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Startups & Economy
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1. Teil der Serie „Venture Capital & Business Angels“: Fabeltier Businessplan

Der „Businessplan“: Selten hört man im Geschäftsleben zu einem Begriff so viel Widersprüchliches, Unklares und Seltsames wie zum diesem Terminus. Die Grenzen des Themas verschwimmen zwischen komplexer Strategieplanung und Buchhaltungsbanalitäten, zwischen Unternehmern, Steuerberatern und anderen „Experten“ und zwischen Spreadsheets und vielschichtigen Business Intelligence Applikationen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass im Unternehmerlager jedes Mal Unsicherheit aufkommt, wenn ein Businessplan erstellt werden soll. Teil 1 der Serie „Venture Capital & Business Angels“ vermittelt deshalb zunächst die grundlegendsten Informationen.

8 Min. Lesezeit
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Auch wenn gelegentlich bei der Auswahl von Zahlenansätzen der Eindruck
entstehen mag – ein Businessplan ist kein Würfelspiel und keine
Kaffeesatzleserei mit dem Versuch, die Zukunft vorherzusagen. Genauso
ist ein Businessplan aber auch keine Formalangelegenheit, bei der man
dem einfordernden Adressaten (Bank, Partner, Business Angel, etc.) ein
paar bloße Zahlen und Diagramme (selbstverständlich mit fulminant
ansteigenden Graphen) präsentiert. Und ebenfalls ist ein Businessplan
nicht einfach ein spiralgebundenes Zahlenkonvolut zur Beruhigung des
eigenen und fremden Gewissens, bevor Investitionen getätigt werden.

Dichtung und Wahrheit

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Der Plan wird primär für den Unternehmer selbst und nicht für andere Beteiligte ausgearbeitet. Er ist nicht weniger als das wohlstrukturierte, in Form gegossene und zu Papier gebrachte Gedankengebäude des Unternehmers und die DNA seines Projekts.

Der Plan ist damit (hoffentlich!) bei weitem mehr als ein Zettel, auf dem oben der Umsatz, darunter die Kosten und am Schluß der feudale „Gewinn“ steht. Der Ersteller wird praktisch gezwungen, die komplexen Zusammenhänge, Abhängigkeiten im Ursachen-Wirkungsgefüge und Tendenzen auf dem Markt und in der Branche zu identifizieren, zu charakterisieren, auszuformulieren und zu präzisieren. Der Plan ist das metaphorische Konzentrat der „unternehmerischen Denke“, das zu brauen so heilsam wie hilfreich für jeden Unternehmer ist. Und auch wenn es vorher keiner glaubt – man lernt schon während der Ausarbeitung eine Menge dabei.

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Der Businessplan ist ferner ein äußerst wirksames Hilfsmittel in der Kommunikation mit Schlüsselpersonen (Finanziers, Geschäftspartner, wichtige Mitarbeiter), denn er transportiert die Komplexität und die wesentlichen Erkenntnisse in sachgerechter und doch auf das Wesentliche konzentrierter Form. Er ist das Mittel, mit dessen Hilfe man die eigene Gedanken für andere verständlich und nachvollziehbar macht.

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Werkzeug

Entgegen den fiebrigen Lobpreisungen der einschlägigen Vertriebler gibt es bis heute keine Planungssoftware, die wirklich in der Lage wäre, die komplizierten Wechselwirkungen der Planung in ausreichender Weise, flexibel und doch signifikant arbeitserleichternd, zu unterstützen. Neben betriebswirtschaftlichem Know-how oberhalb der Buchhaltungsebene sind eigentlich nur Papier und Bleistift, Muße und Konzentration notwendig. Hilfreich für Berechnungen von Szenarien und „Was-wäre-wenn“-Fragen ist außerdem ein Spreadsheet-Programm. Für die finale Ausfertigung des Dokuments benutzt man am besten ein gutes Grafikprogramm und eine simple Textverarbeitung – Substanz ist wichtiger als Hochglanz.

