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Ethereum-Gründer Vitalik Buterin: Philosoph im Regenbogen-Shirt

Vitalik Buterin ist der Kopf hinter dem Ethereum-Netzwerk. Die dezentrale Technologie basiert auf seinem 2013 verfassten Positionspapier. Wie tickt ein 24-Jähriger, dessen Idee sich anschickt, ganze Industrien grundlegend zu verändern?

Von Lisa Hegemann
5 Min. Lesezeit
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(Foto: Flickr/Steve Jennings/Getty Images for TechCrunch CC BY 2.0)

Wenn es mal wieder jemand nicht so genau nimmt, dann stößt Vitalik Buterin schon mal einen digitalen Seufzer aus. Auf einer Konferenz sprach er Ende September darüber, wie langsam die Ethereum-Technologie noch sei und wann die Transaktionen so schnell sein werde wie bei Uber oder Visa. Techcrunch schrieb später: „Ethereum wird Visa in zwei Jahren ersetzen, sagt der Gründer“. Der 24-Jährige korrigierte die Aussage mit einem Tweet: Er habe gesagt, dass die Blockchain dieselbe Übertragungsgeschwindigkeit haben werde wie Visa – nicht, dass sie den Dienst ersetzen werde. Und schrieb ein „Sigh“ hinter den Satz.

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Medien korrigieren, das zählt mittlerweile zu einer regel­mäßigen Beschäftigung des Ethereum-Erfinders. Wenn er sich falsch zitiert fühlt, dann kommuniziert er das dem Twitter-­Kosmos und seinen 660.000 Followern (Stand: Februar 2018). Überhaupt diskutiert er gerne, antwortet auf Tweets, wirft Klugscheißer-Kommentare ein, witzelt über andere. Auf die einen wirkt er damit wie ein ewiger Besserwisser. Wie einer, der immer recht behalten muss. Auf andere macht der russischstämmige, in Kanada aufgewachsene Entwickler den Eindruck, als wolle er immer korrekt sein. Wie einer, dem Fakten wichtig sind und der sich über Genauigkeit freut.

Letzteres passt zu der Vision, an der Buterin seit 2013 bastelt. Mit der Ethereum-Blockchain hat er ein dezentrales Netzwerk geschaffen, das ganze Industrien grundlegend verändern könnte. Weil die Transaktionen in Blöcken auf mehreren Rechnern festgehalten werden, sind sie nicht manipulierbar – anders als Buterins Zitate. Vielleicht befasst er sich deshalb lieber mit Technik als mit Menschen. Vielleicht ist das aber auch zu viel Nerd-Klischee.

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Mit Ethereum hat der 24-Jährige nicht nur eine Technologie entwickelt – er ist zum Gesicht des Projekts dahinter geworden, erklärt es auf Konferenzen, in seinem Blog, auf Twitter. Was geht in jemandem vor, der der Kopf einer ganzen Bewegung ist?

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Auf Twitter Medien korrigieren, das macht Ethereum-Gründer Buterin nur zu gerne. Oder einfach Dinge von sich geben, die ihn gerade beschäftigen – ganz egal, wie verständlich sie sind.

Über sich selbst schreibt Buterin, dass seine Droge grüner Tee sei, dass er sich für Mathematik, Algorithmen und Gesellschaftspolitik inte­ressiere und dass sein Wohnort die Fluggesellschaft Cathay ­Pacific Airlines sei. Auf Twitter setzt er Seitenhiebe gegen Donald Trump, retweetet Positionen von Edward Snowden und thematisiert seine Sorge, dass die Alt-Right-Bewegung sein dezentrales Projekt entdecken und für sich vereinnahmen könnte.

Und Veränderung scheint er nicht so sehr zu mögen. In einer Anekdote über sich selbst beschreibt er, dass er vier Jahre lang  „World of Warcraft“ spielte – bis das Unternehmen Blizzard den Siphon Life Spell eliminerte. Nach dem Aus dieses Zauberspruchs habe er sich in den Schlaf geweint, schreibt Buterin auf About.me. „An dem Tag habe ich realisiert, was für ein Horror zentralisierte Services sind.“ Das ist natürlich auch ein schönes Narrativ für sein Ethereum-Projekt.

