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Fest oder frei? Berichte über 5 verschiedene Karrieren

Die Beschäftigungsmodelle sind ­vielseitig wie nie. Das macht es leichter, sie den eigenen Arbeits- und Lebens­entwürfen anzupassen. Fünf Menschen ­erzählen, wie sie den besten Weg für ihre Karriere gefunden haben.

Von Caroline Lindekamp
6 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock / Photographee.eu)

Der Entrepreneur: Stefan Jeschonnek hat 2 Startups gegründet und ist als Angel-Investor aktiv

Meine Leidenschaft, Probleme zu lösen, motiviert mich, morgens aus dem Bett zu kommen. Genau das ermöglicht mir mein Unternehmen Zeitgold. Zusammen mit zwei Mitgründern habe ich 2015 eine Technologie für Kleinunternehmer an den Start gebracht, mit der sie ihre Finanzen intuitiv managen können. Mittlerweile haben wir so viele Kunden, dass das Zeitgold-Team rund 100 Mitarbeiter in Tel Aviv und Berlin zählt.

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Nach dem Studium habe ich zwei Jahre bei einer Strategie­beratung gearbeitet. Die Erfahrung war relevant, aber mir war früh klar, dass die Beratertätigkeit nicht meine Berufung ist und ich selbst gründen will. Über einen MBA an der Uni ­Stanford ging es also ins Silicon Valley, um zu verstehen, wie Technologieunternehmen funktionieren – dort, wo es am besten gemacht wird.

Stefan Jeschonnek: „Alle Hebel selbst in der Hand zu ­halten, treibt mich an“ (Foto: Stefan Jeschonnek)

Stefan Jeschonnek: „Alle Hebel selbst in der Hand zu ­halten, treibt mich an.“ (Foto: Stefan Jeschonnek)

Zeitgold ist bereits mein zweites Startup, und als Angel-­Investor spreche ich mittlerweile viel mit anderen Gründern. Viele von ihnen halten zu früh krampfhaft an einer spezifischen Geschäftsidee fest. Doch die erste Lösung ist selten die, die am Ende gelingt.

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Das gilt auch im Startup-Alltag: An manchen Tagen ­verfolgen wir einen Ansatz nach dem anderen und kommen erst nach vielen Sackgassen ans Ziel. Dann wieder bin ich unglaublich euphorisch, beispielsweise wenn wir positives Kunden­feedback bekommen. Gründen ist eine ­emotionale Achterbahnfahrt und oftmals anstrengender als eine ­Festanstellung.

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Doch als Angestellter könnte ich kein so hohes Maß an ­Motivation aufbringen. Wirklich etwas kreieren zu können und alle Hebel selbst in der Hand zu haben, treibt mich an. Für mich könnte ein Angestelltenverhältnis dieses Gefühl nicht reproduzieren.

Die Festangestellte: Julie Ng sammelte als Unternehmerin viele Erfahrungen, aber wenig Geld. Heute ist sie IT-Architektin bei einem ­Großkonzern

Ich hatte nie vor, Entwicklerin oder IT-Architektin zu werden oder im Konzern zu arbeiten. Doch genau das habe ich gemacht. Ich studierte Internationale Beziehungen und Wirtschaftswissenschaft, kam im Studium aus den USA nach Deutschland – und brauchte Geld. Webdesign wurde von meinem Hobby zu meinem ersten Job.

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Julie Ng: „Die Anstellung im ­Konzern bringt mir Sicherheit und ­Struktur“ (Foto: Julie Ng)

Julie Ng: „Die Anstellung im ­Konzern bringt mir Sicherheit und ­Struktur.“ (Foto: Julie Ng)

Nach drei Jahren fühlte ich mich bereit für etwas Neues. Das war 2011, als alle von Startups sprachen. Ich wollte auch gründen und es zunächst durch Freelancing finanzieren. Dabei unterschätzte ich total, wie fertig einen die Selbstständigkeit machen kann.

