Verstopftes E-Mail-Postfach? So wirst du zum Inbox-Hero

(Foto: Bastografie / Photocase)
Raus aus der Abwärtsspirale
Meine Beziehung zu meiner Inbox ist tief zerrüttet. Um der Abwärtsspirale aus ungelesenen, unerwünschten und aufgeschobenen E-Mails zu entkommen, muss ich ihr endlich Manieren beibringen. Zum Glück bin ich nicht die Erste, die diesen Kampf ausficht: Generationen von Webworkern auf der ganzen Welt haben sich bereits ihren überfüllten Postfächern gestellt – wer überlebt hat, hat seine Erfahrungen in Form von Tipps und Best Practices ins Internet geschrieben. Diese drei begegnen mir am häufigsten und überzeugen mich am meisten:
Erstens: E-Mails nicht sofort beantworten und auch keine sofortige Antwort erwarten. Denn E-Mail ist kein Echtzeit-Medium – wer das ignoriert und via E-Mail chattet, macht sich zum Sklaven seiner Inbox.
Zweitens: Auch wenn man sie nicht sofort beantwortet – bearbeiten sollte man E-Mails direkt nach dem Öffnen. Der Grund: Wer sich nach dem ersten Lesen nicht entscheiden kann, wie mit der Mail zu verfahren ist und sie einfach liegen lässt, wiederholt den Prozess des Öffnens und Lesens weitere Male und bindet so unnötige Ressourcen. Besser ist es, sich zu einer Entscheidung zu zwingen: Kann ich direkt antworten? Kann ich weiterleiten beziehungsweise delegieren? Ergibt sich ein konkretes To-Do, das ich irgendwo festhalten kann? Dann wird die E-Mail in den entsprechenden Ordner sortiert oder archiviert.
Drittens: Die E-Mail-Bearbeitung in feste Zeitfenster verlagern und das Mailprogramm außerhalb dieser Zeitfenster geschlossen halten. Manchen reicht es auch, das Abrufintervall ihres Mail-Clients auszudehnen und die Benachrichtigungstöne und -symbole auszuschalten. Not me. Ich bin nicht nur ein Notification-Junkie, sondern klicke auf der Suche nach Ablenkung sogar ständig proaktiv auf „E-Mails empfangen“. Mir hilft nur ein richtiges Lockout – erst mit Tools wie AntiSocial oder SelfControl schaffe ich es, feste E-Mail-Zeiten einzuhalten.
Apropos E-Mail-Zeitfenster: Es empfiehlt sich, den Arbeitstag nicht mit einem ebensolchen zu beginnen. Denn dann werden die To-Dos durch die E-Mails diktiert – und man verbringt den Tag damit, den Anliegen der anderen nachzulaufen.
Die Trickkiste für deinen E-Mail-Client
Diese drei Grundregeln geben mir ein Stück meiner Selbstbestimmung zurück. Doch immer noch treffen zu viele E-Mails ein. Um sie zu bewältigen, bräuchte ich im Zweifel ein E-Mail-Fenster von mehreren Stunden – Zeit für andere Aufgaben: Fehlanzeige. Also folgt nun Stufe zwei: Automatisierung, Regeln und Filter.
Hilfestellung ist auch bei diesem Schritt nicht weit: Die meisten E-Mail-Clients weisen nützliche Filterfunktionen auf. Bevor man bestimmte Automatisierungen vornimmt, sollte man sich allerdings eine Weile dabei beobachten, wie man eingehende E-Mails abarbeitet und überlegen, welche Systematik den eigenen Workflow unterstützt und beschleunigt. Ich persönlich etwa muss auf einen Blick innerhalb meines E-Mail-Clients sehen können, wo offene Aufgaben liegen. Alles andere ist sekundär: Meine zahlreichen thematischen und Personenkreis-gebundenen Unterordner helfen mir nur dabei, ältere E-Mails schnell wieder zu finden.

