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E-Commerce
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Von Pflichtbelehrungen, Widerrufsrechten und Kostenfallen: Fernabsatzrecht: teurer Stolperstein

Es scheint so simpel: Statt im eigenen Ladenlokal auf Kunden zu hoffen, verlegt man die gesamten Geschäftsaktivitäten in virtuelle Räume. Ein zu vergleichsweise niedrigen Tarifen angemieteter oder eigens gestalteter Online-Shop, 24-stündige Erreichbarkeit, Kunden weit über das regionale Einzugsgebiet hinaus und dann noch der Versand erst nach Zahlungseingang – was soll da schiefgehen? Doch der Teufel steckt wie oft im Detail.

7 Min. Lesezeit
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Gerade im Bereich der E-Commerce-Aktivitäten warten die ersten Stolperfallen oft bereits in der Programmierung der Bedienoberfläche und in ihrer inhaltlichen und grafischen Gestaltung – von den angebotenen Produkten und deren Beschreibungen, der Preisgestaltung und der Formulierung der werblichen Texte usw. einmal ganz abgesehen.

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In diesem Artikel können nur einige Problemlagen beispielhaft erörtert werden. Im konkreten Einzelfall ist eine Beratung durch einen fachlich versierten Rechtsanwalt dringend zu empfehlen.

Besondere Rechte des Kunden im Versandhandel

Unverzichtbar ist ein kurzer Blick auf die rechtlichen Grundlagen: Das Haustürwiderrufsgesetz sowie das Fernabsatzgesetz (alt) wurden unter dem Titel „Besondere Vertriebsformen“ mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Im Prinzip gilt das neue Fernabsatzrecht für alle Verträge, die nicht im Geschäftslokal und nicht im Kontakt zum Verkäufer abgeschlossen wurden. Klassischer Fall ist das Versandhandelsgeschäft. Bemerkenswert ist, dass es grundsätzlich keine Rolle spielt, ob ein Vertragsabschluss per Internet, Katalog oder Telefon erfolgt. Das Gesetz stellt in § 312 b [1] allein auf den Abschluss unter „ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ ab. Im Gesetz werden diese Mittel näher definiert als „Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.“

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Das Gesetz schreibt zwar daneben einige wichtige Ausnahmen für die Anwendbarkeit fest, aber wichtig ist die Fokussierung auf den Endkunden, sprich: den Verbraucher. Die nachfolgenden Ausführungen betreffen daher im Wesentlichen die so genannten B2C-Geschäfte (Business-to-Consumer), was auf die Mehrzahl der aktuell betriebenen Online-Shops zutrifft.

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Kunden vor der Bestellung aufklären

Der Betreiber eines Online-Shops ist von Gesetzes wegen verpflichtet, Verbraucher vor Abgabe einer Bestellung hinreichend über die Einzelheiten des angestrebten Vertrags sowie über den geschäftlichen Zweck aufzuklären – im Klartext sind das unter anderem diese Angaben:

  • die Identität des Lieferanten durch die Nennung einer ladungsfähigen Anschrift
  • die Preise und Lieferkosten
  • Gültigkeitsdauer von besonderen Angeboten
  • wesentliche Eigenschaften betroffener Waren und Dienstleistungen
  • Garantiebedingungen
  • bestehende Liefervorbehalte
  • Zahlungsmodalitäten – zum Beispiel, zu welchem Zeitpunkt der Vertrag zustandekommt
  • das einzuräumende Widerrufsrecht

Aufgrund der vielen notwendigen Angaben ergeben sich schon an dieser Stelle einige Schwierigkeiten in gestalterischer Hinsicht. Schließlich muss sichergestellt sein, dass der Kunde über alles möglichst vor der Bestellung informiert ist.

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Doch selbst wenn hier passende Lösungen erarbeitet werden, die das Webdesign in gestalterischer Hinsicht nicht vollständig sprengen, so ist man mit seinen Verpflichtungen noch nicht am Ende. Beispiel: Spätestens mit Lieferung der Waren muss das Ganze in Textform (also möglichst per Brief oder Fax, gegebenenfalls auch per E-Mail) wiederholt werden, um die gewünschte Wirkung in rechtlicher Hinsicht tatsächlich und dauerhaft zu erreichen.

