Volocopter, Lilium und Co.: Deshalb kommen die deutschen Flugtaxihersteller nicht in die Gänge
Hebt er ab, der Volocopter? Das elektrische Fluggerät, das aussieht wie ein Hubschrauber, mit einem großen Rad voller Minipropeller auf dem Dach? Das war die Frage mit Blick auf die Olympischen Spiele in Paris. Schließlich hatte Volocopter diesen Schritt vor Monaten medienwirksam angekündigt. Volocopter befinde sich mit den Behörden im Austausch, schrieb das Startup auf eine Anfrage von t3n Anfang Juli. „Genehmigungen dieser Art kommen in der Regel sehr kurzfristig.“ Schließlich hob er ab – aber anders als geplant. Nicht von einer Plattform auf der Seine, sondern einem Flugplatz am Stadtrand.
Das haben auch die Konkurrenten aus aller Welt beobachtet. Firmen wie Lilium aus München, Joby Aviation und Archer Aviation aus den USA und Ehang aus China arbeiten ebenfalls an sogenannten eVTOL – Electric Vertical Take-off and Landing Aircrafts –, wie Flugtaxis im Fachjargon heißen. All diese Firmen kämpfen derzeit um die Vorherrschaft bei Zulassungen, Investorengeldern und bei der Markteinführung.
Volocopter werde „eine bessere Mobilität in den Städten der Welt“ schaffen, sagt das Unternehmen aus Bruchsal. Lilium sorge für „radikal bessere Wege der Fortbewegung“, heißt es aus München. Und Ehang aus China verspricht, „sichere, autonome und umweltfreundliche Mobilität in der Luft“ für alle zugänglich zu machen.
Große Versprechen, große Visionen – nur eines passt dabei nicht so richtig ins Bild. Die deutschen Hersteller Lilium und Volocopter kämpften zuletzt nicht nur um die Starterlaubnis, sondern auch mit Finanzierungsproblemen. Die Firmen warnten im Frühjahr vor einer drohenden Insolvenz und forderten staatliche Hilfe. Volocopter hat dafür bereits eine Absage erhalten, dank Unterstützung von privaten Investoren konnte das Aus dennoch vorerst abgewendet werden.
Gute Nachrichten gibt es auch für Lilium. Das Unternehmen hat im Juli einen Großauftrag aus Saudi-Arabien bekommen. Die saudische Fluggesellschaft Saudia hat einen Kaufvertrag für 50 Lilium-Jets unterzeichnet, eine Bestellung über 50 weitere Jets könnte folgen. Man sei stolz über die Partnerschaft mit einer führenden Fluggesellschaft wie Saudia, sagte Lilium-Firmenchef Klaus Röwe. Trotzdem hofft Lilium weiter auf staatliche Unterstützung: Das Unternehmen verhandelt nach eigenen Angaben mit dem Bund über ein KfW-Darlehen in Höhe von 100 Millionen Euro, das der Bund und Bayern jeweils zur Hälfte absichern sollen. Die Verhandlungen seien auf gutem Weg, heißt es auf t3n-Anfrage Ende Juni. Mit der französischen Regierung liefen ebenfalls Gespräche. Im Gegenzug könnte Lilium dort ein Produktionswerk aufbauen.
Hoffnung auf Investoren
Doch wie gerechtfertigt sind Staatshilfen für die neue Technologie? Sind sie ein Muss, um wichtige Innovationen in Deutschland zu halten? Oder würde der Staat damit eine Nischentechnologie fördern, die nur wenigen Reichen zugutekommt, wie Kritiker monieren? Und warum sind private Geldgeber nicht stärker bereit, in die Technologie zu investieren, die den Zeitgeist doch voll zu treffen scheint?
Letztere Frage lässt sich in Teilen noch recht einfach beantworten. Allgemein gilt: Seit die amerikanische und Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht haben, sind Investoren zurückhaltender in Sachen Wagniskapital. Sie investieren weniger in riskante Startups, wenn andere, sicherere Anlagen auch viel Geld bringen. Vor allem, da die schwache Konjunktur das Risiko erhöht, dass Startups scheitern. Klaus Röwe, CEO von Lilium, sieht darüber hinaus noch einen weiteren Grund. „Ein grundsätzliches Problem ist, dass in Deutschland institutionelle Investoren als Wagniskapitalgeber kaum auftreten“, sagt er. Das mache es für Startups nahezu unmöglich, sehr große Summen an Wagniskapital im Inland einzusammeln.