Wenn ich mich heute als „Failed Entrepreneur“, gescheiterte Unternehmerin, bezeichne, stimmt das nur zum Teil: Ich habe viel geschafft, etwa mit Freunden Refresh Munich gegründet, der zwei Mal die Konferenz UX Munich organisierte. Eine großartige Erfahrung, die parallel zu einer Festanstellung nicht möglich gewesen wäre. Doch nach fünf Jahren Freiberuflichkeit hatte ich einfach keine Energie mehr. Und auch kein Geld. Zu meinen Schulden aus dem teuren US-­Studium hatte sich vielmehr ein Gründungsdarlehen addiert.

Zum Vorstellungsgespräch bei einem größeren Unternehmen ging ich zunächst zu Übungszwecken, sagte dann aber aus dem Bauch heraus zu: einfach mal ausprobieren! Dass die Anstellung im Konzern die Sicherheit und Struktur brachte, die mir als Selbstständige gefehlt hatten, wurde mir erst nach und nach bewusst. Ich entwickelte mich fachlich weiter und wurde schließlich von Microsoft abgeworben.

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Jeder meiner Wechsel war mit einem Risiko verbunden. Ich rate jedem, das einzugehen, um möglichst viel auszuprobieren. Zwar endet nicht jede Erfahrung im Erfolg, hat aber immer positive Aspekte. Ob es sich lohnt, weiß man erst im Nachhinein.

Die Freelancerin: Maren Scholz hat sich aus einer Leitungsfunktion heraus als PR-­Managerin selbstständig gemacht

Ich habe zunächst als Angestellte viele Facetten meines Berufs kennengelernt: Agenturarbeit und externe wie interne Unternehmenskommunikation. Bei Letzterer übernahm ich schließlich eine Leitungsfunktion – und verabschiedete mich nach einem Jahr in die Selbstständigkeit. Ich hoffte, dass mir dieser Schritt mehr Kreativität erlauben würde.

Mit gesundem Risikobewusstsein und finanziellem Puffer, um anfängliche Gewinneinbußen abzufedern, bin ich gestartet. Schon nach einem halben Jahr war ich ausgelastet, mittlerweile muss ich Aufträge absagen – und bin beinahe erstaunt, wie sich alles fügt, wenn man es erst einmal wagt.

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Maren Scholz: „Die Selbstständigkeit erlaubt mir Kunden­nähe, wie ich sie in der Fest­anstellung nicht finden ­konnte“ (Foto: Nicolas Armer)

Maren Scholz: „Die Selbstständigkeit erlaubt mir Kunden­nähe, wie ich sie in der Fest­anstellung nicht finden ­konnte.“ (Foto: Nicolas Armer)

Dabei hielt gerade die Startphase einige Stolpersteine parat. Es brauchte Zeit, bis ich mich durch Businessplan, Gründungszuschuss und Buchhaltung gewühlt hatte. Plötzlich war ich nicht mehr nur PR-Managerin, sondern musste mich auch mit Rechtsfragen, Vertragsgestaltung und IT auseinandersetzen. Das Verständnis dafür musste ich mir aneignen – und zwar schneller als ein Festangestellter: Onboarding-Prozesse gibt es in der Selbstständigkeit nicht.

Wer weniger Stress und mehr Freizeit will, wird von der Selbstständigkeit enttäuscht. Mir hat sie beschert, was ich mir erhofft hatte: Kreativität, Gestaltungsmöglichkeiten und Kundennähe, wie ich sie in der Festanstellung nicht finden konnte. Für mich ist es heute die beste Form, zu arbeiten.

Der Bekehrte: Tomas Caspers hat viele Jahre als Freelancer gearbeitet. Heute ist er Creative Director bei Accenture ­Interactive

Meinen Lebensweg könnte man als kurvig bezeichnen. Ich bin als Fotograf ins Berufsleben gestartet und in den 1990er ­Jahren auf den Multimedia-Zug aufgesprungen – damals war es selbstverständlich, dass sich ein Designer auch Coding-Skills aneignet.