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Wer Kollegen und Bekannte fragt, wie Buterin tickt, der hört des Öfteren das Wort „awkward“. In der direkten ­sozialen Interaktion sei er eher unbeholfen. Ein Reporter verglich seine Stimme einmal mit Siri, der iPhone-Assistentin. Bei Vorträgen und Interviews wirkt er tatsächlich ein wenig ­roboterhaft, sitzt fast bewegungslos da und rattert sein Wissen herunter. Mimik oder Gestik nutzt er kaum, und wenn, dann sieht es unkoordiniert aus, wie ein Versehen.

Vitalik Buterin: Identifikationsfigur für die Kryptoszene

Trotzdem besitzt er eine starke Bühnenpräsenz, kann auf Konferenzen die komplizierte Idee hinter Ethereum auch für Nicht-Techies herunterbrechen. Vielleicht erklärt das, warum sich nach seinen Vorträgen regelmäßig ganze Trauben von Menschen um den hageren Typen mit dem kind­lichen Gesicht bilden. Buterin ist vermutlich aber auch deshalb so ­begehrt, weil er sich überhaupt zeigt. Denn der Kryptowährungsszene fehlte es bislang an einer Identifikationsfigur: Zwar weiß man, dass die Idee zu Bitcoin auf Satoshi Nakamoto zurückgeht. Wer sich hinter diesem Alias ­verbirgt, hat aber bis heute niemand herausfinden können.

Obwohl Vitalik Buterin Präsenz zeigt, ist er nicht für jeden zu haben. Wenn er keine Lust hat, mit einem Reporter oder ­einem Experten zu reden, dann redet er eben nicht mit ihm. Dem ZDF hat er kürzlich ein Interview abgesagt. Manchmal sagt er auch ein Gespräch zu und meldet sich nicht wieder. Auf eine Anfrage von t3n, ob man ihn interviewen könne, schrieb er: „Ja.“ Danach: keine Reaktion mehr. Kennern zufolge hat Buterin gerade keine Lust auf Presse, er sitzt lieber an seinem neuen Projekt Plasma. Damit will er die intelligenten Verträge auf der ­Ethereum-Blockchain automatisch skalierbar machen. Dahinter steckt ein ­Framework, mit dem die Blockchain Millionen von dezentralen ­Finanzanwendungen weltweit darstellen könne, heißt es auf der Website des Projekts.

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Nicht immer beschäftigte sich Buterin mit wegweisenden Technologien. Wenn er über die Anfänge seiner Blockchain-­Obsession redet, dann lächelt er. Als ihm sein Vater 2011 das ­erste Mal von Bitcoin erzählte, habe er gedacht, dass die Währung nicht abheben würde, sagt er in einem Interview mit Protocol TV. Es gebe ja gar keinen physischen Wert dahinter. Nachdem er aber immer wieder von der Kryptowährung hörte, befasste er sich intensiver mit ihr und verdiente sich die ersten Coins als Autor bei einem Blog. Fünf Bitcoins erhielt er pro Stunde, ­damals vier US-Dollar. Gepackt von der Technologie, gründete er schließlich das „Bitcoin Magazine“.

 „Ich finde es besser, meine Ideen weiterzugeben als mein Erbgut.“

Für die Technologie dahinter begann er sich erst in Israel zu interessieren. Dort habe er zum ersten Mal verstanden, dass sich viel mehr als nur die Finanzindustrie mit der Blockchain verändern lässt. Die Entwickler bauten lauter Applikationen für die Blockchain, die Protokolle allerdings orientierten sich noch alle an Bitcoin. Er schlug vor, dass man doch eine grundlegende Technologie entwickeln könne, auf der alle Anwendungen aufsetzen könnten. Die Entwickler wollten das erst später angehen. ­Buterin ließ die Idee nicht mehr los, er wollte so lange nicht warten. Ende 2013 schrieb er selbst ein Positionspapier – die Grundlage für Ethereum. Den Namen hat er an Aristoteles’ fünftes Element Äther, die Quintessenz, angelehnt. Buterin, der sich selbst als Fan rationaler Philosophie beschreibt, dürfte diesen Begriff nicht zufällig gewählt haben: Das Wort steht in seiner ursprünglichen Beschreibung als massenlose, unveränderliche, ewige Substanz.

Das passt zu einem Satz, den er vor zwei Jahren einmal ­gegenüber Capital äußerte. Auf die Frage, ob er mal Kinder wolle, sagte er: „Ich finde es besser, meine Ideen weiterzugeben als mein Erbgut. Wenn 10.000 Leute meinen Blog lesen, dann ist das doch, als hätte ich 10.000 Kinder.“ Vielleicht sagt das mehr über ihn aus als seine Ideen selbst.

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