Bei Apple Mail definiert der Nutzer E-Mail-Regeln. In anderen Programmen heißt das Vorgehen manchmal Filtern. (Screenshot: Apple Mail)
Die Entscheidung, welche Nachrichten automatisch wegsortiert werden sollen, fällt in vielen Fällen leicht – etwa bei Newslettern oder Updates aus sozialen Netzwerken. Wer sich die Zeit nimmt, seinen E-Mail-Bearbeitungsprozess genauer kennen zu lernen, findet wahrscheinlich weitere E-Mail-Typen, die nicht unbedingt ins primäre Sichtfeld gelangen müssen. Für mich sind das etwa Status-Updates aus unseren Redaktionssystemen oder unserem Wiki. Alexandra Samuel, Autorin des Buchs „Work Smarter, Rule Your Email“, schlägt vor, verschiedene sekundäre Inboxen einzurichten, in die man einmal pro Tag, Woche oder Monat hineinschaut.
Eine gute Beziehung braucht Regeln
Im nächsten Schritt lege ich in den Einstellungen meines Mailprogramms entsprechende Regeln für die automatisierte Verarbeitung an. Jede Regel besteht aus einer Aktion, also etwa „Verschieben in Unterordner XY“, und einem Trigger – dem Impuls, der die Durchführung der Aktion auslöst.
Alexandra Samuel nennt folgende, besonders geeignete Trigger: ein bestimmter Absender, der Status als Copy- oder Blindcopy-Empfänger, Versanddatum, Anhänge oder der E-Mail-Status als gelesen oder ungelesen. Auch eindeutige Keywords in Betreff oder Inhalt der Mail ermöglichen eine gute Differenzierung und können als Trigger eingesetzt werden: So könnte etwa eine Regel lauten, alle E-Mails, die das Wort „unsubscribe“ enthalten, automatisch in einen Newsletter-Ordner filtern zu lassen und als gelesen zu markieren.
Spezielle Tools und Dienste
Wer lieber auf kleine Helfer vertraut, findet zahlreiche Apps und E-Mail-Clients, die effiziente Workflows versprechen.
- Das Gmail-Plugin ActiveInbox basiert auf der Produktivitätsmethode Getting Things Done und folgt dem Prinzip, dass mit jeder E-Mail eine Aufgabe verbunden ist. Es stellt Buttons und Shortcuts bereit, um neue Nachrichten in Form von To-Dos zu kategorisieren oder zu archivieren. Google selbst kann diesem Vorgehen offenbar auch einiges abgewinnen und hat im Oktober die ähnlich funktionierende App „Google Inbox“ vorgestellt, die für Wirbel sorgte.
- Sanebox nutzt die Informationen aus dem E-Mail-Header, um wichtige E-Mails zu erkennen und in die primäre Inbox zu leiten. Alle anderen Nachrichten werden automatisch in den „SaneLater-Ordner“ gefiltert, über den man eine tägliche Zusammenfassung erhält. Sanebox lernt aus der Nutzerinteraktion und entwickelt seine Filter ständig weiter.
- Die Applikation Mailbox richtet sich vor allem an Freunde der mobilen Kommunikation und macht sich die Swipe-Möglichkeiten moderner Touchscreens für ein schnelles Sortieren und Bearbeiten eingehender E-Mails zu Nutze. E-Mails, die erst in der Zukunft relevant werden, kann man
sich später erneut zusenden lassen und so quasi in die digitale
Wiedervorlage verfrachten. Ähnlich arbeiten übrigens auch die Apps Boxer und Triage.

Die App Mailbox erlaubt das schnelle Sortieren und das verzögerte Absenden von E-Mails. (Screenshot: Mailbox)
Gib dem System eine ehrliche Chance – und Zeit
Die wichtigste aller Regeln: Egal ob mithilfe von Apps, Plugins, dem E-Mail-Client oder einer Kombination aus allem – ein gutes E-Mail-System braucht Zeit. Eigentlich ist es sogar nie ganz fertig: Alexandra Samuel empfiehlt, einen Extra-Ordner für solche Mails anzulegen, die durch alle Filter gerutscht sind und trotzdem nichts in der Inbox zu suchen haben. In regelmäßigen Abständen könne man diese „Ausreißer“ dazu nutzen, bestehende Regeln zu ergänzen oder zu verfeinern.
Das smarte Filtern von E-Mails sei ein Prozess, kein einmaliges Ereignis, sagt auch Merlin Mann, der Erfinder des Inbox-Zero-Prinzips. Und fügt an: „Genau wie die menschliche Liebe“.
Auch meine Beziehung zu meiner Inbox wird in diesen Tagen wiederholt auf die Probe gestellt. Dennoch will ich die Flinte nicht ins Korn werfen: Das System ist schließlich nur so gut wie der, der es nutzt – statt direkt zur nächsten App zu hüpfen, verordne ich mir also Selbstdisziplin.