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Heute würde ich Uni-Absolventen nicht mehr empfehlen, direkt als Freelancer zu starten. Auf große Projekte wird man als Berufsanfänger nicht mehr gebucht, und ein Bachelor bereitet nicht unbedingt auf die Berufsrealität vor, denn die Lehrpläne hängen der tatsächlichen Entwicklung oft hinterher. Außerdem ist es ein Mythos, dass Freiberufler mehr ­Vielfalt und Gestaltungsraum haben. Als Freelancer war ich zwar in große Projekte eingebunden, aber immer nur für spezifische Teilaufgaben. Das wurde mir irgendwann zu langweilig.

Tomas Caspers: „Dass Frei­berufler mehr Gestaltungs­spielraum haben, ist ein Mythos“ (Foto: Thomas Caspers)

Tomas Caspers: „Dass Frei­berufler mehr Gestaltungs­spielraum haben, ist ein Mythos.“ (Foto: Thomas Caspers)

Deshalb bin ich 2004 bei Accenture eingestiegen. Hier steuere ich große Projekte heute selbst und kann größere Räder drehen. Diese Komplexität innerhalb eines großen Konzerns hat mich sehr gereizt. Außerdem bin ich hier nicht branchen- sondern fachspezifisch unterwegs, was eine große Industrievielfalt mit sich bringt: erst ein Elektrounternehmen, dann LifeScience, mal Automotive und als nächstes E-Commerce. Jedes neue Projekt bringt neue Herausforderungen mit sich.

Auch wenn die Freiberuflichkeit eine sehr gute Schule für mich war, würde ich Berufsempfängern heute raten, sich innerhalb einer Firma hochzuarbeiten. Je größer das Unternehmen, desto besser die Möglichkeiten.

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Der Zweigleisige: Bastian Wilkat aus Oldenburg ist sowohl festangestellter Corporate Venturer als auch selbstständiger Strategieberater

Als Angestellter erarbeiten mein Team und ich neue ­Geschäftschancen für einen Energiekonzern. Mit meiner Firma Tinkertinker bin ich zudem selbstständiger Strategieberater.

Nach dem Studium bin ich zunächst in Vollzeit ins Angestellten­dasein eingestiegen – eine wertvolle Erfahrung, doch ich brauchte mehr Luft für meine Nebentätigkeiten. Also habe ich die Festanstellung zunächst auf 50 bis 70 ­Prozent reduziert. Aufgrund meines speziellen Profils hatte ich keine Probleme, ein Teilzeitmodell zu verhandeln; das mag in anderen Fachbereichen oder Regionen schwieriger sein. Aber ich empfehle jedem, mit so einem Setup absolut transparent umzugehen.

Bastian Wilkat: „Dank meines ­Gehalts aus der Festanstellung kann ich als Freelancer ­wählerisch sein“ (Foto: Bastian Wilkat)

Bastian Wilkat: „Dank meines ­Gehalts aus der Festanstellung kann ich als Freelancer ­wählerisch sein.“ (Foto: Bastian Wilkat)

Mein Arbeitgeber muss voll auf mich zählen können. So richtet sich meine Zeitsteuerung an der Festanstellung aus, die Selbstständigkeit findet in Randzeiten statt. Da ich seit gut einem Jahr wieder auf eine Vollzeitstelle aufgestockt habe, bedeutet das zusätzliche Schichten am Abend für ­Tinkertinker und auch am Wochenende mal volle Tage. Mir macht das Spaß, ohne dass ich mich ausbeute.

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Als Angestellter profitiere ich vom Zugriff auf viel größere Ressourcen für die Projektplanung. Tinkertinker dagegen erlaubt mir, mein Wissen weiterzugeben. Dank des Gehalts aus der Festanstellung muss ich dort keine Umsatzziele erfüllen, sodass ich ausschließlich Projekte annehme, bei denen ich wirklich Mehrwert bringen kann.

Ein existenzielles Sicherheitsbedürfnis will ich mit der Festanstellung nicht befriedigen. Im Gegenteil: Mir gibt eher die Vielfalt der Selbstständigkeit ein sicheres Gefühl. Ich bin mit meinen Netzwerken und Kompetenzen breiter aufgestellt, als ich es nach Jahren in einer Festanstellung sein könnte.

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