Ausländische Investoren aber schauen sich selbstverständlich auch die internationale Konkurrenz der deutschen Startups an. Sie investieren aus finanziellem Kalkül und fragen sich, welches Startup im hart umkämpften Flugtaximarkt wohl am ehesten erfolgreich sein wird. Dabei sei mit entscheidend, wie viel Staatshilfe welches Startup bekomme, sagt Klaus Röwe. Chinesische Konkurrenten wie Ehang würden nahezu vollständig staatlich aus Peking finanziert. Amerikanische Wettbewerber wie Joby und Archer hätten ebenfalls Staatshilfen im jeweils dreistelligen Millionenbereich bekommen. Da sei es verständlich, dass internationale Investoren auch ein Bekenntnis vom deutschen Staat erwarteten: „Ein Darlehen und die Absicherung durch den Bund und das Land Bayern verschaffen uns weiteres Kapital und sind gleichzeitig wichtige Signale, um das Vertrauen der Investoren in Deep-Tech-Unternehmen wie Lilium zu stärken“, sagt Röwe.
Aus der Branchenlogik heraus ergibt diese Argumentation Sinn. China investiert schon seit längerer Zeit massiv in seine Luft- und Raumfahrtindustrie. Das elektrische Fliegen gilt im Land als Chance, technologisch mit dem Westen gleichzuziehen, ähnlich wie beim E-Autobau. Der chinesische Akkuhersteller CATL zum Beispiel will bis 2028 ein Elektroflugzeug mit 2.000 bis 3.000 Kilometer Reichweite auf den Markt bringen, berichten chinesische Medien. Und Ehang hat im Juli gut zwei Dutzend Flugtaxis für geplante touristische Flüge nach Ostchina geliefert.
Bianca Schuchardt, Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, findet vor diesem Hintergrund, dass Staatshilfen für deutsche Flugtaxihersteller grundsätzlich berechtigt sind. „Wir werden die Technologie sonst an andere Länder verlieren, die förderbereiter sind“, sagt sie.
Sollte der Staat in Flugtaxis investieren?
Die Luft- und Raumfahrtingenieurin interessiert sich seit ihrer Promotion für den Einsatz von Drohnen und Flugtaxis. Sie rechnet damit, dass Flugtaxis in den nächsten Jahren zunächst bestimmte Hubschrauberflüge ersetzen werden. Zum Beispiel bei Rettungseinsätzen, bei denen der Patiententransport sehr schnell gehen muss. Dafür hat Anfang Juli der bayerische Hersteller ERC System einen entsprechenden Prototyp vorgestellt. Der elektrische Transport per Flugtaxi sei dreimal kosteneffizienter als ein Helikopter und dreimal schneller als ein Krankenwagen, wirbt das Unternehmen. Andere kurzfristige Einsatzszenarien für Flugtaxis sind aus Sicht von Schuchardt Shuttleflüge über kurze Distanzen, zum Beispiel bei Großevents wie den Olympischen Spielen, sowie touristische Flüge als klimafreundliche Alternative zu Hubschrauberrundflügen.