Nahezu unbeschränktes Umtauschrecht

Zentrales Element des Fernabsatzrechts ist ein generelles Widerrufs- und Rückgaberecht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware für grundsätzlich alle Bestellungen im Fernabsatz. Diese Zweiwochenfrist verlängert sich auf einen Monat, wenn der Shop-Betreiber erst nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht aufklärt. Fehlen die oben angeführten Pflichtangaben oder sind die Hinweise und Belehrungen fehlerhaft, so kann der Verbraucher sogar zeitlich unbeschränkt von seinem Kauf zurücktreten.

Besonders prekär für den Anbieter erscheinen diese starken Verbraucherrechte vor dem Hintergrund, dass der Widerruf und die Rückgabe nicht begründet werden müssen. Kauft man in einem klassischen Geschäftslokal die gleiche Ware, ist die Rückgabe bei Nichtgefallen deutlich schwerer: Ein Umtausch ist, wenn überhaupt, meist allein auf Kulanzbasis möglich. Zudem werden unbeschädigte Ware und der Kassenbon vorausgesetzt. Das für den Kauf gezahlte Bargeld erhält man immer seltener zurück. Der Versandhändler ist hingegen per Gesetz zur Rückabwicklung verpflichtet. Der Käufer ist also in diesem Fall auf Kulanz und persönliches Verhandlungsgeschick nicht angewiesen und er muss weder Gutscheine noch Umtausch akzeptieren.

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Wertersatz gehört geregelt

Doch damit nicht genug: Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen hat im Widerrufsfall grundsätzlich der Shop-Betreiber die Kosten der Rücksendung zu tragen. Nur bei ordnungsgemäßer Lieferung und einem Wert der gelieferten Ware von bis zu 40 Euro können sie dem Verbraucher auferlegt werden. Bei einem höheren Warenpreis ist dies nur dann möglich, wenn der Verbraucher die Gegenleistung insgesamt oder eine Teilleistung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hatte.

Eine besondere Dimension erhält die Rücksendung durch die erweiterte gesetzliche Regelung, dass bei einer Rückgabe der Verbraucher noch nicht einmal Wertersatz zu leisten hat. Das gilt in allen Fällen, in denen die Ware bestimmungsgemäß genutzt wurde, selbst wenn sie dadurch objektiv an Wert verloren hat. Hier gibt es allerdings den rechtlichen Ausweg, den Verbraucher vor Vertragsabschluss auf die Verpflichtung zum Wertersatz in Textform aufmerksam zu machen. Allerdings greift diese Verschärfung beispielsweise nicht für die Folgen einer bloßen Prüfung der gekauften Waren.

Noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist die Frage, inwieweit der Shop-Betreiber nach einem Widerruf zum Beispiel im Fall einer Internetbestellung auch die Hinsendekosten zu erstatten hat, wenn die gesamte Bestellung zurückgeschickt wird. Wird zumindest ein Teil behalten, dürften die Kosten für die Hinsendung wohl rechtmäßig beim Verbraucher verbleiben. Diese Rechtsfrage ist aktuell beim Bundesgerichtshof anhängig. Die Gefahren der Rücksendung, also mögliche Beschädigungen der Waren auf dem Versandweg bis hin zum Verlust, liegen übrigens grundsätzlich beim Versender.

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Beispiel zum Widerrufs- und Rückgaberecht

Kommen wir zu einem beispielhaften Fall. Den Betreibern einer Seite für Foto-Editionen schwebte folgender Ablauf vor, um die geplanten Produkte nicht in allen Varianten lagern zu müssen: Der Kunde sucht sich zunächst auf der Website eine Fotografie aus. Im Zuge des Bestellvorgangs kann er neben der Größe beispielsweise auch auswählen, ob die Fotografie gerahmt, kaschiert oder rein als Papierabzug geliefert werden soll. Erst nachdem seine Bestellung eingegangen ist und er den fälligen Geldbetrag bezahlt hat, wird das Produkt wunschgemäß gefertigt und dann innerhalb der ausgewiesenen Lieferfrist versendet.