Nach zwei Wochen stelle ich fest, dass tatsächlich eine gewisse Form von Ruhe in meinem Postfach eingekehrt ist. Ich schaue immer noch zu oft pro Tag in die Inbox – meistens finde ich dort aber nichts mehr, das meine Aufmerksamkeit lange auf sich zieht. Der mittlerweile wichtigste Ordner für mich trägt den Namen „Action“ und enthält alle E-Mails, auf die ich reagieren muss. Im Idealfall ist auch er am Ende des Tages (nahezu) leer.
Die Macht der Signatur
Ich bin also bereit für Stufe drei: Ein leuchtendes Vorbild für andere abgeben. Und das ist nicht so ironisch gemeint, wie es klingt. Denn jeder von uns nutzt, verarbeitet und schreibt E-Mails auf seine eigene Weise – darum wird es auch nie einen kollektiven Standard geben, der alle glücklich macht. Umso wichtiger erscheint es mir, meine eigenen Gesprächspartner mit meinen neuen Kommunikationsregeln vertraut zu machen.
So wie Bestseller-Autor Tim Ferriss, der nur einmal pro Woche ungelesene Mails beantwortet und per Abwesenheitsnotiz freundlich deutlich macht, dass dieses Intervall auch nicht zu umgehen ist: „If it’s truly urgent (…), please call my cell. If you don’t have it, thank you for waiting until I can get back to the inbox“.
Die Signatur, die die Anhänger der Five-Sentences-Methode verwenden, weckt nicht nur Verständnis für die manchmal etwas mürrisch anmutenden Kurzantworten, sondern trägt auch zur Verbreitung der Methode bei:
Ich selbst schaffe es bisher selten, mich derart kurz zu fassen. Zum Glück gibt es noch weitere Möglichkeiten, den E-Mail-Aufwand für sich und andere zu reduzieren. Zitationsstil, Bullet Points, die Vermeidung von offenen Fragen oder unnötigen Höflichkeitsfloskeln: All das hilft, die Bearbeitungszeit pro E-Mail nach unten zu drücken.
Auch auf dieser inhaltlichen Ebene sozusagen, werde ich in Zukunft an meinem Kommunikationsverhalten arbeiten. Stufe vier. Kapazitäten dafür habe ich ja – jetzt, wo meine Inbox endlich wieder weiß, wer in unserer Beziehung die Hosen anhat.
Eine gute Vorgehensweise, aber für mich doch eher nur im privaten Rahmen umsetzbar. Gerade für den beruflichen Bereich fehlen mir hier auch ein paar Punkte…
Zum Beispiel arbeite ich im Büro bei der Mailbewältigung auch sehr viel mit Unterordnern in Kombination mit Regeln. Mir hilft das vor allem beim Priorisieren meiner Mails. Dann nutze ich ebenfalls die Hilfe von Markierungen, um nicht den Überblick zu verlieren. Bei mir sind das beispielsweise farbliche Markierungen für erledigt, in Bearbeitung oder auch Prüfen. Für ein persönliches Projekt, bei dem ich Tickets per Mail erhalte, nutze ich Unterordner betitelt als Offen und Abgeschlossen.
Gerade wenn man wie bei uns nichts löschen darf, finde ich solche Ordnungen und einfache Übersichten wichtig. =)
Hi S., mit Regeln arbeite ich auch, das beschreibe ich auf der zweiten Seite. Markierungen empfinde ich persönlich als nicht so hilfreich, aber letztlich bieten sie natürlich eine weitere Möglichkeit, für mehr Übersicht im Postfach zu sorgen. :)
Auch ganz wichtig, besonders für Medienvertreter, weil sie gerne in jeden Verteiler aufgenommen werden: Unerwünschte, unnötige Mails konsequent abbestellen. Mein Abbestellt-Text erscheint durch Tippen von „Mailverteiler“ , ist nicht unhöflich, aber so bestimmt formuliert, dass es in den wenigsten Fällen Nachfragen gibt.
Was das Filtern von Mails angeht, sollte man nach einigen Wochen prüfen, ob man später in deren Postfächer wirklich noch reingeschaut hat. Ansonsten: Abbestellen! Evtl. ist es ja zielführender, direkt in der App oder auf der Internet-Seite nachzusehen. Und wenn man da was übersieht? Sei es drum.