Zahlenraster

Doch wie beginnt man nun? Welches sind die zentralen Eckdaten und Aussagen, die aus der Masse denkbarer Parameter zu extrahieren sind? Auch wenn jedes Vorhaben individuell ist: Es ist wichtig, die Zahlen und Daten in eine Form zu gießen, die verbindlichen Standards folgt und übliche Termini verwendet. Das erleichtert die Verständigung und gestattet den späteren Abgleich mit IST-Zahlen.

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Für Nicht-Betriebswirtschaftler mag nur die „Ergebnisrechnung“ unmittelbar einleuchtend sein – der betriebswirtschaftliche Teil eines Businessplans ist allerdings nicht allein durch eine „Plan-G&V“ (Gewinn- und Verlustrechnung), „BWA“ (Betriebswirtschaftliche Auswertung) oder einer anderen Variante einer Ergebnisrechnung zu erledigen. Die vom Handelsgesetzbuch vorgegebene Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung ist denkbar ungeeignet für die unternehmerische Analyse und Planung. Sie wurde vor Jahrzehnten von Juristen verabschiedet und dient allenfalls der steuerlichen Gewinnermittlung. Auch die von Steuerberatern und DATEV immer eilig und gerne angetragene „BWA“ nebst Kennzahlen-Anhang ist Flickwerk und läßt zentrale Fragen völlig unbeantwortet. Eine für Analyse- und Planungszwecke geeignete Ergebnisrechnung muss Aussagen auch über Deckungsbeiträge [1] und Gewinnschwellen erlauben. Vollständige betriebswirtschaftliche Aussagen benötigen neben der Ergebnisrechnung auch Bilanz- und Cash-Flow-Rechnung. Alle drei Zahlenbereiche greifen dann wie Zahnräder eines Getriebes ineinander, lassen sich gegeneinander prüfen und abstimmen und erlauben erst in ihrer Gesamtheit die Darstellung eines integrierten und schlüssigen Zahlenwerks.

Planungsrechnung Aussagekraft
Ergebnisrechnung Rendite, Deckungsbeitrag, Break-Even-Point
Bilanzrechnung Mittelherkunft und -verwendung
Cash-Flow-Rechnung Liquiditätswirkung

Das Zahlenwerk soll vollständig sein und darf sich nicht in Details verlieren. Im Zweifel sollte über drei bis fünf Jahre in die Zukunft geplant werden. Sofern es sich nicht um eine Neugründung handelt, ist auch die Darstellung vergangener Jahre sinnvoll, um langfristige Trends erkennbar zu machen. Jahreszahlen oder Quartalszahlen sind meistens ausreichend, Monatszahlen werden nur bei starken unterjährigen Schwankungen interessant.

Die Integrität des dreiteiligen Zahlenwerks ist am besten gewährleistet, wenn man mit ersten Eckwerten für Ergebnis- und Bilanzplanung beginnt und darauf basierend die Cash-Flow-Rechnung ableitet. Für letztere gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden: Die „direkte Methode“ macht es erforderlich, für jeden einzelnen Vorgang (Einnahmen und Ausgaben) Zahlungstermine zu kalkulieren. Sie ist aufwändig, fehleranfällig, nur schlecht mit Ergebnis- und Bilanzrechnung abstimmbar und für Außenstehende kaum nachzuvollziehen. Empfehlenswert ist daher die indirekte Methode [2]
[3], häufig auch als „Praktikermethode“ bezeichnet. Sie ermittelt Liquiditätswirkungen aus der Veränderung der Bestandsgrößen der Bilanz. In der nachfolgenden schematischen Darstellung erhöhen sich etwa die in der Betriebsausstattung gebundenen Mittel von 100 auf 150. Diese zusätzliche Investition ist freilich liquiditätsbelastend. Gemäß verkehrsüblicher Gliederung wird der Vorgang dem Cash-Flow II zugeordnet, dem „Cash-Flow aus Investititonstätigkeit“. Das Drücken der Forderungsbestände (-10) und die Neuaufnahme von Darlehen (+15) sind dagegen liquiditätserhöhend. Sie gehen gemäß Standardgliederung in den Cash-Flow I und den Cash-Flow III ein. Der Gesamt-Cash-Flow ergibt sich als Summe der drei Zwischensummen. Er entspricht dann wiederum der Gesamtveränderung der Mittelbestände zwischen zwei Bilanzstichtagen. Auf diese Weise gelangt man – Gewissenhaftigkeit und Vorsicht vorausgesetzt – zu realistischen Liquiditätsplänen.