Doch Vorsicht: Auch wenn der Kunde unter mehreren Varianten für die Ausstattung wählen kann, gilt dennoch das schon beschriebene Widerrufs- und Rückgaberecht. Zwar ist ein entsprechender Ausschluss denkbar. Aber der gilt nur dann, wenn es sich um eine Ware handelt, die kein standardisiertes Massenprodukt darstellt und für die der Shop-Betreiber nicht ohne Weiteres einen anderen Abnehmer finden kann. Dies sind beispielsweise Waren, die eindeutig auf persönliche Bedürfnisse zugeschnitten sind (zum Beispiel ein gravierter Füllfederhalter) oder Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet sind. Zerbrechlichkeit allein reicht hier übrigens nicht. Herunterladbare Software und ähnliche Fälle hatte der Gesetzgeber hier eigentlich vor Augen. Denkbar ist ein Ausschluss zudem für Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten wurde, für vom Verbraucher entsiegelte Audio- und Videoaufzeichnungen sowie Softwareprodukte, außerdem bei der Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften oder bei Wett- und Lotteriedienstleistungen. Zudem fallen darunter Waren, die in Form von Versteigerungen (auch Online-Versteigerungen) verkauft wurden. Diese Aufzählung ist allerdings sicher nicht vollständig.

Für den Beispielfall ergibt sich aus dieser Liste keine Entwarnung. Man muss davon ausgehen, dass sich grundsätzlich für jedes Foto in den standardmäßigen Ausstattungen ein neuer Kunde finden lässt. Eine Rücksendung ist somit möglich. Die Gefahr: Es wird ein Foto gefertigt, verschickt und geliefert und dann erfolgt ein Widerruf. Selbst wenn das Bild wieder völlig unbeschadet den Versender erreicht, sind allein mit der Herstellung Kosten entstanden. Wann sich der nächste Kunde für dieses Bild in genau dieser Ausstattung entscheidet, steht in den Sternen.

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Der nicht selten gesehene Trick, in den AGB eine Ware als „ungeeignet zur Rücksendung“ zu definieren und so die gesetzlichen Regelungen zu umgehen, dürfte vor Gericht in der Regel nicht standhalten. Da es bei solchen Auseinandersetzungen schnell um nennenswerte Geldbeträge gehen kann, sollte man die rechtlichen Aspekte ebenso aufmerksam beachten wie die Gestaltung des Shops an sich.

Bei fehlerhaften Angaben droht Abmahnung

Es reicht übrigens nicht, dass irgendwo auf den Seiten die erforderlichen Informationen vollständig zu finden sind. Der Kunde muss Kenntnis nehmen können. Im günstigsten Falle gestaltet man es so, dass die Hinweise durch Hervorhebungen und die gewählte Platzierung praktisch nicht übersehen werden können und der Kunde bis zum Ende des Bestellvorgangs alles Wesentliche erfahren hat.

Nicht zuletzt spielt auch hier das leidige Thema der Abmahnung eine Rolle: Wettbewerber, Verbraucherschutzverbände und Abmahnvereinigungen weisen die Anbieter von Webshops immer wieder gerne auf ihre Versäumnisse bei der Umsetzung gesetzlicher Erfordernisse hin, kostenpflichtig versteht sich. Verbunden ist das meistens mit Vertragsstrafeversprechen, die es in sich haben können. Hier ist also höchste Aufmerksamkeit gefordert.

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Fazit

Neben der Belehrung über die Rechte bestehen durchaus Optionen, um den denkbaren Schaden aus dem Widerrufs- und Rückgaberecht in Grenzen zu halten, zum Beispiel mittels ausdrücklicher Wertersatzregelungen, Hinweisen zum Versand bei Rückgabe und einigem mehr. Insbesondere kleinere Webshops, die etwa als reiner Zusatz zum sonstigen Informationsangebot betrieben werden, laufen bei unzureichender Gesetzeskonformität ansonsten Gefahr, sich finanzielle Risiken aufzubürden, die in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stehen.

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