der Kaiserzeit gelebt zu haben. Seine Meinung zu hören über die Bundesrepublik, die AfD, vegane Ernährung, Smartphones, und die Schulnoten seiner Ur-Urenkel.

Aber was ist mit der Trauer der Hinterbliebenen? Wird sie durch die virtuellen Klone erschwert oder erleichtert?

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„Wir haben schon immer versucht, mit Verstorbenen irgendwie in Verbindung zu bleiben“, sagt Robert Neimeyer, Psychologe und Trauerforscher an der Universität von Memphis. „Wir besuchen Gräber, wir bewahren Erinnerungsstücke auf, führen einen inneren Dialog mit ihnen.“ Medien haben dabei schon immer eine wichtige Rolle gespielt, sagt Verena Kast, Trauerforscherin an der Universität Zürich: „Sie holen die Erinnerungen an den Verstorbenen herauf, aber sie helfen auch, zu vergessen, damit der Trauernde wieder ins Leben zurückfinden kann.“

Das sei entscheidend im Verarbeitungsprozess, sagt Niemeyer: Die neue Realität ohne den Verstorbenen zu akzeptieren und sein Leben neu auszurichten. Das gelingt nicht jedem. In Extremfällen verfallen Hinterbliebene in völlige Realitätsverweigerung, lassen das Zimmer, die persönlichen Gegenstände und die Kleidung des Toten unberührt, verlieren sich in der Vergangenheit, in der der Mensch noch am Leben war.

„Manche Menschen neigen dazu, ungesunde, abhängige Beziehungen zu entwickeln – zu Lebenden wie auch zu Verstorbenen“, sagt Niemeyer. Ein virtueller Klon, mit dem man interagieren und sprechen kann, berge für diese Leute eine noch größere Gefahr als bisherige Medien, die neue Realität zu verdrängen und einfach so weiterzumachen wie bisher. Am Ende kommt es darauf an, wie man mit der Technik umgeht. Betrachten wir den Klon als eine schöne Erinnerung an den Verstorbenen? Oder wird er zum einzigen Bezugspunkt im Leben?

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One more thing, presented once again by Steve Jobs

Das gilt auch für Prominente, die virtuell zurückkommen. Wäre es nicht faszinierend, einen Mahatma Gandhi fragen zu können, was wir gegen den Hass auf der Welt tun sollen? Wenn Albert Einstein Stephen Hawking bei der Suche nach der Weltformel helfen würde? Oder wenn Steve Jobs uns das iCar präsentierte? Einmal mehr „One More Thing“?

Digitale Klone wären gespeichertes, jederzeit abrufbares Weltwissen. Aber es wäre statisch. Soweit ist die Künstliche Intelligenz noch nicht, dass ein digitaler Klon von, sagen wir, John F. Kennedy, sich so weiterentwickeln könnte, dass er wirklich innovative Antworten hätte auf neue Herausforderungen. John F. Kennedy, geprägt vom Kalten Krieg seiner Epoche, hatte die Welt in der Kuba-Krise schon einmal fast an den Rand eines Atomkriegs gebracht. Vielleicht hätte er mehr als die nukleare Karte zu bieten als Antwort auf den globalisierten Terror. Vielleicht aber auch nicht. Und Steve Jobs’ iCar wäre womöglich nur ein Mashup seiner bisherigen Erfindungen. Ganz zu schweigen davon, was für Impulse ein digital eingemotteter Michael Jackson der Musik von heute wirklich noch geben könnte.

Es wäre eine All-Stars-Welt, in der die Großen nie mehr ihren Platz räumen. Neulinge – aus Fleisch und Blut – hätten es verdammt schwer gegen das Altbewährte anzukommen. Ist es nicht schon heute so, dass Fans von Dino-Bands wie Guns’n’Roses, AC/DC und den Rolling Stones eigentlich am liebsten nur das hören wollen, was sie schon immer gehört haben? Und ist es nicht schon so, dass Hollywood sich scheinbar nur noch in Remakes und Reboots iteriert? Man braucht nicht viel Fantasie um zu sehen, dass einer Welt mit digitalen All-Star-Klonen die endgültige Endlos-Schleife droht.

Vor allem, wenn sie dann noch Entscheidungen treffen würden. Wir sind bereits auf dem Weg dahin: Algorithmen fällen schon heute Urteile darüber, ob wir kreditwürdig sind, welcher Film uns gefallen könnte, wer zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, wer in welches Land einreisen darf und wo mit großer Wahrscheinlichkeit das nächste Verbrechen passiert.

Wir sollten uns nichts vormachen: Wenn wir uns digital mumifizieren lassen, sind nicht wir es, die zurückbleiben. Es ist ein Algorithmus, der uns simuliert – und der die nächste Generation womöglich einengt.

Das Buch: Unsterblich

In seinem Roman „Unsterblich“ spinnt Jens Lubbadeh die Vision digitaler Unsterblichkeit konsequent fort. Im Jahr 2044 leben wir mit virtuellen Klonen von Verstorbenen zusammen. Helmut Schmidt ist Bundeskanzler, Michael Jackson dominiert die Charts und Marlene Dietrich dreht wieder Filme – bis ihr virtueller Klon eines Tages plötzlich verschwindet.
„Unsterblich“, Heyne Verlag, 448 Seiten, 14,99 Euro (auch als Hörbuch erhältlich, Rubikon Audioverlag)

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