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Bilanz-Aktiva am 31.12.08 am 31.12.09 Veränderung geht ein in…
Betriebsausstattungen 100 150 +50 Cash-Flow II
Forderungen 50 40 -10 Cash-Flow I
Bilanz-Passiva am 31.12.08 am 31.12.09 Veränderung geht ein in…
Darlehen 80 95 +15 Cash-Flow III
Ermittlung Cash-Flow (indirekt) Liquiditätswirkung
Cash-Flow I (aus operativem Geschäft) +10
+/- Cash-Flow II (aus Investitionstätigkeit) -50
+/- Cash-Flow III (aus Finanzierungstätigkeit) +15
= Cash-Flow gesamt -25
Veränderung der Liquidität
Anfangsbestand Finanzmittel (= „Kontostand“) +60
+/- Cash-Flow gesamt -25
= Endbestand Finanzmittel (= „Kontostand“) +35

Das Schema ist den typischen DATEV-Standardausdrucken der meisten Steuerberater und der bescheidenen Planungssoftware diverser Kleinverlage haushoch überlegen. Sachkonten-Summensaldenlisten der Buchhaltung sind höchstens Zahlenquellen und nicht direkt als ernst zu nehmende Denkraster für Analyse und Planung brauchbar. Auch sogenannte Liquiditätsgrad-Kennzahlen haben alleine keine wirkliche Aussagekraft. Professionelle Werkzeuge erleichtern die Arbeit, und die beste Hilfe kommt eher von Unternehmern als von Steuerspezialisten oder Buchhaltern.

Ist das Spreadsheet entsprechend aufgebaut und erste Zahlenansätze eingegeben, beginnt ein langwieriger Prozess der iterativen Feinabstimmung, denn komplizierterweise beeinflussen sich Ergebnis, Bilanz und Cash-Flow-Zahlen laufend gegenseitig. Jede Änderung an einer Stelle bewirkt vielfältige Änderungen in den parallelen Rechenwerken. Nur ein einfaches Beispiel: Erhöht man das geplante, tatsächlich in Anspruch genommene Zahlungsziel von Kunden um nur 10 Prozent, dann wirkt sich das negativ auf die liquiden Mittel und deswegen auch auf die Kontokorrentstände aus, wodurch die Bilanzstruktur und wegen der höheren Zinsen auch gleich noch das Ergebnis beeinflusst wird, das wiederum Einfluss auf die Bilanz hat. Theoretisch könnte man hier mit Optimierungsverfahren der Linearen Algebra hantieren. In der Praxis tüftelt man stattdessen besser „bis es passt“.

Strategie rechnen

Mindestens so interessant wie die betriebswirtschaftliche Zahlendarstellung allerdings ist, was hinter den Zahlen steckt. Zeitlich lange vor der Zahlenarbeit stehen die wirklich essenziellen Fragen: Was sind die Treiber der Entwicklung bestimmter Größen? Worin liegen die tieferen Ursachen für Trends von Preisen, Stückzahlen, Kosten, Mittelbedarf & Co.? Wodurch können diese Treiber von außerhalb oder innerhalb des Unternehmens beeinflusst werden? An welcher Stelle in der Wertschöpfungskette der Einzelaktivitäten genau werden Wettbewerbsvorteile und Renditen generiert? Wie können diese nachhaltig abgesichert und geschützt werden? Und worin bestehen die „Knackpunkte“ erfolgreicher Unternehmensentwicklung – welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt und welche Hürden genommen werden? Lässt sich das Geschäftsmodell insgesamt verbessern und noch attraktiver gestalten, indem man einzelne Aktivitäten Partnern überlässt oder zusätzliche Aktivitäten selbst übernimmt? Wie sensibel reagiert das gesamte Gebilde mit seinen Zahlen auf Veränderungen verschiedener Rahmenbedingungen? Und warum eigentlich soll dieses Unternehmen erfolgreich sein, während es andere nicht sind?