Wie stark sich Flugtaxis darüber hinaus verbreiten, ist ungewiss. Bianca Schuchardt sieht aber durchaus Potenzial. Zusammen mit Kollegen weltweit hat sie 1.000 Städte mit Blick darauf analysiert, wie sinnvoll der Einsatz von Flugtaxis vor Ort wäre. „In weltweit 200 Städten sehen wir Nachfrage“, sagt sie. „Insgesamt ergibt sich ein Potenzial von Millionen Flügen pro Jahr weltweit.“ Lilium-Chef Klaus Röwe nennt zum Beispiel die brasilianische Großstadt São Paulo als prädestiniert. Dort flögen an jedem Werktag rund 700 Menschen per Helikopter ins Büro. Diese Emissionen ließen sich vermeiden. Für Inselstaaten wie die Philippinen könnten die Elektroflieger ebenfalls ein aufstrebendes Transportmittel sein. „Lilium hat schon jetzt mehr als 700 Festaufträge und Interessensbekundungen in den Büchern stehen“, sagt er. Und die Technologie entwickele sich weiter: „In 10 bis 15 Jahren wollen wir mit bis zu 50 Passagieren rund 1.000 Kilometer elektrisch fliegen können.“
Trotzdem halten nicht alle Expert:innen aus der Branche Staatshilfe für Flugtaxihersteller für angemessen. Zu den Kritikern zählt Kay Plötner, Experte für Urban Air Mobility beim Branchen-Thinktank Bauhaus Luftfahrt. Gegründet wurde der Verein 2005 von den Firmen Airbus, Liebherr-Aerospace und MTU Aero Engines sowie vom Bayerischen Wirtschaftsministerium. Plötner sagt, unbemannte Drohnen hätten grundsätzlich gigantisches Potenzial weltweit. Für den Personentransport hält er sie aber nicht für besonders geeignet. Flugtaxis hätten zwar Einsatzmöglichkeiten bei den erwähnten touristischen Flügen, Rettungseinsätzen und in bestimmten Großstädten. Langfristig würden sie aber aus seiner Sicht nur circa 0,5 bis 3 Prozent der weltweiten Mobilität abdecken. „Eine große Veränderung bedeutet das nicht“, sagt er, „der Staat sollte lieber Technologien fördern, die mehr Unterschied machen.“
Staatshilfen für einzelne Unternehmen könnten unfair sein
Eine Schwäche von Flugtaxis ist für Plötner, dass sie viel Platz zum Starten und Landen brauchen. Die sogenannten Vertiports, also Landeplätze, die Hersteller planen, seien im Prinzip Miniflughäfen, sagt er. „Der Platzmangel in Städten macht eine große Anzahl von Vertiports sehr unwahrscheinlich.“ Die Nutzer wären also beim Reisen mit Flugtaxis recht unflexibel.
Außerdem könnten pro Stunde voraussichtlich nicht mehr als etwa 150 Passagiere pro Vertiport starten, rechnet Plötner vor. Dadurch bliebe das Fliegen im Vergleich zu anderen Transportmitteln sehr teuer. Und da Flugtaxis beim senkrechten Starten und Landen vergleichsweise viel Energie verbrauchten, seien sie noch nicht einmal so effizient, wie die Hersteller behaupten. „Der Einsatz von Flugtaxis würde bedeuten, dass wir sehr viel grünen Strom einsetzen, um sehr wenige Personen zu transportieren“, sagt Plötner. „Das können wir uns in Anbetracht der Knappheit von grüner Energie nicht leisten.“
Neben der technologischen Kritik an Flugtaxis gibt es außerdem volkswirtschaftliche Argumente, die gegen Subventionen für die Technologie sprechen. Achim Wambach, der Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, gilt als Experte für Wettbewerbsökonomie. Er sagt, es sei allein rechtlich sehr schwer durchzusetzen, einzelne Unternehmen wie Lilium zu fördern. „In der Regel gehen solche Subventionen nicht durch die EU-Beihilfekontrolle.“
Darüber hinaus seien Staatshilfen für einzelne Unternehmen schnell unfair. Schließlich gebe es in anderen Branchen ebenfalls wichtige Startups, die wegen der hohen Zinsen Probleme mit der Finanzierung hätten und im internationalen Wettbewerb stünden. „Mit dem Argument könnten wir fast jedes Unternehmen fördern. Das öffnet die Büchse der Pandora“, warnt der Volkswirt.
Auch Wambach glaubt, dass sich Deutschland und die EU insgesamt Gedanken machen müssen, wie sie im Wettbewerb mit den USA und China mithalten können. Die Strafzölle auf chinesische E-Autos sind eine Option. Parallel sollten Deutschland und die EU aber ihre Standortbedingungen verbessern und einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt schaffen, sagt Wambach.
Für Flugtaxihersteller wie Volocopter und Lilium könnte das aber zu spät kommen. „Lilium kann einen starken Beitrag zur Dekarbonisierung der Luftfahrt leisten. Dafür braucht’s aber Cash“, sagt Klaus Röwe. Je schneller, desto besser.
Klassischer Fall von „induced demand“. Da wird kein einziges Gramm CO2 gespart werden. Es wird nur mehr (Lärm-)Emissionen in den Städten führen.
Bitte keinen Cent in diesen Quark investieren.
Steckt das Geld lieber in die Elektrifizierung der Busse und Radwege.