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Die Klärung dieser strategischen Fragen und das Kalkulieren in großen Dimensionen sind der Kern unternehmerischen Denkens. Schon das Wort „Strategie“ ist schließlich vom griechischen „strategos“ (= Feldherr) abgeleitet – und nicht von „Erbsenzähler“. Kreativität und Intuition spielen beim Entwurf des „Schlachtplans“ eine wichtige Rolle, trotzdem müssen alle Schätzungen auf einer realistischen Grundlage basieren. Vor einer allzu generösen Handhabe von Annahmen und Schätzungen sei gewarnt; künstlerische Freizügigkeit und Spielräume für Fantasien bestehen nur sehr begrenzt. Strategie läßt sich nämlich ebenfalls „rechnen“: Für die strategische Ebene der Planung gibt es strikte Methoden der Quantifizierung von Parametern. Das System der „Balanced Scorecards“ ist das Bekannteste und Ausgereifteste dieser Methoden [4].

Der Businessplan belegt nicht nur betriebswirtschaftliche Größen möglichst lückenlos und penibel, sondern auch strategische Aussagen, die von Bedeutung und dadurch „kriegsentscheidend“ sein können. Wenn ein Punkt nicht belegt werden kann und deswegen eine Unsicherheit darstellt, dann sollte der Plan das auch offenbaren (und als Unternehmer sollte man sich der möglichen Risiken bewusst sein). Erfahrene Leser eines Businessplans zerpflücken das Werk sonst zu Recht im Handumdrehen. Kritische Punkte werden aktiv im Vorfeld erwähnt, um dadurch einen drohenden Malus in einen Bonus umzuwandeln: Beurteilt wird nämlich neben dem Plan auch die Person. So schwitzen Sie außerdem weniger, wenn Sie auf dem Prüfstand stehen.

Fazit

Die Geschäftswelt ist voll von unterschiedlichst gearteten Businessplänen. Erfahrene Finanziers und Geschäftsleute können bestätigen, dass die kursierenden Papiere mehrheitlich nicht sonderlich ernst genommen werden, weil es – rasch erkennbar – schon an handwerklich sauberer Ausarbeitung und an ernsthafter Hinterfragung durch den Autor fehlt. Die Ansprüche sind bei Venture-Capital-Gesellschaften und anderen privaten Investoren wegen der größeren Risiken noch deutlich höher als bei Banken.

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Wer den hohen Ansprüchen aber gerecht werden möchte, der profitiert gleich mehrfach: Zum einen ist die Überzeugung des Verhandlungspartners wahrscheinlicher und vielleicht fließt dann auch das erhoffte Geld. Zum anderen wird man als Unternehmer viel sicherer bei der eigenen Entscheidung, das fragliche Geschäft auf eine bestimmte Weise anzugehen – oder die Finger davon zu lassen. Sorgfältig erstellte (kritische!) Businesspläne können nämlich auch verhindern, dass man sich in finanzielle Untiefen begibt, weil sie im Vorfeld schon die Risiken bestimmter Vorhaben aufzeigen.

Die weiteren Artikel der Serie erscheinen in den nächsten T3N-Ausgaben:
Teil 1 (T3N Nr. 12) Fabeltier Businessplan
Teil 2 (T3N Nr. 13) Elevator, Pitch und Exposé
Teil 3 (T3N Nr. 14) Präsentation und Verhandlung
Teil 4 (T3N Nr. 15) Regeln, Absprachen, Verträge
Teil 5 (T3N Nr. 16) Gemeinschaftsleben
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